Die Sozialverkündigung der Kirche: Entwicklungsschritte und Perspektiven I Die historische Entwicklung bis zu ersten Sozialenzyklika „Rerum novarum“ 1891.

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Die Sozialverkündigung der Kirche: Entwicklungsschritte und Perspektiven I Die historische Entwicklung bis zu ersten Sozialenzyklika „Rerum novarum“ 1891

1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage

1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.1 Pauperismus und Soziale Frage Außergewöhnlich hohes Bevölkerungs-wachstum: von 24 Mio. 1800 auf 56 Mio. 1900 Befreiung aus der Grundherrschaft auf dem Land Verelendung der Landbevölkerung Abwanderung in die Stadt

1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.1 Pauperismus und Soziale Frage Verarmung von Teilen der Handwerkerschaft (Gewerbefreiheit) Späte Industrialisierung in Deutschland Transformation vom Agrar- zum Industriestaat Proletarisierung der Industriearbeiterschaft

Proletarische Lebenslage: (1.) Fremd-bestimmte Arbeit 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.1 Pauperismus und Soziale Frage Proletarische Lebenslage: (1.) Fremd-bestimmte Arbeit

Proletarische Lebenslage: (2.) Hungerlöhne 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.1 Pauperismus und Soziale Frage Proletarische Lebenslage: (2.) Hungerlöhne

Proletarische Lebenslage: (3.) Existenz-unsicherheit 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.1 Pauperismus und Soziale Frage Proletarische Lebenslage: (3.) Existenz-unsicherheit

Caritaskreise in Münster, Koblenz und Aachen... 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.2 Der caritative Aufbruch der Katholiken Caritaskreise in Münster, Koblenz und Aachen...

Caritaskreise in Münster, Koblenz und Aachen... Clemens v. Brentano 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.2 Der caritative Aufbruch der Katholiken Caritaskreise in Münster, Koblenz und Aachen... Clemens v. Brentano „Die barmherzi- gen Schwestern in Bezug auf die Armen- und Krankenpflege“

Vinzenz- und Elisabethenvereine 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.2 Der caritative Aufbruch der Katholiken Vinzenz- und Elisabethenvereine - Hilfevereine zur Bekämpfung der Massenarmut - Schnelle Ausbreitung des caritativen Vereinswesen - 1912: 588.000 Mitglieder caritativer Vereine in Deutschland

Caritative Schwesternkongrgationen Beispiel Münster: 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.2 Der caritative Aufbruch der Katholiken Caritative Schwesternkongrgationen Beispiel Münster: - Barmherzigen Schwestern - Schwestern von der göttlichen Vorsehung - Franziskanerinnen - Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel

Die caritativen Vereine als Teil des bürgerlichen Vereinswesens 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.2 Der caritative Aufbruch der Katholiken Die caritativen Vereine als Teil des bürgerlichen Vereinswesens Charakter einer Volksbewegung Kirchlich gebundene private Wohltätigkeitsbewegung Unabhängigkeit und Freiheit gegenüber dem (preußischen) Staat

1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.3 Der konservativ-sozialromantische Ansatz Edmund Burke (1729 - 1997) „geistiger Vater“ des Konservativismus in Europa gegen Aufklärung und franz. Revolution naturgegebene Welt-und Gesellschafts-ordnung Ständegesellschaft

1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.3 Der konservativ-sozialromantische Ansatz Adam Heinrich Müller (1799-1829) erste konservativ-romantische Gesell-schaftskonzeption organologisches Verständnis von Staat, Familie, Stände, Korporationen Gegnerschaft zu Adam Smith

Karl Freiherr von Vogelsang (1818-1890) Berufsständische Ordnung 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.3 Der konservativ-sozialromantische Ansatz Karl Freiherr von Vogelsang (1818-1890) Berufsständische Ordnung Vier berufsständische Korporationen: (1) Bauern (2) Handwerk (3) Großindustrie (4) Handel Partnerschaft statt Klassengegensatz Ständekammer und Sozialkönig

Erneuerung der Scholastik in Italien 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.4 Die Zähmung des Kapitalismus durch Sozialpolitik Erneuerung der Scholastik in Italien Aristotelisch-thomistisches Naturrecht Wesensaussagen über den Menschen Der Mensch als Person Gegen schrankenlosen Kapitalismus und Kollektivismus zugleich Recht auf „lebensgerechten Lohn“

1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.4 Die Zähmung des Kapitalismus durch Sozialpolitik Bischof Ketteler (1811-1877) Caritaspfarrer in Beckum und Hopsten 1848: Sozialpflichtig-keit des Eigentums Liberalismuskritik Produktiv-assoziationen Sozialpolitik des Staates

der Staat hat die „persönliche Integrität des Arbeiters zu schützen 1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.4 Die Zähmung des Kapitalismus durch Sozialpolitik Franz Hitze (1851 - 1921) der Staat hat die „persönliche Integrität des Arbeiters zu schützen und seine wirtschaftliche Existenz zu sichern“. Arbeiterschutzgesetzgebung Arbeiterversicherungsgesetzgebung

