Neue Aufgaben- und Prüfungsformate im Geschichtsunterricht

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 Präsentation transkript:

Neue Aufgaben- und Prüfungsformate im Geschichtsunterricht Auf dem Weg zu Prozessorientierung, Lernbiographie und Selbstevaluation Michele Barricelli, Leibniz Universität Hannover

Von der Schwierigkeit, Leistungen im Geschichtsunterricht zu messen Was soll eigentlich gefördert/gelehrt/gemessen/ bewertet werden? Wissen/Kenntnisse Einsichten Methodische Fertigkeiten Ausdrucksfähigkeiten Einstellungsänderungen/Haltungen Identitätsgewinn Was ist leicht, was ist schwer? Was ist einfach, was komplex, wofür benötigt man wenige/viele Vorkenntnisse?

Von der Instruktion zur Konstruktion Veränderte („modernisierte“) Sicht auf das (Geschichts-) Lernen – Geschichte als narratives Konstrukt: Individualisierung Heterogenisierung Denkfach (statt Lern-/Paukfach) Deutungs-/Reflexionswissenschaft Perspektivität/Standortgebundenheit historischen Wissens Kommunikative Aushandelung von historischem Sinn: Diskursivität, Dialogizität Historizität („Flüchtigkeit“) des Wissens

Neue Aufgaben- und Prüfungsformate (alternative assessment) Als da wären z.B. Mindmap (Spontaneität, subjektive Ordnung) Tabelle mit Kernbegriffen (Relevanzsetzung) Ankergrafik (Dauerhaftigkeit, Konsolidierung) Schneeballsystem (zyklische Bearbeitung) Merkbilder (Visualisierung) Präsentation (Kommunizierung) Portfolio (Prozessorientierung, [Selbst-]Evaluation) Allgemein: Nicht Leistungen abprüfen, sondern Kompetenzen darstellen

Kompetenzorientierte Aufgaben als Bausteine individueller Förderung Grundsätze: Einsicht, dass alle Lerngruppen heterogen sind Förderung leistungsstarker und –schwacher Lerngruppen Entwicklung selbstgesteuerten Lernens und Evaluierens Merkmale: Aufbau aller Teilkompetenzen unterstützen Kumulatives Lernen ermöglichen Unterschiedliche Lösungswege zulassen Reflexion der Lösungswege fordern Art der Präsentation frei stellen

Kompetenzorientierte Aufgaben als Bausteine individueller Förderung II Förderung des Lernprozesses durch: Stärkung von Neugier und Entdeckerfreude Aufforderungscharakter Problemorientierung Prozessorientierung Nutzung von Fehlern als Chance Indikatoren für gelungene Aufgaben: Die Sch. verbinden mit der Aufgabe eigene Erfahrungen und Interessen greifen auf vorhandenes Wissen zurück stützen sich auf Lernerfahrungen mit ähnlichen Aufgabenstellungen besinnen sich auf eigene Fähigkeiten und Stärken arbeiten eigenverantwortlich

Die Präsentation (-sprüfung) „Besondere Prüfungsform/Lernleistung“ – „Signalwirkung“ für „Entwicklung der Schule“ Erarbeitung im Team – Übernahme von Verantwortung Erzählung als Deutungsangebot Medialität der Geschichte Selbstdarstellung, Inszenierung, Gestaltung Diskursive Aushandelung von historischem Sinn Mitverantwortung der Zuhörer/innen Dialogisierung der Lernentwicklung Soziale und interkulturelle Kompetenz

Schülermeinungen zur Präsentationsprüfung „Hohe Anforderung, viel Arbeit, Zufriedenheit und Stolz bei Erfolg.“ „Höherer Aufwand gegenüber normaler mdl. Prüfung und größerer „Stressfaktor“ in der Prüfung wirkten eher ernüchternd.“ „Ich musste darüber nachdenken, ob es andere überhaupt interessiert.“ „Messlatte zu hoch, Arbeitsaufwand enorm.“ „Sehr gute Schüler begeistert, das Gros aber enttäuscht.“ „Mit mündlicher Prüfung und weniger Zeitaufwand ist eine bessere Note möglich.“ „Konnte viel reinstecken, in der Klausur sind die Fragen immer so festgelegt und überraschend.“ „Erst fand ich es gewöhnungsbedürftig, dann hat es mehr Spaß gemacht.“

Das Portfolio Zusammenstellung von Dokumenten, die einen Lernprozess, ein produktives Ergebnis und den Ausschnitt aus der Lernbiografie eines Individuums beschreiben (Werkportfolio) (Unternehmensportfolio) Arbeits-/Lernportfolio Bewertungs-/Prüfungsportfolio (Schul-)Entwicklungsportfolio ePortfolio

