„Eine Zivilisation der Gerechtigkeit und der Liebe“

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 Präsentation transkript:

„Eine Zivilisation der Gerechtigkeit und der Liebe“ Utopie oder christlicher Beitrag zur Gestaltung von Welt und Gesellschaft? Prof. Dr. Ursula Nothelle-Wildfeuer Pädagogische Woche KÖLN Donnerstag, 27. Oktober 2005

Weltjugendtag in Toronto Aufforderung Johannes Pauls II. an die Jugendlichen, „Baumeister einer Zivilisation der Liebe und der Gerechtigkeit“ zu sein. spezifisch christlicher Beitrag zur Gestaltung von Welt und Gesellschaft. Salz der Erde

1. Der Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ 1.1 Zur Begriffsgeschichte Aristoteles: drei ethisch-rechtsphilosophische Verwendungsweisen des Begriffs „Gerechtigkeit“: - kommutative (Tausch-G.) - distributive (Verteilungs-G.) - legale Gerechtigkeit (Legal-G.) „soziale Gerechtigkeit“: sizilianische Priester Taparelli d’Azeglio 1840

1. Der Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ 1.2 Engführungen des Begriffs „Soziale Gerechtigkeit“ 1. Subjekt, Produzent und Garant sozialer Gerechtigkeit ist primär der Staat, 2. Soziale Gerechtigkeit ist dann hergestellt, wenn die ökonomischen Verhältnisse der Staatsbürger zu einem gerechten Ausgleich gekommen sind. 3. Dieses Ziel ist rein technisch-praktisch zu verwirklichen.

1. Der Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ 1.3 Soziale Gerechtigkeit als Aufgabe der Gesellschaft Anbindung an die Gemeinwohlgerechtigkeit Subsidiaritätsprinzip einer ungehemmten gesellschaftlichen Machtbefugnis des Staates in QA (1931) entgegengestellt

1. Der Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ 1.4 Soziale Gerechtigkeit als Beteiligungsgerechtigkeit Amerikanischer Wirtschaftshirtenbrief von 1986: „kontributive Gerechtigkeit“ „dass die Menschen die Pflicht zu aktiver und produktiver Teilnahme am Gesellschaftsleben haben und dass die Gesellschaft die Verpflichtung hat, dem einzelnen diese Teilnahme zu ermöglichen.“ (Nr. 71) Denkschrift der EKD „Gemeinwohl und Eigennutz“ (1991) „Beteiligungsgerechtigkeit“, „partizipative Gerechtigkeit“ (Nr. 157)

1. Der Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ 1.4 Soziale Gerechtigkeit als Beteiligungsgerechtigkeit Sozialwort der beiden Kirchen Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit (1997): „Angesichts real unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, bestehende Diskriminierungen aufgrund von Ungleichheiten abzubauen und allen Gliedern der Gesellschaft gleiche Chancen und gleichwertige Lebensbedingungen zu ermöglichen.“ (Nr. 111)

1. Der Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ 1.4 Soziale Gerechtigkeit als Beteiligungsgerechtigkeit Memorandum einer Expertengruppe, berufen durch die Kommission VI für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz: Mehr Beteiligungsgerechtigkeit“ „Es kommt darauf an, allen – je nach ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten – Chancen auf Teilhabe und Lebensperspektive zu geben, statt sich damit zu begnügen, Menschen ohne echte Teilhabe lediglich finanziell abzusichern.“ Auch in neueren philosophische Theorien sozialer Gerechtigkeit (John Rawls oder Michael Walzer) ist Soziale Gerechtigkeit, soziale Rechte auf die Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben zu haben.

1. Der Begriff „Soziale Gerechtigkeit“ 1.5 Soziale Gerechtigkeit als Frage des Ethos Soziale Gerechtigkeit lässt sich nicht rein technisch-praktisch herstellen, sondern erfordert auch eine angemessene Einstellung der Mitglieder einer Gesellschaft: QA 88: Formel von der „sozialen Gerechtigkeit und der sozialen Liebe“ neu erwachtes und intensiv artikuliertes „Gerechtigkeitspathos“ allein schafft daher noch keine soziale Gerechtigkeit, „Die Erfahrung der Vergangenheit und auch unserer Zeit lehrt, dass die Gerechtigkeit allein nicht genügt, ja, zur Verneinung und Vernichtung ihrer selbst führen kann, wenn nicht einer tieferen Kraft – der Liebe – die Möglichkeit geboten wird, das menschliche Leben in seinen verschiedenen Bereichen zu prägen.“ (DM 12,3). Vgl. auch Nikolaus Monzel: „Liebe als Sehbedingung der Gerechtigkeit“

2.1 Der Dreiklang von Liturgia, Martyria und Diakonia 2. Sozialethische Elemente eines christlichen Beitrags zu einer Agenda der sozialen Gerechtigkeit 2.1 Der Dreiklang von Liturgia, Martyria und Diakonia Das gemeinsame Sozialwort der beiden Kirchen „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ von 1997 formuliert: „Die Christen können nicht das Brot am Tisch des Herrn teilen, ohne auch das tägliche Brot zu teilen. Ein weltloses Heil könnte nur eine heillose Welt zur Folge haben.“

2.2 Die Sorge um den Menschen in seiner Würde 2. Sozialethische Elemente eines christlichen Beitrags zu einer Agenda der sozialen Gerechtigkeit 2.2 Die Sorge um den Menschen in seiner Würde Sorge um das Wohl des Menschen in seiner personalen Würde als vorrangige und zentrale Aufgabe, als Folge des Doppelgebots der Gottes- und Nächstenliebe (Mk 12,28-31 par).

