Wohlstandsgesellschaft

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Akutes Nierenversagen vermeiden
Advertisements

Hintergrund Ziele Methoden Ergebnisse Schlussfolgerung
Gesundheitstraining - Fit im Beruf und Alltag. Gefahren im Alltag (Di)Stress zu viel Distress zu wenig Ausgleich Bewegungs- Mangel zu viel Sitzen zu wenig.
Adipositas - Therapiemöglichkeiten
„Schach dem Herzinfarkt“
Lösungen Fallbeispiele ICD-Codierung
Diabetes - Zahlen und Fakten
Hintergrund Ziele Methoden Ergebnisse Schlussfolgerung
Erhöhte Blutzuckerwerte (Diabetes mellitus)
ERNÄHRUNGSABHÄNGIGE KRANKHEITEN.
Hauptgruppen der Klassifikation I
Klinisch-chemische Teilgebiete der Labormedizin für Zahnmediziner
Diabetes = Insulinmangel
1.
biologische, physiologische und medizinische Grundlagen
Europäische Leitlinien für die CVD Prävention
Mit Diabetes leben Herausgeber:
LEBEN MIT DER KRANKHEIT DIABETES
Modul Synkope / Herzstolpern: Störungen des Elektrolyt-Haushalts
Homocystein - Gefahr für die Blutgefäße ?
Hausarztpraxis Leimbeck/Klapsch Arzt f.Allgemeinmed./Internist
Volksleiden Diabetes – Wie ernähre ich mich richtig?
Prävention und Anti-Aging: die Medizin des 21. Jahrhunderts Christoph M. Bamberger Medizinisches PräventionsCentrum Hamburg am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Dem Krebs davonlaufen? Ist das möglich?
Habe ich ein Herzinfarktrisiko ?
Diabetes mellitus orale Therapie
Repetitorium 1. Definition ‚Nephrotisches Syndrom‘ ? 2. Ursachen ?
Diabetes Mellitus Diagnose Risikofaktoren Therapie
Von Maria Leisring und Hannah Bornschein
Zuckerkrankheit(-diabetes mellitus)
Übergewicht eine weltweite Epidemie
Journalistenseminar „Welt-Diabetes-Tag 2013“
Auswirkungen der ungesunden Ernährung
Diabetes Mellitus (ZuckerKrankheit)
Dr. Gerd C. Hövelmann (LWL-Klinik Gütersloh), Oliver Dollase (EvKB)
Schwangerschaftsdiabetes
Einführung in die klinische Medizin
Ursache für Diabetes ist ein Insulinmangel
Diabetes.
Diabetesdiät Gibt es das überhaupt noch?
Wie der Schlaganfall die Weltpolitik beeinflußte
Horten-Zentrum für praxisorientierte Forschung und Wissenstransfer Guidelines im klinischen Alltag – Der multimorbide Patient Prof. J. Steurer
Diabetes.
androgenetischen Alopezie
Stoffwechsel der Kohlenhydrate-
bei Patienten nach Myokardinfarkt
ZIVILISATIONSKRANKHEIT
„Lerne zu leben“- von Prävention und Rehabilitation
Wachstumsverhalten von E. coli in Abhängigkeit der
Durch dick und dünn - Neue Entdeckungen zum Fettstoffwechsel
Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
Deutsche Prädiabetes Interventionsstudie (PLIS)
EOSS: Edmonton Obesity Staging System
„6 Richtige“ der Kodierung - Endokrinologie
Mikro- und makrovaskuläre Folgeerkrankungen bei Patienten mit Typ 2 Diabetes in der primärärztlichen Versorgung: Ergebnisse der DETECT Studie Pittrow,
Herbert Kuhl Universitäts-Frauenklinik Frankfurt
Obesity (BMI ≥30 kg/m2) ADIPOSITAS
Fortbildungsseminar - Ablauf
Behandlungs- und Schulungsprogramm
Behandlungs- und Schulungsprogramm für Patienten mit Hypertonie Vorstellung des Behandlungs- und Schulungsprogramms, Diskussion über Therapie und Praxisorganisation.
Orale Antidiabetika Bernhard Föger Innere Medizin, LKH Bregenz 27. Mai DMP VA, Dornbirn Interne Bregenz.
Volkskrankheit Nummer Eins: Bluthochdruck - Hauptrisikofaktor für Herzinfarkte und Schlaganfälle Mehr als ein Drittel der Deutschen leidet unter Bluthochdruck.
Deutsche Gesellschaft zur Bekämpfung der Krankheiten von Magen, Darm und Leber sowie von Störungen des Stoffwechsels und der Ernährung e.V.
ECNP-Task Force Report 2005 : Size and burden of Mental Disorders in the EU Von Risikoscores und Risikostratifizierung zu erhöhtem abdominellen Risiko.
meinen Stoffwechsel kümmern?
UAM: Besteht ein Hyperglykämie Risiko bei nicht diabetischen Patienten unter Therapie mit Thiaziden und deren Analoga? Dimitrios Askitis, Johannes Roth,
Schwangerschaftsdiabetes
Evaluation in Lateinamerika
 Präsentation transkript:

