Intonationsforschnung am IPDS Kiel

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 Präsentation transkript:

Intonationsforschnung am IPDS Kiel Modul H2 8.12.2008 Ein Blick in verschiedene Vorträge von Klaus Kohler und darüber hinaus. Benno Peters

Einführung Jede Wissenschaft entwickelt Paradigmen theoretische und methodische Kanons nur z.T. wissenschaftsphänomenal, weit mehr wissenschaftssoziologisch bestimmt in der Lehre tradiert durch eine einflußreiche, oft missionarische Gefolgschaft

Blickrichtung der Kieler Intonationsforschung Funktion Zeit Hörer natürliches Sprachmaterial Im Gegensatz zu anderen Ansätzen……

Die “Funktion” fehlt jenseits der linguistischen AM gilt auch für Halliday, das Holländische Modell, sogar für das Schwedische und Dänische Modell Gegensatz zu den Interessen der Psychologen und Sozialanthropologen

Die “Zeit” wird vernachlässigt, weil Intonations-konturen unabhängig von der Zeit definiert werden AM-Phonologie/ToBI: H+L* vs (L+)H* vs L*+H auch in der Britischen Schule: fall vs rise-fall in AM post hoc eingeführt als phonetic alignment in zeitlosen phonologischen Kategorien anders im holländischen und schwedischen Modell, im Fujisaki-Modell und in KIM

Der “Hörer “ fehlt wegen der Fokussierung auf die Produktion im Gegensatz zu holländischem Modell und KIM Diese Präsentation illustriert nun die systematische Berücksichtigung von “Funktion”, “Zeit” und “Hörer” für ein Prosodiemodell sprachlicher Kommunikation in nahezu 25 Jahre Forschung am IPDS Kiel experimentelle Untersuchungen deskriptive Analysen großer Datenkorpora ungeschriebener Sprache in deutschen Dialogen: The Kiel Corpus of Spontaneous Speech

Forschungsplattform KIM Kategorien des Kieler Intonationsmodells lexikalischer Akzent phonologische Markierung einer Silbe im Wort geschr´ieben Satzakzent Prominenzgewichtung eines Wortes in der Äußerung i.d.R. verknüpft mit lexikalischer Akzentsilbe

4-stufig 0 er 0 hat 0 ’n 2 Brief 1 geschrieben. „was hat er gemacht?“ 0 er 0 hat 0 ’n 2 Brief 0 geschrieben. „was hat er geschrieben?“ 0 er 0 hat 0 ’n 3 Brief 0 geschrieben. Kontrastierung von Brief

Sak 2 + 1 Sak 2 + 0 Sak 3 + 0

phonetische Manifestation durch Dauer Intensität Spektrum in unakzentuierten Wörtern sind die lexikalischen Akzentsilben vor allem durch Dauer markiert

Intonationskonturen verbunden mit Satzakzenten, umfassen Verläufe im Umfeld akzentuierter Silben Gipfelkonturen Talkonturen kombinierte Verläufe ebene Verläufe Konturansatz statt Ton-Sequenzansatz in AM

Synchronisierung von Akzentkonturen mit der Artikulation von Silben: früher - später Konkatenation der Akzentkonturen in prosodischen Phrasen, gemäß der Anzahl der Akzentstellen Gipfel-/Talfolgen Hutmuster

Folgen prosodischer Phrasen in Redebeiträgen separiert durch Bündel phonetischer Merkmale Ausprägung von Intonationskonturen Pausen Längung segmentelle Ausprägung, z.B. Glottalisierung

Unterschiede in der Trennstärke flüssige und unflüssige Separierung Kohäsionsskala der flüssigen Phrasierung: von phrasenintern über Phrasengrenzen bis Turnende Hutmuster phrasenintern Konturfolgen phrasenintern Grade der Phrasenseparierung

Beispiel sagen wir Samstag oder Sonntag Hutmuster: „Wochenende“ Gipfelsequenz: „kontrastierte Alternativen“ mit Phrasengrenze vor oder Trennung nur durch Dauer und F0-Verlauf: stärkere Gewichtung der Alternativen erhöht sich durch zusätzliche Pause lange Pause: Nachschieben einer Alternative

Hut 2 Gipfel 2 Gipfel mit PG

2 Gipfel mit PG (+k Pause) 2 Gipfel mit PG (+l Pause)

syntagmatische prosodische Strukturierung wichtige Funktion zur Gliederung des Gesprochenen für den Hörer; nicht kongruent mit syntaktischer Gliederung Gesamtkomplex syntagmatischer Prosodiesteuerung von phrasenintern bis turn-übergreifend wurde von Benno Peters im Rahmen seiner Dissertation korpus-und experimentbasiert untersucht. Näheres folgt…..

