Professionelles Selbst und professionelles Handeln im Lehrerberuf

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Experimente im Sachunterricht
Advertisements


Berufsfachschule für Altenpflege
Interkulturelle Kompetenz der Lehr- und Fachkräfte LWL Münster 10./
Pro-Skills-Hintergrundphilosophie
Kompetenzorientierter Mathematikunterricht
Mythen über Schulqualität
Präsentation vom 10. Juli 2006 von Sylke Arpe
Gewissheit-/ Ungewissheitsorientierung
Herzlich Willkommen in der Franz Braun Franz Braun BBS Landstuhl.
Diagnostische Kompetenz als Schlüsselqualifikation
Raumbezogene Identität Virtuelle Denk- und Handlungsräume
Vorlesung: Einführung in die Pädagogische Psychologie
ISWeb - Information Systems & Semantic Web Marcin Grzegorzek 5.4 Latent Semantic Indexing und Singulärwertzerlegung Zerlegung von.
Beurteilung der Wirksamkeit von Schulungen Dr. Barbara Moos
Profilbildung inklusive Schule –
Risiken des Freiberuflers und deren Reduzierung in den Bereichen Umsatzsteuer und Wettbewerbsverbote Rechtsanwalt und Mediator (DAA) Dr. Benno Grunewald.
Gütekriterien des Unterrichts
Professionelles Lehrerhandeln
Forum Gemeinschaftsschule – Zukunft gestalten
Stiftung Partner für Schule NRW / G. Dittrich Forsbach, Die Aufgaben und Aktivitäten der Stiftung Partner für Schule NRW Lernen mal anders –
Sonderpädagogische Förderung in Tübingen
Beraten. Fördern. Unterstützen
in der Sekundarstufe II Beispiele aus dem BLK-Modellversuch
Die professionelle Lerngemeinschaft
Unterricht – anders organisiert
Künstlergemeinschaft Ober-Ramstadt
Wir begrüßen Sie zum Vorbereitungsdienst am Seminar Freiburg
Einführung zur «Reflection in Action» in den Handlungssequenzen
professioneller Akteur
Gemeinschaftsschule im Bildungszentrum West
Gemeinsam(es) Lernen mit Gefühl – das erste MindMatters-Unterrichtsheft für die Grundschule Im Heft finden Sie: Erkenntnisse zum sozial-emotionalen Lernen.
Was kleine Kinder brauchen, um stark zu werden
18. November 2006 Einführung in die Welt der fast 1000 Digital Möglichkeiten / Stefan Schmid / Herzlich willkommen Einführung.
Zentrale Diskussionspunkte in Fragen religiöser Kompetenzentwicklung
Auf Schritt und Tritt gemeinsam – der Mentor als Wegbegleiter
Was ist psychische Gesundheit?
Tag der Lehre 2012 Forschendes Lernen.
Religion unterrichten – aber wie ? Einführung in die Planung und
Problem basiertes Lernen und Lehren in der Praxis
Fortbildungsplanung fokussiert auf Unterrichtsentwicklung
Kompetenzentwicklung in schwierigen Zeiten: Wie man Jugendlichen dabei helfen kann, die eigene Biografie zu gestalten Perspektive Berufsabschluss, Offenbach.
Soziales Lernen als Aufgabe der Jugendhilfe
Das professionelle Selbst
Einführung in die allgemeine Didaktik / Fachdidaktik
Fortbildungsplanung fokussiert auf Unterrichtsentwicklung
SSP Ahrntal - Mittelschule Externe Evaluation Schuljahr 2011/2012.
WIE KANN SCHULE (LERN-) THERAPEUTISCH WIRKSAM WERDEN. Fachtagung 27
als Aufgabe der Schulen
Kompetenzorientiert fortbilden –kompetenzorientiert unterrichten
Verbesserung der Arbeitshaltung
Heraus Gefordert zur Arbeit mit Flüchtlingen und MigrantInnen 5Dr.
Soziales Lernen in der Schuleingangsphase an der GGS Deutzerstr.
Flächenseminar Qualitätsrahmen QB Q - Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung (Pflichtbereich) Kriterium Q 1 – Grundsätze der Lehrerbildung.
neuere Entwicklungen in der Lehrerausbildung
Fischer‘s Software Service Uwe Fisher Ihr Partner für professionelle Lösungen Consulting – Softwareentwicklung – Personal Training.
Projektbüro für förder- und kompetenzorientierten Unterricht
1 Steuerung und Qualitätsentwicklung im Fortbildungssystem Herbert Altrichter Johannes Kepler Universität Linz.
Evaluation des Projektes TRILINGUA Merzig, Peter Edelenbos.
Evaluation der Großtagespflege im Landkreis Schaumburg Mai 2009 – April 2011 Vortrag am in Oldenburg Prof. Dr. Joachim Romppel Fachhochschule.
____________ Andreas Maron Konzepte & Training
Zentrale Elemente der konzeptionellen Weiterentwicklung des Praxistages Inhalte: Prozess der Steuerung im Rahmen der Weiterentwicklung Grundlagen und Aspekte.
INKLUSION DURCH INDIVIDUALISIERUNG DAS KONZEPT DER GEMEINSCHAFTSSCHULE BILLERBECK.
Kooperatives Lernen.
Fakultät für Humanwissenschaften Lehrstuhl für Schulpädagogik, Dr. Matthias Erhardt I NFORMATIONSVERANSTALTUNG ZUR P RÜFUNG IM F ACH S CHULPÄDAGOGIK NACH.
Themen der pädagogisch psychologischen Diagnostik (Sommersemester 2006) Martin Brunner Lehr-Evaluation Martin Brunner Max-Planck-Institut für.
6. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (Dresden, September 2002) DGGG: FB IV - Forum Geragogik in der lernenden.
Mit dem Eintritt in die 8. Klasse beginnt für die Schülerinnen und Schüler der Startschuss für die Berufsvorbereitung. Diesen Weg wollen wir mit den Schülern.
Mit dem Eintritt in die 8. Klasse beginnt für die Schülerinnen und Schüler der Startschuss für die Berufsvorbereitung. Diesen Weg wollen wir mit den Schülern.
Leistungsnachweis Pädagogisches Selbstkonzept
 Präsentation transkript:

