Grundkurs Deutsche Geschichte 1495 – 1648 Dr. Matthias Langensteiner

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 Präsentation transkript:

Grundkurs Deutsche Geschichte 1495 – 1648 Dr. Matthias Langensteiner Vierte Sitzung am 05.11.2008: Der politisch-gesellschaftliche Umbruch als Folge der Refor- mation

Gliederung: Öffentlichkeit und Kommunikation Ritterschaft und Reformation Die Bauern und die Reformation Stadt und Reformation Fürsten und Beamte und die Reformation

Stellen Kerntruppe der neu entstehenden evangelischen Pfarrerschaft Öffentlichkeit und Kommunikation: Die Kommunikationsträger der Reformation 1.1.Der Klerus Vor allem städtische Prädikanten (Prediger) und Augustinereremiten Anhänger der Reformation Stellen Kerntruppe der neu entstehenden evangelischen Pfarrerschaft Prädikanten haben Zugang zu Kanzeln, sehr wichtig für Ausbreitung der Reformation in unteren Volksschichten Ordenssolidarität der Augustinereremiten mit Luther, gehen als verheiratete Pfarrer in die Gemeinden; 1523 als Orden praktisch nicht mehr existent

1. Öffentlichkeit und Kommunikation: Die Kommunikationsträger der Reformation 1.2. Die Humanisten Zunächst begierige Aufnahme der Ideen Luthers, da viele gemeinsame Anliegen Entstehung von Zellen früher Lutheranhänger in den humanistischen Freundeszirkeln Jedoch bald Abflauen der Begeisterung wegen unterschiedlicher Menschenbilder, 1524 Abgrenzung Erasmus‘ von Luther („Traktat vom freien Willen“)

1. Öffentlichkeit und Kommunikation: Die Kommunikationsträger der Reformation 1.3. Der Buchdruck Reformation als Initialzündung für vermehrte Buchproduktion und expandierenden Buchmarkt Vor allem Lutherbibel wichtig für Festigung des neuen Glaubens, auch große sprachgeschichtliche Bedeutung Wichtige Rolle der Flugschriften in Wort und Bild als publizistisches Kampfmittel Neue Rolle des Mediums Buch: Nicht mehr Aufbewahrer von Wissen, sondern Träger von Meinungen

2. Ritterschaft und Reformation Ritter erste weltliche Anhänger Luthers Missverstehen Luthers Freiheitsbegriff als politisch-patriotische Freiheit Hintergrund: Funktions- und Legitimationskrise der Ritterschaft Folge: Reihe von Erhebungen, 1522/23 Ritterkrieg mit Sickingischer Fehde  Reichsweite Erhebung des niederen Adels bleibt jedoch aus! Später oftmals Rückschwenk ins katholische Lager wegen Aufstiegschancen in der Reichskirche

3. Die Bauern und die Reformation Bereits seit spätem 15. Jahrhundert Unzufriedenheit in weiten Teilen der Bauernschaft wegen bedrückter Lage Rasch verändernde ökonomische und politische Rahmenbedingungen verschärfen seit 1500 die Krise: Erhöhung der Abgaben, Beamtenwillkür, Verschärfung der Leibeigenschaft, Einebnung „alten Rechts“, soziale Spannungen innerhalb der Dorfgemeinschaft Wunsch, alte Selbstverwaltungsrechte wiederherzustellen oder auszubauen

3. Die Bauern und die Reformation Berührungspunkte mit der Reformation: Rückbindung der gesellschaftlichen Lebensordnung an „göttliches Recht“, Gemeindeprinzip  neue Legitimationsbasis der bäuerlichen Forderungen! 1525 große Zahl von teilweise miteinander verbundener Bauernerhebungen (Bauernkrieg) Schwaben: Verabschiedung der „Zwölf Artikel“, jedoch Wunsch nach friedlicher Einigung mit Obrigkeit; schließlich Niederschlagung durch Schwäbischen Bund

3. Die Bauern und die Reformation Franken: kleinere militärische Erfolge sorgen für partielle Radikalisierung, Erstürmung von Schlössern und Klöstern; blutige Niederschlagung durch Schwäbischen Bund Thüringen: Thomas Müntzer Wortführer der Bauern, predigt chiliastischen Entscheidungskampf, jedoch schwere Niederlage in der Schlacht von Frankenhausen Distanzierung Luthers von Müntzer und den Bauern, fordert Fürsten zu hartem Durchgreifen auf Folgen: Hoffnung der Bauern auf autonome Selbstverwaltung zerschlägt sich, jedoch größere Rechtssicherheit der Bauern

4. Stadt und Reformation „the reformation was an urban event“ (A.G. Dickens) Große Reichsstädte zählen zu ersten Anhängern der Reformation Enge Verbindung Stadt – Reformation: Alphabetisierung, Bildungsanstalten, Bildungsbürgertum, Gemeindeprinzip Neugestaltung des städtischen Kirchenwesens Herausbildung eines neuen evangelischen Pfarrerwesens

4. Stadt und Reformation Kopplung der reformatorischen Bewegung mit materiellen Interessen und politischen Spannungen: Krise des „alteuropäischen Stadtrepublikanismus“ Grundlagen: persönliche Grund- und Freiheitsrechte, Gleichheit, politische Partizipation, oligarchisch-egalitäre Besetzung der Gremien  Krise des Systems wegen autoritärer Regimente der Stadträte und Souveränitätsbestrebungen der Fürsten!

4. Stadt und Reformation Spannungen verbinden sich mit reformatorischer Dynamik, Welle von Bürgerbewegungen mit Ausbau des stadtrepublikanischen Modells als Folge In einigen Fällen Radikalisierung (Wullenwever in Lübeck, Täufer in Münster…) Zumeist jedoch friedlicher Verlauf, nach Konsolidierung gewinnen Räte zumeist wieder Oberwasser gegenüber der Bürgerschaft  nach der Reformation jahrzehntelanges Gegeneinander von bürgerlich-städtischem Unabhängigkeitsstreben und Staatsräson des frühmodernen Fürstenstaats!

5. Fürsten und Beamte und die Reformation Unterstützung Friedrichs des Weisen entscheidend für Schicksal Luthers Bald Anschluss weiterer Fürsten an die Reformation, zweite und dritte Generation folgen  Entstehung eines Blocks evangelischer Reichsfürsten Oftmals politische Interessen ausschlaggebend für Glaubensentscheidung der Fürsten  Religion als Mittel zur Durchsetzung weltlicher Ziele (Bsp. Albrecht von Preußen)

5. Fürsten und Beamte und die Reformation Festigung der Fürstenherrschaft durch Einziehung der Kirchenvermögen und Säkularisierung und Einverleibung geistlicher Territorien Auch Bürgertum profitiert von Einführung der Reformation wegen größerer Aufstiegschancen Geistliche Stände bleiben aus Eigeninteresse altgläubig Rückkehr vieler Ritter zum Katholizismus wegen Aufstiegsmöglichkeiten in der Reichskirche Auch weltliche Fürstendynastien profitieren von Beibehaltung des Katholizismus (vgl. bayerische Wittelsbacher)

5. Fürsten und Beamte und die Reformation Politisches Kalkül jedoch nicht alleine ausschlaggebend, viele evangelische Fürsten hoch gebildet und Anhänger humanistischer Gedanken Auch Sorge um Seelenheil der eigenen Untertanen wichtiges Entscheidungskriterium  Entstehung von Landeskirchen unter Führung des Landesherrn!