lic.phil. Judith Humbel Fachpsychologin für Psychotherapie FSP

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 Präsentation transkript:

„Schmerz lass nach“ – moderne Schmerzbehandlung in der Integrativen Therapie lic.phil. Judith Humbel Fachpsychologin für Psychotherapie FSP Reha A Zug / RehaClinic Zurzach

Risikofaktoren für Schmerzchronifizierung: „Yellow Flags“ (Kendall NA, 1999) A: Attitudes and Beliefs B: Behaviours C: Compensation Issues D: Diagnosis and Treatment Issues E: Emotions F: Family W: Work („black and blue flags“)

5 Säulen der Identität (Petzold HG, 2003) Leiblichkeit Soziale Beziehungen Arbeit und Leistung, Freizeit Materielle Sicherheiten Werte und Normen

Interdisziplinäre Abklärung und Behandlung Psychotherapie Rheumatologie Physiotherapie Ergotherapie Psychiatrie

Interdisziplinäre Abklärung Spezifische somatische Dysfunktionen Funktionelle Einschränkungen und Behinderungen Psychophysiologische Dysregulation Schmerzverarbeitung (motorisch-verhaltensmässig, emotional, kognitiv)

Interdisziplinäre Abklärung Subjektives Krankheitsmodell Schmerzlindernde Bewältigungsstrategien, Ressourcen Aktuelle Stressverarbeitung sowie Traumata in der Lebensgeschichte Funktionale Zusammenhänge

Interdisziplinäre Behandlungsziele Verbesserung der Lebensqualität Schmerzaufklärung (ZNS, ANS, Immunsystem etc.) Verbesserung der Selbstwirksamkeit, Selbständigkeit Unterstützung bei der Bewältigung aktueller psychosozialer Probleme Rekonditionierung, Verbesserung der Beweglichkeit, Abbau von Schon- und Vermeidungsverhalten, Anleitung zur angepassten, selbständigen Aktivitätssteigerung

Interdisziplinäre Behandlungsziele Entwickeln des Verständnisses für das biopsychosoziale Krankheitsmodell / für leib-seelische Zusammenhänge, funktionale Zusammenhänge Veränderung der Rolle vom Schmerz als bisher bestimmendem Faktor der Lebensführung Unterstützung beim Erwerben der Akzeptanz ein Leben zu führen, das nach Werten ausgerichtet ist und Schmerz mit einschliesst Förderung eines positiven Körpererlebens durch leibliche Ressourcenarbeit, Imaginationsübungen (z.B. „conflict free imagery“, Phillips 2007 ) Förderung von leiblichem Genuss

Disziplinspezifische Behandlungsziele Optimierung der Schmerzmedikation und Information über Medikamente Aufklärung der Patienten bzgl. Diagnose, Stellenwert und Konsequenz der erhobenen Befunde Information über die pathophysiologischen Vorgänge der Chronifizierung Schmerztagebuch-Analyse: physischer und emotionaler Schmerz und Stress Occupational Balance: Erarbeitung einer ausgeglichenen Tages- und Wochenstruktur Occupational Adaptation: Veränderung der Handlungsperformanz und Adaptionen des Kontextes Fördern von Ressourcen und Freizeitverhalten Vermittlung von Wissen bezüglich Rechts- und Versicherungsfragen Kontakte zu Beratungsstellen herstellen Konkrete Auseinandersetzung mit Lebensbereich Arbeit

Multimodales Vorgehen in der Psychologischen Gruppentherapie Förderung von Solidaritätserfahrung Übungszentriert-funktionale Modalitäten: z.B. Problemlösestrategien, Freudetagebuch führen Erlebniszentriert-stimulierende Modalitäten: z.B. „Ein guter Tag“, „Durch den Regen gehen“, „Passbüro“, Erfahrung von Körpergrenzen Konfliktzentriert-aufdeckende Modalitäten: z.B. Idolfrage; Umgang mit Leistung

Störungsverständnis vieler PatientInnen Der Schmerz wird als Gefahr und als Fremdkörper gesehen, der mit allen Mitteln bekämpft und ausgetrieben werden muss Die PatientInnen reiben sich auf im Versuch, den Schmerz irgendwie in den Griff zu bekommen Aus dem ursprünglichen Leiden durch den Schmerz entsteht erneutes, zusätzliches Leiden aufgrund misslungener Kontrollversuche (unzählige Arztbesuche, Enttäuschungen, Ablehnung von IV-Anträgen etc.)