Professionelles Selbst und professionelles Handeln im Lehrerberuf Prof. Dr. Karl-Oswald Bauer, Hochschule Vechta Münster, 30. Januar 2008 www.karl-oswald-bauer.de

Anregung „Zur Persönlichkeit kann niemand erziehen, der sie nicht selber hat.“ C. G. Jung www.karl-oswald-bauer.de

Gliederung des Vortrags Kernaussagen, Leitfragen, Definitionen Konzepte der Selbst-Entwicklung Pädagogische Basiskompetenzen Tugenden und pädagogischer Optimismus Konsequenzen für Ausbildung und Entwicklung des professionellen Selbst www.karl-oswald-bauer.de

Kernaussagen „Wenn ich einen guten Unterricht erteile, verschafft mir das größere Energie. Dieses Wohlbefinden ist authentisch.“ Martin Seligman, Professor für Psychologie an der University of Pennsylvania „Lehrer sind nicht nur Experten für das Lernen der Schüler […], sie werden in wachsendem Maße auch Experten für ihr eigenes berufliches Weiterlernen in gezielter Fortbildung werden müssen.“ Ewald Terhart, Professor für Pädagogik an der Universität Münster www.karl-oswald-bauer.de

Leitfragen Was können Lehrkräfte, was nicht jeder andere auch kann? (Frage nach der spezifisch pädagogischen Kompetenz) Was bedeutet es, Lehrerin oder Lehrer zu sein? (Frage nach der beruflichen Identität) Wie kann professionelles Wachstum gefördert werden? (Frage nach der besseren Praxis) www.karl-oswald-bauer.de

