Einführung in das Altitalienische V

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Einführung in das Altitalienische V 9. November 2009

Zusammenfassung wichtiger Punkte

Zusammenfassung wichtiger Punkte Vom Lateinischen zum Altitalienischen Ausgangspunkt: das GESPROCHENE LATEINISCHE (= VULGÄRLATEIN) und seine Varietäten DIATOPISCHE VARIATION DIASTRATISCHE VARIATION DIAPHASISCHE VARIATION

Zusammenfassung wichtiger Punkte Der politische und soziokulturelle Kontext Untergang des Weströmischen Reiches (476) und endgültiger Zerfall der Einheit des umgangssprachlichen Lateins Ostgotenreich Rückeroberung Italiens unter dem oströmischen Kaiser Justinian Reich der Langobarden Reich der Franken

Griechisch / Byzantinisch Sprachkontakt in Italien (5 – 6. Jh.) mündliche Kommunikation Vulgärlatein / Proto-Romanisch Ostgotisch Griechisch / Byzantinisch

Italoromanische primäre Dialekte Diatopische Varietäten des Lateinischen Vulgärlatein Zunehmende regionale Differenzierung des Lateinischen im Wandel der Zeit

Proto-italoromanische Sprachkontakt in Italien (6 – 8. Jh.) mündliche Kommunikation Proto-italoromanische Dialekte Langobardisch Byzantinisch

Diatopische Variation des Italoromanischen Die italienischen Dialektgruppen im Überblick (Zustand des 20. Jhs., aber in ähnlicher Form wohl auch bereits im Mittelalter vorhanden)

Schriftliche Kommunikation im frühen Mittelalter z.B. Paulus Diaconus ca. 720 - ca. 799 De verborum significatu Historia Langobardorum u.a. Wichtigstes Kommunikationsmittel ist das Mittellateinische (it. latino medievale) Unter dem Begriff Mittellatein werden die vielfältigen Formen der lateinische Sprache des europäischen Mittelalters (etwa 6. bis 15. Jh.) zusammengefasst.

Zusammenfassung wichtiger Punkte Spätes 8. / frühes 9. Jahrhundert bis 10. Jahrhundert Der Beginn bescheidener italoromanischer Schriftlichkeit (sporadisch und noch ohne Herausbildung konstanter regionaler Schreibtraditionen), z.B. Indovinello veronese (um 800), Placiti campani (960-963) Die Verschriftlichung einer Sprache stellt historisch gesehen eine neue Präsentationsform dar, die bis dahin unbekannte Gestaltungsmöglichkeiten von Kommunikation eröffnet.

Die Verschriftlichung Lateinische Schreibtradition Mittelalterlicher romanischer Text (= Scripta) Phonetische Merkmale des gesprochenen muttersprachlichen Dialekts des Schreibers

ITALOROMANISCHE KURZTEXTE 8. bis 11. Jahrhundert

Kurztexte des 11. und 12. Jahrhunderts

Inschrift der Comodilla-Katakombe Gesamtaussicht und Ausschnitt

Sprachliche Analyse Der verneinende Imperativ non + Infinitiv, den das klassische Latein nicht benutzte, ist charakteristisch für das Italienische sowie für sämtliche italienischen Dialekte. In dem Syntagma ille secrita fungiert ille als regulärer Artikel. Der Plural ehemaliger lateinischer Neutra auf -a (vgl. Sg. secretum – Pl. secreta) war in den Dialekten des Mittelalters weit verbreitet und ist bei einigen Wörtern selbst im modernen Italienischen noch anzutreffen (z.B. i fondamenti vs. le fondamenta < lat. Pl. fundamenta).

Sprachliche Analyse Beim Syntagma a bboce stoßen wir auf zwei Besonderheiten des gesprochenen Dialektes von Rom, die auch anderen Mundarten nicht fremd sind. Zum einen wird die phonosyntaktische Verdoppelung in der Graphie wiedergegeben zum anderen der Betazismus (lat. ad vocem > a bboce).

Die Inschrift von San Clemente (Rom, 11. Jahrhundert) Ausschnitt aus dem Fresko (heutiger Zustand)

Die Inschrift von San Clemente Die Inschrift wird in der italienischen Fachliteratur häufig als fumetto in volgare (volkssprachlicher Comic) bezeichnet, wobei die Zuordnung der Redetexte zu den einzelnen Figuren immer wieder diskutiert worden ist. Es handelt sich bei der Inschrift um ein Zeugnis konzeptioneller Mündlichkeit im Italoromanischen des Hochmittelalters.

Die Inschrift von San Clemente Ausschnitt aus dem Fresko

Die Inschrift von San Clemente Der inhaltliche Bezug der Inschrift Darstellung einer Episode aus dem Leben des Heiligen Clemens. Es sind drei Sklaven zu erkennen, die mit Mühe eine Säule vor zwei Bögen ziehen. Der Mann auf der linken Seite hebt sie mit Hilfe eines Balkens an, während die anderen beiden an einem Seil ziehen. Sie erhalten Anweisungen von ihrem Herrn auf der rechten Bildseite.

Die Inschrift von San Clemente Der inhaltliche Bezug der Inschrift Der Patrizier Sisinius hatte Befehl erteilt, den der Zauberei angeklagten Clemens (dritter Bischof von Rom in der Nachfolge Petri) zu fesseln und in den Kerker zu stecken. Durch ein Wunder glaubten der Patrizier und seine Sklaven in der Säule Clemens selbst zu erkennen. Ihnen sind die volkssprachlichen Aussagen in den Mund gelegt, während der (unsichtbare) Heilige Clemens ihnen (oberhalb der Säule in den beiden Rundbögen) auf Latein antwortet.

