BM ‚Politische Systeme‘

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 Präsentation transkript:

BM ‚Politische Systeme‘ Das Parlament und seine Funktionen TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Gliederung der Vorlesung Was ist Politik? Was ist ein ‚politisches System‘? Warum und wie vergleicht man politische Systeme? Wie läßt sich politische Macht ausüben und bändigen? Welche Arten politischer Systeme gibt es? Wie wandeln sich politische Systeme? Welche Strukturen und Funktionen besitzen die zentralen Elemente moderner politischer Systeme? Die Reihenfolge des Stoffes wurde im Vergleich zur bisherigen Einführung verändert. Die nunmehr verfügbaren Präsentation sind der Gliederung der Vorlesung wie folgt zugeordnet: Was ist Politik? – „Was ist Politik“ Was ist Wissenschaft? – „Was ist Wissenschaft“ Was ist ein ‚politisches System‘? – „Das politische System“ Warum und wie vergleich man politische Systeme? – „Systemvergleich“ Wie läßt sich politische Macht bändigen?– „Sicherung und Bändigung von Herrschaft“ Welche Arten politischer Systeme gibt es? – 1) „Gute politische Ordnung“, 2) „Arten politischer Systeme“ Wie wandeln sich politische Systeme? - „Wandel politischer Systeme“ TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

zentrale Elemente moderner politischer Systeme politische Kultur politische Sozialisation politische Eliten Interessengruppen Parteien Wahlsysteme, Wahlkämpfe, Wahlverhalten Parlament – heute: Parlamentsfunktionen Regierung und Verwaltung Massenmedien Föderalismus TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Gliederung des Gedankengangs Was ist Repräsentation? Wie funktioniert zumal demokratische Repräsentation? Wurzeln und funktionslogische Entwicklung des zeitgenössischen Parlamentarismus Schlüssel zum Verständnis moderner Parlamente Aufbau und interne Funktionsweisen von Parlamenten Das Parlament im politischen Prozeß: Parlaments-funktionen und die Logik ihrer Erfüllung TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Ein Parlament versteht (nur), wer folgendes begreift: (Machtvolle) Parlamente sind sehr arbeitsteilige Organisationen, in denen man sich aufeinander verlassen muß. Sacharbeit und Führungsarbeit im Parlament stehen unter scharfer Beobachtung und strenger Leistungskontrolle. Im Parlament geht es um Wichtiges: um Sieg oder Niederlage, um Aufstieg oder Abstieg, um Einflußgewinn oder Machtverlust. Parlamentarische Arbeit vollzieht sich unter dem Druck von Wahlterminen und gegebenenfalls von plebiszitären Elementen. Parlamentarische Arbeit hängt von vielen Rahmenbedingungen ab, die man vom Parlament aus nicht kontrollieren kann.  Vor allem: Eigenlogik des Wirtschaftssystems, Funktionslogik des Mediensystems, Eigendynamik öffentlicher Meinung, Entwicklungen auf internationaler Ebene TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Parlamentsfunktionen (1) – (4): strukturbildende Bedeutung geschichtliche Entwicklung Erläuterungen gehen zunächst meist vom Fall des deutschen parlamentarischen Regierungssystems aus und verallgemeinern überwiegend erst im zweiten Schritt Repräsentationsfunktion (4) Vernetzungsfunktion Responsivitätsfunktion Darstellungsfunktion (‚Öffentlichkeitsfunktion‘) kommunikative Führungsfunktion Kontrollfunktion (2) Gesetzgebungsfunktion (3) Wahlfunktion (1) im parlamentarischen Regierungssystem zentral und systemprägend: Regierungsbildungsfunktion TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Die Wahlfunktionen des Parlaments zentral im parlamentarischen Regierungssystem und umfassend prägend für diesen Systemtyp: die Wahl (bzw. die Bestätigung im Amt) des Regierungschefs weitere Wahlfunktionen am deutschen Beispiel: Bundestag wählt Hälfte der Verfassungsrichter, den Wehrbeauftragten usw. Wahlfunktionen im präsidentiellen Regierungssystem am amerikanischen Beispiel: Präsident kann Kabinettsmitglieder und Verfassungsrichter nur mit Zustimmung des Senats berufen TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Parlamentarische Regierungsbildung: ein nicht endender Prozeß vor dem Wahlkampf: Klärung grundsätzlicher Koalitionsmöglichkeiten im Wahlkampf: Koalitionsmöglichkeiten werden dem Wähler vor Augen geführt; für oder gegen sie wird geworben Palamentswahl: Bürger legen (ggf. unabsichtlich) fest, welche Regierungsmehrheiten überhaupt zustande kommen können nach der Wahl: Grundentscheidung ist nötig, welche Partei die Initiative zur Regierungsbildung übernehmen kann bzw. muß Koalitions- oder Tolerierungsverhandlungen, abgeschlossen ggfs. durch einen formalen Vertrag und dessen Billigung durch zentrale Parteigremien der künftigen Koalitions- oder Tolerierungspartner formale Prozesse der Regierungsbildung – je nach Verfassungslage Sicherung des Zusammenhalts der Regierungsmehrheit durch formelle Koalitionsgremien oder sonstige informelle Gremien Folge: ‚Mannschaftsbildung‘, Fraktionsdisziplin TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Typische Inhalte eines Koalitionsvertrags zentrale gemeinsame Gestaltungsabsichten, v.a. Gesetzesvorhaben, ggfs. mit Arbeits- und Zeitplan Nennung jener Themen, bei denen unvereinbare Positionen bestehen, samt Vereinbarung, sie bei der Zusammenarbeit weitestgehend auszuklammern Verfahrensregeln für die Sicherung der Zusammenarbeit und für die Beilegung von Streit (z.B. Vereinbarung über einen ‚Koalitionsausschuß‘) wechselseitige Zusicherung, daß nicht mit wechselnden Mehrheiten abgestimmt wird Aufteilung der Ministerien und sonstigen Regierungsämter TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Grundmöglichkeiten formaler parlamentarischer Regierungsbildung Parlament wählt alle Regierungsmitglieder Parlament wählt Regierungschef, der die übrigen Regierungsmitglieder beruft bzw. ernennt Regierungschef wird vom Staatsoberhaupt berufen / ernannt und muß sich im Parlament dann einer Vertrauensabstimmung stellen Regierungschef wird vom Staatsoberhaupt berufen / ernannt, muß sich im Parlament aber keiner Vertrauensabstimmung stellen TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Grundsätze für die Zusammenstellung einer parlamentarischen Regierung Regierungschefs entstammen meist der größten Koalitionsfraktion. Ein Großteil der machtpolitisch wichtigsten Parlamentarier wird ins Kabinett aufgenommen (‚eingebunden‘). Die Koalitionspartner sind in der Regel frei, die ihnen zufallenden Kabinettspositionen mit Ministern ihrer Wahl zu besetzen. Möglichst Berücksichtigung innerparteilich anerkannter Fachleute für die Aufgaben des jeweiligen Ministeriums. Wichtig: Politische ‚Ausbalancierung‘ des Kabinetts nach politischer Grundhaltung (links/rechts, Reformer/Konservativer usw.), nach innerparteilicher Gefolgschaft, regionaler Herkunft, Geschlecht, ggf. auch nach ethnischer Gruppe und Religion. Hilfreich zur Beilegung von Interessenkonflikten: Vergrößerung des Kabinetts um Parlamentarische Staatssekretäre o.ä. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

