Lunchveranstaltung: Bern,

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 Präsentation transkript:

Lunchveranstaltung: Bern, 20.01.2015 Neues zu den substitutionsgestützten Behandlungen bei Opioidabhängigkeit (SGB) •S•S•A•M• Dr. med. Robert Hämmig Psychiatrie & Psychotherapie FMH Präsident Schw. Gesellschaft für Suchtmedizin Leitender Arzt Schwerpunkt Sucht Klinik für Psychiatrie & Psychotherapie Universitäre Psychiatrische Dienste Bern

Warum der komplizierte Titel? Pharmakotherapie plus: Stichwort: bio-psycho-sozial «Plus» (falls angezeigt): Psychosoziale Betreuung Psychiatrische Behandlung Somatische Behandlung Interdisziplinarität Ziel der SGB: Stabilisierung / Verbesserung in allen relevanten Bereichen

Übersicht Focus der Präsentation: bio Rahmenbedingungen Wie kam es dazu? Was gilt? Die Substitutionsmedikamente Kurzcharakterisierung Vor- & Nachteile Einige Resultate einer Studie zu SROM

Disclaimer Expertisen als unabhängiger Experte für Reckitt Benckiser Lundbeck Mundipharma Kein mit pharmazeutischen Firmen verbundenes finanzielles Interesse Lohnbezüger bei Staat Bern

Geschichte «Morphinismus» als Krankheit erscheint in der wissenschaftlichen Literatur ab ca. 1865 Erster Arzt der bei Morphinismus Langzeitverschreibungen vorschlug: Francis E. Anstie, 1871 (UK) Anfang 20. Jhd.: Langzeitverschreibungen an Opiatabhängige in verschiedenen Länder üblich (auch s.c. & i.v.)

Geschichte 1923: Prohibition der Betäubungsmittelverschreibung an Abhängige in den USA -> einzige Behandlung: «narcotic farms» «Narcotic farms»: Mischung aus Gefängnis und Klinik Ab 1948: Gebrauch von Methadon bei Entzügen in Lexington, Kentucky 1964: Wiedereinführung der Substitution basierend auf Methadon durch Dole & Nyswander

Geschichte Dole: erfolglos mit seiner Meinung, dass die bestehenden Reglementierungen in Bezug auf Betäubungsmittel auch für die Substitutionen genügen. NATA als Erweiterung des CSA: -> Substitutionen sind unter der Kontrolle der DEA UK: Weiterführung der Substitutionen unter dem «British system» Kaum öffentliche Beachtung, wenig Publikationen CSA = controlled substance act. NATA = narcotic addict treatment act

Warum Methadon? Methadon: die « moralische» Substanz: Keine angenehmen Effekte, kein «Flash» bei oraler Verabreichung Lange Wirkzeit erleichtert die Kontrolle Blockiert die Effekte anderer Opioide (kompetitive Hemmung am Rezeptor) Leicht zu kontrollieren mit Urintesten «Goldstandard»: Methadon funktioniert gut für viele Patienten, aber nicht für alle

Evidenz vs. Gesetz SGB ist eine etablierte Behandlung! Auf Antrag der Genfer Regierung nach dem Modell der USA 1975 ins BetmG der CH eingeführt: Art. 3e Betäubungsmittel-gestützte Behandlung  Für die Verschreibung, die Abgabe und die Verabreichung von Betäubungsmitteln zur Behandlung von betäubungsmittelabhängigen Personen braucht es eine Bewilligung. Die Bewilligung wird von den Kantonen erteilt.

… und nochmals BetmG: Art. 2b Regelung für psychotrope Stoffe Soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht, gelten die Bestimmungen zu den Betäubungsmitteln auch für die psychotropen Stoffe. Einzige anders lautende Bestimmung in der ärztlichen Praxis: Verschreibung mit normalem Rezept

Big brother may watch you… off-label use von Betäubungsmitteln Art. 11, 1bis Ärzte und Tierärzte, die als Arzneimittel zugelassene Betäubungsmittel für eine andere als die zugelassenen Indikationen abgeben oder verordnen, müssen dies innerhalb von 30 Tagen den zuständigen kantonalen Behörden melden. Sie haben auf Verlangen der zuständigen kantonalen Behörden alle notwendigen Angaben über Art und Zweck der Behandlung zu machen. Zudem: keine Leistungspflicht der KK!

