Vorlesung Neuroplastizität und motorisches Lernen

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 Präsentation transkript:

Vorlesung Neuroplastizität und motorisches Lernen Querschnittsbereich Rehabilitation Priv. Doz. Dr. med. M. Lippert-Grüner PhD

Lernziele I. Evidenzbasierte Maßnahmen einschätzen lernen II. Mechanismen der neuronalen Reorganisation kennen III. Therapeutische Ansätze analysieren können

Lernziele I. Evidenzbasierte Maßnahmen einschätzen lernen II. Mechanismen der neuronalen Reorganisation kennen III. Therapeutische Ansätze analysieren können

Evidenzbasierte Praxis Therapie basierend auf der besten externen Evidenz Klinische Expertise abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse Ethische Grundhaltung Strategie für eine lebenslange selbständige Fortbildung   Frage Wie wahrscheinlich es ist, dass die Therapie den Krankheits-, Rehabilitationsverlauf zum Günstigeren hin beeinflusst? Ziel Jedem Patienten die individuell optimale therapeutische Versorgung zu ermöglichen

Evidenzbasierte Praxis („best clinical practice“) Lernstrategie 1. Formulierung einer präzisen klinischen Fragestellung   2. Suche nach externer Evidenz (Forschungsergebnisse) 3. Kritische Bewertung der Forschungsergebnisse 4. Integration der Forschungsergebnisse in das „Clinical Reasoning“ 5. Evaluation der Ergebnisse der Intervention (Outcomes)

Evidenzhierarchie (ÄZQ): Ärztliches Zentrum für Qualitätssicherung in der Medizin I a Meta-Analysen randomisierter kontrollierter Studien (z.B. Cochrane) I b Randomisierte kontrollierte Studie II a Kontrollierte Studien ohne Randomisierung II b Gut angelegte quasi experimentelle Studie III Nicht experimentelle deskriptive Studien: Vergleichstudien, Korrelationsstudien, Fall-Kontrollstudien IV Fallberichte (Verlaufsstudien) Expertenmeinungen  

Cochrane Collaboration Weltweiter Verbund von Medizinern und Rehabilitations-wissenschaftlern Erstellen systematischer Reviews und Meta-Analysen insbesondere von randomisierten kontrollierten Studien um wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkungen von Therapien schnell von der Wissenschaft in die Praxis umzusetzen Deutsches Cochrane Zentrum: www.cochrane.de Cochrane Collaboration: www.cochrane.org Cochrane AL Effectiveness & Efficiency. Random Reflections on Health Services. The Rock Carling Fellowship 1971. The Royal Society of Medicine Press 1972

Lernziele I. Evidenzbasierte Maßnahmen einschätzen lernen II. Mechanismen der neuronalen Reorganisation kennen III. Therapeutische Ansätze analysieren können

Definition Neuroplastizität Anpassungsmechanismen an äußere und innere Bedingungen des Individuums 1

Wirkungsmechanismen der Neuroplastizität Strukturell 1.Intra-areal (Ausweitung das zuständigen geschädigten Areals)   2.Inter-areal (andere Areale übernehmen die Funktion) 3.Kompensatorisch (z.B. mehr Kraft in der anderen Extremität, z.B durch die kontralaterale nicht läsionale Seite)

Intra-areale und Inter-areale Plastizität der Willkürmotorik. Größe und Aktivität corticaler und subcorticaler motorischer Areale ist funktions- und gebrauchsabhängig (intra-areale Plastizität) Willkürmotorik ist modular in Netzwerken organisiert, innerhalb dieser Netzwerke ist eine Kompensation möglich (inter -areale Plastizität)   Das sind die Ursachen, warum sich beim Üben etwas bessert! 1

Wirkungsmechanismen der Neuroplastizität B. Synaptisch Plastizität als Veränderung der Effizienz der synaptischen Übertragung 1.LTP (long-term Potentiation)   2.LTD (long-term Depression)

Synaptische Effizienz und Erregungsübertragung . LTP (long-term Potentiation)  Einzelne (elektrische) Aktivierungen in schneller Folge (5Hz) erhöhen die Erregbarkeit des postsynaptischen Neurons Stunden nach der wiederholten Reizung noch nachweisbar ist   Grundmechanismus des Lernens und der Plastizität ! Wiederholte Aktivierung verbessert die synaptische Effizienz und damit die Erregungsübertragung (Notwendigkeit des repetitiven Übens)

Synaptische Effizienz und Erregungsübertragung LTD (long-term Depression) Niederfrequente elektrische Stimulation (2Hz) erniedrigt die Erregbarkeit des postsynaptischen Neurons. Auch längere Zeit nach der wiederholten Reizung noch nachweisbar.   Ebenfalls Grundlage für Lernen und Gedächtnis. Sowohl die LTP als auch die LTD sind Prozesse der neuronalen Plastizität!