1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage 1.4 Die Zähmung des Kapitalismus durch Sozialpolitik

1. Caritas, ständische Sozialreform und Sozialpolitik: Die Kirche vor Pauperismus und sozialer Frage Sozial-realistische Richtung (Ketteler, Hitze, Hertling) - Konditioniertes Ja zur liberalen Wirtschaftsordnung - Wahrung des Personwürde der Arbeiter durch Sozialpolitik - Eigene Interessen-vertretung d. Arbeiter Sozial-romantische Richtung (v. Vogelsang) - Ablehnung der neuen, liberalen Wirtschaftsordnung - Rückkehr zur Ständeordnung - Ablehnung des Arbeitsvertrags

2. Die Enzyklika „Rerum novarum“ Papst Leo XIII (1878-1903) Prägung durch die (Neu-)Scho- lastik Vorsichtige Öffnung der Kirche

2. Die Enzyklika „Rerum novarum“ „Der Geist der Neuerung, welcher seit langem durch die Völker geht, musste ...folgerichtig auch das volkswirtschaftliche Gebiet ergreifen“ (Nr.1) „Wir wollen die Grundsätze darlegen, welche für eine richtige und billige Entscheidung der Frage (Arbeiterfrage) maßgebend sein müssen“ (Nr. 1) „Produktion und Handel sind fast zu einem Monopol von wenigen geworden, und so konnten wenige übermäßig Reiche einer Masse von Besitzlosen eine nahezu sklavisches Joch auflegen“(Nr. 2).

2. Die Enzyklika „Rerum novarum“ Naturrechtliche Verteidigung des Privateigentum Sozialismus bedroht auch die Familie Versöhnung mit dem Faktum der sozialen Ungleichheit Wechselseitige Abhängigkeit von Kapital und Arbeit Kooperative Beziehung der Klassen

2. Die Enzyklika „Rerum novarum“ “Ein Grundfehler in der Behandlung der sozialen Frage ist..., daß man das gegenseitige Verhältnis zwischen der besitzenden und der unvermögenden, arbeitenden Klasse so darstellt, als ob zwischen ihnen von Natur ein unversöhnlicher Gegensatz Platz griffe, der sie zum Kampf aufrufe. Ganz das Gegenteil ist wahr. Die Natur hat vielmehr alles zur Eintracht, zu gegenseitiger Harmonie hingeordnet; und so wie im menschlichen Leibe bei aller Verschiedenheit die Glieder im wechselseitigen Verhältnis Einklang und Gleichmaß vorhanden ist, so hat auch die Natur gewollt, daß im Körper der Gesellschaft jene beiden Klassen in einträchtiger Beziehung zueinander stehen und ein gewisses Gleichgewicht darstellen. Die eine hat die anderer durchaus notwendig. So wenig das Kapital ohne die Arbeit, so wenig kann die Arbeit ohne das Kapital bestehen”(Nr.15).

2. Die Enzyklika „Rerum novarum“ Beitrag der Kirche zur Lösung der sozialen Frage - lehrmäßiges Eintreten für Gerechtigkeit und Friede - Aufruf zum caritativen Engagement - Eintreten für die Würde der Arbeiter - Einfordern von Lohngerechtigekeit - Sozialpflichtigkeit des Eigentums (vornehmlich als Pflicht der Liebe, in äußerster Not auch der Gerechtigkeit)

2. Die Enzyklika „Rerum novarum“ Aufgabe des Staates zur Lösung der sozialen Frage - gegen die liberale Idee der Selbstheilungskräfte des Marktes - gegen Beschränkung auf ständischen Korporatismus - Notwendigkeit des Eingriffs des Staates als Garant des Gemeinwohls: Arbeiter-schutzgesetzgebung; faire Vertrags-bedingungen, Schutz gegen Frauen- und Kinderarbeit; Eigentumsbildung d. Arbeiter

2. Die Enzyklika „Rerum novarum“ Die Arbeiter und ihre Vereinigungen als Akteure zur Lösung der sozialen Frage - Vereinigungsrecht als unveräußerliches Naturrecht - Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiter und Interessenausgleich - Bedeutung kirchlicher Arbeitervereine - Unklarheit in der Frage: gerwerkschaftliche oder vereinsmäßige Organisation der katholischen Arbeiter?

2. Die Enzyklika „Rerum novarum“ Drei zentrale Aussagen der Enzyklika nach O. von Nell-Breuning: Lohngerechtig-keit Koalitionsrecht Staats-intervention