‚Inkompatibilität‘ von Parlamentsmandat und Regierungsamt oft gefordert, um – wie im Alten Dualismus von konstitutioneller Monarchie und präsidentiellem Regierungssystem – eine ‚wirkliche‘ Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung herbeizuführen dem parlamentarischen Regierungssytem, wie schon der Name sagt, ganz unangemessen schwächt den Minister gegenüber dem Regierungschef: keine eigenständige Machtbasis im Parlament! führt in der Regel zu Umgehungsstrategien (etwa: ein ‚Ersatzbewerber‘ übernimmt den frei gewordenen Parlamentssitz, tritt ‚im Bedarfsfall‘ zurück, und ‚Nachwahlen‘ bringen den ehemaligen Minister wieder ins Parlament). in einigen Staaten verlangt, in anderen hingegen unterbunden TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Ursprünge der Forderung nach Unvereinbarkeit von Parlamentsmandat und Regierungsamt Entstehung der neuzeitlichen Gewaltenteilungsvorstellungen während des noch unabgeschlossenen Machtaufstiegs der Parlamente:  Popularisierung von Montesquieus Lehre, das im England des 18. Jhdts. erreichte Gleichgewichtsverhältnis von Parlament und Regierung solle für jedes politische System vorbildlich sein: ‚Exekutive gegen Legislative‘ US-Regierungssystem, entstanden als republikanische Version der englischen Verfassung im späten 18. Jhdt., als Referenzmodell:  vorbildliche ‚Übereinstimmung von normativer Theorie und gelebter Praxis‘ im Fall des präsidentiellen Regierungssystems Theorie und Prägewirkung des Deutschen Konstitutionalismus als monarchischer Form des präsidentiellen Regierungssystems:  Pointe: Für Inkompatibilität waren die Monarchisten – um nämlich die Volksvertretungen von der realen Exekutivmacht fernzuhalten! ‚Natürliche Plausibilität‘ der liberalen Repräsentationsvorstellung:  ‚Der‘ Regierung steht ‚die‘ Vertretung der Regierten gegenüber TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

‚Verantwortlichkeit‘ ist die Grundlage von politischer Kontrolle besteht aus folgenden Wirkungszusammenhängen: A muß B auf seine Fragen antworten; er ist ihm ‚verantwortlich‘. B ist völlig frei, mit A‘s Antworten und damit, was er dabei hört, zufrieden zu sein – oder mit den Antworten bzw. mit dem unzufrieden zu sein, was er von A hört . B kann als Reaktion auf A‘s Antworten Dinge tun, die A wünscht oder fürchtet. Also wird A solche Reaktionen antizipieren und – wenn er schon B‘s Fragen nicht ausweichen kann – solche Dinge möglichst unterlassen, über die zu berichten sich für A nachteilig auswirken kann (‚Antizipationsschleife‘, ‚Vorauswirkung der Kontrolle‘) Grundsatz: ‚Verantwortlichkeit darf nicht versickern!‘ TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

