Psychodynamische und tiefenpsychologische Psychotherapie

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 Präsentation transkript:

Psychodynamische und tiefenpsychologische Psychotherapie Vorlesung PD Dr. med. Reinhard Lindner

Definition Psychotherapie Was wird behandelt? Verhaltensstörungen und Leidenszustände Wie wird behandelt? Durch miteinander Reden und manchmal durch averbale Interaktion Die Interventionen des Therapeuten sind theoriegeleitet Wirkfaktoren: Die therapeutische Beziehung

Definition Was ist Psychoanalyse? Eine Wissenschaft Eine spezifische Behandlungsform der psychodynamischen Psychotherapie

Definition Was ist psychodynamische Psychotherapie? Psychotherapieverfahren, die sich an den Erkenntnissen und Prinzipien der Psychoanalyse orientieren: Psychoanalytisches Standardverfahren Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Einzeltherapie im Sitzen, 50 Minuten, 1-2x/Woche Gruppentherapie Stationäre Psychotherapie Verschiedene alters- und symptomspezifische Verfahren

Definition Was ist Psychoanalyse? Eine „Wissenschaft zwischen den Wissenschaften“ (Modell 1984) Naturwissenschaften Geisteswissenschaften Psychoanalyse Sozialwissenschaften

Psychoanalyse und Naturwissenschaften „Wir stehen vor der faszinierenden Möglichkeit, mit weiter verbesserter Auflösung von Brain-Imaging-Methoden diese nicht nur zur Diagnostik diverser psychischer Erkrankungen einzusetzen, sondern auch zur Erfolgskontrolle bei Psychotherapien“ Eric Kandel 1996, S. 711 Nobelpreisträger Medizin 2000

Psychoanalyse und Geisteswissenschaften „Die Hermeneutik ... ist eine begründende Theorie für die Psychoanalyse, insoweit sich diese mit dem Verständnis von mündlicher Sprache in der analytischen Situation beschäftigt. Es ist eine fachspezifische psychoanalytische Hermeneutik denkbar und vorhanden, die sich von traditioneller theologischer und juristischer Hermeneutik unterscheidet.“ Hartmut Raguse 1998, S. 670 Theologe und Psychoanalytiker

Psychoanalyse und Sozialwissenschaften „In anderen Worten, wir versuchten, Methoden der traditionellen Sozialpsychologie in den Dienst von Theorien aus der neueren dynamischen Charakterlehre zu stellen und bei diesem Versuch „tiefenpsychologische“ Phänomene den statistischen Verfahren zugänglicher und quantitative Erhebungen von Attitüden und Meinungen psychologisch sinnvoller zu machen.“ Theodor W. Adorno, „Studien zum autoritären Charakter“ 1950, S. 16 Psychoanalyse Sozialwissenschaften

Freud und seine Schüler Sigmund Freud Direkte Schüler (Wien) Jung, Adler, Abraham, Rank, Reik, Reich Ferenczi, Fenichel Klein, Anna Freud „Enkel“ (London, USA) Winnicott, Hartmann, Kohut, Bion „Urenkel“ Kernberg, Segal, Fonagy

Grundannahmen der Psychoanalyse Das Unbewusste Theorien von der Struktur der Psyche Übertragung und Gegenübertragung Die psychotherapeutische Haltung

Grundannahmen der Psychoanalyse Das Unbewusste (Ubw) Erstes topisches System der Psyche: Unbewusst - Vorbewusst - Bewusst Das Ubw wird von verdrängten Inhalten gebildet, die aufgrund von Verdrängung nicht mehr erinnert werden Inhalte des Ubw sind Ergebnisse der Aktivitäten der Triebe (Liebe, Aggression), die verdrängt wurden

Grundannahmen der Psychoanalyse Theorien der psychischen Struktur Ich/Es/Über-Ich Todestrieb/Lebenstrieb Objektbeziehungstheorien

Grundannahmen der Psychoanalyse Theorien der psychischen Struktur Ich/Es/Über-Ich Über-Ich: Internalisierte (elterliche/gesellschaftliche) Erwartungen, Ansprüche, Verbote Ich: Vermittler zwischen Anforderungen und Triebwünschen, Träger der Abwehr Es: Triebpol der Persönlichkeit

