Medien als Verfahrensformen

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 Präsentation transkript:

Medien als Verfahrensformen Herzlich Willkommen zur AG Medien Medien als Verfahrensformen PD Dr. Daniela Wawra 27.05.2009

Medien als Verfahrensformen Einleitung Medienkonzepte Medien als Verfahrensformen Das Problem der Kognition Was erkennen wir? Rekursivität und Wirklichkeit Sprache als Medium und Extension der Kognition Zur Entstehung sozialer Bereiche durch Parallelisierungsprozesse Fazit

1. Einleitung Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Weiterentwicklung der Kommunikations- und Medienwissenschaften in Deutschland (2007) Zusammenarbeit von sozialwissenschaftlicher Kommunikationswissenschaft Medientechnologie kulturwissenschaftlicher Medialitätsforschung

1. Einleitung Harold Lasswell (1964, orig. 1948): Who says (communicator) what (content) in which channel (medium) to whom (recipient, audience) with what effect (effect) ? Ergänzung aus linguistischer Sicht um die Frage how? (konkrete sprachliche Realisierung)

1. Einleitung Vorwurf der „Medienvergessenheit“ an die Geisteswissenschaften (WR 2007, 20) Medien als „‘organisierende Mitte‘ zwischen Technologie, (ästhetischen) Formen und kommunikativen Prozessen“ (WR 2007, 21)

2. Medienkonzepte Weit gefasste Medienkonzepte, z.B. Sandbothe (2001, 12): Technische Verbreitungs- und Interaktionsmedien (z.B. Fernsehen, E-mail, unsere Stimme) Sinnliche Wahrnehmungsmedien (z.B. Licht, Schallwellen) Semiotische Kommunikationsmedien (z.B. Bilder, Sprache und Schrift) ► Probleme einer solchen Kategorisierung

Begrenzung des Medienkonzepts auf ein technisches im engeren Sinne, 2. Medienkonzepte Begrenzung des Medienkonzepts auf ein technisches im engeren Sinne, z.B. Habscheid (2000): „[Medien sind] materiale, vom Menschen hergestellte Apparate zur Herstellung/Modifikation, Speicherung oder Verteilung von sprachlichen und nicht-sprachlichen Zeichen.“ (Habscheid 2000, 138) Häufig Unterscheidung zwischen Medien als Kommunikationsmitteln und Kommunikationsformen = strukturelle Bedingungen der Kommunikation, die im technischen Medium begründet liegen (Habscheid 2005, 48)

3. Medien als Verfahrensformen Thesen: Medien haben nicht nur eine vermittelnde, sondern „sinnmiterzeugende“ Funktion (vgl. z.B. Krämer 1998, 73; Schneider 2006, 78) „Medien sind dem, was sie übermitteln, nicht äußerlich“ (Jäger 2005, 54) ► Medien als Verfahrensformen, d.h. „Operatoren, die die Inhalte, die sie speichern, generali- sieren und distribuieren, zugleich konstitutiv mit hervor- bringen.“ (Jäger 2004, 14)

4. Das Problem der Kognition ► Was ist das Wesen unserer Sinneswahrnehmung? – Wie erkennen wir? – „Die Reaktion einer Nervenzelle enkodiert nicht die physikalischen Merkmale des Agens, das ihre Reaktion verursacht. Es wird lediglich das ‚so viel’ an diesem Punkt meines Körpers enkodiert, nicht aber das ‚was’.“ (von Foerster 1999, 29)

4. Das Problem der Kognition Erkenntnis kann von Individuum zu Individuum sehr unter- schiedlich ausfallen, jedoch: „Erkennen, so nehmen Evolutionsbiologen, Entwicklungs- psychologen und Konstruktivisten verschiedenster Orientierung heute an, kann nicht auf intellektuelle Operationen begrenzt werden, sondern realisiert sich als Lebensprozess, der Kognition, Kommunikation und Medien auf der Grundlage evolutionär entstandener und kulturell spezifizierter Möglich- keiten und Begrenzungen integriert.“ (Schmidt 1994, 594) ► Medien als „Träger potentieller Information“ (von Foerster 1999, 5)

5. Was erkennen wir? Wir gehen bei der „Organisation unserer Erlebniswelt“ so vor, „dass das, was wir da aus Elementen der Sinneswahrnehmung und des Denkens zusammenstellen – Dinge, Zustände, Verhältnisse, Begriffe, Regeln, Theorien, Ansichten und, letzten Endes, Weltbild –, so beschaffen ist, dass es im weiteren Fluß unserer Erlebnisse brauchbar zu bleiben verspricht.“ (von Glasersfeld 102008, 30)

6. Rekursivität und Wirklichkeit „Um zu reflectieren, muß der Geist in seiner fortschreitenden Thätigkeit einen Augenblick still stehn, das eben Vorgestellte in eine Einheit fassen, und auf diese Weise, als Gegenstand, sich selbst entgegenstellen. Die Einheiten, deren er auf diesem Wege mehrere bilden kann, vergleicht er wiederum unter einander, und trennt und verbindet sie nach seinem Bedürfnis.“ (von Humboldt 1795/1796, 581)

7. Sprache als Medium und Extension der Kognition Sprache organisiert, segmentiert, strukturiert, kate- korisiert und koordiniert das Erleben Sprache wirkt sich auf das Erleben aus Sprache vermittelt die Erfahrung des Individuums und macht diese für andere erfahrbar. Sprache als „Archimedium des Medialen“ (Jäger 2001, 18) – Kritik und Relativierung: Der Körper als Archimedium – Kritik der „Sprachvergessenheit“ der Medientheorie (Jäger 2000, 2007, 8)

