Vorlesung Familienrecht

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 Präsentation transkript:

Vorlesung Familienrecht WS 2004/2005 Prof. Dr. Peter Winkler v. Mohrenfels

1. Abschnitt: Einleitung § 1 Gegenstand und Zweck des Familienrechts § 2 Die Bedeutung der Grundrechte im Ehe- und Familienrecht § 3 Grundbegriffe des Familienrechts § 4 Rechtsquellen des Familienrechts

§ 1 Gegenstand und Zweck des Familienrechts I. Bedeutung des Familienrechts Ehe und Familie als soziale Gegebenheiten: im Kern lange unverändert rechtliche Regelungen: starke Schwankungen Umfang von Familienrechtsstreitigkeiten 2000: 194.000 Scheidungsverfahren davon 48,8% mit Kindern ca. 680.000 Personen betroffen

II. Gegenstand des Familienrechts Recht der Ehe Verwandtschaft Vormundschaft Betreuung Eingetragene Lebenspartnerschaft teilweise analog behandelt: nichteheliche Lebensgemeinschaft

Das Familienrecht regelt also unter welchen Voraussetzungen eine Ehe geschlossen und wieder aufgelöst wird unter welchen Voraussetzungen eine nichteheliche Lebensgemeinschaft und eine Eingetragene Lebenspartnerschaft bestehen und endigen unter welchen Voraussetzungen Verwandtschaft besteht und endigt unter welchen Voraussetzungen ein Vormund bzw. Betreuer bestellt und abberufen wird welche Rechtswirkungen die so geschaffenen Rechtsverhältnisse haben

III. Zweck des Familienrechts Schutz privater Interessen persönliche Beziehungen Vermögensrecht Wahrung öffentlicher Interessen Generationenvertrag Familienlastenausgleich Diesen Zwecken dienen ein weitgehender Formzwang, z.B.: §§ 1310, 1311 Eheschließung § 1 LPartG Begründung der Lebenspartnerschaft § 1597 Anerkennung der Vaterschaft §§ 1750, 1752 Adoption das Gestaltungsurteil anstelle der Gestaltungserklärung, vgl. § 1564

§ 2 Die Bedeutung der Grundrechte im Ehe- und Familienrecht I. Art. 6 I GG Zentrale Grundrechtsvorschrift, klassisches Freiheitsrecht Institutsgarantie dazu BVerfGE 53, 224, 245 f: der Gesetzgeber muss im Scheidungsrecht eheerhaltende Elemente integrieren. wertentscheidende Grundsatznorm negativ: allgemeines Benachteiligungs- und Schädigungsverbot positiv: Förderungsgebot

Art. 6 I GG im Steuerrecht BVerfGE 99, 216 (LS 1) Art. 6 I GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz. Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen. Dieses Benachteiligungsverbot steht jeder belastenden Differenzierung entgegen, die an die Existenz einer Ehe (Art. 6 I GG) oder die Wahrnehmung des Elternrechts in ehelicher Erziehungsgemeinschaft (Art. 6 I und II GG) anknüpft.

Art. 6 I GG im Steuerrecht BVerfGE 99, 216 (LS 2) Die Leistungsfähigkeit von Eltern wird, über den existentiellen Sachbedarf und den erwerbsbedingten Betreuungsbedarf des Kindes hinaus, generell durch den Betreuungsbedarf gemindert, der Betreuungsbedarf muss als notwendiger Bestandteil des familiären Existenzminimums (...) einkommensteuerlich unbelastet bleiben, ...

Art. 6 I GG im Steuerrecht BVerfGE 99, 216 (LS 3a) Der Gesetzgeber muss bei der gebotenen Neugestaltung des Kinderleistungsausgleichs auch den Erziehungsbedarf des Kindes unabhängig vom Familienstand bei allen Eltern, die einen Kinderfreibetrag oder ein Kindergeld erhalten, berücksichtigen.

II. Art. 6 II, III GG Klassisches Abwehrrecht Beispiel 1: BVerfGE 61, 358: Die Regelung des § 1671 IV 1 BGB, wonach ein gemeinsames Sorgerecht geschiedener Ehegatten für ihre Kinder selbst dann ausgeschlossen ist, wenn sie willens und geeignet sind, die Elternverantwortung zum Wohle des Kindes weiterhin zusammen zu tragen, verletzt das Elternrecht des Art. 6 II 1 GG.

II. Art. 6 II, III GG Klassisches Abwehrrecht Beispiel 2: BVerfG FamRZ 2002, 306 § 1616 II 1 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Neuregelung des Familiennamensrechts v. 16.12.1993 und § 1617 I 1 BGB i.d.F. des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts v. 16.12.1997 sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, Eltern zu ermöglichen, ihren Kindern einen Doppelnamen als Familiennamen zu geben.

III. Art. 6 V GG Das BVerfG musste mehrfach eingreifen, vgl. Entscheidungen vom 07.05.1991, BVerfGE 84, 168 = NJW 1991, 1944 (zur elterlichen Sorge nach Ehelicherklärung, §1738 I a.F.) vom 05.11.1991, FamRZ 1992, 157 (zum unterschiedlichen Instanzenzug bei ehelichen und nichtehelichen Kindern) Jetzt alles bereinigt durch das Kindschaftsreformgesetz

II. Art. 3 II GG Rechtliche Gleichstellung: 1900 Entscheidungsrecht des Mannes 1957 Gleichberechtigungsgesetz 1976 Erstes Eherechtsreformgesetz 1979 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge 1997 Kindschaftsreformgesetz Tatsächliche Gleichstellung: „positive Diskriminierung“ Zweites Gleichberechtigungsgesetz v. 21.04.1994 (Frauenfördergesetz) Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz v. 30.11.2001

II. Art. 1, 2 GG Beide Grundrechte haben in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung gewonnen. Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung [dazu BVerfGE 96, 56 mit Aufsatz Eidenmüller, JuS 1998, 789 (zum Auskunftsanspruch des Kindes gegen seine Mutter auf Benennung des Vaters)] Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz [dazu BVerfG NJW 1986, 1859]

§ 3 Grundbegriffe des Familienrechts I. Familie Großfamilie Im Hause des Königs Priamos lebten laut Homer: 50 Brüder und 12 Schwestern mit Ehegatten und Kindern Erweiterte Familie Wirtschaftliche Produktionseinheit, bis ins 19. Jh.

Kern- oder Kleinfamilie Künftige Familie Halbfamilie

Die Patchworkfamilie

Verwandtschaft

Familienrechtliche Gesetze außerhalb des BGB Lebenspartnerschaftsgesetz v. 16.2.2001 (LPartG) Kinder- und Jugendhilfegesetz v. 26.6.1990 (KJHG/SGB VIII) Gesetz über die religiöse Kindererziehung v. 15.7.1921 (RelKErzG) (MünchKomm/Hinz3 Anh. §1631) Übergangsvorschriften des Art. 234 EGBGB §§ 29-34, 39, 40 DDR-FGB iVm Art. 234 § 5 EGBGB

Verfahrensrecht Bundesgerichtshof Revision Oberlandesgericht Familiensenate Berufung Landgericht Familiengericht (beim Amtsgericht) 1. Instanz