Die Inschrift von San Clemente Zuordnung der Sprechtexte

Der Text der Inschrift Sisinius (volgare) Clemens (Latein) Fili dele pute, traite. Gosmari, Albertel traite. Falite dereto co lo palo, Carvoncelle ____________________ Figli di puttana, tirate! Gosmario e Albertello, tirate! Fagli da dietro col palo Duritiam cordis vestri... saxa traere meruistis ___________________ Per la durezza del vostro cuore... avete meritato di trascinare sassi

Sprachliche Analyse In der Graphie dominiert die lateinische Schreibtradition. Volkssprachliches [] (vgl. it. figlio) wird durch einfaches li wiedergegeben (fili). Das Substantiv puta ‘Hure’ zeigt gegenüber der volkstümlichen Aussprache lediglich einfaches t (vgl. it. puttana). Der Imperativ falite (it. *fagliti) setzt sich aus fa (< fac) + li (< illi) + te zusammen, wobei die phonosyntaktische Verdoppelung nicht in der Graphie angezeigt wird.

Sprachliche Analyse Die Präposition dereto geht auf lat. de + retro unter Ausfall des zweiten [-r-] zurück. Die Form traite kann wohl auf vlat. *tragĭte (tragere statt klat. trahere) zurückgeführt werden. Vor palatalen Vokalen hat sich [g] zu [j] entwickelt. Bei dem Eigennamen Carvoncelle (das Endungs-e ist offensichtlich ein lateinischer Vokativ) zeigt sich die Abschwächung des Nexus [-rb-] zu [-rv-].

Ritmo bellunese Spätes 12. Jahrhundert

Ritmo bellunese Lateinischer Rahmentext Chronik Venetischer Volgare-Text Chronik Lateinischer Rahmentext Im Ritmo bellunese wird der Sieg Bellunos über Treviso in den Jahren 1193 und 1196 gerühmt. Der italoromanische Text ist in einen lateinischen Rahmentext eingefügt.

Ritmo bellunese De Castel d’Ard avì li n(ost)ri bona part, Item eodem anno castrum Landredi ceperunt, ibi vero plures homines interfecerunt et .XXVI. inter milites et pedites atque arcatores secum in vinculis duxerunt et totum castrum combusserunt et funditus destruxerunt. De Castel d’Ard avì li n(ost)ri bona part, I lo getà tutto intro lo flumo d’Ard, E sex cavaler de Tarvis li plui fer Co(n) se duse li cavaler.   Praeterea domum <sancti> Bauce vi occupaverunt et eam destruxerunt et .XVIII. latrones inde secum duxerunt.

Ritmo bellunese De Castel d’Ard avì li n(ost)ri bona part, Modernes Italienisch Altbellunesisch Di Castel d’Ardo ebbero i nostri buon partito. / Essi lo fecero rovinar tutto dentro il fiume Ardo. / E sei cavalieri di Treviso, i più fieri, /Con sé condussero i nostri cavalieri. De Castel d’Ard avì li n(ost)ri bona part, I lo getà tutto intro lo flumo d’Ard, E sex cavaler de Tarvis li plui fer Co(n) se duse li cavaler.

Ritmo bellunese Die Form av geht auf vlat.*habit < habuit (vgl. it. ebbe) zurück. Die Verwendung der Singularform zum Ausdruck des Plurals ist in norditalienischen Dialekten keine Seltenheit. Ebenfalls als Passato remoto ist getà zu interpretieren (vgl. it. gettarono). Das Graphem <g> steht hier für die stimmhafte Affrikate [dz].

Ritmo bellunese Charakteristisch für Norditalien ist die Degeminierung von Doppelkonsonanten (tt > t). Eine latinisierende Graphie liegt bei intro vor, ebenso bei sex. Die lat. Nexus [fl-] und [pl-] haben sich erhalten (lat. flumen > flumo; lat. plus > plui). Die Form duse geht auf das lat. Perfekt duxit zurück.

Fließender Übergang zwischen Latein und Volgare Beisp. aus der Toskana und Ligurien

Testimonianze di Travale (1158) Sicht auf Travale

Testimonianze di Travale Zahlreiche Schreiber, die nur über oberflächliche Lateinkenntnisse verfügten, ließen in ihren Schriften die Grenzen zwischen Latein und volgare verschwimmen. Dieses Phänomen beobachten wir beispielsweise bei den Testimonianze di Travale, die 1158 in der südlichen Toskana entstanden sind. Der Rechtsstreit um den Besitz einiger landwirtschaftlicher Anwesen in der Maremma (d.h. im Süden der heutigen Provinz Grosseto) spielte sich zwischen dem Grafen Ranieri Pannocchieschi (genannt Pannocchia) von Travale und seinem Bruder Galgano ab, dem Bischof von Volterra.

Testimonianze di Travale Der Graf beanspruchte den Besitz für Travale und Fosini, der Bischof für Gerfalco. Es kam zu einem ersten Vermittlungsversuch durch den Bischof von Grosseto, der eine Gruppe von Adeligen und Geistlichen beauftragte, eine Einigung zu finden, die allerdings nicht zustande kam. Auch ein zweiter Schlichtungsversuch fand nicht die Zustimmung Pannocchias, der zugunsten seines Bruders auf einige landwirtschaftliche Anwesen hätte verzichten müssen.