2.3 Die Option für die Armen 2. Sozialethische Elemente eines christlichen Beitrags zu einer Agenda der sozialen Gerechtigkeit 2.3 Die Option für die Armen Option für die Armen, für die Ausgeschlossenen, die Schwachen, Benachteiligten und an den Rand Gedrängten, d.h.: es ist immer wieder darauf zu achten, inwiefern das politische Handeln „die Armen betrifft, ihnen nützt und sie zu eigenverantwortlichem Handeln befähigt. Dabei zielt die biblische Option für die Armen darauf, Ausgrenzungen zu überwinden und alle am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Sie hält an, die Perspektive der Menschen einzunehmen, die im Schatten des Wohlstands leben und weder sich selbst als gesellschaftliche Gruppe bemerkbar machen können noch eine Lobby haben.“

2. Sozialethische Elemente eines christlichen Beitrags zu einer Agenda der sozialen Gerechtigkeit 2.3 Die Option für die Armen Impulstext „Das Soziale neu denken“, (12.12.2003) Frage, wie man den berechtigten Anliegen, Sorgen und Nöten derjenigen Gehör verschaffen und ihre Probleme einer gemeinwohlverträglichen Lösung zuführen kann, die keine Lobby haben. Wer sind denn heute die Armen? 19. Jahrhundert: große Gruppe der abhängigen Industriearbeiter, zentraler Konflikt: zwischen Arbeit und Kapital. heute die Menschen, die keine Lobby haben (1) Arbeitslose (2) Familien (3) kommende Generationen (Nachhaltigkeit) Vorschlag des Impulspapiers: Sozialstaats-TÜV

2. Sozialethische Elemente eines christlichen Beitrags zu einer Agenda der sozialen Gerechtigkeit 2.4 Zwischen Eigenverantwortung und solidarischer Unterstützung – das Subsidiaritätsprinzip Subsidiaritätsprinzip, erstmalig 1931 in der kirchlichen Sozialenzyklika „Quadragesimo anno“ Nr. 79 formuliert 1. die subsidiäre Kompetenz resp. das Entzugsverbot: 2. subsidiären Assistenz 3. subsidiären Reduktion Kompetenzanerkennungsprinzip Prinzip der Freiheitsermöglichung Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips: Sozialstaat - nicht eine Überbrückungsveranstaltung - nicht ein Versorgungs- resp. Fürsorgestaat (vgl. Centesimus annus 1991)

2. Sozialethische Elemente eines christlichen Beitrags zu einer Agenda der sozialen Gerechtigkeit 2.5 Zwischen Hilfe zur Selbstständigkeit und Rundum-Versorgung – das Solidaritätsprinzip Eine Kultur der Solidarität ist gerade aus der Perspektive der christlichen Sozialethik unverzichtbar und die Kehrseite der Rede von der Menschenwürde! Aber: Gesellschaftliche Solidarität ist nicht einfachhin durch Verteilungspolitik einzulösen Solidaritätsprinzip erst im Zusammenspiel zweier Elemente angemessen verstanden 1. Entgegennehmen der Leistungen der Solidarität. 2. Erbringen der Leistungen der Solidarität

Beispiel: Arbeitslosigkeit 2. Sozialethische Elemente eines christlichen Beitrags zu einer Agenda der sozialen Gerechtigkeit 2.5 Zwischen Hilfe zur Selbstständigkeit und Rundum-Versorgung – das Solidaritätsprinzip Eine Kultur der Solidarität ist gerade aus der Perspektive der christlichen Sozialethik unverzichtbar und die Kehrseite der Rede von der Menschenwürde! Aber: Gesellschaftliche Solidarität ist nicht einfachhin durch Verteilungspolitik einzulösen Solidaritätsprinzip erst im Zusammenspiel zweier Elemente angemessen verstanden 1. Entgegennehmen der Leistungen der Solidarität. 2. Erbringen der Leistungen der Solidarität Beispiel: Arbeitslosigkeit

3. Schluss: Utopie oder (realistischer) Beitrag zur Weltgestaltung? Sorge um eine „Zivilisation der Gerechtigkeit und der Liebe“ - eine Utopie oder ein (tatsächlich wirkungsvoller) christlicher Beitrag zur (Mit)gestaltung von Welt und Gesellschaft? Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ über die „Kirche in der Welt von heute“ Nr. 39: „eschatologischer Vorbehalt“