Das Makedonische Themen: Territorialgeschichte & Sprachentwicklung Balkansprachbund Bulgarisch & Makedonisch Dialekt und Sprache?!
Territorialgeschichte I 6. Jh.: Eindringen "Mazedonischer Slaven" (Bezeichnung der byzantinische Amtssprache) Slavenapostel Kyrill und Method Mitte 9. Jh.: "Erstes Bulgarisches Reich" Aufnahme der aus Mähren vertriebenen Schüler Methods (Angelarij [† ~886] in Preslav, Naum [† 910] und Kliment [~840-916] in Ohrid) ab 971 Vordingen von Byzanz aus dem Westen, letzte Blütezeit unter Zar Samuil (976–1014), Hauptstadt Ohrid thomas.daiber@uni-potsdam.de
Territorialgeschichte II 11.-13. Jh.: Byzanz, Normannen, Kreuzritter 14. Jh. Serbien (Gebietsgewinne unter Stefan Uroš II. Milutin [1282-1321], 1346 Krönung seines Enkels Stefan Uroš IV. Dušan [1331-1355] in Skopje als "Zar der Serben und Griechen") 14./15.-19. Jh.: Osmanisches Reich mit der Unterbrechung 1878 "Groß-Bulgarien" (als Ergebnis des russ.-türk. Krieges) für einige Monate thomas.daiber@uni-potsdam.de
Territorialgeschichte III 2. 8. 1903: Илинден "Eliastag" - blutig niedergeschlagener Aufstand gegen die türkische Herrschaft 1912/13: Vertreibung der Türken vom Balkan - Teilung Makedoniens unter Serbien, Albanien, Griechenland und Bulgarien 1941 Zerschlagung Jugoslawiens, Makedonien fällt an Bulgarien thomas.daiber@uni-potsdam.de
Territorialgeschichte IV 2. 8. 1944: "Antifaschistische Rat für die Volksbefreiung Makedoniens" proklamiert das Makedonische als Amtssprache des Makedonischen Staates innerhalb der Jugoslawischen Föderation Rasche Kodifizierung der Makedonischen Sprache durch Blaže Koneski (Блаже Конески *19.12.1921-7.12.1993) als Linguist und Dichter thomas.daiber@uni-potsdam.de
Entschließung Alphabet 3.5.1945 <http://kodeks.uni-bamberg.de/Macedonia/MakAlphabetDecree.htm> thomas.daiber@uni-potsdam.de
Etappen der Sprachentwicklung bis Ende 11. Jh.: "Ohrider Schule" (konsequente Fortsetzung des Altkirchenslavischen) 12.+13. Jh.: Abweichung vom Aksl. - Vortreten der westlichen Dialektmerkmale (= makedonische Sprachmerkmale) 14.-16. Jh.: "Serbische Redaktion" - Spuren im Wortschatz 17.+18. Jh.: Eindringen der Volkssprache in das weltliche Schrifttum ("Damaskinen") ab Mitte 19. Jh.: Makedonische "Wiedergeburt" thomas.daiber@uni-potsdam.de
Makedonische Sprachgebiete thomas.daiber@uni-potsdam.de
Balkansprachbund I Makedonisch bildet mit Bulgarisch und Rumänisch, Albanisch, Griechisch und Albani-Romani den sog. "Balkansprachbund" thrako-illyrisches Substrat? -> nicht nachweisbar Der Balkansprachbund entsteht durch wechselseitige Beeinflussung der Sprachen aufgrund verschieden variiertem Sprachkontakt und lange dauernder Zweisprachigkeit (wechselnde Herrschaftssprachen, häufige Wanderbewegung der Bevölkerung) thomas.daiber@uni-potsdam.de
Balkansprachbund II Entsteht der Sprachbund durch Superstratmerkmale oder handelt es sich um Konvergenzmerkmale ohne genetische Ursache? Gegen Griechisch [lange herrschende Kultursprache] und Türkisch [lange herrschende Amtssprache] als Superstratsprache(n) spreche, dass diese Sprachen selbst nur peripher oder gar nicht die Sprachbundmerkmalen aufweisen. thomas.daiber@uni-potsdam.de
Balkansprachbund III Zentralvokalismus (a,e,i,o,u,ə) nachgestellter Artikel (teilw. in griech. Dialekten) subordinierter Satz im Konjunktiv statt Infinitivkonstruktion (griech.) Synkretismus von Genitiv und Dativ (rum. + türk.) analytisches Futur mit ‘wollen’ Evidentialis (Erzähltempus) (slav.) Numeralia 11 - 19 nach dem Schema ‘X über 10’ (= lokativischer Zähltyp, slav.) Lexik, Idiomatik: türk. + griech. (mak. дека, оти!) thomas.daiber@uni-potsdam.de