8. Zur Entstehung sozialer Bereiche durch Parallelisierungsprozesse Durch den Abgleich von Wirklichkeiten entstehen para- llele Realitätskonstruktionen, d.h. synreferentielle Bereiche Sprache und Kultur basieren auf parallelisierten Zu- ständen Parallelisierte Zustände bilden die biologische Basis „sozial erzeugter gemeinsamer Realitäten, von Sinn und Bedeutung“ (Hejl 102008, 135f) Soziale Interaktionen setzen Sprache voraus

9. Fazit Medien als Kommunikationsmittel und material- semiotische Verfahrensformen, die verschiedene Kommunikationsformen nach sich ziehen und sinnmiterzeugende Funktion haben. Medium ist alles, was zur Konstruktion einer Botschaft tatsächlich benutzt wird.

Bibliographie (in Auswahl) Foerster, Heinz, von. 1999. Sicht und Einsicht. Versuche zu einer operativen Erkenntnistheorie. Heidelberg. Foerster, Heinz, von. 102008. „Entdecken oder Erfinden. Wie lässt sich Verstehen verstehen?“ In: Heinz Gumin/Heinrich Meier (eds.). Einführung in den Konstruktivismus. München. 41-88. Glasersfeld, Ernst von. 1981. „Einführung in den radikalen Konstruktivismus“. In: Paul Watzlawick (ed.). Die erfundene Wirklichkeit. München. 16-38. Glasersfeld, Ernst von. 102008. „Konstruktion der Wirklichkeit und des Begriffs der Objektivität“. In: Heinz Gumin/Heinrich Meier (eds.). Einführung in den Konstruktivismus. München. 9-39. Habscheid, Stephan. 2000. „’Medium’ in der Pragmatik. Eine kritische Bestandsaufnahme“. Deutsche Sprache 28/1. 126-143. Habscheid, Stephan. 2005. „Das Internet – ein Massenmedium?“ In: Jens Runkehl/Peter Schlobinski/Torsten Sievers (eds.). Websprache.net – Sprache und Kommunikation im Internet. Berlin. 46-66. Hejl, Peter. 102008. „Konstruktion der sozialen Konstruktion. Grundlinien einer konstruktivistischen Sozialtheorie“. In: Heinz Gumin/Heinrich Meier (eds.). Einführung in den Konstruktivismus. München. 109-146. Humboldt, Wilhelm, von. 1795/1796. Über Denken und Sprechen. Werke, Bd. 7,2. 1907. Berlin. Jäger, Ludwig. 2000. „Die Sprachvergessenheit der Medientheorie. Ein Plädoyer für das Medium der Sprache“. In: Werner Kallmeyer (ed.). Sprache und neue Medien. Berlin. 9-30. Jäger, Ludwig. 2001. „Zeichen/Spuren. Skizze zum Problem der Sprachzeichenmedialität“. In: Georg Stanitzek/Wilhelm Vosskamp (eds.). Schnittstelle. Medien und Kulturwissenschaften. Köln. 17-31. Jäger, Ludwig. 2003. „Ohne Sprache undenkbar”. Gehirn und Geist 2. 36-42. Jäger, Ludwig. 2004. „Wieviel Sprache braucht der Geist? Mediale Konstitutionsbedingungen des Mentalen“. In: Ludwig Jäger/Erika Linz (eds.). Medialität und Mentalität. Theoretische und empirische Studien zum Verhältnis von Sprache, Subjektivität und Kognition. München. 15-42. Jäger, Ludwig. 2007. „Medium Sprache. Anmerkungen zum theoretischen Status der Sprachmedialität”. In: Werner Holly/Paul Ingwer (eds.). Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes. Medialität und Sprache 1. Bielefeld. 8-24. Krämer, Sybille. 1998. „Das Medium als Spur und als Apparat“. In: Sybille Krämer (ed.). Medien, Computer, Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien. Frankfurt am Main. 73-94. Maturana, Humberto. 1970a. „Neurophysiology of Cognition“. In: Paul Garvin (ed.). Cognition. A multiple view. New York. 3-23. Maturana, Humberto. 1970b. Biology of cognition, BCL Report No. 9.0. Urbana, Ill. Maturana, Humberto. 1982. Erkennen. Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit. Braunschweig. McLuhan, Marshall H. 1964. Understanding media. The extensions of man. London. Schmidt, Siegfried. 1994. „Konstruktivismus in der Medienforschung. Konzepte, Kritiken, Konsequenzen“. In: Klaus Merten/Siegfried Schmidt/Siegfried Weischenberg (eds.). Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Opladen. 592-623. Schmidt, Siegfried. 102008. „Vom Text zum Literatursystem. Skizze einer konstruktivistischen (empirischen) Literaturwissenschaft“. In: Heinz Gumin/Heinrich Meier (eds.). Einführung in den Konstruktivismus. München. 147-166. Schneider, Jan Georg. 2006. „Gibt es nichtmediale Kommunikation?” Zeitschrift für Angewandte Linguistik 44. 71-90. Watzlawick, Paul. 102008. „Wirklichkeitsanpassung oder angepasste „Wirklichkeit“? Konstruktivismus und Psychotherapie“. In: Heinz Gumin/Heinrich Meier (eds.). Einführung in den Konstruktivismus. München. 89-107. Whorf, Benjamin Lee. 1956. Language, thought, and reality. New York. Wissenschaftsrat (WR) (ed.). 2007. Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Kommunikations- und Medienwissenschaften in Deutschland. Oldenburg.