6. Chaos-theoetische Konjunkturerklärung

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
5. 3 Keynes: Die IS-Kurve J. R. Hicks: „Mr
Advertisements

5. 3 Keynes: Die IS-Kurve J. R. Hicks: „Mr
3.2 Klassische Theorie im Zusammenhang
Wirtschaftswachstum, Produktivität und Wohlstand von Nationen
Herzlich Willkommen zum Tutorium: Makroökonomik WS 2009/10 // Holger Nickel.
4. Dynamische Makroökonomie
Einführung Übersicht Einsatz der Zielwertsuche Einsatz des Solvers
Dynamik komplexer Systeme
Numerik partieller Differentialgleichungen
Computerkurs: Quantitative Auswertung biochemischer Experimente Tag 8 Einführung in die numerische Integration Aufgabe 18: Simulation einer Assoziationskinetik.
Agglomerationseffekte und regionale Standortpolitik
Vorlesung Geschichte der Volkswirtschaftslehre
Technischer Fortschritt
5.3. Neuklassische Konjunkturtheorie
7. Neue Wachstumstheorie 7. 1
10 Die Phillipskurve Ca 6% ALQ Ursprüngliche Phillipskurve:
5. Monetaristische Konjunkturtheorien
4. Keynesianische Konjunkturtheorien
Wohnortwahl im Thünen-Modell
9.1 Monetarismus (auch: Neoquantitätstheorie)
3.3 Neoklassik: Analytisches Modell
7. Konvergenz oder Divergenz von Regionen
2.3 VGR-Kreislaufdarstellung
Lösung: Keynes Demo dY = -144,5 dT = + 36,125 Insgesamt 8 Punkte.
Erweiterungen Input-Output-Analyse
Rückblick und Klausurvorbereitung Makroökonomie I
Modellbildung in der Geoökologie (G5, 103) SS 2004
Zeitreihenanalyse WS 2004/2005 Michael Hauhs / Gunnar Lischeid
Entwicklung von Simulationsmodellen
12. Zur Bildung von Zyklen Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff
Unser letztes Tutorium
Wirtschaft Technologie Umwelt Vorstand Wilfried Kurtzke Konjunktur: Aufschwung ohne breite Grundlage Einkommen, Nachfrage, Arbeitsplätze Kollektive Arbeitszeitverkürzung.
Dummy-Variablen Gleicher Lohn bei gleicher Qualifikation: Frauen verdienen im Durchschnitt zwar weniger als Männer, aber ist die Ursache dafür in der Diskriminierung.
Eigenschaften der OLS-Schätzer
Einfache Regressionsgleichung
Übungsbeispiele zur 1. Vorlesung
Krisen mit Keynes erklärt
Die Logistische Gleichung & Die Kepler Gleichungen
Frühere Einteilung der Konjunkturphasen
Exkurs: Eugen von Böhm-Bawerk
Die Volkswirtschaft bei langfristiger Betrachtung
Die makroökonomische Kontroverse: NCM vs. NKM
Das Neoklassische Grundmodell
Intermediate Macroeconomics: Übungsveranstaltung 1
Kapitel 16 Ökonometrische Modelle

Strategie der Modellbildung
Berechenbares Chaos - unvorhersehbare Wirklichkeit
II. Entwicklungstheorien

Übungsbeispiele zur 1. Vorlesung
Kapitel 1 Einführung Internationale Wirtschaft 1
Die makroökonomische Kontroverse: NCM vs. NKM
Arbeitsproduktivität und komparativer Vorteil: das Ricardo-Modell
Kap 11: Gesamtwirtschaftliche Nachfrage II
Kapitel 1 Einführung Kapitel 3 Spezifische Faktoren (Forsetzung)
Probleme des Umweltschutzes (freies Wahlfach) Einführungsvorlesung Andreas Aschbacher,MSc, arsenal research Ges.m.b.H Hörsaal VIII, 2. Stock Mo Ausbreitung.
Wozu brauchen wir ökonomische Theorie?
(Basic-Nonbasic-Konzept)
„Internationale Ökonomik“ – warum?
Aufgabe 31 Die gesamtwirtschaftliche Geldnachfrage sei beschrieben durch folgende Geldnachfragefunktion:
3. Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht
Regionalökonomie Hochschule Neubrandenburg WS 2015/2016 Dr. Rainer Land Thünen-Institut Bollewick Folien, Unterlagen, Materialien auf
Außenhandelsbeziehungen zwischen China, USA, EU Makroökonometrie Vorlesung Dr. Oliver Bode.
Arbeitslosigkeit Makroökonomik
Transformationskurve und Opportunitätskosten
Transformationskurve und Opportunitätskosten
Konjunkturelle Fluktuationen 1
Mikroökonomie 1 Kaufen und Verkaufen
Transformationskurve und Opportunitätskosten
 Präsentation transkript:

6. Chaos-theoetische Konjunkturerklärung Endogene und reale (nicht-monetäre) Konjunkturerklärung Abgeleitet aus Naturwissenschaften/Mathematik Blütezeit in den 1980er und 1990er Jahren Eher technische Erklärung der Instabilität dynamischer Systeme Keine klaren Politikempfehlungen 1 U van Suntum, Vorlesung KuB 1

Chaos-Theorie allgemein: Ein Beispiel*) x t+1 = r xt(1 – xt) Xmax = 0,25 r x t+1 xt 0,5 1,0 *) cf. Ian Stewart, Spielt Gott Roulette? Chaos in der Mathematik, Basel u.a. 1990, S. 163 ff.; Heubes, Konjunktur u. Wachstum, a.a.O., S. 108 KuKuB 7 2 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 2

Ableitung des Maximalwertes x t+1 = r xt(1 – xt) Xmax = 0,25 r x t+1 xt 0,5 3 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 3

