Armut in Indien Definition, Messung, Ausmaß Dr

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 Präsentation transkript:

Armut in Indien Definition, Messung, Ausmaß Dr Armut in Indien Definition, Messung, Ausmaß Dr. Daniel Neff Schwerpunktseminar: Armut in Indien Schmitten, 12.10.2013

Inhalt und Ziele der Präsentation - I Was ist Armut? Schwierigkeit der Definition Wie misst man Armut? Kritische Diskussion der gängigen Praxis Welche Problem gibt es bei der Messung? Aufzeigen der Implikationen Wie ist das Ausmaß von Armut in Indien? Kritische Diskussion der Erfolge

Inhalt und Ziele der Präsentation - II Optionaler Teil / Exkurs (Diskussion?): Wer sind „die Armen“ Warum sind Leute arm, bzw. bleiben arm? Indiens Sozialpolitik seit 1948

Definitionen von Armut - I A. Was ist Armut? Armut = Bedürftigkeit, Mangel erleiden, Benachteiligung Grundlage ist die moralphilosophische Frage: Was ist das „gute Leben“ Es gibt viele unterschiedliche Vorstellungen des „guten Lebens“, deshalb auch… …viele Definitionen von Armut, z.B. = Mangel an (lebensnotwendigen) Ressourcen = soziale Diskriminierung = Mangel an Verwirklichungschancen (A. Sen)

Definitionen von Armut - II Keine allgemeingültige Definition von Armut, aber Einigkeit in drei Punkten: Armut ist soziales Phänomen (Macht, Frage d. Verteilung v. Gütern) Armut ist multidimensional (Einkommen, Unterernährung, Zugang zu Bildung und/od. Gesundheitseinrichtungen, Obdach, keine Stimme in der Gesellschaft etc.) Die „Armen“‘ sind keine homogene Gruppe, deshalb müssen Sozialmaßnahmen genau auf die Zielgruppe abgestimmt sein

Messung von Armut - I B. Wie kann man Armut messen? Festlegung von Gebiet/Population Identifizierung von relevante/r(n) „Dimension(en)“ Festlegung von Armutsgrenze(n) Gewichtung einzelner Dimensionen / Äquivalenzskalen

Messung von Armut - II In der Praxis kann man zwischen drei „Armutskonzepten“ unterscheiden: Absolute Armut = Unterschreiten des physischen Existenzminimums (Vergleichbarkeit möglich) ($1/Tag, WB) Relative Armut = Unterschreiten des sozio-kulturellen Existenzminimums (Vergleichbarkeit nicht gegeben) Subjektive Armutskonzepte (Gefühlte Armut) = Unterschiedliche Wahrnehmung von Armut (geprägt von Werten, Grundannahmen, Interessen, Verständnis usw.)

Messung von Armut - III A B Beispiele: Population in Gebiet A&B: 5 Einkommensverteilung: 1 2 3 4 5 Σ Ø Median 100 80 40 10 235 47 A 1 2 3 4 5 Σ Ø Median 60 55 50 40 30 235 47 B

Messung von Armut - IV Definition von Armut in Indien Sehr frühe Studie von Dadabhai Naoroji (1901) zu Lebensbedingungen (Armut) in der britischen Kolonie Indien; berechnete erstmals „minimal notwendigen Lebenshaltungskosten“ und verglich diese (mangels Daten zum pro-Kopf-Einkommen) mit dem geschätzten pro-Kopf-Ertrag um Armut darzustellen Seit den 50er Jahren regelmäßige repräsentative Umfragen im Land (NSS)

Messung von Armut - V Offizielle Armutsmessung bis 2010 hauptsächlich kalorienbasiert; Grundannahme: Wissenschaftlich ermittelbare notwendige Kalorienzufuhr Basierend auf einer Studie von Dandekar & Rath (1971): 2250 Kalorien pro Kopf / Tag für ländliche und urbane Gebiete Preisindex (ländlich/urban; Inflation) Planning Commission (1979): 2400 Kalorien pro Kopf/Tag für ländliche Gebiete & 2100 Kalorien pro Kopf/Tag für urbane Gebiete Armutsgrenze 2010 ca. Rs. 12 pro Kopf/Tag (14 Cent) im ländlichen u. Rs. 15 pro Kopf/Tag (18 Cent) im urbanen Indien

Messung von Armut - VI In 2011/12 Revision der Armutsgrenze durch die Suresh Tendulkar Kommission Jetzt zusätzlicher Einbezug von Bildung- u. Gesundheitsausgaben Armutsgrenze: ca. Rs. 22 (26 Cent) in ländlichen u. Rs. 28 (34 Cent) im urbanen Indien (pro Kopf/Tag) Große Diskussion/Kritik innerhalb Indiens

Messung von Armut - VII Probleme (Auswahl): Veränderung der Essgewohnheiten Arbiträre Armutsgrenze (z.B. $1/Tag) Haushaltseinkommen – Verteilung? Bevölkerungswachstum Höhere Sterblichkeit von Armen

Messung von Armut - VIII Beispiel a - Bevölkerungsentwicklung: Einwohnerzahl im Jahr 1950: 10 Millionen Armutsrate: 50% Arme insgesamt: 5 Millionen Einwohnerzahl im Jahr 2000: 20 Millionen Armutsrate: 40% Arme insgesamt: 8 Millionen