Was ist professionell? „Pädagogisch professionell handelt eine Person, die gezielt ein berufliches Selbst aufbaut, das sich an berufstypischen Werten orientiert. Sie ist sich eines umfassenden impliziten pädagogischen Handlungsrepertoires zur Bewältigung von Arbeitsaufgaben sicher, kann sich mit sich selbst (innerlich) und anderen Angehörigen der Berufsgruppe Pädagogen in einer nichtalltäglichen Berufssprache verständigen, ihre Handlungen aus einem empirisch-wissenschaftlichen Habitus heraus unter Bezug auf eine Berufswissenschaft begründen und übernimmt persönlich die Verantwortung für Handlungsfolgen in ihrem Einflussbereich.“ (Quelle: Bauer 2005, Begründung in: Bauer 2000b, Bauer 2000c, zur Orientierung an berufstypischen Werten bzw. zum Thema „Berufsmoral von Lehrpersonen“ siehe Oser 1998). www.karl-oswald-bauer.de

Was ist ein „Selbst“? Unter „Selbst“ soll ein dem Bewusstsein teilweise zugänglicher stabiler Kern der Person verstanden werden, von dem aus diese ihre eigene Sicht der Dinge und ihre Entwicklung organisiert. Das Selbst entsteht in der Interaktion mit anderen und in der praktischen Bewältigung von Aufgaben und Herausforderungen. Es bleibt zu einem großen Teil implizit und besteht außer aus Kognitionen auch aus Emotionen und Handlungsprogrammen sowie Motiven und erlebt sich als dauerhaft und einmalig. Es entwickelt sich ständig weiter, oft durch die Bewältigung von Krisen. www.karl-oswald-bauer.de

Professionelles Selbst im Beruf sichtbar werdender Teil des Selbst, orientiert an berufstypischen Werten, nach Kompetenz strebend der Kern, von dem aus das Subjekt sein berufliches Handeln und seine Berufsbiographie organisiert ein zunehmend individuelles Profil von Können, Wollen und Fühlen in pädagogischen Interaktionen überflüssiger Begriff? www.karl-oswald-bauer.de

„teacher change“ – Forschungsansätze (nach Richardson/Placier 2002) naturalistische Ansätze Stufentheorien, biographische Entwicklung Interventionistische Ansätze: Lehrerbildung und Kollegiumsentwicklung, Organisationsentwicklung und effektive Schule www.karl-oswald-bauer.de

Wandel des Selbst durch Erfahrung Reflexion Handlungsentwurf Wahrnehmung von Handlungseffekten Handlung/Interaktion www.karl-oswald-bauer.de

Gezielte Förderung der Selbstentwicklung im Beruf Interne Prozesse Selbst Wahrnehmungen, Bewertung, Attribuierung, Emotionen, innere Konflikte, Handlungsprogramme… Professionelles Selbst Wissenschaftliche Ausbildung/Fortbildung Reflexion: Supervision, Coaching, Kollegiale Beratung, professional communities Training Praxis, experience www.karl-oswald-bauer.de

Fähigkeitsentwicklungsmodell (nach Blom 2000) unbewusst fähig bewusst fähig bewusst unfähig unbewusst unfähig www.karl-oswald-bauer.de

Lehrerpersönlichkeit und Unterrichtswirksamkeit (Angebot) Individuelle Eingangsvoraussetzungen (Schüler) Lehrerpersönlichkeit Wirkungen Fachliche Effekte Überfachliche Effekte Expertise, Fachwissenschaft Fachdidaktik Klassenführung Diagnostik Werte und Ziele Subjektive Theorien Selbstreflexion Selbstverbesserung Selbstwirksamkeit Qualität des Unterrichts Mediations-prozesse (Schüler) Lern- aktivitäten Klassenkontext und fachlicher Kontext (nach Helmke 2003, S. 42, modifiziert) www.karl-oswald-bauer.de

Innere Struktur des Selbst Kompetenzen Handlungsrepertoires Werte und Ziele Selbstwirksamkeitsüberzeugung Selbstkonzept Berufssprache Subjektive Theorien www.karl-oswald-bauer.de

Dimensionen der Selbstentwicklung im Beruf Pädagogische Kompetenzen: fachübergreifende Basiskompetenzen, fachwissenschaftliche und fachdidaktische Kompetenzen, spezielle Kompetenzen Charaktermerkmale, Tugenden, z.B. Sinn für Gerechtigkeit und Fairness, Klugheit und Besonnenheit, Weisheit und Wissbegier, Optimismus www.karl-oswald-bauer.de

