Sexualität und Lebenszufriedenheit

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 Präsentation transkript:

Sexualität und Lebenszufriedenheit * Ergebnisse der Studie zu Heterosexueller Transmission des HIV vor dem Hintergrund der neuen Therapiemöglichkeiten SPI Forschung gGmbH Prof. Dr. M. Kraus Dipl. Soz. E. Steffan Dipl Psych. V. Kerschl gefördert vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherheit

Studie Vorlauf: Folgestudie einer 1987 – 1991 durchgeführten multizentrischen Studie (BMFT) zur heterosexuellen Transmission des HIV zur derzeitigen Situation HIV-positiver Heterosexueller Hintergrund: steigende HIV-Neuinfektionen (RKI (2003) veränderter Umgang mit Safer Sex (u. a. Dannecker, 2002) Untersuchungsgruppe 30 heterosexuelle konkordante und diskonkordante Paare/Partner; 7 Paare konnten aus der multizentrischen Studie 1987/91 rekrutiert werden (insgesamt 53 Probanden) Kontakt über medizinische und psychosoziale Einrichtungen sowie Zeitungsanzeigen SPI Forschung gGmbH

Fragestellungen Können Veränderungen im sexuellen Verhalten und Erleben bei heterosexuellen HIV-infizierten Menschen durch die neuen Therapiemöglichkeiten ausgemacht werden? Haben die medizinische Behandlungsmöglichkeiten Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit? Welche Wünsche bestehen an die medizinische bzw. psychosoziale Versorgung und welche Notwendigkeiten lassen sich ableiten? SPI Forschung gGmbH

Instrument Technische Fragen zu Verhütungs- und Safer Sex- Praktiken, sexuellem Verhalten und Erleben in der Partnerschaft nach Diagnose/vor und nach Therapiemöglichkeiten, medizinische und psychosoziale Betreuung, Diskriminierungserfahrungen, HIV spezifische Beschwerden, Psychometrische Skalen zur Befindlichkeit und Lebenszufriedenheit (Subskalen zu Gesundheit, Finanzen, Wohnen, Sexualität, Partnerschaft, soziales Umfeld, eigene Person, Freizeit, Arbeit/Beruf und der Veränderung des Verhaltens und Erlebens

Ergebnisse aus der Erhebungssituation: Akquiseschwierigkeiten spiegeln die z. T. starke Zurückgezogenheit heterosexueller Paare z. T. aus Angst vor Diskriminierung und Stigmatisierung Tabuisierung des Themas Sexualität Interviewsituation wurde als Beratungsraum genutzt Massive Beziehungsdynamiken rund um das Thema Sexualität gespiegelt im Interviewtermin (spezifische Konfliktdynamik in Partnerschaft): Schuldzuweisungen, Helfer-Syndrom, Bagatellisieren, Machtgefälle, Aggression

Lebenszufriedenheit (n=42) 52,4% der Gesamtgruppe verfügen über eine dem Bevölkerungsdurchschnitt entsprechende Lebenszufriedenheit allerdings liegen die Werte eher im unteren Normbereich HIV- positive Indexperson verfügen über eine signifikant geringere allgemeine Lebenszufriedenheit als die Normalbevölkerung signifikante Unterschiede ergeben sich weiterhin in den Bereichen Gesundheit, finanzielle Situation, eigene Person, soziales Umfeld 7 Paare der Basisstudie unterscheiden sich im Bereich Sexualität wesentlich von neuer Studiengruppe: Folgegruppe = zufriedener mit Sexualität

Lebenszufriedenheit Antiretrovirale Therapie zeigt nur einen sehr geringen positiven Einfluss auf die allgemeine Lebenszufriedenheit > Als Grund dafür werden die Nebenwirkungen genannt. Der Verlust an Leistungsfähigkeit zeigt bedeutsame Auswirkungen auf die allgemeine Lebenszufriedenheit. Allerdings zeigen die Ergebnisse der Beschwerdeliste (Häufigkeiten von Beschwerden / subjektiv empfundene Befindlichkeit) keinen signifikanten Zusammenhang zur allgemeinen Lebenszufriedenheit. Dieses Ergebnis deckt sich mit anderen Studien zu chronischen Erkrankungen. Je weiter die Erkrankung fortgeschritten ist, desto mehr sinkt die Zufriedenheit mit der eigenen Person und dem sozialen Umfeld > Einschränkungen Die Nutzung psychosozialer Bratungsangebote hat Einfluss auf die allgemeine Lebenszufriedenheit , auf die mit der eigenen Person und mit dem sozialen Umfeld> Heraustreten aus der Isolation

Sexualität 45% des Gesamtsamples und 61% der Indexpersonen geben an das sich die Zahl der Sexualpartner nach der HIV-Infektion verringert hat. Weniger flüchtige Sexualpartner geben 76,9% an. 71% der Indexpersonen und 90% der PartnerInnen berichten von reduzierten Sexualkontakten nach der Diagnose. Eine qualitative Veränderung des Sexuallebens sehen 45% der Befragten. 18% sehen keine Veränderung. 42,9%/24% geben an, dass sich ihre Vorlieben seither verändert hätten. Es kam zu weniger Vaginalverkehr bei 69,9% und Oralverkehr bei 52,3% (Fellatio & Cunnilingus).