Grundannahmen der Psychoanalyse Theorien der psychischen Struktur Todestrieb/Lebenstrieb Todestrieb(e): Kategorie von Trieben, die nach der vollständigen Aufhebung der Spannung streben, d.h. danach, das Lebewesen in den anorganischen Zustand zurückzuführen. (Aggressions- und Destruktionstrieb) Lebenstriebe, „Eros“: streben danach, immer größere Einheiten zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Sexualtrieb, Selbsterhaltungstrieb

Grundannahmen der Psychoanalyse Theorien der psychischen Struktur Objektbeziehungstheorien Mehrpersonenpsychologie: Selbst Objekte Die psychische Entwicklung führt zu einer „Differenzierung“ (Unterscheidung) und „Integration“ (Ausgestaltung) von Selbst(repräsentanzen) und Objekt(repräsentanzen)

Grundannahmen der Psychoanalyse Übertragung/Gegenübertragung Zentrales Paradigma der Psychoanalyse: Übertragung: unbewusste Wünsche an frühere bedeutsame Personen des Lebens werden im Rahmen aktueller, realer Beziehungen reinszeniert und wieder erlebt Gegenübertragung: Gesamtheit der unbewussten Reaktionen des Therapeuten auf die Person des Patienten und besonders auf dessen Übertragung

Grundannahmen der Psychoanalyse Therapeutische Haltung: Empathie und Distanzierung Die Therapeutische Haltung ist geprägt, sowohl von der empathischen Einfühlung in das Erleben des Patienten als auch der distanzierenden Objektivierung

Unterschied zwischen medizinisch-diagnostischer und psychotherapeutischer Grundhaltung (Küchenhoff, Klemperer 2000)

Praktische Übung Bitte unterhalten Sie sich mit Ihrem Nachbarn über folgende Frage (Zeit: 3 Minuten) Gruppe 1 „Das Unbewusste“ Wo haben Sie schon mal eine Freud´sche Fehlleistung gemacht? Gruppe 2 „Die psychische Struktur“ Finden Sie ein Beispiel für einen intrapsychischen Konflikt in Ihnen. Gruppe 3 „Übertragung und Gegenübertragung“ Wo haben Sie vor kurzem mit einer Person ein Gefühl erlebt, das sie eigentlich mit Mutter oder Vater in Ihrer Kindheit erlebten, wobei dies aktuell nicht realitätsangemessen war? Gruppe 4 „Die psychotherapeutische Grundhaltung“ Wie können Sie eine Gesprächsatmosphäre schaffen, in der Ihr Gesprächspartner offen reden kann.

Für alle psychischen Erkrankungen als wirkungsvoll anerkannt Modelle psychodynamischer Psychotherapie in der Psychiatrie Indikationen zu psychodynamischen Psychotherapien Für alle psychischen Erkrankungen als wirkungsvoll anerkannt Die Indikation hängt ab von Patientenvariablen: z.B. kann der Patient eine Psychoanalyse/Psychotherapie durchhalten? Was wird er mit den Therapeuten in der Therapie erleben? Welche psychische Struktur hat er? Therapeutenvariablen: z.B. Versteht der Therapeut etwas vom Problem des Patienten? Will der Therapeut sich auf den Patienten einlassen? Kann er die notwendige Zeit mit dem Patienten verbringen?

Modelle psychodynamischer Psychotherapie in der Psychiatrie Modell: “Psychoanalytische Psychiatrie” - alle Patienten (nur) psychodynamisch verstehen Modell: “Modul psychodynamisches Verständnis in der Psychiatrie” - Additiv, Psychodynamik als eine (zusätzliche) Verstehensebene Interaktives Modell: Psychoanalyse und Psychiatrie” - einander wechselseitig beeinflussende Ebenen des Verstehens und Behandelns von Patienten

Interaktives Modell: Grundprinzipien der therapeutischen Haltung Beziehungsorientiert mit empathischer Einstellung Das Team als Übertragungsfeld, das gemäß der vorherrschenden Muster der Objektbeziehungen vom Patienten “behandelt” wird Selbstreflektion der Institution: institutionalisierte Abwehr Notfall/Krise/Suizidalität

Zusammenfassung Psychodynamische Psychotherapien basieren auf den Theorien der Psychoanalyse „Der Mensch ist nicht Herr im eigenen Haus“ - Das Unbewusste „Der Mensch ist ein konflikthaftes Wesen“ - Die psychische Struktur „Wir wiederholen im Leben die Beziehungsmuster unserer Kindheit“ - Übertragung und Gegenübertragung Die Psychotherapie ist die zentrale Behandlungstechnik der Psychiatrie

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit