Warum brauchen wir eine Verfassung?

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 Präsentation transkript:

Warum brauchen wir eine Verfassung? Die Bayerische Verfassung dient als Grundlage für unser staatliches Leben.

Fallbeispiel 1: Das Waldgesetz für Bayern soll geändert werden: In der Nähe eurer Gemeinde führt ein Forstweg durch ein idyllisches Waldstück. Dieses Waldstück soll zu einer breiten Asphaltstraße ausgebaut werden. Das würde bedeuten, dass ein Stück Wald verschwinden muss. Ihr wollt eine Änderung des Bayerischen Waldgesetzes erreichen: Waldverluste für Zwecke des Straßenbaues sollen ausgeschlossen werden.

Fragen, die sich stellen: Wer ist berechtigt, ein bayerisches Gesetz zu ändern? → Art. 72 Abs. 1 Wer ist berechtigt, einen Gesetzesentwurf einzubringen? Kann ein Landtagsabgeordneter ein Gesetz einbringen? → Art. 71 Verpflichtet die Bayerische Verfassung den Staat zum Waldschutz? → Art. 2 Abs. 2, Art. 141

1. Grundlagen 1.1 Was ist eine Verfassung? Ein Text der verbindlich zum Ausdruck bringt, wie ein Staatswesen aufgebaut ist, welche Rechte und Pflichten seiner Bürger haben und nach welchen grundsätzlichen Regeln politisch gehandelt und entschieden wird.

1. 2 Warum brauchen wir eine bayerische Verfassung 1.2 Warum brauchen wir eine bayerische Verfassung? (reicht das Grundgesetz der BRD nicht?) Wegen der Eigenstaatlichkeit der Länder:  Länder sind Staaten  Wesentliches Merkmal eines Staates ist eine Verfassung  Selbstgestaltung der verfassungsmäßigen Ordnung und dem Subsidiaritätsprinzip: Erst wenn die kleinere Gemeinschaft außerstande ist, die eigenen Belange wahrzunehmen, ist die Größere zuständig. Für kleine Probleme ist der Gesamtstaat zu groß. Die bayerische Verfassung ist die Grundlage dafür, dass es einen bayerischen Landtag und eine bayerische Staatsregierung gib, die für die Politik in Bayern einen eigenständigen Gestaltungsspielraum haben.

In welchem Verhältnis stehen nun Grundgesetz und Bayerische Verfassung? Die Kompetenzen sind zwischen Bund und Ländern genau aufgeteilt. Das ist allerdings nicht immer auf einen Blick erkennbar. Art 30 GG bestimmt als Grundregel folgendes: Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist in erster Linie Sache der Länder. → Stark vereinfacht ausgedrückt kann man sagen: Bund: überwiegend Gesetzgebungsbefugnisse Länder: für die Ausführung der Gesetze zuständig

1.3 Geschichte der bayerischen Verfassung 8. Februar 1946: Militärregierung beauftragt Dr. Wilhelm Hoegner (vorläufiger Ministerpräsident) mit der Bildung eines „Vorbereitenden Ausschusses“ zur Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfes. 30. Juni 1946: Bayrisches Volk wählt die „Verfassungsgebende Landesversammlung“ die aus 21 Mitgliedern besteht. 26. Oktober 1946: Der Verfassungsentwurf wird vom stellvertretenden amerikanischen Militärgouverneur genehmigt. 1. Dezember 1946: Das bayerische Volk stimmt mit 71% durch einen Volksentscheid zu. 8. Dezember 1946: Die bayerische Verfassung tritt in Kraft. Der erste Landtag wird gewählt.

1.4 Aufbau der bayerischen Verfassung Präambel – Vorspruch Erster Hauptteil – Aufbau und Aufgaben des Staates: Staatsform und Staatsaufbau Zweiter Hauptteil – Grundrechte und Grundpflichten Menschenwürde (Art. 100) Handlungsfreiheit (Art. 101) Gleichheitssatz (Art. 118) Eigentumsgarantie (Art. 103) Meinungsfreiheit (Art. 110) Versammlungsfreiheit (Art. 113) Petitionsrecht (Art. 115) Rechtliches Gehör (Art. 141)

