Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006

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 Präsentation transkript:

Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006 Symbolon – symballein: Zusammenfügen, antiker Brauch zur Wiedererkennung und verlässlichen Vergegenwärtigung z.B. der Freundschaft über Generationen hinweg. Tonscherben. Für einen Zuschauer sind die Tonscherben nur Tonscherben, für die Beteiligten bekommen sie eine besondere tiefere Bedeutung, deren Gehalt sie auch aktualisieren. Ein-eindeutige Zeichen: nur der schlaffe Windsack an der Autobahnbrücke ist unmittelbar, was er bezeichnet: Windstille Das Einbahnstraßenzeichen ist schon eine Abstraktion, aber durch soziale Übereinkunft ein-deutig festgelegt; auch rechtlich kodifiziert. Das Freundschaftsbändchen zwischen zwei Freundinnen versichert diese ihrer Freundschaft, greift ein sozial verbreitetes Zeichen auf und verleiht ihm für ihre Gemeinsamkeit einen besonderen, diesen beiden erschlossenen Sinn; aber auch andere können dieses Zeichen entziffern. Besonders schmerzhaft, wenn die Freundschaft zerbricht und das Freundschaftszeichen seine Bedeutung verliert. Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006

Symboldidaktik (Forts.) Besonders in Gemeinschaften (Gruppen, Staaten, Kirchen bzw. Religionen) bekommen Zeichen, an denen sich über das präsentierte Bild hinaus (z.B. Flagge, Kreuz, Halbmond) eine darüber hinaus gehende Identität festmacht, eine umfassendere, sozial geteilte und emotional besetzte Bedeutung. In überschaubaren Gruppen geht diese Identifikation mit der Gruppe häufig einher mit Abgrenzung gegenüber anderen. Dabei werden die Zeichen, die für die Gruppe zum Identifikationssymbol werden, häufig nur für die Gruppenmitglieder voll entzifferbar; für die Aussenstehenden sind diese Zeichen oft verschlossen. Von der psychodynamischen Seite her vermögen Symbole das zu repräsentieren, was Einzelne oder Gruppen wirklich bewegt; Symbole erfüllen dann ihre Funktion. Wenn diese Repräsentation nicht mehr gelingt, sondern die ursprünglich dynamischen psychischen Prozesse nur noch automatisch, nicht gefühls-verankert ablaufen, werden Symbole zum Klischee: erstarrt, blockierend, maskenhaft, routinisiert, statt: lebendig, motivierend, authentisch, kreativ. Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006

Symboldidaktik (Forts.) In der Psychoanalyse S. Freuds werden wird in den Symbolen die sexuelle Dynamik entziffert, was heute als überholt angesehen wird. Freud hat aber die tiefenpsychologische Dynamik der Symbolisierung und deren Entzifferung in einer Tiefenhermeneutik begründet: Eine ich-schwache Persönlichkeit kann Konflikte nicht bewältigen, sie muss sie verdrängen. Im Unbewußten bleiben diese Konflikte, vor allem die ihnen zugründe liegenden psychischen Energien, lebendig und suchen weiterhin nach Ausdruck und Lösung. Im Schlaf z.B., in dem das Ich die Wächterfunktion einschränkt (das Ich bleibt Wächter des Schlafs, vgl. Aufwachen bei zu schlimmen Träumen), suchen sich diese Konflikte wieder zu melden, freilich in verschlüsselten Bildern, damit die Person daran nicht zerbricht. Eine weitere Symbolisierung verdrängter Konflikte geschieht in der Neurose, wo auf einmal die Angst vor Pferden (Kleiner Hans) stellvertretend steht dafür steht, am Tod des Vaters schuld zu sein. Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006

Symboldidaktik (Forts.) Die Neopsychoanalyse befreit sich von der Dominanz sexueller Deutungsmuster in der Symbolik und stellt die Ich-Problematik ins Zentrum. Echte Symbole bringen dann Ich-Stärke zum Ausdruck. In der Psychoanalyse sind in Symbolen nur individuelle Erfah-rungen und tatsächliche Konflikte und Wünsche verarbeitet. P. Ricoeur spricht von einer archäologischen Funktion: das Gewesene repräsentierend, aufarbeitend, und von einer teleologischen Funktion: das Kommende erhoffend und vergegenwärtigend, Motive freisetzend. In der Analytischen Psychologie von C.G. Jung verdichten sich in Symbolen die Wünsche des Menschen nach Ganzheit, Selbst und Integration. Diese Wünsche werden besonders auch in der Symbolik der Gottheit präsent, weshalb Jung bei Selbst- und Gottes-Symbolen von zwei Seiten einer Medaille spricht. Da solche Wünsche allen Menschen gemeinsam sind, fließt bei Jung in die Symbole das kollektive Erbe der Menschheit ein, also auch Über-Individuelles (Bsp. Märchenmotive, religiöse Symbole). Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006