Testimonianze di Travale Die Schlichter luden den Grafen schließlich ein, um in Anwesenheit des Richters Balduino von sechs rechtschaffenen und gesetzestreuen Männern (sex bonos homines et legales) aus Travale die Zugehörigkeit des umstrittenen Besitzes zu Travale bestätigen zu lassen. Der Text enthält lediglich die Aussagen der Zeugen zugunsten der Ansprüche des Grafen. Der Ausgang des Prozesses und die übrigen Zeugenaussagen sind uns leider nicht überliefert.

Testimonianze di Travale (1158) Auszug aus dem Text

Testimonianze di Travale ... Quorum primo Berardinus quondam Tebaldi testatur de curte de Travale esse sicut: territorium mascie de Castagneto tenet de antiquo, quod primo habuit Andreas Starna qui Nappio vocabatur; de mascia Montanina dicit quod est de curte de Travale antiquum, scilicet eius quod Martinus Cavalieri tenuit. Viventi quondam filius, qui Henrigulus vocatur, dicit quod audivit dicere Berardinum predictum quod isti de Casa Magii, hii sunt li Nappari, fuerunt de la curte di Travale, ut ipse audivit dicere; de la Montanina dicit: Io de presi pane e vino p(er) li maccioni a Travale; de illa que est da Casa Magii dicit quod perdonatum fuit. […]

Testimonianze di Travale (1158) “[…] Pogkino, qui Petrus dicitur, dicit quod ipse stetit cum Gkisolfolo Africanu et ab eo audivit quod Casa Magii erat de la curte de Travale et fecit ibi servitium, non quod ipse viderit vel sciat; et ab eodem Gkisolfolo audivit quod Malfredus fecit la guaita a Travale. Sero ascendit murum et dixit: Guaita, guaita male; non mangiai ma mezo pane. Et ob id remissum fuit sibi servitium, et amplius no(n) tornò mai a far guaita, ut ab aliis audivit, quia veritatem inde nescit.”

Testimonianze di Travale Der Einfluss der Volkssprache manifestiert sich beispielsweise in Form von Zitaten in direkter Rede („...dicit: Io de presi pane e vino...“; „...dixit: Guaita, guaita male...“). Die Partikel de (< lat. inde) entspricht ne im modernen Italienischen (vgl. nde in den südlichen Dialekten). Das Substantiv maccione ‘Maurer’ lebt im Italienischen in der Form massone ‘Freimaurer’ weiter (vgl. auch frz. maçon).

Testimonianze di Travale Der Germanismus guaita (< fränk. *wahta, vgl. dt. Wacht), der im Italienischen nicht überlebt hat, ist in zahlreichen mittellateinischen sowie in altkatalanischen Texten belegt. Auch außerhalb der volkssprachlichen Zitate kommt das volgare an vielen Stellen zum Vorschein, z.B. in Form von latinisierten Toskanismen wie certetham (vgl. it. certezza < vlat. *certitiam vs. klat. Akk. certitudinem), durch die Einstreuung toskanischer Syntagmen (de la curte di; la guaita) sowie durch die Übertragung italoromanischer Satzbaumuster auf das Lateinische (dicit quod nach dem Vorbild von dice che statt der lateinischen ACI-Konstruktion).

Die Dichiarazione di Paxia Testament aus Ligurien

Die Dichiarazione di Paxia In no(m)i(n)e Domini. Ei Paxia, uxor Ioh(ann)es, manifesto ante co(n)sules p(er) s(an)c(t)i D(e)i eva(n)gelii in bona fide. Qua(n)do ego adux(i) viro m(e)o da Ianua, costà sol. iiii. dr. .i. In sepellir viro m(e)o dispexi sol. .v. m(inus) dr. .i. In septime dispexi d. .xx.viiii. [...]  

Die Dichiarazione di Paxia Es folgt eine Aufzählung von Alltagsgegenständen, bei der weitgehend auf volkstümliche Bezeichnungen zurückgegriffen wird: (Et) ei Paxia habeo de viro m(e)o colcera una (et) unum oreger (et) carpite due (et) unu(m) ma(n)tello d’Araça cu(m) une pellis d’agnello (et) une altre pelle d’agnello (et) gonnelle .iiii., una de bruneta (et) una vergada (et) due albaxie, (et) unum cop(er)tor vetulo (et) capa una (et) sacho(n) .i. (et) paria .ii. de brague (et) unu(m) camixoto (et) unu(m) sacho (et) paria duo de çoculi [...]

Die Dichiarazione di Paxia Eine Hauptschwierigkeit beim Übergang von der lateinischen Schriftlichkeit zur volkssprachlichen bestand darin, dass das lateinische Alphabet für viele inzwischen entstandenen Laute keine geeigneten Schriftzeichen besaß. In der Dichiarazione di Paxia finden wir u.a. folgende Lösungen:

Die Dichiarazione di Paxia Der stimmhafte Frikativ [] wird durch <x> wiedergegeben: dispexi, albaxie, camixoto, pixon etc. Die stimmhafte Affrikate [d] wird vor velaren Vokalen durch <i>, vor palatalen durch <g> repräsentiert: seia, toaia, oreger. Sowohl die stimmlose Affrikate [ts] als auch die stimmhafte Variante [dz] wird vor velaren Vokalen durch <ç-> wiedergegeben (çoculi), während <c> vor palatalen Vokalen für [ts] stehen kann: colcera, calce, lence.