Messung von Armut - IX

Messung von Armut - X Beispiel b – Höhere Sterblichkeit: Einwohnerzahl 1990: 10 Mio. Arme: 3 Mio. Armutsrate: 30% 1990-2000 Hungersnot – 1 Mio. Arme sterben Einwohnerzahl 2000: 9 Mio. Arme: 2 Mio. Armutsrate: 22%

Messung von Armut - XI Warum ist Messung von Armut trotzdem notwendig? Es ermöglicht… die Analyse von Armut nach Regionen, sozio-ökonomischen Gruppen die Ursachen von Armut zu erforschen und damit neue zielgerichtete Programme zu entwickeln die Überwachung von bestehenden Programmen und die Analyse ihrer Wirksamkeit  Eine präzise Darstellung von Armut ist nicht möglich. Armutsmessung = gute, notwendige Orientierungshilfe für Armutsbekämpfungsmaßnahmen

Messung von Armut - XII Der Einfluss der Politik – Beispiel MDGs Quelle: T. Pogge (2009): Die Entwicklung moralisch plausibler Indizes

Messung von Armut - XIII Der Einfluss der Armutsgrenze– Beispiel MDGs

Ausmaß an Armut - I Ausmaß der Armut in Indien nach offizieller Messung Die „Great Indian Poverty Debate“ 1999/2000 HCR=Head Count Ratio

Ausmaß an Armut - II Armut nach sozialen Gruppen in Indien Quelle: Webseite Planning Commission

Ausmaß an Armut - IV Erzeugt über Google / Public Data / World Development Indicators

Ausmaß an Armut - V Quelle: Ravallion

Ausmaß an Armut - VI

Ausmaß an Armut - VII

Vielen Dank! Mehr?

Exkurs I - Wer sind „die Armen“? Oft (landlose) Gelegenheitsarbeiter Oft aus bestimmten sozial benachteiligten Gruppen (Stämme, „untere“ Kasten, Frauen, religiöse Minderheiten) Oft ältere Personen, Witwen, alleinerziehende /alleinstehende Frauen Oft angesiedelt in ländlichen, abgelegenen Gebieten, mit Geringer landwirtschaftlicher Produktivität Geringer Beschäftigung  „Pockets of poverty“

Exkurs II – Weshalb sind die Leute arm, bzw. bleiben sie arm? Kein, bzw. geringes Einkommen (kein Landbesitz) Kein, bzw. geringes verfügbares Kapital (kein Zugang zu Kredit) Keine, bzw. geringe Sparmöglichkeiten / Überschuldung Schocks (Krankheit, Ernteausfälle, Naturkatastrophen etc.) Keinen, bzw. geringen Zugang zu staatlichen Sozialleistungen  Teufelskreise aus Armut

Exkurs III – Indiens Sozialpolitik seit 1948 Soziale Absicherung einer Minderheit formal Beschäftigter Geringe staatl. Ausgaben für Gesundheit u. Bildung Durchschnittliche Ausgaben (1998-2007) der Zentralregierung in % des BIP für (Quelle: Banerjee 2010): Gesundheit 2% Bildung 4% Verteidigung 14%

Exkurs III – Indiens Sozialpolitik seit 1948 Ernährungssicherheit Aber: Große Anzahl von Sozialprogrammen, Zielgruppenspezifisch (Arme, Witwen, Kinder) Zweckspezifisch (Schulessen, Bekämpfung ansteckender Krankheiten etc.) die die Grundpfeiler der Sozialpolitik abdecken sollen, nämlich: I Bildung II Gesundheit III Ernährungssicherheit

Exkurs III – Indiens Sozialpolitik seit 1948 Ernährungssicherheit Bildung II Gesundheit III Ernährungssicherheit Ländliches Beschäftigungsprogramm Grundschulbildung Public Distribution System Nationale ländliche Gesundheitsmission Subventionierte Krankenversicherung Kostenfreie Versicherungen (Todesfall, Behinderung, Unfall) Schulessen Altersrente

Exkurs III – Indiens Sozialpolitik seit 1948 Allgemeine Probleme der Sozialprogramme: Chronisch unterfinanziert -Inklusions-/Exklusionsfehler Wer ist Teil der Zielgruppe, wer nicht? (Beispiel BPL) - Mangelhafte Implementierung / Umsetzung / Transparenz Gelder der Zentralregierung werden oft nicht abgerufen - Hoher Schwund an bereitgestellten Mitteln u. Gütern Beispiel PDS  Konsequenz: Sozialprogramme bisher wenig effektiv

Exkurs III – Indiens Sozialpolitik seit 1948 Zäsur in der Sozialpolitik ca. 2004 erkennbar: Bestreben Sozialprogramme universeller, umfassender, gerechter und effizienter auszurichten  Auf Rechten basierende Programme Right to Education Act (RTE) 2005 National Rural Employment Guarantee Act (NREGA) 2005 Food security bill (aktuell diskutiert)

Exkurs III – Indiens Sozialpolitik seit 1948 Reform der Regierungsführung durch Gesetze - Right to Information Act (RTI) 2009 - Forest Right Act (2009)  Umgestaltung/Ausweitung bestehender Programme - Subventionierte Krankenversicherung Ausbau der nationalen ländlichen Gesundheitsmission Grundschulbildung  „Digitale Revolution“ – Einführung der digitalen ID-Cards