Ableitung des Fixpunktes (Gleichgewicht) x t+1 = r xt (1 – xt) 45o x t+1 = xt x t+1 Xmax = 0,25 r „Fixpunkt“ xt 0,5 Existenz eines Gleichgewichts ist noch nicht hinreichend für seine Erreichung und Stabilität! 4 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 4

x t+1 = r xt (1 – xt) Y t+1 = aYt (1 – Yt) x t+1 xt für 0 < r < 3 => Konvergenz zum Fixpunkt für 3 < r < 3,58 => Schwingungen („Bifurkationen“) für 3,58 < r < 4 => Chaos mit zwischenzeitlicher Regelmäßigkeit für r > 4 => Instabilität (Explosion) Chaosgleichungbeispiel.xls Fixpunkt (stabil, wenn Steigung der Kurve absolut < 1) Xmax = 0,25 r x t+1 45o Prinzipiell mögliche Punkte xt Startwert 5 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 5

a) Konvergenz (0 < r < 3); hier: r = 2,8 => Fixpunkt = 0,6428 Fixpunkt: x = 0,6428 Startwert: x = 0,4 Zeitlicher Verlauf von x 6 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 6

Bifurkationspunkte:*) x = 0, 7995 und x = 0,5130 start: x = 0,4 b) Bifurkationen (3 < r < 3,58); hier: r = 3,2 => Fixpunkt x = 0,6875 Bifurkationspunkte:*) x = 0, 7995 und x = 0,5130 start: x = 0,4 *) numerisch ermittelt mit Excel-Solver: Bedingung: x t+1 = x t+3 und x t+2 = x t+4 Zeitlicher Verlauf von x 7 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 7

c) Chaos (3,58 < r < 4); hier: r = 3,8 => Fixpunkt x = 0,7368 Start: x = 0,4 Zeitlicher Verlauf von x 8 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 8

d) Explosion ( r > 4); hier: r = 4,2 Start: x = 0,4 Zeitlicher Verlauf von x 9 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 9

Ökonomische Anwendung: Goodwin/Pohjola-Modell (1967/1981) (vgl. Heubes, Konjunktur und Wachstum) Löhne w (und Lohnquote u = W/Y) steigen mit Einkommen Y Wachstumsrate gY sinkt mit steigender Lohnquote u (1 – u) u g u g (1 – u) 10 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 10

Variable: I = Investition, K = Kapitalstock, N = Arbeit, k = Kapitalkoeffizient K/Y, w = Lohnsatz , d = Parameter der Lohnanpassung, N* = Gleichgewichtsbeschäftigung (= Fixpunkt im Chaosmodell) Annahmen im Einzelnen: Leontief Produktionsfunktion => g ist Wachstumsrate von Y, K und N Klassische Sparfunktion: Gewinne G werden gespart, Löhne W konsumiert kein technischer Fortschritt, Arbeitsangebot konstant Löhne steigen mit Beschäftigung und Arbeitsproduktivität 11 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 11

Formale Ableitung des Goodwin/Pohjola-Modells Chaos für k < 0,39 KuB 7 12

Somit ist es determiniert bei gegebenem Startwert N und gegebenem N* Chaosgleichungbeispiel.xls Verbale Erklärung: Investition ist proportional zu Gewinnquote (1-u) (da alle Gewinne gespart werden) => siehe Gl. 1 Beschäftigung ist proportional zu Y wg. Leontief-Produktionsfunktion => Gl. 2 hohes beschäftigungsniveau und hohe Arbeitsproduktivität steigern N => Gl. 3 Modell kulminiert in einer einzigen (Differenzen-)Gleichung => Gl. 6 bzw. 7 Somit ist es determiniert bei gegebenem Startwert N und gegebenem N* empirisch testbar mit autoregressiven Methoden (man braucht nur Nt, Nt-1 etc.) KuKuB 7 13 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 13

Verhalten des Goodwin/Pohjola-Modells für k < 0,39 (hier k = 0,38) Beschäftigung N(t) KuKuB 7 14 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 14

Verhalten des Goodwin/Pohjola-Modells für k > 0,39: Bifurkationen für k > 0,4 (hier: k = 0,6) Gedämpfte Schwingungen für k >> 0,4 Beschäftigung N(t) Beschäftigung N(t) Fazit: anything goes… 15 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 15

Kritische Würdigung der Chaostheorie Stärken: Erklärt „chaotisches“ Verhalten schon einfachster dynamischer Systeme Leicht in ökonometrische Tests überführbar (Autoregression) Beleuchtet relevante Zusammenhänge zwischen Verteilung, Konsum, Investition und Konjunktur Schwächen: Zu technisch, relativ geringer ökonomischer Erklärungsgehalt Wirtschaftspolitische Schlußfolgerungen unklar Einseitige Konjunkturerklärung, bestenfalls ein Baustein komplexerer Modelle 16 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 16

Lernziele/Fragen Wie ist Chaos im mathematischen Sinne definiert? Was ist der Fixpunkt eines dynamischen Systems? Was versteht man unter Bifurkationen? Woher kommt die Dynamik im Goodwin/Pohjola-Modell? Was versteht man unter einer klassischen Sparfunktion? Wie reagiert die Lohnquote typischerweise im Konjunkturzyklus? Wie beeinflußt die Einkommensverteilung die Konsumnachfrage? 17 KuB 7 U van Suntum, Vorlesung KuB 17

Der Parameter a habe den Wert 4.20 Übungsaufgabe: Angenommen sei die folgende Differenzengleichung für die Gesamtnachfrage: Der Parameter a habe den Wert 4.20 Wie hoch ist das maximal erreichbare Einkommen? Wie hoch ist das Gleichgewichtseinkommen? KuKuB 7 18 KuB 7