Konsequenz In vielen Fällen von chronischen Schmerzen ist der Versuch der absoluten Kontrolle über den Schmerz häufig nicht die Lösung, sondern das Problem Energielosigkeit, Unruhe, Verzweiflung, Angst Vermeidungsverhalten, Rückzug Hadern mit der Realität, nicht akzeptieren können Verlust des Kontakts mit dem Hier und Jetzt Werteverlust/-krise, Identitätsverlust/-krise

Implikationen für die Behandlung Bewusstmachen der bisherigen individuellen Schmerzbewältigung im jeweiligen biopsychosozialen Kontext und Kontinuum: „creative hopelessness“ (Hayes et. al 2003) Förderung der schrittweisen Entwicklung von flexiblerem Verhalten im Umgang mit dem Schmerz (Schmitz 1996) „Zurück zu den Werten“ – was empfindet der Patient als zu seiner Identität gehörig? Was ist ihm wichtig? Wie kann er – trotz und mit Schmerz – wieder dahin zurückfinden? Förderung der Schmerzakzeptanz Achtsamkeit

ACT: Acceptance and Commitment Therapy (Dahl, 2004) Akzeptanz vs. Kontrolle und Vermeidung („experiential avoidance“) Willentlich innerlich immer wieder Abstand gewinnen von Gedanken und Gefühlen als handlungsleitendem Fakt („Defusion of inflexible cognition“) Achtsamkeit: aufmerksam sein in der Gegenwart; das Leben in all seinen Facetten wahrnehmen und so reichhaltiger machen. Nicht nur: sich besser fühlen, sondern eher: besser zu fühlen Ein an Werten ausgerichtetes Leben

Bottom Up-Approaches „Awareness“ (Petzold 1996), Gewahrsein: wache Ausrichtung des Leibs auf das, was in mir und um mich herum vor sich geht Allgemeine Sensibilisierung der Körperwahrnehmung (z.B. Yoga) Körperliche Entspannung und Aktivierung Entwicklung einer differenzierten Körper- und Schmerzwahrnehmung Bodyscan Gehmeditation

Achtsamkeit verankert Körper und Geist im Hier und Jetzt, da wo gerade jetzt mein Leben stattfindet, bei dem, was jetzt gerade mein Leben ausmacht gibt uns die Gelassenheit und Geduld, auch mit Unangenehmem und Schmerzhaftem zu sein, ohne sich ihm ausgeliefert zu fühlen Bodyscan Achtsames Yoga Atemachtsamkeit

Wertekompass Frage: Wie sehr Leben Sie Ihr Leben gemessen an dem, was Ihnen wichtig ist? Gesundheit / Körper ( Leiblichkeit) Partnerschaft, Elternschaft, Beziehung zu Familienmitgliedern, Freunde und Bekannte ( soziales Netzwerk) Arbeit/ Haushalt / persönliches Wachstum (Arbeit und Leistung) Materielle Sicherheiten Freizeit und Erholung Gesellschaftliches Engagement Spiritualität

Effektivität der multidisziplinären Schmerztherapie (McCracken et al Effektivität der multidisziplinären Schmerztherapie (McCracken et al.; Spine, 2002) Das Entscheidende ist nicht eine bessere Schmerzreduktions-Strategie, sondern eine bessere Schmerz-“disengagement“-Strategie Realistische Akzeptanz der Schmerzen als chronische Situation Weniger negative emotionale Reaktion auf Schmerz Schmerz ertragen, ohne ihn um jeden Preis vermeiden oder reduzieren zu wollen

Akzeptanz (Mc Cracken et al., 2007) Studie mit 227 Patienten mit chronischen Schmerzen: 33% der Gesamtvarianz des Funktionierens in verschiedenen Bereichen (Körperliche Behinderung, psychosoziale Beeinträchtigung, körperliche Aktivität, Arbeitsfähigkeit, Depression, Angst) kann durch den Faktor Akzeptanz erklärt werden

Quellen Kendall et al. (1997). „Yellow Flags“. Aus: Basler et al. (2004). Psychologische Schmerztherapie. Springer: Berlin Rahm et al. (1995). Einführung in die Integrative Therapie. Paderborn: Junfermann Schmitz, U., Saile, H., Nilges, P. (1996). Coping with chronic pain: flexible goal adjustment as an interactive buffer against pain-related distress. Pain, 67, 41-51. Phillips, M. (2007). Reversing Chronic Pain. A 10-Point All-Natural Plan for Lasting Relief. Berkeley, North Atlantic Books. Dahl JC, Wilson KG, Luciano C, Hayes SC: Acceptance and comitment therapy for chronic pain. Context Press Reno 2005. Petzold H.G. (2003). Die Integrative Identitätstheorie als Grundlage für eine entwicklungspsychologisch und sozialisationstheoretisch orientierte Psychotherapie. Amsterdam, Düsseldorf, Paris: ? Reddemann, L. (2004). Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie PITT- Das Manual. Stuttgart: Klett Hayes SC, Strohsahl K, Wilson KG (2003). Acceptance and Commitment Therapy. NY: The Guilford Press. Franck G. (2008). Achtsamkeit und Akzeptanz – Erfolgsfaktoren in der Schmerztherapie? Schmerztherapie, 1, 15-19. K. Vowles, L. McCracken, C. Eccleston (2007). Processes of change in treatment for chronic pain: The contributions of pain, acceptance, and catastrophizing. European Journal of Pain, Volume 11, Issue 7, Pages 779-787 Petzold HG (1996). Integrative Bewegungs- und Leibtherapie. Ein ganzheitlicher Weg leibbezogener Psychotherapie. Paderborn: Junfermann