Die Dichiarazione di Paxia Zu den sprechsprachlichen Besonderheiten, die in der Graphie wiedergegeben werden, gehören u.a. der Wegfall der Endvokale: sepellir, oreger, copertor, sachon, barril, bolentin, crivel, pairol, seder, oral, peiten, tridor, vermeion etc. die Sonorisierung von intervokalischem [-t-]: vergada, buada, scudelle, galleda, tridor, encantado, stada etc.

Die Dichiarazione di Paxia die Affrizierung von lat. [kl-] zu [d]: vlat. *AURICULARIUM > oreger; vlat. *SICLA (< lat. SITULAM) > seia etc.; die Entstehung des Frikativs [] aus dem vlat. Nexus [-sj-]: lat. PENSIONEM > pixon; die Entwicklung von vlat. [-rj-] zu [-jr-] (Metathese): lat. PARIOLUM > pairol, vlat. TONSORIAS > tesoire sowie das Passato remoto der dritten Person Singular auf -à (costà; vgl. it. costò).

Die Dichiarazione di Paxia Auf die Wiedergabe einiger phonetischer Merkmale verzichtet der Text hingegen, so z.B. auf die Sonorisierung von intervokalischem [-p-] (sepellir, copertor) und [-t-] (bruneta, carpite). Phonographematische und lexikalische Inkonsequenz sind für Texte jener Epoche sehr typisch.

Kurztexte Vor 1200

Kurztexte aus der Toskana Im späten 12. Jahrhundert hat der Bildhauer Biduino in Pisa folgende Grabinschrift angefertigt, in der Volkssprache und Latein gleichermaßen präsent sind: Homo ke vai per via, prega Deo dell’anima mia. Sì como tu se’ ego fui, sicus ego sum tu dei essere. Der kurze Text befindet sich auf dem Grab eines gewissen Giratto, der im Oktober 1176 verstarb. Die korrekte Form müsste sicut lauten.

Kurztexte aus der Toskana Auch hier macht sich der Einfluss der lateinischen Schreibtradition deutlich bemerkbar (homo mit etymologisierendem h; Deo statt Dio, ego sum statt io sono etc.). Interessant ist ferner die Verwendung von k- (ke statt che), das in mittelalterlichen Texten allerdings keine Seltenheit ist.

Kurztexte aus der Toskana Einige italoromanische Kurztexte stellen Ergänzungen zu lateinischen Schriftstücken dar, so etwa die so genannte Postilla amiatana aus dem Jahre 1078, die der Notar Rainerio einem Vertrag angefügt hat, in dem die Eheleute Miciarello und Gualdrada erklärt haben, dass sie all ihre Güter der Abtei San Salvatore in Montamiata vermachen wollen. Der Text lautet: ista car(tula) est de caput coctu ille adiuvet de ill rebottu q(ui) mal co(n)siliu li mise in corpu

Kurztexte aus der Toskana Eine eindeutige Interpretation ist aufgrund syntaktischer und lexikalischer Unklarheiten nicht möglich. Castellani (21976, 108) schließt sich der Interpretation Migliorinis an: „...io spiegherei pressappoco in questo modo: Questa carta è di Capocotto (probabilmente da intendere come ‘Testadura’) e gli dia aiuto contro il Maligno, che un mal consiglio gli mise in corpo”.

Kurztexte aus der Toskana Hinsichtlich der sprachlichen Eigenheiten fällt die Bewahrung von auslautendem [-u] auf (coctu, rebottu, consiliu, corpu). Als lexikalische oder phonographematische Latinismen identifizieren wir caput (statt *capu), est (statt è), adiuvet sowie coctu (statt *cottu).

Genuesische Textpassagen bei provenzalischen Minnesängern Raimbaut de Vaqueiras

Genuesische Textpassagen bei provenzalischen Minnesängern Der provenzalische Minnedichter Raimbaut de Vaqueiras hat in seine Gedichte auch einige italoromanische Strophen eingebaut. In einem zweisprachigen Dialog zwischen einem südfranzösischen Troubadour und einer genuesischen Dame, der wohl vor 1194 entstanden ist, stößt vor allem die genuesische Antwort (Vers 15-28) auf Interesse, die mit Hilfe der provenzalischen Orthographie wiedergegeben wird.

Genuesische Textpassagen bei provenzalischen Minnesängern Domna, tant vos ai preada, si us plaz, q’amar me voillaz, q’eu sui vostr’endormenjaz, car es pros et enseignada e toz bos prez autrez autreiaz; per qe’m plai vostr’amistaz. Car es en toz faiz cortesa, s’es mos cors en vos fermaz plus q’en nulla Genoesa, per q’er merces si m’amaz; e pois serai meilz pagaz qe s’era mia.ill ciutaz, ab l’aver q’es ajostaz, dels Genoes.

Genuesische Textpassagen bei provenzalischen Minnesängern Genuesische Passage mit moderner italienischer Übersetzung

Genuesische Textpassagen bei provenzalischen Minnesängern Zu den typischen Merkmalen des Genuesischen, die in dem Text in Vorschein treten, gehören die Affrizierung des lat. Nexus [pl-] zu [ts] (chu < lat. plus) (= [tʃy]) sowie der Ausfall von intervokalischem [-t-] beim Partizip Perfekt (malaurao, esclavao). Bis auch genuesische Dichter auf Genuesisch schrieben, sollte allerdings noch ein Jahrhundert vergehen.