‚Antizipationsschleifen-Politik‘ Wenn ... die Adressaten einer Handlung wissen, daß diese Handlung eintreten und sicher ganz bestimmte Folgen haben wird oder wenn ... der Autor einer Handlung weiß, daß die Adressaten seiner Handlung (darum) ganz sicher auf eine bestimmte Weise reagieren werden dann reicht es für den Autor der Handlung meist aus, seine Handlung nur anzudeuten oder zu symbolisieren, aber nur solange wie ... TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Beispiele für Antizipationsschleifen Folter: Vorzeigen der Folterwerkzeuge reicht meistens! MAD: ‚Mutual Assured Destruction‘ als zentrales sicherheitspolitisches Konzept im Kalten Krieg ABV: unübersehbare Präsenz von Polizisten im Wohnviertel und auf der Straße zur Prävention von Rechtsverstößen TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Die ‚Antizipationsschleife‘ überlegt sich, wie für ihn wichtige Andere auf welche eigene Handlung vermutlich reagieren dürften (‚geplante Aktion‘) will etwas Bestimmtes erreichen oder vermeiden durchgeführte Aktion Erwartungssicherheit Reaktionsstabilität wählt seine Handlung so, daß mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit das zu Erreichende erreicht das zu Vermeidende vermieden wird tatsächlich eingetretene Reaktion antizipierte Reaktion TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Grundzüge politischer Kontrolle Kontrollmöglichkeiten werden geschaffen durch ... Organisation von Verantwortlichkeit Gewährleistung des Wirkens von Antizipationsschleifen (Schaffung von ‚Reaktionsstabilität‘ und ‚Erwartungssicherheit‘) durch Einrichtung entsprechender ‚institutioneller Mechanismen‘ Kontrolle funktioniert im wesentlichen ... über ‚Antizipationsschleifen‘, d.h. durch ‚Vorauswirkung‘ (also mittels ‚Vorzeigen der Folterinstrumente und Wissen um deren Folgen, wenn ...‘) auf der Grundlage berechenbarer Interessen durch informelle Prozesse, deren Verläßlichkeit durch formale Regeln und Positionen sichergestellt wird (‚institutionelle Mechanismen‘) unter demokratischen Bedingungen: durch Vorauswirkung der nächsten Wahl oder Abstimmung TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