Weitere Mechanismen (neuronale) Plastizität Veränderung der neuronalen Erregbarkeit   z.B. transkranielle Gleichstromstimulation, engl. transcranial direct current stimulation / tDCS: Auslösung von Aktionspotentialen erhöht z.B. periphere Elektrostimulation: fokale Steigerung der Erregbarkeit sensorischer Areale   Ebene der Transmitter   z. B. Gabe von Noradrenalin oder GABA-Antagonisten oder Erhöhung der Ausschüttung durch therapeutische Intervention (z.B. Morbus Parkinson)

Weitere Mechanismen (neuronale) Plastizität Ebene der Wachstumsfaktoren z.B. intavenöse Gabe von BDNF (brain-derived neurotrophic factor) oder Erhöhung der BDNF-Produktion durch Training*

Lernziele I. Evidenzbasierte Maßnahmen einschätzen lernen II. Mechanismen der neuronalen Reorganisation kennen III. Therapeutische Ansätze analysieren können

Interventionsformen - Übungstherapie   Neurophysiologische Behandlungskonzepte •Bobath, PNF, Vojta •Perfetti, Affolter •FOTT, etc.   Isoliertes senso-motorisches Üben Aufgaben-orientiertes Training (= task-orientiertes) Üben des Gehens, Laufbandtraining lattform-Training Forced-use / constraint-induced-movement-therapy (CIMT)

Weitere Interventionsformen   •Spiegeltherapie •Bewegungsbeobachtung, mentales Üben •Sensibilitätstraining •Üben unter rhythmisch-akustischer Stimulation •Elektrostimulation •Biofeedback •Neuromodulation (TMS, tDCS) •Bilaterale Aktivierung

Analyse der Therapiekonzepte  Auf welche Grundannahme ist das jeweilige therapeutische Vorgehen abgestützt? Warum wird das so gemacht? A. Theoretische Rahmenkonzeption / Begründung des Vorgehens Wie sieht das therapeutische Vorgehen konkret aus? B. Praktische Durchführung Ist die Wirkung der Therapie durch Studien überprüft und belegt? Wenn ja welcher Studientyp? C. Wirkungsnachweis

Von 9482 relevanten Studien wurden 322 selektioniert Ergebnisse Clinical practice stroke guideline for physiotherapists in The Netherlands The development of a clinical practice stroke guideline for physiotherapists in The Netherlands: a systematic review of available evidence van Peppen RP, Hendriks HJ, van Meeteren NL, Helders PJ, Kwakkel G.: Disabil Rehabil. 2007 May 30;29(10):767-83 Von 9482 relevanten Studien wurden 322 selektioniert Ergebnisse 65 Empfehlungen zur Wahl der physiotherapeutischen Maßnahmen…

Clinical practice stroke guideline for physiotherapists in The Netherlands Empfehlungsgrad 1 •Hohe Trainingsintensität •Aufgaben (task)-spezifisches Training •Kontext-spezifisches Training •Plattformtraining (posturale Kontrolle im Stehen) •Funktionelles Krafttraining paretischer Muskeln •Laufbandtraining (mit und ohne Gewichtsentlastung) •CIMT •TENS (zur Reduktion der Spastik)

Clinical practice stroke guideline for physiotherapists in The Netherlands Empfehlungsgrad 2 •Mentales Üben motorischer Fertigkeiten •Rhythmisch-akustische Stimulation •Spiegeltraining •Üben mit Biofeedback •EMG-initialisierte elektrische Muskelstimulation •Sprunggelenks-Orthesen •Aufblasbare Schienen •Dehnen (Finger, Handgelenk) •Lagerungen

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!