Einführung in die Balkanlinguistik: Fiedler, Wilfried 1998: Einführung in die Balkanphilologie. In: Rehder, Peter (Hg.): Einführung in die slavischen Sprachen. Wiesbaden, S. 347-364. Hinrichs, Uwe; Büttner, Uwe (Hrsg.) 1999: Handbuch der Südosteuropa-Linguistik. Wiesbaden (= Slavistische Studien, Bücher, NF 10). Kruse, Jörg 2000. Die Entwicklung des Begriffs "Sprachbund" in der Balkanlinguistik, Magisterarbeit Uni Göttingen. <http://sprachbund.de/titel.html> thomas.daiber@uni-potsdam.de
Bulgarisch - Makedonisch Bulgarisch und Makedonisch bilden ein Dialektkontinuum; die Unterschiede zwischen beiden Sprachen treten v.a. in der schriftlichen Standardsprache auf Gemeinsamkeiten: bestimmter nachgestellter Artikel Entfall des Genetivs Imperfekt/ Aorist vs. Perfekt (als Erzähltempora von Augenzeugen) thomas.daiber@uni-potsdam.de
Makedonische Besonderheiten I Bildung des Perfekts 3. Ps. Sg.+Pl. Perfekt + Präsens von "е" = "sein" Makedonisch -> ohne Hilfsverb: таа прочитала, тие прочитале Bulgarisch (+ ostmakedonische Dialekte) -> Hilfsverb obligatorisch: он е прочитал, тие се прочитале thomas.daiber@uni-potsdam.de
Makedonische Besonderheiten II Dreifach abgestufter Artikel книга "ein Buch" книгата "das [bestimmte] Buch [da] книгава "das Buch hier [in meiner Reichweite] книгана "das Buch dort [in unserer Reichweite] thomas.daiber@uni-potsdam.de
Makedonische Besonderheiten III männliche Eigennamen auf Konsonant (aber auch auf -e oder -o) zeigen im Makedonischen Rest des alten Genetiv/Akkusativs in der Funktion des Akkusativs bzw. im "deklinierten" Zustand nach Präpositionen Зборувам со Велка "Ich spreche mit Velko" го видов Ивана "ich sah Ivan" thomas.daiber@uni-potsdam.de
Makedonische Besonderheiten IV Vergangenheitsbildung mit има + neutrales Verbaladjektiv = Perfekt ohne Betonung des Resultativen имам купено = сум купил имаш доjдено = си дошол dialektal auch möglich: имав купено сум имал купено бев имал купено би имал купено thomas.daiber@uni-potsdam.de
Makedonische Besonderheiten V satzinitiale Klitika ги имам видено (ich habe sie gesehen) thomas.daiber@uni-potsdam.de
Makedonische Besonderheiten VI Personalpronomen 3. Ps. Sg. Makedonisch: тоj - Bulgarisch: он Nom. Pl. Mask. Makedonisch: -ови-оj - Bulgarisch: -ове Synthetischer Dativ Makedonisch: нам - Bulgarisch: на нас Hilfsverb "sein" 3. Ps. Pl. Makedonisch: се - Bulgarisch: са Aorist imperfektiver Verben Makedonisch: unmöglich - Bulgarisch: möglich thomas.daiber@uni-potsdam.de
Dialekt oder Sprache? Schwäbisch-allemannisch: /Sellər isch geschtərn net hoem kommə/ Standardhochdeutsch: Dieser ist gestern nicht nach Hause/ heim gekommen. UNTERSCHIEDE phonologisch: /š < st/ morphologisch: Reduktion des ehemals perfektivierenden Präfixes *ge- am Perfektpartizip lexikalisch: seller (< franz. ce là) thomas.daiber@uni-potsdam.de
Dialekt und Sprache! • von einem rein auf die Grammatik konzentrierten Standpunkt aus lassen sich Sprachen nicht definieren • soziolinguistische Bedingungen (Minderheitensprache, Verkehrssprache, Amtssprache usw.) müssen hinzutreten • zwei sprachliche Varietäten können zugleich verwandte Dialekte und verschiedene Sprachen sein thomas.daiber@uni-potsdam.de
Literatur Bojíć, Vera; Oschlies, Wolf 1984. Lehrbuch der mazedonischen Sprache. München (= Slavistische Beiträge 175) Koneski, Blaže 1965. Istorija na makedonskiot jazik. Nachdruck Skopje 1996. Petkov, Pavel; Wiegand, Herbert Ernst (Hrsg.). Deutsch und Bulgarisch im Kontrast. = Germanistische Linguistik 149-150 (2000). thomas.daiber@uni-potsdam.de