‚Institutioneller Mechanismus‘ Interessen Interessen Wirkungen der Handlungskette ausgelöste Handlungskette ? Position Regeln - beabsichtigte Position - unbeabsichtigte Ressourcen Ressourcen Interessenverwirklichung Zielverwirklichung Macht Macht Interessen Regeln erzeugt durch Organisations- und Institutionenbildung Regeln formal oder informal Grundlage: Erwartungssicherheit (‚Antizipationsschleifen‘) persönlich definiert Position Ressourcen Macht TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Institutionelle Mechanismen sind verläßlich auslösbare und zielgerichtet einsetzbare Handlungsketten, die angeleitet von Interessen entlang von Regeln beruhend auf Positionen und den mit diesen verbundenen Ressourcen in und zwischen Sozialorganisationen zur Erreichung von Zielen genutzt werden können, sofern Interessen-, Struktur- und Verhaltensstabilität für Erwartungssicherheit und verläßlich wirkende Antizipationsschleifen sorgen. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Grundformen parlamentarischer Regierungskontrolle öffentlich (meist) schlecht sichtbar unmittelbar effizient (Regierungsmehrheit) Handeln der Regierung Regierungsmehrheit Formen von Kontrolle: Regierungsmehrheit Kontrolle durch Mitregieren ‚optische Täuschung‘ Opposition rechtliche Kontrolle Bürger Opposition Medien / Öffentlichkeit Leistungskontrolle öffentlich gut sichtbar Opposition Medien / Öffentlichkeit Richtungskontrolle effizient (nur) über Antizipation Aufsicht über fremde Amtsführung TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Aufsicht über fremde Amtsführung besteht darin, das Handeln eines anderen an selbstgewählten Maßstäben zu messen anhand dieser Maßstäbe gegebenenfalls (intern oder öffentlich) Kritik zu üben gegebenenfalls auf Korrekturen des kontrollierten Handelns zu drängen möglicherweise angemessene ‚Bestrafungen‘ für Fehlverhalten zu verlangen (‚Sanktionen‘) möglicherweise die Entfernung des Kontrollierten aus dem Amt zu verlangen oder zu bewirken. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Kontrolle durch Mitregieren Funktionsweise: Wenn A die Unterstützung oder das ‚Mitziehen‘ von B braucht, wenn B aber solche Unterstützung oder ‚Mitziehen‘auch verweigern kann, dann muß A ‚um B werben‘ und B kontrolliert somit (mehr oder minder weitgehend) A! Einrichtung geeigneter ‚institutioneller Mechanismen‘ TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Richtungskontrolle Die politische Gesamtlinie der Regierung wird kontrolliert. Verläuft unterschiedlich, je nach dem ob vorgenommen von ... Regierungsmehrheit Opposition Öffentlichkeit TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Richtungskontrolle durch die Regierungsmehrheit Die regierungstragende Fraktionen bzw. die einzubeziehenden (Veto-) Gruppen überprüfen, ob der Kurs der Regierung auf dem jeweiligen Politikfeld so ist, wie man ihn für richtig oder wenigstens akzeptabel hält. Falls nicht: In der Fraktion wird signalisiert, daß sich die erwünschte Geschlossenheit nicht herstellen lassen oder die nötige Mehrheit nicht finden wird ( freies Mandat). Folge: Richtungsänderung der – auf Mehrheitsbeschlüsse angewiesenen – Regierungspolitik, oder: Regierungskrise (Rücktritte, Zerfall einer Koalition usw.) TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Richtungskontrolle durch Opposition und / oder Öffentlichkeit Kurs der Regierung wird verglichen mit ... Absichtserklärungen und bekundeten Wertvorstellungen der Regierung eigenen Vorstellungen vom politisch Richtigen Ist besonders wirkungsvoll, wenn ... die Regierung von ihren bekundeten Absichten und Wertvorstellungen abweicht, etwa weil ... die Ziele unrealistisch waren unzureichende Mittel zur Verfügung gestellt wurden ohnehin die Mittel verfehlt waren TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Leistungskontrolle Die konkreten Auswirkungen der Regierungstätigkeit werden kontrolliert: Erreicht die Regierung ihre Ziele wirklich? Arbeitet der Regierungsapparat so zuverlässig und fehlerfrei, wie die Gesellschaft das erwartet? Gibt es unerwünschte, doch unbedachte, Nebenwirkungen der getroffenen Maßnahmen? Verläuft unterschiedlich, je nach dem ob vorgenommen von ... Regierungsmehrheit Opposition Öffentlichkeit TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Leistungskontrolle durch die Regierungsmehrheit Modus: Intern werden die Schwierigkeiten, Probleme, Unzulänglichkeiten und Fehler der Regierungsarbeit erörtert mit dem Versuch, das alles zu verbessern. Zentrales Anliegen: Mißstände abstellen, bevor die Opposition sie an die Öffentlichkeit bringt. Stätten interner Leistungskontrolle: Arbeitsgruppen der Fraktionen, leitende Fraktions- und Parteigremien, Koalitionsausschuß usw. Nach außen: Zurückweisung der Kritik; Bestreiten oder Relativieren der Schwierigkeiten und Mißstände Verweis auf ‚Sündenböcke‘ – idealerweise die frühere, von der Opposition gestellte Regierung TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Leistungskontrolle durch die Opposition / Öffentlichkeit Modus: Möglichst viele (echte und vorgebliche) Schwierigkeiten, Probleme, Unzulänglichkeiten und Fehler der Regierung werden möglichst aufsehenerregend an die Öffentlichkeit gebracht. Doppeltes Anliegen: der Öffentlichkeit und Wählerschaft vor Augen führen, was alles die Regierung falsch macht – weswegen deren Abwahl ratsam wäre; die Regierung zum Unterlassen von für falsch gehaltener Politik zu drängen. Stätte externer Leistungskontrolle: Die Öffentlichkeit – erreicht über Massenmedien, Plenarreden, Wahlkreisarbeit TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

rechtliche Kontrolle Leitgedanke: Das Handeln der Regierung ist nicht einfach nur – nach eigener Ansicht – in der Sache falsch, sondern widerspricht auch den zu beachtenden Rechtsvorschriften. Stätten der Kontrolle: Verwaltungsgerichte, Verfassungsgericht Formen: altertümlich: Ministeranklage (‚impeachment‘) heute üblich: ‚abstrakte Normenkontrolle‘ ‚Stimmt ein von der Regierungsmehrheit durchgesetztes Gesetz mit der Verfassung überein?‘ Nutzung: für Opposition nicht selten: Fortsetzung des verlorenen parlamentarischen Kampfes in einer anderen Arena für Regierungsmehrheit mitunter: Abwälzung der Verantwortung für eine (unpopuläre) Entscheidung auf das Verfassungsgericht, indem man eine politische Frage in eine Rechtsfrage umwandelt. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

konkrete parlamentarische Kontrollinstrumente Haushaltsrecht Nutzung des ‚innerparlamentarischen Pressionspotentials‘ Einforderung von Verantwortung durch ‚Gang an die Öffentlichkeit‘ rechtliche Kontrolle Wichtig: Die Rechte 3 und 4 müssen als Minderheitenrechte (‚Oppositionsrechte‘) ausgestaltet sein! TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Haushaltsrecht Ältestes parlamentarisches Kontrollmittel, aus dem alle Macht moderner Parlamente entstand. Funktionsweise: Regierung braucht für ihre Politik Geld. An dieses Geld kommt sie nicht ohne Zustimmung Parlaments in Gestalt von ... Gesetzen über Steuern und Abgaben (‚Steuergesetze‘) jährlichen oder für mehrere Jahre geltenden Haushaltsgesetzen. Alles für ihre Arbeit nötige Geld muß die Regierung darum vom Parlament in Gestalt eines detaillierten Haushaltsplans erbitten, in dem sich somit ihre Politik ‚in Zahlen ausdrückt‘. Folglich besitzt das Parlament einen starken Hebel, um die Regierung verantwortlich zu halten und zu kontrollieren. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