Wohlstandsgesellschaft Typ 2-Diabetes: Die Erkrankung der Wohlstandsgesellschaft www.uni-leipzig.de/~pharm/ Karen Nieber Universität Leipzig Institut für Pharmazie Pharmakologie für Naturwissenschaftler

Diabetes – Inzidenz nimmt rasant zu „Unser Problem ist, dass Diabetes das Ausmass einer Epidemie erreicht hat. Über 20 Millionen Menschen sind in Europa betroffen, weltweit sind es über 150 Millionen. Mit einer Verdopplung bis 2020 wird gerechnet.“ Prof. Philippe Halban, Genf

Trauriger Rekord Immer häufiger erkranken Kinder an Diabetes Typ 2 EU: 14 Millionen Kinder sind übergewichtig 3 Millionen Kinder sind fettleibig D: jährlich erkranken 200 Kinder Trauriger Rekord: Ein fünfjähriger Junge aus Leipzig ist der weltweit jüngste Typ 2 Diabetiker. Er wiegt 40 kg, doppelt so viel wie seine durchschnittlichen Altersgenossen.

Diabetes mellitus Typ 2 Nationales Programm für Versorgungs-Leitlinien bei der Bundesärztekammer Nationale Versorgungs-Leitlinie Diabetes mellitus Typ 2 Kurzfassung 1.Auflage - Mai 2002 Korrigierte Version vom 1.4.2003 Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V.

Klassifikation des Diabetes mellitus (nach Vorschlägen der WHO 1980 und 1985) Typ-1-Diabetes (Insulin-abhängiger Diabetes = IDDM) Typ-2-Diabetes (Nicht-Insulin-abhängiger Diabetes = NIDDM) Typ 2a: normal- oder untergewichtig Typ 2b: übergewichtig - Malnutrition-related diabetes mellitus (MRDM), in den Tropen - gestörte Glukose-Toleranz - Schwangerschafts-Diabetes (Gestations-Diabetes)

Charakteristische Unterschiede zwischen Typ1- und Typ2-Diabetes Beginn -zumeist im Kindes- und -zumeist nach dem 40 Lebens- Jugendalter jahr Körpergewicht -zumeist Ideal- bis Normal- -zumeist Übergewicht (Typ-2b) gewicht selten Unter- oder Normal- gewicht (Typ-2a) Kohlenhydrat- -instabil -stabil stoffwechsel -Neigung zur Ketose -nicht selten Ketoazidose bei -Ketoazidose bei Manifestation Manifestation sehr selten Pathogenese -Autoimmunerkrankung -Insulin-Resistenz -Insulin-Sekretionsstörung -relativ rasches Fortschreiten -relativer Insulin-Mangel zum Insulin-Mangel -assoziiert mit Hypertonie, Dyslipoproteinämie, Adipositas -Makroangiopathie und dia- betesspezifische Kompli- kationen häufig Therapie -immer Insulin -kann insulinpflichtig werden