Dritter Hauptteil – Das Gemeinschaftsleben: Ehe und Familie Bildung und Schule Religion und Religionsgemeinschaft. Vierter Hauptteil – Wirtschaft und Arbeit: Wirtschaftsordnung Eigentum Landwirtschaft Arbeit Schluss- und Übergangsbestimmungen, z.B.: Artikel 188: „Jeder Schüler erhält vor Beendigung der Schulpflicht einen Abdruck dieser Verfassung.“

2. Leitideen der bayerischen Verfassung 2.1 Bayern ist ein Freistaat Artikel 1: Bayern ist ein Freistaat. „Freistaat“ bedeutet „Republik“ und unterstreicht die Eigenstaatlichkeit Bayerns. Das Staatsoberhaupt einer Republik ist direkt vom Volk gewählt (bzw. durch ein zwischengeschaltetes Gremium = Landtag).

2.2 Bayern ist eine Demokratie Artikel 2: (1) Bayern ist ein Volksstaat. Träger der Staatsgewalt ist das Volk. (2) Das Volk tut seinen Willen durch Wahlen und Abstimmungen kund. Mehrheit entscheidet. Volksstaat  gleichbedeutend mit „Demokratie“

Fragen zum Art. 2: Wie wird nun die Staatsgewalt ausgeübt? – Die Staatsgewalt kann unmittelbar durch die Staatsbürger ausgeübt werden oder mittelbar durch die Abgeordneten des Bayerischen Landtags, die vom Volk gewählt werden. In welchen Fällen übt das Volk die Staatsgewalt unmittelbar aus? – Das Volk kann im Rahmen von Volksbegehren Gesetzesvorlagen einbringen und durch Volksentscheid auch Gesetze beschließen.

2.3 Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat Rechtsstaat: Die gesamte Staatsgewalt ist dem Recht unterworfen. Allgemeine Grundsätze eines Rechtsstaates: Rechtssicherheit: Der Bürger muss sich auf die Rechtsordnung verlassen können. Klarheit: Der Bürger muss die Rechtslage erkennen können. Verhältnismäßigkeit: Zweck und gewählte Mittel eines Gesetzes müssen in einem vernünftigen Verhältnis stehen.

Kulturstaat: Der Staat ist verpflichtet Schule, Wissenschaft, Kunst und Religion zu unterstützen und zu fördern. Sozialstaat: Jeder soll ein menschenwürdiges Existenzminimum haben und soll in sozialen Notlagen Hilfe erhalten.

2.4 Bayern ist ein gegliederter Staat Gemeinden  Landkreise  Bezirke  Land Bayern Gemeinderat  Kreistag  Bezirkstag  Landtag

3. Organisation des bayerischen Staates Die Organisation des bayerischen Staates unterliegt dem Prinzip der Gewaltenteilung. Gesetzgebende Gewalt, vollziehende Gewalt und richterliche Gewalt sind unterschiedlichen Staatsorganen zugeordnet, um Machtmissbrauch zu verhindern. Die Gewalten kontrollieren und begrenzen sich gegenseitig. Die Verteilung der Gewichte darf im Grundsatz nicht verändert werden.

3. 1 Die Legislative (gesetzgebende Gewalt) 3. 1 3.1 Die Legislative (gesetzgebende Gewalt) 3.1.1 Das Volk als Gesetzgeber Artikel 5: „Die gesetzgebende Gewalt steht aus-schließlich dem Volk und der Volksvertretung zu.“

(Einschub: Erläuterung zum Volksentscheid) Die bayerische Verfassung sieht eine unmittelbare Volksgesetzgebung vor. Dazu gibt es ein vorgeschriebene Zulassungsverfahren: Ein ausgearbeiteter und mit Gründen versehener Gesetzesentwurf wird mit einer Unterstützung von mindestens 25.000 Bürgern beim Staatsministerium des Inneren eingereicht. Das Staatsministerium des Inneren prüft den Antrag auf rechtliche Bedenken. Volksbegehren: Ein Zehntel der Stimmberechtigten Bürger müssen sich während einer 14-tägigen Eintragungsfrist für das Volksbegehren aussprechen. Der Ministerpräsident unterbreitet das Volksbegehren dem Landtag. Der Landtag stimmt ab. Bei einer Mehrheit für das Gesetz tritt es unmittelbar in Kraft. Bei einer Ablehnung kommt es zum Volksentscheid. Volksentscheid: Wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen „Ja“ lautet tritt das Gesetz in Kraft. Verfassungsänderungen müssen nach der notwendigen zweidrittel Mehrheit vom Volk durch einen Volksentscheid gebilligt werden. Es dürfen keine Volksentscheide über den Staatshaushalt stattfinden. (Budgetrecht des Landtags).

