Betreutes Leben in Gastfamilien Für psychisch kranke Menschen

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 Präsentation transkript:

Betreutes Leben in Gastfamilien Für psychisch kranke Menschen Leben in Fremdfamilien mit professioneller ambulanter Betreuung

Vorstellung der Betreuungsform Einführung in die Versorgungsform Ziele Früher und Heute Entstehung von Betreuungsverhältnissen Ablauf der Betreuung Gastfamilien: allgemeine und spezielle Kompetenzen und Eigenschaften Die GastbewohnerInnen: Eignung/Statistik Die Arbeit des Fachteams Finanzierung

Betreutes Leben in Familien Eine Einführung

Aspekte der Definition Kombination v. ambulanter Betreuung und 24Stunden-Versorgung Betreuung zumeist chronisch psychisch kranker Menschen in Gastfamilien Finanzielle Entschädigung Professionelle Begleitung von Bewohner und Familie durch das Fachteam Multiprofessionelles Team Bezugsbetreuung

Allgemeine Ziele Normalisierung des Alltags / Integration Festigung der Identität durch „Familienanschluss“ Erhaltung / Rekonstruktion von lebenspraktischen Fertigkeiten Erweiterung von Handlungsspielräumen Leben in kontinuierlichen familiären Beziehungen Alternative zum Leben in einer vollstationären Institution Staatlich erwünscht: Möglichkeit für ambulante Betreuung bisheriger LangzeitpatientInnen , mgl. Kostenersparnisse

Wie alles begann

Geschichte der Familienpflege Die Legende der heiligen Dymphna aus dem 6. Jahrhundert Gheel in Belgien – Pilgerort und Irrenpflege Gheel: Pilgerort für die europäische psychiatrische Fachlichkeit Deutschland um 1850: Erfolgsmodell aus der Not geboren Das vorläufige Ende: T4 im Dritten Reich Neubeginn Mitte der 80er: Tilo Held 2003: ca 1000 Betreuungsverhältnisse Heute in etwa verdoppelt

Entstehung von Betreuungsverhältnissen Gewinnung geeigneter Gastfamilien und interessierter BewohnerInnen Auswahl einer für den interessierten Bewohner möglichst geeigneten Gastfamilie Anbahnung: Kennenlernen, Besuch(e), Probewohnen Betreuungsvereinbarung zwischen 3-4 Parteien Das Team ist auf die Unterstützung und konstruktive Mitarbeit aller derzeit an der Betreuung Beteiligten angewiesen

Betreuungsvertrag 4 Vertragspartner Evtl. Berücksichtigung eines gesetzlichen Betreuers Ausdrückliche Anerkennung der Rechte u. Pflichten zur Zusammenarbeit Formulierung der Ziele und Grundsätze Aufgaben eines jeden Vertragspartners Beratende Funktion des Teams bei ärtzlicher Behandlung Finanzielle Leistungen Haftpflichtversicherung u. Krankenversicherung Urlaubsregelung Kündigungsmodalitäten

Verlauf des Betreuungsverhältnisses Erstes Kaffeetrinken mit Team bei der Familie Besuche Probewohnen Hilfeplangespräch Ambivalenzcoaching Klärung der Formalitäten Umzug Verarbeitung des Abschieds und Passung: Aktivismus, Rollendefinition, Rückzug und Distanz

Geeignete Gastfamilien (Auswahl durch Betreuungsteam) Förderliche äußere Bedingungen Stabile Lebensgrundlage Beschäftigungsmög-lichkeiten Erreichbarkeit ÖPNV? Verbindliche Voraussetzungen Zeit und Präsenz Ausreichend Platz Eigenes Zimmer Kooperationsbereit-schaft Keine Abhängigkeit vom Betreuungsgeld

Eher förderliche Merkmale Ausgeglichenheit zwischen finanziellen und ideellen Motiven Offenheit Wertschätzender Umgang miteinander Engagement, fester Mitwirkungswille Geduld / Gelassenheit Verständnis für die Krankheit Flexibilität Realistische Einschätzung der Aufgabe Soziale Einbindung der Familie Positive Lebenseinstellung /Zukunftserwartungen Empathie, Selbstwahrnehmung, Reflexionsfähigkeit Emotional warmes familiales Klima Kinder und Haustiere

Eher problematische Merkmale Umkehrung der förderlichen Merkmale Instabile Beziehungen /latente Krisen Rigide normative o. moralische Vorstellungen Zu hohe inhaltliche u./o. zeitliche Erwartungen Ausgeprägte Manipulations- oder Kontrollmechanismen Verheimlichung/ Vermeidung bestimmter Themen Muster problematischer Verleugnung (Bagatellisierung) Nur finanzielle oder ideelle Motive Strittig: Professionelle Vorerfahrung

Kompetenzen von Familien Der 7. Familienbericht Des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend April 2006

Familien heute und in Zukunft I (Ergebnisse des 7. Familienberichts Definitionswandel: vom Leitbild der privatisierten Kernfamilie als normatives Modell zu einer Vielfalt familialer Lebensformen Scheidung ist nicht das Ende einer Familie Anforderungen des Familienalltags bilden FamilienmanagerInnen aus. Stress- und Zeitmanagement, Aushandlung als Erziehungsstil, Netzwerkarbeit mit Institutionen: Schule, Vereine, Kindergärten usw Familiales Freizeitverhalten: Gemeinsam was unternehmen