innerparlamentarisches Pressions-potential: Voraussetzungen Institutioneller Mechanismus mit folgenden Komponenten: Regel: Es braucht in den Gremien des Parlaments (Arbeitsgruppe und Fraktion, Ausschuß und Plenum) für alle Wahlen und Abstimmungen eine Mehrheit. Position: Jeder Abgeordnete hat ein freies Mandat, das heißt: Seine Stimme kann ihm nicht abgezwungen werden – erst recht nicht bei geheimen Wahlen oder Abstimmungen! Interessen: Individuelle Abgeordnete wollen zumindest die Achtung ihrer Kollegen, in der Regel die Wiederwahl und oft innerfraktionellen Aufstieg. Gruppen von Abgeordneten (etwa: Fraktionen) wollen in der Konkurrenz mit anderen Gruppen lieber gewinnen als verlieren. Parteien – und Abgeordnete als Parteiführer – wollen die nächste Wahl lieber gewinnen als verlieren. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Das ‚freie Mandat‘ ... ermöglicht es dem Abgeordneten, gegenüber Bürgern, Parteien, Verbänden und auch Kollegen jederzeit ‚nein‘ zu sagen zwingt andere dazu, um seine Stimme zu werben gibt ihm dadurch persönliches Gewicht – insbesondere dann, wenn es bei knapper Mehrheit gerade auf seine Stimme ankommt stellt den Abgeordneten nicht von den Folgen seiner eigenverantwortlich unternommenen Handlungen frei wirkt sich in der Regel so aus, daß der Abgeordnete in seinem rechtlich gesicherten Freiraum genau das tut, was er – als Mitglied oder regionaler Führer seiner Partei – ohnehin tun will, erschließt ihm aber jederzeit Konfliktpotential. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Mehrheitsanforderungen und Pressionspotential einfache Mehrheit der Abstimmenden (=Normalfall) privilegiert gut organisierte Gruppen erzeugt Mannschaftsgeist absolute Mehrheit der Abstimmungsberechtigten sehr wichtig im parl. Reg.System: ‚Kanzlermehrheit‘! zwingt eine behauptete Mehrheit zum ‚Offenbarungseid‘ Zwei-Drittel-Mehrheit der Abstimmungsberechtigten (Drei-Viertel Mehrheit, Vier-Fünftel-Mehrheit ...) privilegiert in wachsendem Maße Minderheiten und gibt ihnen leicht nutzbare Veto-Macht Einstimmigkeit (in abgeschwächter Form: ‚geschlossenes Abstimmungsverhalten‘ einer Fraktion oder Koalition) führt bis zur Herrschaft von Minderheiten über die Mehrheit TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Der ‚Gang an die Öffentlichkeit‘ Nirgendwo wird der Kern von ‚Verantwortlichkeit‘ deutlicher: Man braucht auf unangenehme Fragen ‚gute Antworten‘ – oder man verliert an Ansehen und Macht. Formen: ‚Kleine Anfragen‘, sonstige mündliche und schriftliche Fragen an die Regierung Herbeiführung öffentlichkeitswirksamer Plenardebatten (Große Anfragen, Aktuelle Stunden) (skandalisierende Einsetzung von) Untersuchungsausschüssen Öffentlichkeitsarbeit von Abgeordneten, Fraktionen und Parteien: Pressekonferenzen, Presseerklärungen, Auftritte in den Massenmedien medial aufsehenerregende (symbolische) Aktionen TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Verantwortlichkeit ist die Grundlage von politischer Kontrolle besteht aus folgenden Wirkungszusammenhängen: A muß B auf seine Fragen antworten; er ist ihm ‚verantwortlich‘. B ist völlig frei, mit A‘s Antworten und damit, was er dabei hört, zufrieden zu sein – oder mit den Antworten bzw. mit dem unzufrieden zu sein, was er von A hört . B kann als Reaktion auf A‘s Antworten Dinge tun, die A wünscht oder fürchtet. Also wird A solche Reaktionen antizipieren und – wenn er schon B‘s Fragen nicht ausweichen kann – solche Dinge möglichst unterlassen, über die zu berichten sich für A nachteilig auswirken kann (‚Antizipationsschleife‘, ‚Vorauswirkung der Kontrolle‘) Grundsatz: ‚Verantwortlichkeit darf nicht versickern!‘ TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