Merkmale pädagogischer Basiskompetenzen Alle Angehörigen pädagogischer Berufe sollen über diese Kompetenzen verfügen. Laien und Angehörige anderer Professionen verfügen nicht oder weniger über diese Kompetenzen. Diese Kompetenzen können systematisch gefördert werden. Diese Kompetenzen sind eine Voraussetzung für wirksame Berufsausübung. Diese Kompetenzen können empirisch überprüft werden. www.karl-oswald-bauer.de

Pädagogische Basiskompetenzen Hintergrundarbeit Planen/Organisieren Lernumgebung gestalten Interaktion steuern Soziale Strukturen bilden Kommunizieren und Informieren Ziele klären Inhalte strukturieren www.karl-oswald-bauer.de

Charaktermerkmale: Interpretationskubus Quelle: Herrmann 2002, S. 212 www.karl-oswald-bauer.de

Geglückte Berufsbiographie Eine geglückte Berufsbiographie zeigt sich darin, dass positive Ereignisse global, stabil und internal attribuiert werden, negativ bewertete Ereignisse dagegen variabel, spezifisch und oft external. In der zweiten Lebenshälfte findet eine Neubewertung beruflicher Ziele statt. Auf die Frage nach dem Sinn werden persönliche Antworten gesucht. www.karl-oswald-bauer.de

Skala Pädagogischer Optimismus Item stimmt ganz und gar nicht (1) bis stimmt ganz genau (5) Die Schülerinnen und Schüler lernen bei uns vieles, was sie später im Berufsleben gar nicht brauchen. (-) Auf die lebensweltlichen Erfahrungen und Probleme der Schülerinnen und Schüler wird in unserer Schule in hohem Maß Bezug genommen. Ich bin davon überzeugt, dass in unserer Schule die Schülerinnen und Schüler gut auf die Lebensprobleme vorbereitet werden. Im Unterricht können unsere Schülerinnen und Schüler gut an ihre Vorkenntnisse und Fähigkeiten anknüpfen. Cronbachs Alpha 0.70, Wertebereich 0 - 16 www.karl-oswald-bauer.de

Benotung der eigenen Schule nach pädagogischem Optimismus der Lehrkräfte www.karl-oswald-bauer.de

Pädagogischer Optimismus und Burnout-Risiko www.karl-oswald-bauer.de

Wie verhalten sich pädagogische Optimisten im Unterricht? Je höher der pädagogische Optimismus einer Lehrkraft ist, desto häufiger finden Diskussionen in der Klasse statt (Kendall‘s tau-b=.08), desto mehr wird im Unterricht auch an Computern gearbeitet (.11), wird selbstständig gearbeitet (.12), werden eigene Untersuchungen durchgeführt von Schülern (.11), externe Experten in den Unterricht geholt (.14) und Multimedia eingesetzt (.08). N = 984 (Bauer/Kanders 2000, S. 319) Pädagogischer Optimismus geht also mit einer differenzierten, abwechslungsreichen und zeitweise die Selbstständigkeit der Schüler fördernden Didaktik in der Unterrichtspraxis einher. www.karl-oswald-bauer.de

Konsequenzen Zur Unterstützung der Selbst-Entwicklung: statt „trial and error“ geordnetes Feedback in der Ausbildung, v. a. in Praktika Training pädagogischer Basiskompetenzen zur Erzeugung impliziten Wissens/Könnens Verwenden globaler und dauerhafter positiver Selbstattributionen (Charakter fördern) Üben, an Fällen zu arbeiten berufsbegleitend kollegiale Beratung anbieten Unterrichtsentwicklung in professional communities Diagnostik zur Erfassung von Kompetenzzuwächsen bei Pädagogen pädagogische Selbstwirksamkeit erhöhen Besonderheiten der Lebensphase ansprechen Perspektive eröffnen: glücklich werden im Beruf durch die Kultivierung des professionellen Selbst www.karl-oswald-bauer.de