Das Portfolio – mögliches Inhaltsverzeichnis Allgemeine Zielvorgaben/Aufgabenstellung (Aktualisierte) Arbeitspläne zum Zeitmanagement Exposé Dokumentation der Recherche (Datum des Bibliotheksbesuchs, der Internetsuche) [verschriftlichtes Denken] Exzerpte, Regeste zu verwendeten Quellen Entwürfe, Zwischenberichte, provisorische/ verworfene Ergebnisse Ergebnispräsentation bzw. schriftliche Ausarbeitung Arbeitsprozessbericht Literaturverzeichnis Präsentationsmedien, Präsentation in digitaler Form, Thesenpapier für Diskussion

Das Portfolio – mögliches Inhaltsverzeichnis Allgemeine Zielvorgaben/Aufgabenstellung (Aktualisierte) Arbeitspläne zum Zeitmanagement Individualisierung Exposé Dokumentation der Recherche (Datum des Bibliotheksbesuchs, der Internetsuche) [verschriftlichtes Denken] Konstruktion Exzerpte, Regeste zu verwendeten Quellen Selektivität Entwürfe, Zwischenberichte, provisorische/ verworfene Ergebnisse Historizität Ergebnispräsentation bzw. schriftliche Ausarbeitung Perspektivität Arbeitsprozessbericht Deutung/Reflexion Literaturverzeichnis Präsentationsmedien, Präsentation in digitaler Form, Thesenpapier für Diskussion kommunikative Aushandelung, Diskursivität

Mögliche Gliederung eines evaluativen Arbeitsprozessberichtes I 1. Thema Wie habe ich das Thema gefunden, was hat mich angeregt, wer hat mir Hilfestellung geleistet? Über welche Alternativen habe ich nachgedacht? 2. Fragestellungen Welche Fragen wollte ich im Verlaufe der Bearbeitung des Themas beantworten? Welche Vorannahmen („Hypothesen“) hatte ich hinsichtlich der Beantwortung dieser Fragen? Welche Fragen schienen mir uninteressant?

Mögliche Gliederung eines evaluativen Arbeitsprozessberichtes II 3. Arbeit am Thema: Recherche Wo habe ich recherchiert (Archiv, Fachliteratur, Experten, Zeitzeugen, Internet etc.) und warum gerade dort? Was habe ich getan, um die Güte/ Zuverlässigkeit der gefundenen Informationen zu sichern? Was hat mich ermuntert, weiter zu fragen, was hat mich verwirrt, frustriert? Wann hatte ich das Gefühl, eine weitere Suche lohnt sich nicht mehr? („Sättigung“) Welche Informationen habe ich am Ende verworfen?

Mögliche Gliederung eines evaluativen Arbeitsprozessberichtes III 4. Arbeit am Thema: Darstellung Nach welchen Kriterien habe ich meine Informationen geordnet (rein chronologisch, entlang der Arbeitsfragen, „dramatisch“ etc.)? Wie habe ich aus den Quellen eine Erzählung gemacht (Narrativierung, Kontextualisierung, Personifizierung, Perspektivierung etc.)? Wie bin ich mit dem umgegangen, was ich nicht verstanden, nicht akzeptiert habe? Welche Art von Geschichte habe ich über mein Thema erzählt?

Mögliche Gliederung eines evaluativen Arbeitsprozessberichtes IV 5. Reflexion/Bewertung Welche Fragen habe ich beantwortet, welche Vorannahmen haben sich bestätigt? Wie bewerte ich, was ich herausgefunden habe, in einer zeitgenössischen Perspektive/mit heutigen Maßstäben? Wie bewerte ich meinen eigenen Lernfortschritt, meine Leistung, meine Stärken und Schwächen? Wie bewerte ich die gestellte Aufgabe, die in Anspruch genommene Hilfe, den Sinn des Unterfangens? Finde ich mich in meiner Gegenwart jetzt besser zurecht?

Grenzen der neuen Formate Geringe Eignung für zentrale, vergleichende Leistungstests (Bildungsstandards!) Undurchsichtigkeit der Selbsteinschätzungen Gefahr der „postmodernen Beliebigkeit“ Mehrere tausend Jahre Menschheitsgeschichte können nicht entdeckend nachvollzogen werden 30 Lernkonzepte für 30 Schülerinnen und Schüler (im Klassenzimmer)? Ver-Ökonomisierung der (humanistischen?) Bildung: Risikominimierung bei Leistungserbringung/Beurteilung

… und noch eine Voraussetzung Auch die Lehrkraft muss zur Selbstreflexion willens und in der Lage sein: … mache ich meine Ziele deutlich und begründe ich sie? … ermutige ich meine Schüler/innen, Fragen zu stellen und Alternativen zu formulieren? … akzeptiere ich unterschiedliche Lösungs-wege, ermutige ich dazu? … höre ich meinen Schüler/inne/n während ihrer Selbsteinschätzung zu?