rechtliche Kontrolle Leitgedanke: Das Handeln der Regierung ist nicht einfach nur – nach eigener Ansicht – in der Sache falsch, sondern widerspricht auch den zu beachtenden Rechtsvorschriften. Stätten der Kontrolle: Verwaltungsgerichte, Verfassungsgericht Formen: altertümlich: Ministeranklage (‚impeachment‘) heute üblich: ‚abstrakte Normenkontrolle‘ (‚Stimmt ein von der Regierungsmehrheit durchgesetztes Gesetz mit der Verfassung überein?‘) Nutzung: für Opposition nicht selten: Fortsetzung des verlorenen parlamentarischen Kampfes in einer anderen Arena für Regierungsmehrheit mitunter: Abwälzung der Verantwortung für eine (unpopuläre) Entscheidung auf das Verfassungsgericht, indem man eine politische Frage in eine Rechtsfrage umwandelt. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Die Gesetzgebung Die faktische Gesetzesinitiative liegt meist bei der Regierung, vor allem im parlamentarischen (!) Regierungssystem. Das Recht zur Gesetzesinitiative liegt stets auch, im präsidentiellen (!) Regierungssystem bisweilen sogar ausschließlich, beim Parlament. Gesetzgebung vollzieht sich in mehreren Phasen, unter denen die ‚parlamentarische Phase‘ keineswegs die einzige wichtige ist! TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Warum liegt die faktische Gesetzes-initiative meist bei der Regierung? Der Regierung obliegt stets die Gesamtleitung aller staatlichen Tätigkeiten, keineswegs nur die ‚Ausführung‘ der von einer anderen Institution beschlossenen Gesetze. Regierung  Exekutive! Im parlamentarischen Regierungssystem besteht die Regierung aus den wichtigsten Führern der Parlamentsmehrheit. Darum geht die Gesetzesinitiative nur formal von der Regierung aus, praktisch aber von der parlamentarischen Regierungsmehrheit. Die Regierung arbeitet mit ihrer fachkundigen Ministerialbürokratie das bei der parlamentarischen Regierungsbildung im Koalitionsvertrag festgelegte Gesetzgebungsprogramm ab. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

In welchen Fällen gehen Gesetze auch im parlamentarischen Regierungssystem formal vom Parlament aus? Einzelne Abgeordnete oder Gruppen von Abgeordneten wollen sich profilieren.  seltenes, meist aussichtsloses symbolisches Handeln eine Oppositionsfraktion will sich profilieren. regierungstragende und oppositionelle Fraktionen bringen einen gemeinsamen Gesetzentwurf ein (‚Gruppenantrag‘). Teile von regierungstragenden und oppositionellen Fraktionen bringen gemeinsame, wechselseitig konkurrierende Gruppenanträge ein. Regierungstragende Fraktion bringt nach Absprache mit der Regierung einen Gesetzentwurf ein, um die von der Verfassung verlangten Beratungsfristen zu verkürzen. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Warum legen Oppositionsfraktionen selten Gesetzentwürfe vor? Sie legen sie nur selten vor, weil ... die Opposition ihren Gesetzentwurf ohnehin nicht durchsetzen kann, die Niederlage also absehbar ist; gerade ein Gesetzentwurf, welcher der Regierungsmehrheit sinnvoll erscheinende Regelungen enthält, zunächst einmal in den Ausschüssen solange angehalten wird, bis die Regierungsmehrheit alles ihr gut Erscheinende in einen eigenen Gesetzentwurf übernommen hat, den sie nach einiger Zeit ihrerseits einbringt, und zu welchem sie dann auch noch öffentlichkeitswirksam die Zustimmung der Opposition einfordert (‚Eigentor‘); ein sorgfältig erarbeiteter Gesetzentwurf sehr viel Arbeitskraft bindet. Sie legen mitunter dennoch Gesetzentwürfe vor, um die eigenen Anliegen konkret und positiv zu formulieren. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Wann kommt es zu unumstrittenen Gruppenanträgen? bei stark symbolisch aufgeladenen Gesetzesmaterien, bei welchen der parteipolitisch unumstrittene Charakter der zu treffenden Regelung zum Ausdruck gebracht werden soll; bei gesetzlichen Regelungen, die das Parlament als ganzes betreffen, so daß es ein mißliches Symbol wäre, legte ausgerechnet die Regierung einen solchen Gesetzentwurf vor. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Wann kommt es zu konkurrierenden Gruppenanträgen? Sie kommen vor, wenn ... ein Problem gesetzlich zu regeln ist, dessen Lösungsvorschläge quer zu den von den Parteien / Fraktionen repräsentierten Spannungslinien liegen, es darum nicht möglich ist, in den regierungs-tragenden Fraktionen eine verläßliche Mehrheit zu schaffen, es aber die Chance gibt, quer über die Fraktionen eine Parlamentsmehrheit zu erzielen, sich die gesetzliche Regelung nicht aufschieben läßt. Sie führen stets zu spannenden Debatten und Abstimmungen im Plenarsaal. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Mißverständnisse ‚In solchen Fällen wird der Fraktionszwang aufgehoben!‘ Es gibt gar keinen ‚Fraktionszwang‘! In Wirklichkeit erkennen die Fraktionen nur, daß sich ein Problem nicht anhand der üblichen und bewährten Spielregeln lösen läßt, vor allem nicht anhand der folgenden: ‚Erst Herstellung von Konsens innerhalb der Regierungsmehrheit, dann geschlossenes Auftreten nach außen!‘ Also setzt man akzeptierte Spielregeln für einen konkreten Fall einvernehmlich außer Kraft. ‚Solche Fälle sind Sternstunden des Parlamentarismus!‘ In Wirklichkeit gerät hier die normale parlamentarische Arbeit aus den Fugen und wird äußerst zeitaufwendig. Arbeitete man immer so, ließe sich die Parlamentsarbeit nicht mehr erledigen. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Phasen der Gesetzgebung Vorbereitende politische Willensbildung: öffentliche und informelle Diskussion unter den Interessierten über die Notwendigkeit und den Inhalt eines anzustrebenden Gesetzes Ausarbeitung des Gesetzentwurfs, im parlamentarischen Regierungssystem meist durch die Regierung parlamentarische Beratung und Beschlußfassung, gegebenenfalls unter Einbeziehung einer ‚Zweiten Kammer‘ Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