Motive für eine Bewerbung als Gastfamilie Platz und Ressourcen, wenn die Kinder aus dem Haus gehen Eine sinnvolle Aufgabe und Hinzuverdienst Soziale Anerkennung

Familientypen bei Gastfamilien Häufigkeit Familientyp Immer Fast immer Oft Manch-mal Selten Nie Paare m.kleinen K. 2 1 6 P.m.K. in Ablöse 4 3 P.mit ausgezog. K. 8 Kinderlose Paare Alleinstehende Frauen 5 Alleinstehende Männer

Wer sind die BewohnerInnen?

BewohnerInnen Früher: Chronisch an Schizophrenie Erkrankte Heute: Ausdifferenzierung der Zielgruppen und damit unterschiedliche Ziele Hilfreiche Merkmale: Wunsch nach Familie, Neugier auf veränderte Lebensform, Wohlgefühl in engem sozialen Bindungssystem Nicht integrierbar: wiederkehrende Suizidalität, hohes Maß an aggressiven Verhaltensweisen, sexuell belästigendes Verhalten, akute Abhängigkeitsproblematik

Zugang der BewohnerInnen Zu je 2/3 aus vollstationärem Bereich zumeist LangzeitpatientInnen Zu ca 20 % aus eigenem Wohnbereich oder über Angehörige Zu 8 % aus ambulanter Betreuung Zu 6 % aus anderen Bereichen

Zielgruppen und Ziele Lebensabend / Wieder-eingliederung Stabilisierung / Nachreifung / Integration Geeignete/förderliche Weiterbetreuung Wiedereingliederung Kontinuität / Stabile Lebensbedingungen für Mutter und Kind Chronisch an Psychosen Erkrankte Seelisch schwer belastete junge Menschen (JuMeGa) Menschen mit Alkoholdemenz Menschen mit Persönlichkeitsstörungen Psychisch kranke Eltern/Mütter m. Kindern

Familienpflegeteams

Arbeitsgrundlagen Multiprofessionelle Teams als Ziel Theoretische Grundlagen: Systemtheorie und Lebensweltorientierung Netzwerke: Jährliche Fachtagungen und Fachausschuss Familienpflege der DGSP Rechtsgrundlagen: SGB XII, §§53ff und VIII §§27ff (Hilfen zur Erziehung) Leistungsvereinbarung, Anlage dazu Kollegiale Beratung, Fallkonferenzen, SV

Fachtagung Familienpflege, Jena 2005

Arbeitsinhalte Leistungsvereinbarungen Öffentlichkeitsarbeit Verwaltung Aufbau von Kooperationsstrukturen Aufbau eines Pools potentieller Gastfamilien Suche nach geeigneten / interessierten BewohnerInnen Anbahnung (Besuche, Probewohnen) Ambivalenzcoaching Passungsprozess begleiten Betreuung der KlientInnen Beratung der Gastfamilien Krisenintervention Qualitätsentwicklung: Struktur und Prozess

Arbeit mit den Gastfamilien Die Gastfamilie als Vertragspartner Das doppelte Mandat: Zwischen Unterstützung und Kontrolle Aufrechterhaltung von Betreuungsfähigkeit und Motivation Konfliktberatung Empowerment Vernetzung mit anderen Gastfamilien Sicherung von Entlastungsmöglichkeiten Begleitung in den Phasen (Anbahnung, Eingewöhnungszeit, der neue Alltag, Abschied)

Beispielhafte Eckdaten An- oder Einbindung in psychiatrische Zentren Finanzierung der Maßnahme über Betreuungsstufen Betreuung: Familie erhält 400 Euro für die Betreuung , Steuerproblem! Zimmermiete orientiert an ortsüblichen Spiegeln Lebensunterhalt des Klienten in aller Regel EU-Rente oder Hartz IV / Grundsicherung; Kostgeld wird individuell ausgehandelt

Stand der Arbeit 12 Familien, davon 2 vermittelt 2 Vermittlungen stehen unmittelbar bevor 1 Anbahnung nach Probewohnen aufgegeben 2 Anfragen, 1 davon konkret (Kennenlernen steht bevor) Besuch vieler Arbeitskreise und kommunaler Gremien im Kreis sowie im Psychiatrischen Zentrum (Weiter)Entwicklung von Struktur- und Prozessqualität

Zusammenfassung Familien haben Kompetenzen entwickelt, die für die Betreuung von GastbewohnerInnen hilfreich sind Die Betreuung bedeutet z.B. nach der Kinderphase sinnvolle Aufgabe, Hinzuverdienst und soziale Anerkennung Für Klienten, die nicht allein leben können: Oftmals einzige Alternative zu vollstationärer Unterbringung Ermöglicht ein Leben in einem familiären, natürlichen und kontinuierlichen System Kostenersparnisse

Abschluss noch ein Bild von Herrn Geyer