Symboldidaktik (Forts.) Es geht auch in der Symboldidaktik um das Thema "Vermittlung von Glauben und Lebenserfahrung": "Sie geht von der Prämisse aus, daß eine Entsprechung zwischen Glauben und Leben besteht; sie intendiert eine Vermittlung von Glauben und Leben und sucht diese durch ein ständiges Hin- und Her-Schwingen zwischen beiden Polen zu erreichen. Die Bedeutung des Symbols in diesem Vermittlungsprozess läßt sich am besten mit einem Symbol zur Sprache bringen: Die Symbole stellen eine Brücke des Verstehens zwischen der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen und der Welt der Religion dar." (P. Biehl, Festsymbole. Zum Beispiel Ostern. Kreative Wahrnehmung als Ort der Symboldidaktik, Neukirchen- Vluyn 1999, 5; Hervorh. i.O.) Symbolbegriff: P. Tillich, P. Ricoeur, S.K. Langer, S. Freud, A. Lorenzer, G.H. Mead; "Die bei Tillich, Ricoeur, A. Lorenzer u.a. vorliegende Entgegen-setzung von Symbol und Zeichen ist nicht haltbar. ´Symbol´ bezeichnet eine bestimmte Zeichensorte, nämlich Zeichen mit einem mehrfachen Sinn." (Biehl, Festsymbole, 15) Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006

Symboldidaktik (Forts.) Vgl. H.A. Zwergel, Paul Ricoeur: Hermeneutik der Symbole und die Frage nach dem Subjekt - Ein Nachvollzug in religionspädagogi-scher Absicht, in: Religionspädagogische Beiträge 23/1989, 17-37. Ev. Hauptvertreter: Peter Biehl, Symbole geben zu lernen, 2 Bde, Neukirchen-Vlyun 1991, 1993; ders.,  Festsymbole. Zum Beispiel Ostern. Kreative Wahrnehmung als Ort der Symboldidaktik, Neukirchen-Vluyn 1999. Kath. Hauptvertreter: Hubertus Halbfas (s.u.) Symboldidaktische Perspektiven (nach P. Biehl, Festsymbole) - durch Symbole neu wahrnehmen - lebensweltliche Zugänge zu religiösen Symbolen - mit allen Sinnen wahrnehmen - Symbole in der Lebenswelt Jugendlicher wahrnehmen Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006

Symboldidaktik (Forts.) Grundaufgaben (nach Biehl, LexRP 2001, 2074- 2079): Sie nimmt in den selbst gebildeten Symbolen der Lernenden die Erfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse, die sich in ihnen verdichtet haben, wahr. Übergang von verborgenen Wünschen zu offenbaren Wünschen; Spannung von Zeigen und Verbergen. Sie kann den Schlüsselerfahrungen der Lernenden symbolisch Ausdruck verleihen und ihnen Symbol-Geschichten anbieten, die sie selbst „auspro-bieren“ müssen, um herauszufinden, ob ihre Erfahrung diese braucht. Begleitung, Ich-Identität. Sie kann durch Wahrnehmung, Deutung und Gestaltung religiöser Symbole dazu beitragen, dass junge Menschen ein eigenes Selbst-, Welt- und Gottesverständnis ausbilden. Durch kreativen Umgang mit Symbol-Zeichen lässt sich ein Verständigungs-raum erschließen, in dem Lernende sich mit ihrer Hilfe über Motive und Ziele des gemeinsamen Handelns (vorläufig) verständigen. In unserer multireligiösen Gesellschaft befähigt sie Lernende zu einem besseren Verständnis der fremden und der eigenen Religion: durch teilnehmenden Vollzug an Ritualen anderer Religionen, religi-ösen Gruppen sowie durch Symbol-Vergleiche. Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006

Symboldidaktik (Forts.) Didaktische Prinzipien (nach Biehl, Festsymbole) Wahrnehmungsfähigkeit; Selbsttätigkeit; Handlungsorientierung; Geschichtsbezug durch Erzählung; Resymbolisierung durch originale Begegnung; Unterbrechung und Überbietung Stufen des Symbolverständnisses (nach Fowler/Schweitzer): magisch-numinos; eindimensional-wörtlich; mehrdimensional-symbolisch; kommunikativ-explizierend; symbolisch-kritisch; nachkritisch Zusammenhänge: Symbol und Mythos; Symbole und Rituale/Ämter Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006

Symboldidaktik (Forts.) Vgl. bei den Konezptionen des Ev. RU unter Symboldidaktik; kath. Vertreter: G. Baudler: P. Biehl/G. Baudler, Erfahrung - Symbol - Glaube, Frank-furt/M 1980; G. Baudler, Erfahrung - Korrelation - Symbol, in: KatBl 112 (1987), 30-35; H. Halbfas, Das Dritte Auge. Religionsdidaktische Anstöße, Düsseldorf 1982; ders., Unterrichtswerk für den Religionsunterricht 1 - 4; 5 - 10: entsprechend: Lehrerhandbücher; Bücher für die Hand der Schüler im Religionsunterricht (Düsseldorf 1983ff); [für den RU 5 - 10 auch eine geschichtliche Fundierung: ders., Wurzelwerk. Geschichtliche Dimensionen der Religionsdidaktik, Düsseldorf 1989]. Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006

Symboldidaktik (Forts.) Halbfas: Prinzipien des aufbauenden und handlungsorientierten Lernens, Verknüpfung mit Schulleben und -lernen; besondere Bilddidaktik (mit suggestiven Erschließungen); durch den Bezug auf C.G. Jungs Archetypen Gefahr der Ontologisierung der Symbole; Entfaltung der inneren Bilder, aber auch Kritik an gesellschaftlichen Situationen (Wahrnehmungs- und Handlungsschulung); Überdeterminierung und Eindringlichkeit (am Beispiel der Doppelseite „Passion“ 1. Schuljahr). Zwergel, Seminar Symboldidaktik SoSe 2006