vorbereitende politische Willensbildung Streitpunkt: Braucht es wirklich ein bestimmtes Gesetz oder eine Gesetzesnovelle – und was soll der Inhalt sein? durchgeführt in Diskussionen in und zwischen Verbänden, Parteien, Gebietskörperschaften, Verwaltungsbehörden, Forschungsinstituten, Medien verdichtet oft in Parteiprogrammen und Wahlplattformen, fixiert nicht selten im Koalitionsvertrag wird im Aushandelungsprozeß zwischen Regierung und regierungstragenden Fraktionen zum konkreten Gesetzgebungsverfahren TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs Fallbeispiel: parlamentarisches Regierungssystem In Abstimmung mit den zuständigen Fachpolitikern der Regierungsmehrheit erteilt der dafür verantwortliche Fachminister in seinem Haus den Auftrag, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten Ausarbeitung auf Referatsebene (‚Referentenentwurf‘), Abstimmung mit anderen Referaten und Abteilungen sowie Einbeziehung von einschlägigen Interessen-gruppen und Experten Auf Staatssekretärs- oder Ministerebene: Abstimmung des Entwurfs mit den anderen zu beteiligenden Ministerien sowie mit den Fachpolitikern der Regierungsmehrheit (in deren Arbeitskreisen) Beschlußfassung im Kabinett über die Einbringung des Gesetzentwurfs im Parlament (‚Verabschiedung‘) TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Parlamentarische Beratung des Gesetzentwurfs Einbringung im Plenum; erste (grundsätzliche) Beratung im Plenum Beratung in den zuständigen Arbeitsgruppen der Fraktionen Beratung in den zuständigen Ausschüssen des Parlaments (meist mindestens zwei ‚Runden‘) abschließende Beratung in den Fraktionsvollversammlungen Zweite Beratung im Plenum auf der Grundlage von Beschlußvorschlägen des federführenden Ausschusses; Möglichkeit von Änderungen einzelner Artikel Dritte Beratung im Plenum auf der Grundlage des in der zweiten Beratung beschlossenen Textes; Endabstimmung über das gesamte Gesetz TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Ausfertigung und Verkündigung Das vom Parlament – nötigenfalls in zwei Kammern – beschlossene Gesetz wird dem Staatsoberhaupt zugeleitet. Staatsoberhaupt prüft in der Regel das ordnungsgemäße Zustandekommen des Gesetzes, bisweilen auch in Grundzügen dessen Verfassungsmäßigkeit. Staatsoberhaupt unterzeichnet das – vom Regierungs-chef, zuständigem Minister oder Parlamentspräsidenten bereits unterschriebene – Gesetz. Gesetz wird veröffentlicht und tritt nach festgelegter Zeit in Kraft. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Allgemeine Merkmale von Gesetzgebungsverfahren Initiativrolle der Regierung formelles Verfahren ist nur Teil eines überaus ausgedehnten informellen Diskussionszusam-menhangs enge Vernetzung von Beratungen in Fraktion und Partei, Plenum und Ausschuß, Ministerien und Kabinett bzw. Koalitionsausschuß Gliederung des formalen Prozesses in klare, Transparenz stiftende Phasen üblicherweise: völlige Nachrangigkeit des Plenums (nicht des Parlaments!) TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

