Zeugnisse formulieren und analysieren Reinbek – 14. April 2011
Eingangsfall 1: Arbeitnehmer aus hat bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen U ein Arbeitszeugnis erhalten. Dieses enthält an einer Stelle die telefonische Durchwahl des Telefonanschlusses der zeugnisausstellenden Personalleiterin. A verlangt die Neuausstellung des Zeugnisses ohne die Durchwahl. Zu Recht?
Eingangsfall 2: Arbeitgeber A bescheinigt dem wegen Unterschlagung gekündigten Buchhalter B im Zeugnis, stets ehrlich gewesen zu sein. B finden einen neuen Arbeitgeber N, legt dort sein Zeugnis vor und wird eingestellt. Er langt erneut in die Kasse und bringt das Geld durch. N verlangt den entstandenen Schaden von A ersetzt. Mit Erfolg?
I. Allgemeines zum Arbeitszeugnis Der Zeugnisanspruch Form und Inhalt des Arbeitszeugnisses Berichtigung von Arbeitszeugnissen Haftung für unwahre Zeugnispassagen? Typische Zeugnismängel Unzulässige Geheimcodes Ausgewählte Rechtsprechung
I. Allgemeines zum Arbeitszeugnis
Arbeitszeugnis: Schriftliche Bescheinigung des Arbeitgebers (oder des Ausbilders) über die Dauer, den Inhalt und den Verlauf des Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses.
Inhaltliche Unterscheidungen: einfaches Zeugnis (Arbeitsbescheinigung) qualifiziertes Zeugnis Zeitliche Unterscheidungen: Zwischenzeugnis Endzeugnis
Zweiseitige Zielsetzung des Zeugnisses: Unterlage für neue Bewerbungen von verständigem Wohlwollen getragen Unterrichtung eines (noch unbekannten) Dritten
II. Der Zeugnisanspruch
Anspruch auf Endzeugnis: entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuvor Anspruch auf Zwischenzeugnis („vorläufiges Zeugnis“) kann auch nach Beendigung noch verlangt werden
Anspruch auf Zwischenzeugnis: bei Änderungen im Arbeitsverhältnis bei betrieblichen Veränderungen bei persönlichen Veränderungen bei anderweitiger Bewerbungsabsicht zur Vorlage bei Banken, Behörden, Fortbildungen muss vom Arbeitnehmer verlangt werden
Problematische Bindung bei Zwischenzeugnis: im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen bei weitem Tätigkeitsfeld im Zusammenhang mit personen-/verhaltens- bedingten Kündigungen bei positiver Bewertung
Verzicht auf Zeugnisanspruch? vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen streitig, ob Verzicht nach Beendigung wirksam nicht von Ausgleichsklauseln erfasst Verwirkung bei fehlender Erinnerung an Leistungen denkbar
III. Form und Inhalt des Arbeitszeugnisses
Form Schriftform (Textform ausgeschlossen) unterschrieben äußere Form tadellos haltbares, qualitativ hochwertiges Papier mit aktuellem Firmenbriefkopf sauber und ordentlich geschrieben keine Flecken, Radierungen, Verbesserungen, Streichungen o.ä.
Form durch die äußere Form darf nicht der Eindruck erweckt werden, der Arbeitgeber distanziere sich von seinen Erklärungen im Zeugnis geheime Zeichen im Zeugnis sind unzulässig (§ 109 Abs. 2 S. 2 GewO) Zeugnis darf geknickt sein (Kopierbarkeit), wenn auf Postweg übersandt selten über 2 DIN A4-Seiten
Form Erstrecken auf das gesamte Arbeitsverhältnis (Einheitlichkeitsgrundsatz) Unterschrift durch gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft oder Vertreter („ranghöher“)
Inhalt klar und verständlich kein Irrtümer erweckend oder Mehrdeutigkeiten enthaltend keine Auslassung von verkehrsüberlicher Weise enthaltenen Passagen keine Auslassung bei branchenüblicher Erwartung ggf. Bindung an Zwischenzeugnis, auch bei Eigenschrift
Inhalt kein Anspruch auf Schlussformel ggf. Anspruch auf Nennung des Auscheidensgrundes
Inhalt Inhalt des einfachen Arbeitszeugnisses Person des Arbeitnehmers Art und (rechtliche) Dauer der Beschäftigung