3.1.2 Der Landtag als Gesetzgeber Der Landtag ist der staatsrechtliche Mittelpunkt des Freistaates Bayern. Die wichtigsten Aufgaben sind die Gesetzgebung und die Kontrolle der Staatsregierung. Der Landtag wählt den Ministerpräsidenten und stimmt der Berufung und Entlassung von Staatsministern zu.

3.1.2.1 Die Abgeordneten Die Wahl der Abgeordneten erfolgt über das „verbesserte Verhältniswahlrecht“: Das Parlament setzt sich nach dem Verhältnis der Zahl der von den Parteien errungenen Stimmen zusammen. 104 Abgeordnete (Direktkandidaten) werden direkt in den Stimmkreisen (Landkreise) mit der Erststimme gewählt. 100 Abgeordnete werden in den Wahlkreisen mit der Zweitstimme gewählt. Ein Abgeordneter hat nach Artikel 13 ein „freies Mandat“. Definition „freies Mandat“: Sein Handeln ist nur seinem Gewissen unterworfen. Um den Willen einer Partei durchsetzen zu können ist „Fraktionsdisziplin“ (=Absprachen) erforderlich.

3.1.2.2 Das Gesetzgebungsverfahren im Landtag Ein Gesetzesentwurf wird formuliert und auf Kompatibilität mit bestehenden Gesetzen geprüft. Gesetzesentwürfe werden in der Regel vom „federführenden“ Staatsministerium an andere Ministerien weitergeleitet. Diese nehmen Stellung und schlagen Änderungen vor. Die Staatsregierung billigt den Entwurf. Das Ministerium legt den Gesetzesentwurf Interessenverbänden vor, die von den vorgeschlagenen Regelungen betroffenen sind um sich den Sachverstand zu Nutze zu machen. Daraus folgen eventuell Änderungen. Die Staatsregierung bringt den Entwurf in den Landtag ein und es wird darüber abgestimmt. Das beschlossene Gesetz wird vom Ministerpräsidenten auf Einklang mit der Verfassung geprüft. Anschließend wird es unterschrieben und im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht.

3.2 Die Exekutive (vollziehende Gewalt) Artikel 5: (2) Die vollziehende Gewalt liegt in den Händen der Staatsregierung und der nachgeordneten Vollzugsbehörden. 3.2.1 Aufgaben der Staatsregierung Die Staatsregierung wird leitend tätig, wenn sie Gesetze und Beschlüsse des Landtags vollzieht.

3.2.2 Zusammensetzung und Regierungsbildung Der Ministerpräsident wird vom neu gewählten Landtag gewählt. Der Ministerpräsident beruft die Staatsminister und Staatssekretäre. Der Landtag muss wiederum zustimmen.

3.2.3 Der Ministerpräsident 3.2.4 Staatsminister und Staatssekretäre Der Ministerpräsident ist Regierungschef und Staatsoberhaupt. Er legt die Richtlinien der Politik fest. Die Minister haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in ihren Geschäftsbereichen die Richtlinien des Ministerpräsidenten zu beachten. Staatssekretäre unterstützen die Minister bei ihren Aufgaben.

3.3 Die Judikative (richterliche Gewalt) Artikel 5: (3) Die richterliche Gewalt wird durch unabhängige Richter ausgeübt. 3.3.1 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof Artikel 120: Jeder Bewohner Bayerns, der sich durch eine Behörde in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlt, kann den Schutz des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes anrufen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof ist das oberste bayerische Gericht für verfassungsrechtliche Fragen. Seine Entscheidungen sind binden für alle anderen Verfassungsorgane sowie für die Gerichte und Behörden. Seine Aufgabe ist es, die bayerische Verfassung bindend auszulegen und fortzubilden.

3.3.2 Die Gerichtsinstanzen