Die Darstellung dialektaler Vielfalt in Dantes Traktat De vulgari eloquentia Polyzentrischer Sprachausbau im Mittelalter

Dante Alighieri, De vulgari eloquentia Ca. 1304

Dante, De vulgari eloquentia Eine erste Auseinandersetzung mit der diatopischen Variation in Italien finden wir bereits in Dantes Traktat De vulgari eloquentia aus dem frühen 14. Jahrhundert (ca. 1304).

Etappen der Dialektologie Sprachhistorisches Gedankengut in De vulgari eloquentia im Überblick Latein ist unveränderlich (Latein wird als Kunstsprache betrachtet, die sich natürlichen Veränderungen entzieht) Alle (natürlichen) Volkssprachen verändern sich in Zeit und Raum Hebräisch ist die Ursprache aller Menschen Turmbau zu Babel (Verwirrung) Entstehung verschiedener Sprachfamilien mit zunehmender Diversifizierung (…)

Theorie über die Entstehung der diatopischen Variation

Dante, De vulgari eloquentia Variationslinguistik ante litteram Sprache verändert sich in Zeit und Raum Die von den Menschen verwendete Sprache ist raschen Veränderungen unterworfen (in Abhängigkeit von der menschlichen Unbeständigkeit) Als unveränderliche Sprache wurde daher das Lateinische (= Grammatik) erschaffen

Vgl. auch Dante, Convivio Lateinisch = Grammatik = unveränderlich in Zeit und Raum Volgare (= italoromanischer Primärdialekt) = veränderlich in Zeit und Raum “…perché lo latino è perpetuo e non corruttibile, e lo volgare è non stabile e corruttibile.” Convivio, Trattato I, Capitolo v

Dante, De vulgari eloquentia Komparatistik ante litteram Sprachvergleich Die Ähnlichkeit der romanischen Sprachen (lingua oc, lingua oil, lingua si) lässt darauf schließen, dass sie einen gemeinsamen Ursprung haben

Dantes Beschreibung der Dialekte De vulgari eloquentia (I, xi) Auszüge

Dante, De vulgari eloquentia Die Einteilung der Dialekte Insgesamt: 14 Dialekte

Die Klassifizierung der italienischen Dialekte (lat Die Klassifizierung der italienischen Dialekte (lat. vulgaria) nach Dante (Ulrich Prill: Dante. Stuttgart/Weimar 1999, S. 94)

Dante, De vulgari eloquentia http://www.thelatinlibrary.com/dante/vulgar.shtml

De vulgari eloquentia: digitale Quellen http://www.danteonline.it/italiano/home_ita.asp

Dante, De vulgari eloquentia: digitale Quellen http://www.danteonline.it/itali ano/opere_indice.htm

Dante, De vulgari eloquentia Rom

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XI) It. Übersetzung Sicut ergo Romani se cunctis preponendos extimant, in hac eradicatione sive discerptione non inmerito eos aliis preponamus, protestantes eosdem in nulla vulgaris eloquentie ratione fore tangendos. Dicimus igitur Romanorum, non vulgare, sed potius tristiloquium, ytalorum vulgarium omnium esse turpissimum; nec mirum, cum etiam morum habituumque deformitate pre cunctis videantur fetere. Dicunt enim: Messure, quinto dici? E dunque, siccome i Romani ritengono di dover essere messi in testa a tutti, non è ingiusto che li anteponiamo a tutti gli altri in quest'opera di sradicamento o estirpazione che dir si voglia, dichiarando che non andranno presi in considerazione in nessuna precettistica sull'eloquenza volgare. E diciamo pure che quello dei Romani - che non è neanche una lingua ma piuttosto uno squallido gergo - è il più brutto di tutti i volgari italiani: il che non meraviglia, dato che anche quanto a bruttura di abitudini e fogge esteriori appaiono i più fetidi di tutti. Eccoli infatti dire: Messure, quinto dici?

Dante, De vulgari eloquentia Rom Messure, quinto dici? Linguistische und kulturhistorische Interpretation: = it. Signore, che dici? messure = Hyper-korrektismus (metaphonisches u kommt im Singular nicht vor; aber Pl. messuri) Kritik Dantes an der röm. Duzform

Intertextuelle Interpretation Salimbene da Parma (1221-1288), Cronica Dante, Divina Commedia, Paradiso XVI, 19-11 SALIMBENE: „Romani, qui imperatori et summo pontifici dicunt tu. Et tamen appellant eum dominumdicentes: tu messor“ DANTE: „Dal voi che prima a Roma s‘offrie, / in che la sua famiglia men perseva“

Dante, De vulgari eloquentia Die Mark Ancona La Marca Anconitana

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XI) It. Übersetzung Post hos incolas Anconitane Marchie decerpamus, qui, Chignamente state siate Locuntur; cum quibus et Spoletanos abicimus. Dopo costoro strappiamo via gli abitanti della Marca Anconitana, che dicono Chignamente state siate: e assieme a loro via anche gli Spoletini.