Insulin-Sekretion und Insulin-Resistenz „Diabetische Inbalance“ beim Typ -2- Diabetes „Prädiabetische Balance“ beim metabolischen Syndrom MI AR ER NI MI NI AR ER AR = angeborene Insulinresistenz ER = erworbene Insulinresistenz NI = Normalsekretion von Insulin MI = Mehrsekretion von Insulin AR = angeborene Insulinresistenz ER = erworbene Insulinresistenz NI = Normalsekretion von Insulin MI = Mehrsekretion von Insulin

Physiologie und Pathophysiologie des endogenen Insulins:Sekretionsstörung (S) und Resistenz (R) Normal- zustand S R 40 80 Metabolisches Syndrom S gestörte Glukosetoleranz R 40 80

Gestörte Glukosetoleranz: WHO – Kriterien: Blutzuckerwerte Kapillarblut venöses Blut Nüchtern > 110mg/dl > 110mg/dl < 126mg/dl < 126mg/dl + 2 Stunden nach >140 bis < 200mg/dl >120 bis < 180mg/dl Glukose-Belastung > 7,8 bis < 11,1 mmol/l > 6,7 bis <10mmo/l

Physiologie und Pathophysiologie des endogenen Insulins: Sekretionsstörung (S) und Resistenz (R) Normal- zustand S R 40 80 Metabolisches Syndrom S gestörte Glukosetoleranz R 40 80 Typ-2-Diabetes R S Diabetische Manifestation 40 80 Lebensalter (Jahre)

Diabetes mellitus WHO – Kriterien: Blutzuckerwerte Kapillarblut venöses Blut Nüchtern > 126mg/dl > 120mg/dl > 7,0mmol/l > 6,7mmol/l + 2 Stunden nach > 200mg/dl > 180mg/dl Glukose-Belastung > 11,1 mmol/l > 10mmo/l

Physiologie und Pathophysiologie des endogenen Insulins: Sekretionsstörung (S) und Resistenz (R) Normal- zustand S R 40 80 Metabolisches Syndrom S gestörte Glukosetoleranz R 40 80 Typ-2-Diabetes R S Diabetische Manifestation 40 80 Lebensalter (Jahre) Typ-2-Diabetes beginnt schleichend und wird oft erst sehr spät erkannt.

Manifestationsfördernde Faktoren des Typ-2-Diabetes - Fettsucht - Ernährung Überernährung Mangel an ballaststoffhaltiger Kost - Alter Diabetes-Morbidität nimmt zu Glukose-Toleranz nimmt ab - Lebensweise Stress Infektionen Operationen Mangel an Bewegung - Alkohol Pankreatitis Fettleibigkeit Leberzirrhose - Medikamente Corticosteroide Thiazid-Präparate Ovulationshemmer Schwangerschaft - Endokrine Erkrankungen

Wie wird Diabetes behandelt ? Ziele einer optimalen Diabetes – Therapie: Normalisierung des Energie- und Zuckerstoffwechsels Minimierung von Spätfolgen der Erkrankung z.B. diabetische Gefäß- und Nervenschäden

Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 Differenzierte Therapieplanung Patient mit Diabetes mellitus Typ 2 Fettstoff- wechsel- störungen Hyperglykämie Arterielle Hypertonie Rauchen Adipositas Individuelle und vereinbarte Therapieziele Nichtmedikamentöse Maßnahmen Nichtmedikamentöse Maßnahmen Nicht ausreichend Nicht ausreichend Pharmakotherapie Pharmakotherapie

Basistherapie - Einflussnahme auf den Lebensstil Schulungsprogramme zur Förderung des Selbstmanagement und der Stoffwechsel-Selbstkontrolle Individuelle Hilfen, Beratung - Ernährungstherapie körperliche Aktivität lebenslange moderate körperliche Aktivität - Raucher - Entwöhnung

Welche Medikamente stehen zur Verfügung? Orale Antidiabetika: Resorptionsverzögerer -hemmen die Aufnahme von Kohlenhydraten im Darm Quellstoffe -biochemische Hemmung von Prozessen der Glukose-Resorption Alpha-Glukosidasehemmer Biguanide – Metformin -senken den Blutzuckerspiegel durch verringerte Glukoseproduktion in der Leber Sulfonylharnstoffe + Glinide -stimulieren die Insulinfreisetzung durch Hemmung von ATP-abhängigen Kalium-Kanälen Glitazone -verringern die Insulinresistenz durch Expression der Glukosetransporter

Orale Antidiabetika - Indikationen Patienten, bei denen nach 12 Wochen trotz Maßnahmen der Basistherapie das individuelle Therapieziel nicht erreicht ist - Grenzen der Anwendung Therapieziel wurde nach 3-monatiger Anwendung nicht erreicht akuter Herzinfarkt, Schlaganfall, schwere Infektion schwere Stoffwechselstörungen Komplikationen - Wirkstoffauswahl Beleg der Wirksamkeit anhand von klinischen Daten individuelle Indikationsstellung individuelle Verträglichkeit Patientenpräferenz - Dosierung die Therapie soll in der niedrigsten, wirksamen Dosierung begonnen werden die Dosis ist stufenweise zu steigern

Komplikationen und Folgeschäden Makro- und Mikrovaskuläres Gesamtrisiko Nierenkomplikationen Augenkomplikationen Neuropathie diabetischer Fuß Depression

Diabetes mellitus und Gefäßsystem Diabetische Mikroangiopathie Hypertonie Makroangiopathie bei Diabetes Retinopathie Koronarsklerose Glomerulossklerose Nephropathie Arteriosklerose der Nierengefäße Pyelonephritis Polyneuropathie Gefäßverän- derungen Haut Muskulatur diabetischer Fuß Sklerose der Beinarterien Conjunctiva Placenta Infektionsneigung Zerebralsklerose

Die diabetische Nephropathie beeinflußbare Risikofaktoren: - Hyperglykämie - Hypertonie - Rauchen - erhöhte Eiweißzufuhr Behandlung der diabetischen Nephropathie: Blutdruck <130 / <80mm Hg bei Mikroalbuminurie: ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptor-Blocker bei diabetischer Nephropathie: ASS niedrig dosiert

Augenkomplikationen beeinflußbare Risikofaktoren: - Hyperglykämie - Hypertonie bis zu 40% aller Typ-2-Diabetiker haben bei Erstdiagnose eine Retinopathie, bei 4-8% mit drohendem Sehverlust alle Typ-2-Diabetiker sollen jährlich einem systematischen Retinopathie-Screening unterzogen werden Fachspezifische ophthalmologische Behandlungen

Diabetische Neuropathie Klassifikationen: Symmetrische Polyneuropathie fokale und multifokale Polyneuropathie Mischformen Symptome : Parästhesien auch in Ruhe Fuß fühlt sich trocken und warm an gestörtes Temperaturempfinden reduziertes Vibrationsempfinden verminderte Schweißsekretion abgeschwächter Achillessehnenreflex Therapie : Optimierung der Stoffwechselführung Thioctsäure i.v. (600 mg tgl.) Capsaicin-Creme Fortsetzung oral (600 mg tgl.) 4 x tgl. Amitryptilin (50-150 mg tgl.) Cabamazepin (3 x 200 mg tgl.) (Mexiletin) (Beginn mit 100 mg tgl.)

Diabetischer Fuß Risikofaktoren: - Polyneuropathie - periphere arterielle Verschlusskrankheit Formeneinteilung nach vorrangiger Ursache: - angiopathische Fußläsion (z.B. kalte Zehen) - neuropathische Fußläsion (warme, trockene Haut, Krallen- und Hammerzehen) - gemischte Formen Allgemeinmaßnahmen zur Prävention: - strukturierte Fußbehandlung - Fußpflegeschulungen - semiorthopädische Schuhe oder entsprechende Einlagen - bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit muss eine Arterien-Rekonstruktion in Erwägung gezogen werden Medikamentöse Behandlung: - systemische Gabe eines Breitband-Spektrum-Antibiotikums - Wundversorgung

St. Vincent – Deklaration Forderungen an die Diabetestherapie 1/3 weniger Erblindung 1/3 weniger Nierenversagen 1/2 weniger Fußamputationen Senkung von Morbidität und Mortalität bedingt durch koronare Herzerkrankung Reduktion von Schwangerschaftskomplikationen auf das Niveau von Nicht-Diabetikerinnen

Diabetes eine alte Krankheit mit neuen Herausforderungen an Mensch – Pharmazie und Technik