Etikettierung PROLAB System zur Symbolisierung der KIM-Kategorien in 7-bit ASCII integriert in quasi-phonologisches segmentelles Transkriptionsalphabet Benno Peters, Klaus J. Kohler (2004)

Linguistisch vs. paralinguistisch Funktion Linguistisch vs. paralinguistisch R. Ladd The Linguist's Theory of Intonational Meaning: “the elements of intonation have meaning” “these meanings are very general” and part of a system that “has a categorical linguistic structure” paralinguistische Elemente herausgefiltert, ehe Systemlinguisten ihre linguistischen Komponenten intonatorischer Bedeutung erfassen können

linguistische Methodologie Sprachbeispiele, gewöhnlich von Satzlänge (und oft zweifelhafter Semantik), werden am Schreibtisch konstruiert Gösta Bruce (1977) man vill lämna nåra långa nunnor. “one wants to leave some long nuns” Martine Grice (2000) malen die Schüler die Wohnungen? hatten die Schüler die Wohnungen bemalen wollen?

Hubert Truckenbrodt (2002) der Wladimir will in Panama junge Lamas malen Überprüfung durch eine Art Introspektion mit Kollegen und Studenten post hoc mit phonetischer Substanz unter Laborbedingungen gefüllt (Laborphonologie) Die ‘Phonologie geht ins Labor’.

In wirklichen Interaktionen des Alltags sind linguistische und paralinguistische Phänomene stets eng miteinander verwoben. W. J. Barry : “Prosodic functions revisited again!” von der phonetischen Basis zu den kommunikativen Funktionen: to consider function systematically in the very analysis of prosody to go beyond the traditionally over-emphasized linguistic function

neben den linguistischen Funktionen Satzmodus Fokus syntaktische Phrasierung sind zu berücksichtigen Funktionen der Einstellung und Expressivität die interaktive Funktion Sprecher - Hörer Dialogsteuerung

Unterordnung vs. Dominanz daraus Erklärung linguistischer Form direkte Bindung zwischen phonetischer Substanz und Verhalten ist ebenfalls zu berücksichtigen J. Ohala’s Frequency Code hohes vs. tiefes F0 Unterordnung vs. Dominanz daraus Erklärung linguistischer Form hohes oder steigendes F0 z.B. in Fragen in den Sprachen der Welt

Das bedeutet, The Linguist’s Theory of Intonational Meaning muss erweitert werden zugunsten der Berücksichtigung der prosodischen Exponenten des ganzen Spektrums kommunikativer Bedeutungen und ihrer Interaktionen. Die prosodische Analyse der Spontansprache wird dann nicht mehr in enge linguistische Kategorien gezwängt, sondern in einer verhaltensorientierten Form- Bedeutung-Beziehung erfasst.

Frageform und Intonationsmuster Die Einstellungsfunktion Frageform und Intonationsmuster Lehrbuchmeinung Verberststellungsfrage (SF) - steigende Intonation Fragewortfrage (WF) - fallende Intonation Klaus J. Kohler (2004): Kiel Corpus of Spontaneous Speech SF 21% fallend 69% steigend WF 57% fallend 34% steigend

Textinterpretation und Resynthese Hypothese unabhängig von der syntaktischen Form steigende Intonation hörerorientiert, mit Ausdruck von Freundlichkeit Interesse Offenheit hinsichtlich der erwarteten Antwort fallende Intonation ist fakten-/sprecherorientiert kennzeichnet die Antwort als Routine kategorische oder eingeschränkte Erwartung

Methode Suchoperationen im Korpus nach den vier Kombinationen aus Syntax und Intonationsmuster semantische Interpretation aus dem Kontext heraus Auswahl von Beispielen aus jeder der vier Klassen systematische Resynthese des jeweils komplementären fallenden oder steigenden f0-Musters Beurteilung der Kontextkompatibiltät bzw. der semantisch-kommunikativen Änderung

steigend vs fallend in Verberststellungsfragen Original steigend; Sprecherin ANS, g091a013 “würde Ihnen das passen?” final steigend: Offenheit hinsichtlich ‘ja-nein’ final fallend: Sprecherin erwartet ‘ja’ final später fallend: Sprecherin erwartet ‘ja’ und drückt aus, daß eine andere Antwort nicht angemessen wäre, Ausdruck von Gereiztheit

fallend vs steigend in Fragewortfragen Original fallend; Sprecherin ANS, g094a000 “was würden Sie denn davon halten?” final fallend: Sprecherin beendet Redebeitrag nach allgemeiner Diskussion zu anstehender Terminabsprache und fordert zu einem konkreten Vorschlag auf final steigend: Bitte um Stellungnahme