Sexualität 47% geben an, auf riskante Sexualpraktiken gänzlich zu verzichten, 22% teilweise. So verringerte sich die Frequenz bei Analverkehr im Vergleich zu anderen Praktiken nur wenig. Bei 68% der Partner ist das Lustempfinden durch die Infektion des Partners beeinträchtigt. Davon sind 77% Männer. 54,3% sehen ihre sexuelle Empfindungsfähigkeit durch HAART gestört und 71,4% durch Krankheitsphasen. Die PartnerInnen haben zu 50% weniger Lust auf Sex und zu 64,3% Angst sich anzustecken. Für 64,4% ist das Bedürfnis nach Zärtlichkeit gewachsen und der Geschlechtsakt selbst spielt eine geringer Rolle.

Sexualität, HAART und Lebenszufriedenheit Je reduzierter die Sexualkontakte, desto mehr verteilen sich die Zufriedenheitswerte der PartnerInnen bezüglich Partnerschaft, Sexualität und der eigenen Person im unteren Bereich. Unzufrieden mit Sexualität sind auch die Indexpersonen bei denen durch die Veränderung des Sexuallebens eine starke Auswirkung auf die allgemeine Lebenszufriedenheit hat. Die neuen Behandlungsmöglichkeiten zeigen keine wesentlichen Auswirkungen auf das Sexualverhalten bzw. Verhütungsverhalten. Nur bei Paaren, die sich erst in neuerer Zeit infiziert haben aufgrund der gesenkten Viruslast.

Sexualität und Risikomanagement Das Verhütungs- bzw. Schutzverhalten hat sich bei insgesamt 43,5% verändert (Index 50%; Partner 36%) Verhütungs- bzw. Schutzverhalten hat für 72% Einfluss auf Frequenz der Sexualkontakte. Verhütungs- und Schutzverhalten schlägt sich in der Zufriedenheit mit Sexualität nieder. Die Paare (24% des Samples) aus der Basisstudie (1987/91) weisen konsequenteres Schutzverhalten auf, als die Paare die erst seit dem bestehen der neuen Therapiemöglichkeiten infiziert wurden. Kondombenutzung immer Kondom 43% mit Kondom: Vaginalverkehr 49% Vaginalverkehr/ Menstruation 43% Fellatio (Penis-Mund) 16% Cunnilingus (Vagina-Mund) 5% Analverkehr 50%

Risikomanagement HIV-bezogenes Wissen und dessen subjektive Verarbeitung, individuelle Präventionsabsichten, tatsächliches Verhalten und Kommunikationskompetenzen prägen den Umgang mit dem Infektionsrisiko: In den meisten Fällen wird das Kondom erst im Laufe des sexuellen Kontaktes bzw. erst kurz vor dem Orgasmus eingesetzt: Das trifft für die Kondombenutzer zu 27% bei Fellatio; zu 41% bei Vaginalverkehr und zu 50% bei Analverkehr zu. Regelmäßige HIV-Antikörpertests bei inkonsistentem Kondomgebrauch vermitteln Sicherheit und bestätigt das unzureichende Schutzverhalten als hinreichend. Negotiated Safety > scheint für die meisten heterosexuellen Paare den Umgang mit Schutzverhalten zu bestimmen. Sie verfügen über Schutzmaßnahmen, die je nach Situation, Befindlichkeit und HIV-Status eingesetzt werden. Sinkende Viruslast bei HAART. Konkordante Partnerschaften, in denen kein Kondom benutzt wird.

Risikomanagement: Gründe gegen Kondome HIV positiver Partner 13% Brennen, Jucken, Allergie 13% Gefühl angenommen zu sein 6% Verringerte Viruslast durch HAART 23% Beide möchten sie nicht anwenden 22% Praktizieren Sex ohne eindringen 41% Kinderwunsch 16% Partner möchte sie nicht 47% Sich fallen lassen wollen 63% Mehr Lustempfinden 72% Erektionsschwierigkeiten/Impotenz 13% Wunsch nach Nähe und Innigkeit 72% Vergessen wollen von HIV 19% Nur 16% der Befragten geben an sexuelle Kontakte zu verweigern, sofern die/der PartnerIn das Kondom ablehnen würden!

Schlussfolgerungen Notwendigkeit von neuen Modellen der Primärprävention für von HIV/AIDS betroffenen diskordanten/konkordanten heterosexuellen Partnerschaften als eigenständige Zielgruppe Kritische Beleuchtung der durch HAART gesenkten Viruslast Sexuelle Schwierigkeiten und Safer sex haben einen engen Zusammenhang. Schwierigkeiten in der Intimkommunikation werden durch HIV/AIDS verstärkt und führen zur Aufgaben von interaktiver Sexualität oder des Schutzverhaltens Bedarf an vorurteilsfreier Sexualberatung und Motivationsberatung zur Verhaltensänderung Einbezug der PartnerInnen in psychosoziale Beratungsangebote und die medizinische Betreuung