Werdegang und Tätigkeitsbeschreibung Zeugnisaufbau Rubrum Werdegang und Tätigkeitsbeschreibung Verhaltensbeurteilung Leistungsbeurteilung
Rubrum Name Beschäftigungsdauer Berufsbezeichnung Problem: Eigenvorstellung des Arbeitgebers
Werdegang und Tätigkeitsbeschreibung durchaus detailliert Vollständigkeitsanspruch weglassen nur untergeordnete Tätigkeiten Problem: Kopflastigkeit
Verhaltensbeurteilung Umgang gegenüber Kollegen, Vorgesetzen und ggf. Dritten (z.B. Kunden) falls Führungskompetenz Äußerung zum Führungsverhalten
Leistungsbeurteilung Schulnoten Problem: zur „vollsten“ Zufriedenheit Grundsatz der Zeugniswahrheit keine Nennung von einmaligen Vorfällen, die für das Arbeitsverhältnis nicht prägend
Leistungsbeurteilung Zweiseitige Zielsetzung des Zeugnisses: Unterlage für neue Bewerbungen von verständigem Wohlwollen getragen Unterrichtung eines (noch unbekannten) Dritten Aufnahme von Tatsachen und Beurteilungen nur, soweit sie für Folgearbeitgeber von Interesse sind
Einzelfälle problematischer Zeugnisinhalte: Elternzeit (70 %) Wehr- und Zivildienst (50 %) Krankheit (nur wenn prägend, ca. 50 %) Schwerbehinderung (-) Vertragsbruch (-) wenn nicht charakteristisch fristlose Kündigung (-) Straftat (-) nur bei Bedeutung für Folgearbeitgeber
Zugang des Zeugnisses: Holschuld, es sei denn Bringschuld bei Unzumutbarkeit der Abholung aber: kein Anschriftenfeld bei Postversand
IV. Berichtigung von Arbeitszeugnissen
Ausstellung eines neuen Zeugnisses: bei falschen Tatsachen bei unrichtigen Beurteilungen bei unzulässigen Auslassungen bei Verwendung von Geheimcodes wenn das berufliche Fortkommen beeinträchtigt werden könnte
Ausstellung eines neuen Zeugnisses: bei äußeren Mängeln bei Schreibfehlern wenn sie negative Folgen für den Arbeitnehmer haben können
Gerichtliches Verfahren auf Neuausstellung: setzt (fehlerhafte) Erteilung voraus Gericht darf ggf. formulieren schon Klagantrag muss gewünschte Formulierung enthalten Praxis: hohe Vergleichsquote
V. Haftung für unwahre Zeugnispassagen?
Haftung gegenüber Dritten: wenn wahrheitswidrig zu günstig wenn wenigsten billigend in Kauf genommen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Praxis: nur enge Haftungsgrenzen
Eingangsfall 2: Arbeitgeber A bescheinigt dem wegen Unterschlagung gekündigten Buchhalter B im Zeugnis, stets ehrlich gewesen zu sein. B finden einen neuen Arbeitgeber N, legt dort sein Zeugnis vor und wird eingestellt. Er langt erneut in die Kasse und bringt das Geld durch. N verlangt den entstandenen Schaden von A ersetzt. Mit Erfolg?
Haftung gegenüber Arbeitnehmer: bei Nichterfüllung bei Schlechterfüllung bei verspäteter Erfüllung setzt kausalen Schaden voraus
VI. Typische Zeugnismängel
Fehlende Angaben – beredetes Schweigen
Unglaubwürdiges Lob - Gefälligkeitszeugnis
Unprofessionelle Zeugnissprache - Eigenschrift
Abweichender Zeugnisaufbau
Widersprüche nach verlangter Aufwertung
Schlechter Eindruck – Stil- und Rechtschreibfehler
Fehlende persönliche Note – geringe Wertschätzung
Verwendung von Geheimcodes
VII. Unzulässige Geheimcodes
Eingangsfall 1: Arbeitnehmer aus hat bei seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen U ein Arbeitszeugnis erhalten. Dieses enthält an einer Stelle die telefonische Durchwahl des Telefonanschlusses der zeugnisausstellenden Personalleiterin. A verlangt die Neuausstellung des Zeugnisses ohne die Durchwahl. Zu Recht?
VIII. Ausgewählte Rechtsprechung
Fazit: Halten Sie sich an den üblichen formellen Aufbau. Formulieren Sie sachlich, ehrlich und natürlich. Vermeiden Sie Spitzen oder Unfairness. Kommen Sie Wünschen nach, aber vermeiden Sie Fremdschriften. Nennen Sie negative Aspekte nur, wenn es sich überhaupt nicht vermeiden lässt. Bewerten Sie mit befriedigen oder besser.