Erklärung der Lehrbuchmeinung prototypische semantisch-pragmatische Funktionen assoziiert mit den syntaktischen Frageformen Fragewortfrage: Adressat soll Sprecher spezifische Information geben - Sprecher/Faktenorientierung Verberststellungsfrage: Adressat soll eine Entscheidung zur Polarität ‘ja’-‘nein’ treffen - Adressatenorientierung diese unterschiedlichen Funktionen beeinflussen die Verwendung fallender oder steigender Muster

aber: in der Kommunikationssituation restrukturieren Sprecher diese prototypische Bindung durch Abschwächung der einen und Erhöhung der anderen Orientierung Polaritätsentscheidung wird vom Sprecher vorweggenommen Informationsnachfrage wird freundlich, personalisiert

Zeitstruktur von F0-Konturen und der Hörer Synchronisierung von Gipfelkonturen globale Konturen (Gipfel, Täler) Synchronisierung der tonalen und artikulatorischen Zeitverläufe Der Hörer hat eine zentrale Rolle.

3 Positionen einer Gipfelkontur, bezogen auf das artikulatorische Timing akzentuierter Silben, z. B. in kontextualisiertem Sie hat ja gelogen. früh Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. mittel Jetzt versteh ich das erst. spät Oh!

Sie hat ja gelogen. l où

neues experimentelles Paradigma Verschiebung kompletter Gipfelkonturen in gleichen Schritten durch eine segmentell gleiche Äußerung zur Bestimmung der Wahrnehmungsänderung sowie der damit verbundenen Semantik

Diskrimination in Serie: Links - Rechts-Verschiebg 60 Vpp erste Veränderung gehört bei Stimulus 3 4 5 6 1 4 39 16 weitere Veränderungen gehört bei Stimulus 5 6 7 8 9 10 11 1 5 11 15 21 22 11 Summe 3 4 5 6 7 8 9 10 11 1 4 40 21 11 15 21 22 11

Identifikation durch Kontextualisierung. :. paßt in. “wer einmal lügt Identifikation durch Kontextualisierung : paßt in “wer einmal lügt...” “jetzt versteh ich das erst” “oh” Diskrimination von Paaren im Abstand 0, 1, 2 der links-rechts und rechts-links Gipfelserien

Identifikation in Kontext “jetzt versteh ich das erst” Sie hat ja gelogen. früh > mittel früh > spät 2-Stufen Diskrimination Identifikation in Kontext “jetzt versteh ich das erst”

pragmatische Funktionen der Gipfelsynchronisierung früh - Finalität wissen zusammenfassen Ende einer Argumentationskette Resignation

mittel - Offenheit beobachten erfahren Beginn einer neuen Argumentationskette spät - unerwartet beobachten, erfahren im Gegensatz zur eigenen Erwartung Überraschung nicht glauben wollen

Zwei späte Gipfelkategorien Notwendigkeit für zwei späte Gipfelkategorien ‘später’ Gipfel mit tiefem Vorlauf fehlt in einem ‘mittelspäten’ Überraschung mit (negativer) Bewertung vs Überraschung mit Akzeptanz

Das ist ein Photo aus alten Tagen. “Er war mal schlank.” - mittel - mittelspät - spät

In Fällen dieser Art wird entweder eine Einsicht festgestellt. ‘mittel’ oder ein Kontrast ausgedrückt: ‘mittelspät’ oder dieser Kontrast expressiv bewertet: ‘spät’

Erklärung der Daten kontrastiver Wechsel hoch-tief vs tief-hoch in der CV-Transition der akzentuierten Silbe für früh vs mittel CV-Transition entscheidend wegen Intensitätszunahme Verstärkung des tonalen Wechsels Wechsel tief-hoch später im Vokal: später Gipfel

kontrastive Verstärkung der Höhen oder Tiefen initial oder intern im akzentuierten Vokal > verschiedene Intonationskategorien > verschiedene Semantik Fokus auf Tiefen oder Höhen im akzentuierten Vokal ist gekoppelt mit der Semantik ‘Finalität’ vs. ‘Offenheit’ in den deutschen Daten schließt ‘Dominanz’ vs. ‘Unterordnung’ ein > Ohalas Frequency Code

ToBI alignment Esther Grabes vergl. Intonationsphonologie des Deutschen und Englischen Labordaten zur Produktion von H*+L wurden für beide Sprachen in parallelen Kontexten erhoben es wird postuliert, aber nicht expliziert, daß es sich in beiden Sprachen um dieselbe intonatorische Kategorie handelt diese Kategorie wird dann jeweils mit phonetischer Substanz gefüllt durch Messung des F0-alignment Ergebnis: später im Deutschen als im Englischen

die Kontexte der Datenerhebung sind aber nicht gleich ”Anna and Peter are watching TV. A photograph of this week's National Lottery winner appears. Anna says: Look, Peter! It's ...! Our new neighbour!” ”Anna und Peter sehen fern: Ein Lottogewinner wird vorgestellt. Anna sagt: Na sowas! Das ist doch Herr ...! Unser neuer Nachbar!”

Überraschung in Dt. “Na sowas. ” (“Well I never Überraschung in Dt. “Na sowas!” (“Well I never!”), verstärkt durch “doch”, fehlt in “Look, Peter!” in einem solchen Kontext wird im Deutschen ein semantisch kontrastiver später Gipfel verwendet dies zeigt, daß “Funktion” schon bei der Datenerhebung wichtig ist

alignment in ToBI etwas anderes ist als verschiedene Gipfelpositionen in KIM in KIM ist die Zeitdimension bereits in den phonologischen Kategorien verankert in ToBI wird sie post festum eingemessen

Ausblick Die Analyse von Prosodie und Intonation zielt auf Beschreibung und Erklärung von Sprach- und Sprechverhalten in realistischen kommunikativen Situationen; daher bedarf das vorherrschende Pradigma The Linguist’s Theory of Intonational Meaning einer grundlegenden Modifikation durch solche zentralen Konzepte wie “Funktion”, “Zeit” und “Hörer” mit Bezug auf allgemeine Prinzipien in Produktion und Perzeption.

Wir benötigen kontextualisierte Datenerhebung Spontansprache unterschiedlicher Szenarien funktionale Textinterpretation sollte sich nicht nur an verbalen Reaktionen der Gesprächsteilnehmer orientieren, sondern das gesamte lautliche Verhalten zur Interpretation heranziehen bei Videoaufzeichnungen kommt Visuelles noch hinzu komplementär dazu aber auch pragmatische Strukturanalyse, die Fallstudien übergreift

komplementäre systematische Daten zur Produktion zur Perzeption Integration aller Datenstränge zu einer umfassenden funktional orientierten experimentellen Analyse sprachlicher Interaktion d.h. Zuordnung von Meßdaten zu sprachlichen Funktionen

Literatur Barry, W. J., (1981). Prosodic functions revisited again! Phonetica, 38, 120-134. Grabe, E. (1998). Comparative intonational phonology: English and German. Ph.D. thesis, Nijmegen University, Ponsen & Looijen, Wageningen. Halliday, M.A.K. (1967): Intonation and Grammar in British English. The Hague: Mouton. IPDS (1996-2006). The Kiel Corpus of Spontaneous Speech, Volume 1-IV. Kiel: IPDS. Kohler, K.J. (1991a). A model of German intonation. In: K.J. Kohler (Hg.), Studies in German Intonation, AIPUK 25, 295-360, Kiel: IPDS. Kohler, K.J. (1991b). Terminal intonation patterns in single-accent utterances of German: phonetics, phonology and semantics. In: K.J. Kohler (Hg.), Studies in German Intonation, AIPUK 25, 115-186. Kohler K. J. (2004). Pragmatic and attitudinal meanings of pitch patterns in German syntactically marked questions. In: G. Fant, H. Fujisaki, J. Cao, Y. Xu: From traditional phonology to modern speech processing. Festschrift for Professor Wu Zongji's 95th Birthday, Foreign Language Teaching and Research Press, Beijing, 205-214. Ladd, R.D. (1996). Intonational Phonology. Cambridge: Cambridge University Press. Ohala, J.J. (1984). An ethological perspective on common cross-language utilization of F0 in voice. Phonetica 41, 1-16. Peters, B. & Kohler K. J. (2004) Trainingsmaterialien zur prosodischen Etikettierung mit dem Kieler Intonationsmodell KIM. Manuscript. PDF; Trainingsmaterialien in ZIP-Datei; IPDS home page Peters, B. (2006). Form und Funktion prosodischer Grenzen im Gespräch. Ph.D. thesis, IPDS, Christian-Albrechts-University, Kiel.