systemspezifische Prägefaktoren von Gesetzgebungsprozessen machtpolitischer Stellenwert des Parlaments: Minimalparlament – Legislative – Gubernative Rollenverständnis des Parlaments: ‚Redeparlament‘ – ‚Arbeitsparlament‘ Einkammer- oder Zweikammersystem; im letzteren Fall: Möglichkeiten von (absolutem bzw. suspensiven) Veto und Vermittlung Umfang des eigenständigen Rechtsetzungsrechts der Regierung Grad von Fraktionsdisziplin und politischer Berechenbarkeit im Parlament Existenz und Ausmaß der Nutzbarkeit einer konkurrierenden Volksgesetzgebung oder von (fakultativen, obligatorischen oder kassativen) Referenden TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Die Repräsentationsfunktion umfaßt seitens von Parlament und Abgeordneten die ... Vernetzungsfunktion Responsivitätsfunktion Darstellungsfunktion (‚Öffentlichkeitsfunktion‘) kommunikative Führungsfunktion TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Vernetzungsfunktion Aufgabe: Die Vertretungskörperschaft muß ein in alle Zweige der Gesellschaft hinein reichendes Kommunikations- und Interaktionsgeflecht aufbauen und pflegen. Zweck: Das ist die Vorbedingung für die Erfüllung der Responsivitäts- und Führungsfunktion. Besondere Rolle von Parlamenten und Parlamentariern: Keine andere Institution kann diese Vernetzungsfunktion ebenso gut erfüllen! TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Erfüllung der Vernetzungsfunktion durch ... Bindeglied- und Netzwerkfunktion der Parteien, deren regionale und nationale Führer meist Mitglieder der Parlamente sind Vernetzung der Ausschüsse und Arbeitsgruppen der Parlamente sich mit Interessengruppen und mit Experten auf ihren Arbeitsgebieten regelmäßige Kontakte der Abgeordneten auf ihren Arbeitsgebieten zu den einschlägigen Institutionen, Organisationen und Experten Vernetzung der Abgeordneten im Rahmen ihrer Wahlkreisarbeit: Kommunen, regionale Wirtschaft, vorpolitischer Raum TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Responsivitätsfunktion Ziel: Anliegen und Sorgen, Wünsche und Meinungen, Informationen und Hinweisen aus allen Kreisen der Bevölkerung aufnehmen für Problemlösungen und Interessenverwirklichung sachdienliche Informationen aus allen Bereichen der Gesellschaft sammeln das alles einbringen in den vom Parlament (mit-) gestalteten politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß Hinweis: Im von starken Parteien getragenen massendemokratischen Staat setzt sich hier auf der Ebene staatlicher Willensbildung und Entscheidungsfindung die Responsivitätsfunktion der Parteien fort. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Darstellungsfunktion Es genügt nicht, Responsivität und die übrigen Parlamentsfunktionen ‚nur‘ erfolgreich zu praktizieren. Vielmehr müssen ... alle vom Parlament und seinen Abgeordneten erbrachten Leistungen den Bürgern immer wieder vor Augen geführt werden die Geltungsansprüche und Ordnungsprinzipien von Parlament und Abgeordneten immer wieder auch symbolisch zum Ausdruck gebracht werden Repräsentationsglaube und Legitimationsglaube immer wieder neu gestiftet werden. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Erfüllung der Darstellungsfunktion durch ... Öffentlichkeitsarbeit von Parlamenten, Fraktionen und einzelnen Abgeordneten Selbstdarstellung des Parlaments in öffentlichen Debatten, vor allem im Plenum durch parlamentarische Rituale durch die Parlamentsgebäude und deren Ausgestaltung durch das Zustandekommen und die Zusammensetzung eines Parlaments  Schaffung der emotionalen Tiefenschicht von Repräsentation durch institutionelle Selbstsymbolisierung TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

kommunikative Führungsfunktion Es reicht nicht, der Bevölkerung einfach darzustellen, was man als Abgeordneter oder Fraktion im Parlament tut, etwa bei der Gesetzgebung, der Regierungskontrolle oder dem Zusammenhalten der Regierungsmehrheit. Abgeordnete, Fraktionen und Parlamente müssen vielmehr unablässig auch ... die mitgestaltete oder unterstützte Politik der eigenen (Oppositions-) Fraktion oder Regierung erläutern für die eigene Politik werben. TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Elemente der kommunikativen Führungsfunktion die eigenen Problemwahrnehmungen mitteilen die eigenen Präferenzen offenlegen den Bürgern als sinnvoll und realistisch erachtete Entscheidungsalternativen vor Augen führen getroffene Entscheidungen plausibel begründen für die – von einem selbst oder von der eigenen Mannschaft – durchgeführte Politik nachhaltig eintreten, vor allem dann, wenn diese Politik auf Widerspruch trifft (noch) keine Wirkung zeitigt unerwartete oder unvorteilhafte Nebenwirkungen nach sich zieht Ergebnisse von eigenem ‚Lernen aus Erfahrung‘ den Bürgern eindringlich vermitteln ‚parteipolitischer Alltag‘ ‚Parteiideologie‘ als Hemmnis TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Parlamentsfunktionen im Überblick I TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Parlamentsfunktionen im Überblick II instrumentell symbolisch manifest bezogen auf ... latent Regierung Repräsentierte Parlament dreidimensionale Verortung des Funktionen- und Aufgabenspektrums eines Parlaments TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Damit sollte klar sein, welche Funktionen Parlamente auf welche Weisen erfüllen wie sich im Parlament eigentlich alle wichtigen politischen Prozesse vernetzen: zwischen dem Parlament und den anderen politischen Institutionen zwischen dem Parlament und allen politisch tätigen Organisationen zwischen dem Parlament und der Bürgerschaft weiter mit: ‚Interessengruppen‘ TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Einführungskurs ‚Politische Systeme‘ Noch Fragen? - Bitte! TU Dresden - Institut für Politikwissenschaft - Prof. Dr. Werner J. Patzelt