Dante, De vulgari eloquentia Die Mark Ancona Chignamente state, siate Linguistische Interpretation = it. come state? Keine eindeutige Interpretation möglich, da die Überlieferung der Kopien unklar ist

Dante, De vulgari eloquentia Lombardei Mailand Bergamo

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XI) Dt. Übersetzung Post quos Mediolanenses atque Pergameos eorumque finitimos eruncemus, in quorum etiam improperium quendam cecinisse recolimus: Enter l'ora del vesper, ciò fu del mes d'ochiover. Dopo di questi estirpiamo Milanesi a Bergamaschi a loro vicini; anche su di loro ricordiamo che un tale ha composto un canto di scherno: Enter l'ora del vesper, ciò fu del mes d'ochiover.

Dante, De vulgari eloquentia Mailand/Bergamo (Lombardei) Enter l'ora del vesper, ciò fu del mes d'ochiover. Linguistische Interpretation Apokope enter, vesper, mes ochiover Palatalisierung ochiover = [oover] lat. CT > lomb. []

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original Dt. Übersetzung Post hos Aquilegienses et Ystrianos cribremus, qui Ces fastu? crudeliter accentuando eructuant. Cumque hiis montaninas omnes et rusticanas loquelas eicimus, que semper mediastinis civibus accentus enormitate dissonare videntur, ut Casentinenses et Pratenses. E dopo ancora, setacciamo via Aquileiesi e Istriani, che con quel loro accento ferino pronunciano: Ces fas-tu? E assieme a questi buttiamo via tutte le parlate montanare e campagnole, come quelle dei Casentinesi e degli abitanti di Fratta, che col loro accento aberrante da tutte le regole suonano in modo da far a pugni col linguaggio di chi abita nel centro delle città.

Dante, De vulgari eloquentia Istrien

Dante, De vulgari eloquentia Istrien / Friaul Ces fas tu? Linguistische Interpretation Eigentl. Ce fas-tu? = it. che fai tu? QUID > ce (Palatalisierung) Der 5. Vers einer friaulischen Ballade: Ce fastu achì / tan plasevol e tan cortès?

Dante, De vulgari eloquentia Sardinien

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XI) It. Übersetzung Sardos etiam, qui non Latii sunt, sed Latiis adsociandi videntur, eiciamus, quoniam soli sine proprio vulgari esse videntur, gramaticam tanquam simie homines imitantes; nam domus nova et dominus meus locuntur. Quanto ai Sardi, che non sono Italiani ma andranno associati agli Italiani, via anche loro, dato che sono i soli a risultare privi di un volgare proprio, imitando invece la grammatica come fanno le scimmie con gli uomini: e infatti dicono domus nova e dominus meus.

Dante, De vulgari eloquentia Sardinien domus nova / dominus meus Linguistische Interpretation Konservativer Charakter des Sardischen Hatte Dante die Einsicht in latinisierende sardische Urkunden?

Dante, De vulgari eloquentia Sizilien

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XII) Dt. Übersetzung Et primo de siciliano examinemus ingenium, nam videtur sicilianum vulgare sibi famam pre aliis asciscere, eo quod quicquid poetantur Ytali sicilianum vocatur, et eo quod perplures doctores indigenas invenimus graviter cecinisse: puta in cantionibus illis, Anchor che l'aigua per lo focho lassi, et Amor, che lungiamente m'ài menato. E per prima cosa facciamo un esame mentale a proposito del siciliano, poiché vediamo che il volgare siciliano si attribuisce fama superiore a tutti gli altri per queste ragioni: che tutto quanto gli Italiani producono in fatto di poesia si chiama siciliano; e che troviamo che molti maestri nativi dell'isola hanno cantato con solennità, per esempio nelle famose canzoni Ancor che l'aigua per lo foco lassi e Amor, che lungiamente m'hai menato.

Exkurs zur sizilianischen Dichterschule Die sizilianische Dichterschule war eine Gruppe von Dichtern am Hof Kaiser Friedrichs II. in Palermo. Im eigentlichen Sinn des Wortes handelte es sich um Dilettanten, also Beamte, die nebenbei auch Dichter waren, auch Friedrich selbst verfasste Gedichte. Die sizilianische Dichterschule hatte großen Einfluss auf ganz Italien und wirkte noch weiter, als das Stauferreich bereits untergegangen war (Quelle: Wikipedia).

Dante, De vulgari eloquentia Sizilien (I) Ancor che l'aigua per lo foco lassi Amor, che lungiamente m'hai menato Linguistische Interpretation Kenntnisse Dantes der sizilianischen Dichterschule in toskanischer Überlieferung Die Zeilen stammen aus einem Gedicht von Guido delle Colonne: Ancor che l'aigua per lo foco lassi …

Intertextuelle Interpretation Guido delle Colonne (aus Messina?) Canzoni Amor, che lungiamente m'ài menato Ancor che l'aigua per lo foco lassi Gioiosamente canto La mia gran pena e lo gravoso affanno Ancor che l'aigua per lo foco lassi la sua grande freddura non cangeria natura s'alcun vasello in mezzo non vi stassi; anzi averria senza lunga dimura che lo foco astutassi, o che l'aigua seccassi; ma per lo mezzo l'uno e l'autra dura. Cusì, gentil criatura, in me à mostrato Amore l'ardente suo valore: che senza Amore er'aigua fredda e ghiaccia, ma Amor m'à sì allumato di foco che m'abraccia […] Rimatori della scuola siciliana a c. di Panvini, Firenze 1962 / 1964

