Modernisierung (Industrialisierung, Tertiarisierung etc.) Teil I

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Modernisierung (Industrialisierung, Tertiarisierung etc.) Teil I Vorlesung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ * Institut für Soziologie * Universität Erlangen-Nürnberg * Sommersemester 2007 * PD Dr. J. Renn * 2. Sitzung 24. April Modernisierung (Industrialisierung, Tertiarisierung etc.) Teil I

„Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr.: Modernisierung (Industrialisierung, Tertiarisierung etc.) Teil I Fragen (Essay): 1. Was bedeutet Modernisierung im Unterschied zu allgemeinem sozialen Wandel? 2. Was hat S. Hradil gegen die These der „reflexiven Moderne“ einzuwenden und was ist davon zu halten?

„Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr.: Modernisierung (Industrialisierung, Tertiarisierung etc.) Teil I Was ist Modernisierung? (worin zeigt sie sich in der Sozialstruktur?) Reinhard Bendix: „Unter Modernisierung verstehe ich einen Typus des sozialen Wandels, der seinen Ursprung in der englischen industriellen Revolution von 1760-1830 und in der politischen französischen Revolution von 1789-1794 hat (...). Modernisierung (…) besteht im wirtschaftlichen und politischen Fortschritt einiger Pioniergesellschaften und den darauf folgenden Wandlungsprozessen der Nachzügler.“ Stein Rokkan („Die Vergleichende Analyse der Nationenbildung“): Modernisierung und Nationenbildung Modelle: Sam. Huntington: polit. Modernisierung: - zentrale, säkulare, nationale Herrschaft - Differenzierung bürokrat. Apparat - Bildung von Parteien und Interess.grupp. Karl Deutsch: - Assimilationsrate (Anteil der Teilgruppe, die nationale Sprache spricht - Mobilisierungsrate Anteil der Gruppe in nationalen und urbanen Kommunikationssystemen

„Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr.: Modernisierung (Industrialisierung, Tertiarisierung etc.) Teil I Der große Wandel ab 1850: Modernisierung als Typus umfassenden Strukturwandels (Frage nach dem Spezifikum). (Vgl.: Europa nach 1000: George Duby, „Die Zeit der Kathedralen“, S. 11ff.: „…hier und dort Lichtungen, einmal erobertes, doch nur halbwegs gezähmtes Land, leichte kümmerliche Furchen, die die von mageren Ochsen gezogenen Holzgeräte auf dem widerspenstigen Boden hinterlassen haben (…). Nun waren allerdings schon seit längerer Zeit unmerkliche Bewegungen in Gang gekommen, die diese elende Menschheit Schritt für Schritt aus ihrer absoluten Notdurft erlösten. Das 11. Jh. war für die Völker des abendländischen Europas die Zeit eines allmählichen Aufstiegs aus der Barbarei. (…) Allem Anschein nach war in der Finsternis des 10. Jh. ein in tiefes Dunkel gehüllter Fortschritt der Landwirtschaftstechniken von den großen klösterlichen Domänen ausgegangen und hatte sich ganz allmählich verbreitet.“ Vgl. zur Moderne: techn. Innovation (eiserne Pflugscharen), Wachstum von Produktivität und Bevölkerung Aber keine „Modernisierung“ - Was fehlt? entfaltete Geldwirtschaft (keine Banken, keine Märkte), Administration, Autonome Wissenschaft, Politisches System, Städte „bürgerliche Gesellschaft“

„Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr.: Modernisierung (Industrialisierung, Tertiarisierung etc.) Teil I Europa zwischen 1850 und 1900 In Europa (incl. Russ. Reich)1850: 40 Großstädte >100.000 Einwohner 2 Großstädte > 500.000 (London/Paris) 70% leben von der Landwirtschaft (1900: gebietsspez. Unter 40% - sektorale Verschiebung) 4-5% „Industriearbeiterschaft“ „Angestellte“ prakt. inexistent Produktivitätsexplosion im Agrarsektor: Prokopfertrag zwischen 1850 und 1870 plus 20-30% (Gebiet Dt. Reichplus 40%) Wachstumsdynamik: die gesell. Produktion pro Einwohner (Bevölkerungswachstum rausgerechnet) stieg zwischen 1850 und 1950 zehn mal so schnell wie vor der „industriellen Revolution“ Bevölkerungswachstum: 1800-1850: plus 42% 1850-1900: plus 51%... David Crew (Bochum, Sozialgeschichte einer Industriestadt): Herkunftsgebiete der Bevölkerung Bochums: 1: Westfalen, Rheinland 2: Hessen/Waldeck; Nordost-Dt., übriges Preußen und Ausland Geboren in: Bochum 1871 33,1 1885 41,5 1907 36,5 Nahzuwander1 52 40,1 39,8 Fernzuwanderer2 14,8 18,3 23,7

„Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr.: Modernisierung (Industrialisierung, Tertiarisierung etc.) Teil I 1. Technische Innovation: Produktion und Infrastruktur entwickeln „sich“: Techn. Fortschritt (elektr. Licht, Hygiene..) Voraussetzungen: freie Wissenschaft, sicheres Recht, rationales Wirtschaften, freie Märkte, Konsumtion und freie Lohnarbeit (Enttraditionalisierung von Lebensführung und Herrschaft) – Kombinationen: z.B.: politische Gewährleistung der rechtlichen Garantien für die ökonomischen Prämien auf die technische Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse (Max Weber: Syndrom der okzidentalen Rationalisierung) Folgen: soziostruktureller Wandel: „Aufstieg“ des Bürgertum (politische Emanzipation), neue „soziale Frage“ (Klassen, Ungleichheit, kulturelle Orientierung), Bevölkerungswachstum, Bildungssystem Zirkularität: Strukturwandel  Modernisierung  Strukturwandel

2. Politische Modernisierung: „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr.: Modernisierung (Industrialisierung, Tertiarisierung etc.) Teil I 2. Politische Modernisierung: „Emanzipation“ (Aufhebung der Leibeigenschaft und Gewerbefreiheit) Ausbau von Staat, Verwaltung und Recht (Trennung der Gewalten, als Differenzierung von Wertsphären und Zugewinn systemisch-organisationaler Autonomie) Paulskirche 1848: Soziale Kämpfe Kulturelle Modernisierung (Demokratie, Selbstbestimmung) Intensivierte liberal/bürgerliche Grundrechte und stetige Inklusionserweiterung (Partizipation) Entstehung ziviler (nichtstaatlich, nichtkirchlich) organisierter „Interessenvertretungen“ (Parteien, Verbände, Vereine) Soziale Sicherungssysteme Fürsorge

„Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr „Einführung in die Sozialstrukturanalyse“ Sitzung, 24. Apr.: Modernisierung (Industrialisierung, Tertiarisierung etc.) Teil I Soziostrukturelle Indikatoren: Anstieg und Differenzierung/Zusammensetzung der Bevölkerung (Demographie, Klassenstruktur) Mobilität (Landflucht, Urbanisierung, vertikale Mobilität, Migration) Ungleichheit (Einkommen, Herrschaft) Professionalisierung / Ausbau des Bildungssystems / Extension des Zugriffs Soziale Sicherungssysteme Stein Rokkan: Dimensionen der nationalen Moderniisierung: strukt. Indikatoren: Penetration (Wachstum öffentl. Sektor) Integration (Rekrutierung von Eliten) Identität (Bildung relig. Bindung) Legitimität (Streiks und Wahlanteile) Partizipation (Wahlbeteiligung, Organisationsgrad) Distribution (Staatsausgaen für Sozialleistungen) Erklärungen des sozialen Wandels: - technisch/ökonomischer Fortschritt? - kulturell-ideengeschichtlicher Fortschritt - soziale Kämpfe - funktionale Spannungen - kontingente Konstellationen? Erklären wir die „Bedeutung“ oder die Ursachen von „Modernisierung“? Positionen (aufsteigende „Anonymität“): Nationalistische Geschichtsschreibung (große Männer/Völker als historische Subjekte) Mikrosozial fundierte Aggregationen (Rational Choice) Konflikttheorien (Dahrendorf, Neohistorische Soziologie, Neofunktionalisten, „Kriegsfolgen“) Emanzipationsgeschichten: Marx bis Habermas (Projekt der Moderne) Evolutionstheorien (Spencer, Comte bis zu Luhmann) Dispositivgenealogie (Foucault) Problem Analyse und Struktur: Theoretisch/ Methodisches Problem der historisch orientierten SSA: Strukturen  „Strukturen“  Strukturen  „Strukturen“… Sozialer Wandel  Deutung sozialer Wandel…