Schichtspezifische Benachteiligung im schulischen Bildungswesen

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Die Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen
Advertisements

„Schaun mer mal..“ Didaktischer Einsatz von Filmen
Elternabend in der 3. Jahrgangsstufe
Schullaufbahnempfehlung
Bildungsarmut erfolgreich bekämpfen
Hauptschulinitiative
(Susanne Fink, Lernen vor Ort, LK OVP) Diskussionsrunde 4
Zusätzliche Lehrkräfte an der Schule (Schüler in Prozent) 6
Das deutsche Schulsystem
Bedingungsfaktoren schulischer Leistungen
Vorlesung: Einführung in die Soziologie – WS 2009/10 Prof. Dr
Integrative Lerngruppe
Die Gemeinschaftsschule Kirkel
Bildung und Erziehung in Bayern – kein Abschluss ohne Anschluss
Schweden Bildungssystem und Situation von Kindern mit Migrationshintergrund Nina Everts.
Entwicklung der Bildungschancen von Migrantenkindern in Deutschland
Bildung und Erziehung in Bayern – kein Abschluss ohne Anschluss
IGLU Grundschulstudie.
Das deutsche Schulsystem
Arbeitsgruppe 6: Tagesbetreuung für Kinder C. Katharina Spieß DIW Berlin und FU Berlin Professur für Familien- und Bildungsökonomie 22. Februar 2013.
Auf dem Weg zur Sekundarschule in NRW
Thema Finnland Schweiz Lehrplan
Vorlesung: Wie erfolgreich ist die Politik? Die deutsche Bilanz im internationalen Vergleich Bilanz der Bildungspolitik.
Das Studium «Ohne Fleis kein Preis».
Hauptschule Die Hauptschule entwickelte sich aus der Oberstufe der Volksschule und erhielt 1964 im Rahmen des Hamburger Abkommens ihren Namen. Sie sollte.
Das Schulsystem in Deutschland.
Chancengerechtigkeit im Bildungssystem
L.I.P.S.S. Helmut Loidl Koordinator Der Schulwechsel nach Beendigung der Grundschule ist eines der heißesten Themen in Europa. Der Misserfolg von Kindern.
Schulen in Deutschland
Ganztagsschule und Betreuungsangebote
Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit – am Beispiel Österreichs
„Nach der Grundschule: Neue Wege zu weiterführenden Schulen“
Grund- und Regionalschule Schwarzenbek-Nordost
Gesamtschule Eine Schule für alle.
Der Inklusionsanspruch der
Die Burgfeldschule auf dem Weg zur Gemeinschaftsschule
Herzlich Willkommen!.
ERZIEHUNGSDIREKTOREN-KONFERENZ DER OSTSCHWEIZER KANTONE ERZIEHUNG UND BILDUNG in Kindergarten und Unterstufe im Rahmen der EDK-OST / Projekt 4bis8 EDK-OST.
Das Bildungssystem in Deutschland
Leistungsbeurteilung, Zeugnisse und Schullaufbahnempfehlung
1.
Informationsabend „weiterführende Schulen“
Schulpolitischer Konsens für NRW Die neue Sekundarschule
Die Johannesschule Christliches Menschenbild
Die Realschule stellt sich vor
Primarschule Büttikon
Die Ganztagsschule hat nur ein umfangreiches Angebot In Unterlüß handelt es sich um eine gebundene Ganztagsschule - Verpflichtung für alle.
Gesamtschule Stadt Rheinbach
Eine Schule des längeren gemeinsamen Lernens
Elterninformation zu BEGYS
Antrag: Gemeinschaftsschule PÄDAGOGISCHES KONZEPT Gemeinschaftsschule als GANZTAGSSCHULE PROFIL LERNEN an der Gemeinschaftsschule.
Ein „unbekanntes Recht“ chronisch kranker und behinderter SchülerInnen
Soziale Ungleichheit beim Schul-/Bildungszugang in Österreich Univ.-Prof. Dr. Johann Bacher Johannes Kepler Universität Linz Linz 2008.
Das Schulsystem in Deutschland.
Bildung auf einen Blick 2015
1 Schullaufbahnempfehlung Die Schule berät! Die Eltern entscheiden! Oberschule.
Hamburger Bildungsoffensive
Das deutsche Schulsystem
Ein Kooperationsprojekt mit Herrn Bastakar, Haarstudio Mr. No und der Schule Hegholt.
Das Bildungssystem Deutschlands. Das österreichische Bildungssystem.
DAS SCHULSYSTEM IN DEUTSCHLAND Подготовила учитель немецкого языка Карташева Наталья Николаевна МБОУ «СОШ с. Анастасьино Калининского района.
Fachbereich Familie, Jugend & Soziales Nietzel/ Grigoleit Niedersächsische Kooperations- und Bildungsprojekte.
Gemeinschaftsschule – Zukunft gestalten. Folie 2 Gemeinschaftsschule – Zukunft gestalten Gemeinschaftsschule – für alle  Kinder sind unterschiedlich.
Themen der pädagogisch psychologischen Diagnostik (Sommersemester 2006) Martin Brunner Noten Martin Brunner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
Das Schulsystem in Deutschland Grundschule Die Grundschule dauert in allen Bundesländern 4 Jahre und ist Pflicht für alle Schüler. (in Berlin sind es.
Liebe Eltern, herzlich willkommen zu unserer Informationsveranstaltung
Das deutsche Schulsystem
Bildungssysteme - Chancengleichheit
Weil das Leben immer wieder andere Fragen stellt.
Bildungs- und Schulsysteme im Vergleich. Methoden der Komparatistik
 Präsentation transkript:

Schichtspezifische Benachteiligung im schulischen Bildungswesen Deutschland versus Kanada

Gliederung des Vortrags: 1 Ursachen schichtspezifischer Chancenunterschiede 2 Bildungswesen Deutschland 2.1 formale Organisationsstruktur 2.2 institutionelle Merkmale 2.3 organisatorische Merkmale der einzelnen Schulstufen 2.4 besondere Merkmale, die Kinder unterer Schichten zusätzlich benachteiligen 3 Bildungswesen Kanada 3.1 formale Organisationsstruktur 3.2 institutionelle Merkmale 3.3 organisatorische Merkmale der einzelnen Schulstufen 3.4 besondere Merkmale, die Kindern unterer Schichten zusätzlich zu Gute kommen 4 Praktische Konsequenzen aus dem Vergleich

Ursachen: Ursachenkomplex Familie  in Kanada ähnlich Ursachenkomplex Lehrer und Schulwesen allgemein  in Kanada ähnlich Ursachenkomplex institutioneller Rahmen des Bildungswesens  Besonderheit in BRD

Organisationsstruktur des deutschen Bildungswesens: Quelle: Datenreport 2004: 62.

institutionelle Merkmale des deutschen Bildungswesens: frühzeitige und viele Entscheidungsstellen  sekundäre Schichteffekte wirksam (vgl. das Modell von Mare 1980) Dreigliedrigkeit  Ablenkung der Kinder unterer Sozialschichten auf niedere Schulformen und wenig Durchlässigkeit nicht integrativ  extra Sonderschulen für besonders Lernschwache

Organisatorische Merkmale der verschiedenen Schulstufen im deutschen Bildungswesen: Kindergarten: kostenpflichtig; unstandardisiert; keine Bildungs- sondern Betreuungsstätte  wird nicht von allen Kindern und seltener von Kindern unterer Sozialschichten besucht Primarstufe: sehr kurz; am Ende: Übergangsentscheidung im Alter von 10 Jahren aufgrund von Elternaspiration und Lehrerempfehlung  stärkste Selektionsstufe des Schulsystems Sekundarbereich: hohe Parallelität voneinander segmentierter Bildungswege, auf die Kinder „schicht- und begabungsspezifisch verteilt werden“; Gesamtschule: Sonderstellung

Besondere Merkmale, die Kinder unterer Sozialschichten zusätzlich benachteiligen (1): (1) früher Selektionszeitpunkt: entwicklungspsychologisch unsinnig: im Alter von 10 Jahren ist spätere Leistungsfähigkeit & Motivation des Schülers noch nicht abschätzbar Macht intensive Förderung schon in Grundschule unsinnig? Je jünger das Kind, desto höher sind die antizipierten Bildungskosten in den Augen der Eltern Kind kann Entscheidung noch nicht selbst treffen (Elternaspirationen und Lehrerempfehlung)  deutlich schichtspezifisch variierende Wahl der weiterführende Schule, die spätere Ungleichheiten schon hier begründet

Besondere Merkmale, die Kinder unterer Sozialschichten zusätzlich benachteiligen (2): (2) Klassenwiederholungen bzw. „Abstiege“: nahezu keine Durchlässigkeit zwischen Schulformen „Abstiege“ deutlich häufiger als „Aufstiege“  Befund: überproportional häufig bei Kindern unterer Schichten Ursachen: lassen sich schneller entmutigen weniger Nachhilfe-Möglichkeiten

Besondere Merkmale, die Kinder unterer Sozialschichten zusätzlich benachteiligen (3): (3) Hauptschule als „Restschule“: „Creaming Out“-Prozess Schulformen als „differentielle Entwicklungsmilieus“  Befund: häufiger von Kindern unterer Sozialschichten besucht Verschlechterung des Leistungsentwicklungsmilieus und des Anregungsgehalts durch Homogenität von sozial und leistungsmäßig Benachteiligten mehrfache zirkuläre Benachteiligung von Kindern unterer Schichten

Besondere Merkmale, die Kinder unterer Sozialschichten zusätzlich benachteiligen (4): (4) Der Einsatz finanzieller Ressourcen im Bildungswesen: vglsw. wenig Mittel im Bildungsbereich insgesamt ungerecht verteilt (s. schichtspezifisch variierende Bildungskarrieren) Konzentration auf Personalausgaben (v.a. international betrachtet sehr hohe Lehrergehälter) Elementar- und Primarbereich „ausgehungert“  „Matthäus-Effekt“ (Wer hat, dem wird gegeben)

Organisationsstruktur des kanadischen Bildungswesens: Quelle: BMBF 2003: 47.

institutionelle Merkmale des kanadischen Bildungswesens: grundschulartig, in letzten 3 Schulstufen der High School innere Differenzierung Ganztagsschule, Ganztagsvorschule integrativ während Primary School Regelversetzung (mit zusätzlichem Förderunterricht) erste Differenzierung in verschiedene tracks ab Klassenstufe 10 (neigungsabhängig) erste leistungsmäßige Selektion im Alter von 18 (!) am Ende des Sekundarbereichs II (eigenständige Entscheidung der Schüler)

Organisatorische Merkmale der verschiedenen Schulstufen in Kanada: Kindergarten: kostenfrei; z.T. verpflichtend; wird von fast allen Kindern genutzt; Hochschulstudium für die „Lehrer“ dieser Schulform Primarstufe: umfasst i.d.R. 6 Schulstufen; kontinuierliche Versetzung; keine Selektion am Ende der Primarstufe Sekundarbereich: alle Kinder besuchen gemeinsam die Sek. I; erst ab Klasse 10 Differenzierung in entweder hochschulvorbereitende oder berufsbildende tracks je nach Neigung; erste „Sortierung“ nach Leistung nach Abschluss der Sek. II

Besondere Merkmale, die Kindern unterer Sozialschichten zusätzlich zu Gute kommen (1): (1) Finanzierung des kanadischen Bildungswesens:  Die sehr hohen kanadischen Bildungsausgaben sind gerechter verteilt und kommen direkter den Schülern selbst zugute

Besondere Merkmale, die Kindern unterer Sozialschichten zusätzlich zu Gute kommen (2): (2) Lehrerprofessionalisierung: Die sehr gute Ausbildung und Weiterbildung der Lehrer ermöglicht einen sehr guten Unterricht für eine heterogene Schülergruppe

(3) individuelle Förderung von Schülern: Besondere Merkmale, die Kindern unterer Sozialschichten zusätzlich zu Gute kommen (3): (3) individuelle Förderung von Schülern: im Vordergrund stehen dabei besonders: a) frühe Förderung b) Förderung von Schülern aus benachteiligten Milieus c) Förderung leistungsschwächerer Schüler

Besondere Merkmale, die Kindern unterer Sozialschichten zusätzlich zu Gute kommen (4): (4) Lehrer-Schüler-Verhältnis: PISA-Index für das Unterstützungsgefühl der Schüler durch Lehrer + die Schüler-Lehrer-Beziehung im positiven Sinne überschritten Motto: „Aufrichten statt unterrichten“ (Fullan 1999: 244) anderes Selbstverständnis und andere Mentalität der Lehrkräfte

Praktische Konsequenzen aus dem Vergleich und persönliche Reformvorschläge für das deutsche Schulwesen: Erweiterung und Verbesserung der vorschulischen Betreuung. „Grundsteinlegung“ „fördern statt abschieben“ + Abschaffung von Klassenwiederholungen Verbesserung der Lehrer- und Erzieherausbildung veränderte Mittelallokation Ganztagsschulsystem Abschaffung der Dreigliedrigkeit

Praktische Konsequenzen aus dem Vergleich: Persönliche Reformvorschläge für die BRD Probleme? Von Kanada auf Deutschland übertragbar? Umsetzbar? ......Gewollt?