Intertextuelle Interpretation Guido delle Colonne Amor, che lungiamente m'ài menato a freno stretto senza riposanza, alarga le toi retine, in pietanza, chè soperchianza - m'a vinto e stancato; c'ò più durato - ch'eo non ò possanza,        per voi, madonna, a cui porto lianza più che non fa assessino asorcuitato, che si lassa morir per sua credanza. Ben este affanno dilittoso amare, e dolze pena ben si pò chiamare;        ma voi, madonna, de la mia travaglia, ca sì mi squaglia, - prenda voi merzide, che ben è dolze mal, se no m'auzide. […]

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XII) It. Übersetzung Et primo de siciliano examinemus ingenium, nam videtur sicilianum vulgare sibi famam pre aliis asciscere, eo quod quicquid poetantur Ytali sicilianum vocatur, et eo quod perplures doctores indigenas invenimus graviter cecinisse: puta in cantionibus illis, Anchor che l'aigua per lo focho lassi, et Amor, che lungiamente m'ài menato. E per prima cosa facciamo un esame mentale a proposito del siciliano, poiché vediamo che il volgare siciliano si attribuisce fama superiore a tutti gli altri per queste ragioni: che tutto quanto gli Italiani producono in fatto di poesia si chiama siciliano; e che troviamo che molti maestri nativi dell'isola hanno cantato con solennità, per esempio nelle famose canzoni Ancor che l'aigua per lo foco lassi e Amor, che lungiamente m'hai menato.

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Text (I, XII) It. Übers. Sed prestat ad propositum repedare quam frustra loqui; et dicimus quod si vulgare sicilianum accipere volumus secundum quod prodit a terrigenis mediocribus, ex ore quorum iudicium eliciendum videtur, prelationis honore minime dignum est, quia non sine quodam tempore profertur; ut puta ibi: Tragemi d'este focora, se t'este a boluntate. Ma è meglio ritornare al punto che parlare a vuoto. Diciamo allora che il volgare siciliano, a volerlo prendere come suona in bocca ai nativi dell'isola di estrazione media (ed è evidentemente da loro che bisogna ricavare il giudizio), non merita assolutamente l'onore di essere preferito agli altri, perché non si può pronunciarlo senza una certa lentezza; come ad esempio qui: Tragemi d'este focora se t'este a bolontate.

Dante, De vulgari eloquentia Sizilien (II) Tragemi d'este focora se t'este a boluntate. Linguistische Interpretation

Dante, De vulgari eloquentia Apulien

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XII) Dt. Übersetzung Apuli quoque, vel a sui acerbitate, vel finitimorum suorum contiguitate, qui Romani et Marchiani sunt, turpiter barbarizant. Dicunt enim, Bòlzera che chiangesse lo quatraro. Gli Apuli d'altra parte, o per loro crudezza o per la vicinanza delle genti con cui confinano, cioè Romani a Marchigiani, cadono in sconci barbarismi: e infatti dicono Bòlzera che chiangesse lo quatraro.

Diatopische Variation des Italoromanischen Norditalien lat. PL > [pl] (Erhalt) und [pj] Nord- und Mittelitalien lat. PL > [pj] Süditalien lat. PL [pl] > [kj] G. Devoto/G. Giacomelli, I dialetti delle regioni d‘Italia. Firenze 1971

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XII) It. Übers. Sed quamvis terrigene Apuli loquantur obscene comuniter, prefulgentes eorum quidam polite locuti sunt, vocabula curialiora in suis cantionibus compilantes, ut manifeste apparet eorum dicta perspicientibus, ut puta Madonna, dire vi voglio, et Per fino amore vo sì letamente. Ma benché i nativi dell'Apulia parlino generalmente in modo turpe, alcuni che fanno spicco tra di essi si sono espressi in modo raffinato, trascegliendo nelle loro canzoni i vocaboli più degni della curia, cosa che risulta evidente ad osservare le loro poesie, come ad esempio Madonna, dir vi voglio, e Per fino amore vo sì letamente.

Dante, De vulgari eloquentia Apulien (siz. Dichterschule) Volzera che chiangesse lo quatraro Linguistische Interpretation = it. toglimi da queste fiamme, se ti fa piacere = der 3. Vers des bekannten Contrasto von Cielo d‘Alcamo = für Dante zu nah an der gesprochenen Realität chiangesse: PL > [kj] quatraro

Dante, De vulgari eloquentia Apulien (siz. Dichterschule) Madonna, dir vi volglio Per fino amore vo si letamente Linguistische Interpretation Auszüge aus siz. Gedichten in toskanischer Überlieferung

Die Toskanisierung der siz. Dichtung Vervielfältigung durch toskanische Kopisten, Welche gleichzeitig die Gedichte An ihren Heimatdialekt anpassten Verlust sämtlicher Originale Nur zwei Gedichte sind in authentischer Sprache als Kopie erhalten: Stefano Protonotaro: Pir meu cori… König Enzo:S'iu truvassi Pietati Sizilianische Dichterschule

Exkurs zur Scuola siciliana Stefano Protonotaro […]

Exkurs zur Scuola siciliana König Enzo (unehelicher Sohn Friedrichs II.)

Dante, De vulgari eloquentia Die Toskana

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XIII) It. Übers. Locuntur Florentini et dicunt: Manichiamo introque che noi non facciano atro. Pisani: Bene andonno li fatti De Fiorensa per Pisa. Lucenses: Fo voto a Dio che in grassarra eie lo comuno de Lucca. Senenses: Onche renegata avesse io Siena! Ch'ee chesto ? Aretini: Vo' tu venire ovelle? Ecco che parlano i Fiorentini, e dicono Manichiamo, introcque che noi non facciamo altro; e i Pisani: Bene andonno li fatti de Fiorensa per Pisa; i Lucchesi: Fo voto a Dio ke in grassarra eie lo comuno de Lucca; i Senesi: Onche renegata avess'io Siena. Ch'ee chesto? gli Aretini: Vuo' tu venire ovelle?

Toskana (moderne Karte) Florenz Pisa Lucca Siena Arezzo

Dante, De vulgari eloquentia Toskana Florenz: Manichiamo introcque che noi non facciamo altro Linguistische Interpretation = it. mangiamo mentre non abbiamo altro da fare Volkstümliche Wörter (auch von Dante verwendet) manicare = it. mangiare introcque = it. mentre ambo le man per lo dolor mi morsi; ed ei, pensando ch'io 'l fessi per voglia di manicar, di sùbito levorsi (Inf., XXXIII, 60) Sì mi parlava, e andavamo introcque. (Inf., XX, 130)

Dante, De vulgari eloquentia Toskana Pisa: Bene andonno li fatti de Fiorensa per Pisa Linguistische Interpretation = it. i fatti di Firenze andarono bene per Pisa andaro > andarono > andorono > andorno > andonno (Assimil.) [ts] > [s] typisch für das Pisanische (Entaffrizierung)

Dante, De vulgari eloquentia Toskana Lucca: Fo voto a Dio ke in grassarra eie lo comuno de Lucca Linguistische Interpretation Gesamttoskanische Phänomene = it. giuaraddio che il comune di Lucca nuota nell‘abbondanza fo = faccio grassarra = abbondanza eie = è

Dante, De vulgari eloquentia Toskana Siena: Onche renegata avess'io Siena.Ch'ee chesto? Linguistische Interpretation = it. avessi pur rinnegato Siena, e con ciò? sien. chesto vs. flor. questo ee = è (typisch für das Alttosk., wird auch von Dante verwendet)

Dante, De vulgari eloquentia Toskana Arezzo: Vuo' tu venire ovelle? Linguistische Interpretation = it. vuoi venire da qualche parte? ovelle = aretin. Form (< lat. ubi velles)

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XIII) It. Übersetzung Hoc Romandiolos omnes habet, et presertim Forlivienses, quorum civitas, licet novissima sit, meditullium tamen esse videtur totius provincie. Hii deuscì affirmando locuntur,et Oclo meo et Corada mea proferunt blandientes. Horum aliquos a proprio poetando divertisse audivimus, Tomam videlicet et Ugolinum Bucciolam, faventinos. A tale volgare appartengono tutti i Romagnoli, e specialmente i Forlivesi, la cui città, benché periferica, appare però il fulcro di tutta la regione: costoro per affermare dicono deuscì, e allo scopo di blandire il prossimo usano le espressioni oclo meo e corada mea. Ma taluni di questi, a nostra notizia, si sono allontanati nelle loro poesie dal proprio volgare, cioè Tommaso e Ugolino Bucciòla, entrambi Faentini.

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XII) It. Übersetzung Hoc omnes qui magara dicunt, Brixianos videlicet, Veronenses et Vigentinos, habet; nec non Paduanos, turpiter sincopantes omnia in -tus participia et denominativa in -tas, ut mercò et bontè. Cum quibus et Trivisianos adducimus, qui more Brixianorum et finitimorum suorum u consonantem per f apocopando proferunt, puta nof pro ‘novem’ et vif pro ‘vivo’: quod quidem barbarissimum reprobamus. A questo appartengono tutti quelli che dicono magara, vale a dire Bresciani, Veronesi e Vicentini; e inoltre i Padovani, che sconciano con le loro sincopi tutti i participi in "-tus" e i nomi in "-tas", quali mercò e bontè. Con questi citeremo anche i Trevigiani, che alla maniera di Bresciani e loro vicini troncano le parole pronunciando la u consonante come f, metti nof per "nove" e vif per "vivo": tratto che stigmatizziamo come macroscopico barbarismo.

Dante, De vulgari eloquentia Linguistische Interpretation magara = it. magari Synkope mercò < lat. MERC(AT)UM bontè < lat. BONIT(AT)EM Auslautverhärtung nof < lat. NOVEM vif < lat. VIVO

Dante, De vulgari eloquentia Mlat. Original (I, XII) It. Übersetzung Veneti quoque nec sese investigati vulgaris honore dignantur: et si quis eorum, errore confossus, vanitaret in hoc, recordetur si unquam dixit: Per le plaghe de Dio tu no verras. Neppure i Veneziani possono considerarsi degni dell'onore di quel volgare su cui indaghiamo; e se qualcuno di loro, trafitto dall'errore, si andasse pavoneggiando a questo proposito, si faccia venire in mente se per caso non ha mai detto Per le plaghe di Dio tu, no verras.

Dante, De vulgari eloquentia Linguistische Interpretation Per le plaghe de Dio tu no verras = it. per le piaghe di Dio (tu) non verrai Erhalt des lat. Nexus PL- verras (Erhalt von -s der 2. Pers. Sg.) Erhalt des lat. Nexus PL-