SGB und KLV SGB müssen von der obligatorischen Versicherung übernommen werden Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV), Anhang 1 (Ziff. 8 Psychiatrie)

Spezialitätenliste (SL) Sevre-Long® Ret Kaps Morphini sulfas pentahydricus (2:1) Limitatio: Mittelstarke bis starke prolongierte Schmerzen….. Orale Substitutionsbehandlung bei Opioidabhängigkeit gemäss Anhang 1 zur KLV (SR 832.112.31), vgl. Ziffer 8, Psychiatrie, Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit. Subutex® Subling Tabl (Buprenorphinum) Limitatio: Gemäss Anhang 1 zur KLV (SR 832.112.31), vgl. Ziffer 8, Psychiatrie, Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit. Diaphin® Trockensub i.v. Diamorphini hydrochloridum hydricum Limitatio: Gemäss Anhang 1 zur KLV (SR 832.112.31), vgl. Ziffer 8, Psychiatrie, Substitutionsbehandlung bei Opiatabhängigkeit.

Im Anhang 1 (Ziff. 8) KLV erwähnt Methadon (RS)-6-(Dimethylamino)-4,4-diphenylheptan-3-on Aber: Welches Methadon? Sol. Methadoni hydrochloridum praescriptio magistralis Tabl. Ketalgin® (Tbl. à 5mg, 10mg, 20mg, 40mg) L-Polamidon = (R)-Methadon durch internationale Apotheke beziehbar (Import von Betäubungsmittel sehr kompliziert! Registrierung in der CH bevorstehend) Tabl. Diaphin IR / SR Limitatio

SGB: Dichtes Reglementierungswerk Betäubungsmittel in der Medizin unerlässlich Betäubungsmittel sind stark reglementiert SGB-Reglementierungen setzen noch einen Zacken obendrauf Vorteile? Mit der kantonalen Bewilligung ist die Leistungspflicht der KK geregelt

Wunschziel: rationale Indikation Die zugelassenen Substanzen wirken auf Rezeptorebene unterschiedlich Prozesse auf Opioid-Rezeptorebene (letztlich verantwortlich für Opioid-Toleranz) Desensitisierung ↔ Resensitisierung Endocytose ↔ Recycling Phosphorylierung der Rezeptoren Weitere Einflussfaktoren (βArrestin-2 und andere) Heteromerisierung («Zusammenklumpen» von Rezeptoren) Zusammenspiel mit anderen Rezeptoren Leider im Detail nicht genügend klar → Wahl der Substitutionsmedikation ist eine klinische Entscheidung!!!

SGB mit Methadon Vorteile Grösste Erfahrung Langsamer Wirkungseintritt Lange Wirkdauer (prinzipiell 1x/d Dosierung) Voller Agonist am µ-Rezeptor (-> «substituiert» gut) NMDA-Rezeptor-Antagonist (möglicherweise Wirkung gegen «Sucht») Orale Verabreichung

(R,S)-Methadon Metabolismus Enzyme: Hauptsächlich CYP2B6 & CYP3A4, zudem CYP2C19, CYP2D6, CYP2C8 Stereoselektivität CYP2B6: S > R CYP2D6: S > R CYP2C19: R > S Renale Ausscheidung Unverändertes Methadon: bis 33% EDDP: bis 43% EMDP: 5% – 10%

SGB mit Methadon Nachteile Nur langsames Aufdosieren möglich Hohe interindividuelle Variabilität des Metabolismus (genetischer Polymorphismus) „Störanfälligkeit“ des Metabolismus, Interaktionen (CYP450) Racemat (R-,S-)Methadon: -(R-)Methadon für gewünschte Wirkung verantwortlich, -(S-)-Methadon für unerwünschte Wirkung -> QTc Verlängerung durch Blockierung der hERG K+gated Kanäle (gefährlich bei long QTc Syndrom, additiver Effekt bei vielen anderen Medikamenten -> Torsade de pointes) Störung der Hypophysen-Gonaden-Achse

SGB mit Subutex® Vorteile Teil-Agonist am µ-Rezeptor Antagonist am κ-Rezeptor Schneller Metabolismus Geschlucktes Buprenorphin kaum wirksam (Sicherheit, Kinder!) Lange Wirkzeit durch lange Rezeptorbindung Antagonist am κ-Rezeptor → günstiger Einfluss auf Dysphorie Geringe Atemdepression: hohe Dosen ab Beginn möglich (sog. «ceiling effect») Geringe Beeinflussung von QTc und Hypophysen-Gonaden-Achse

Entero-hepatischer Kreislauf Fäkale Ausscheidung (ca. 80%) Buprenorphin: Metabolismus Renale Ausscheidung (BUP , alle Metaboliten): ca.10% CYP3A4 CYP2C8 Buprenorphin Norbuprenorphin UGT1A1 UGT2B7 UGT1A1 UGT1A3 Entero-hepatischer Kreislauf Buprenorphin-3-Glucuronid Norbuprenorphin-3-Glucuronid Fäkale Ausscheidung (ca. 80%)

SGB mit Subutex® Nachteile Einnahme als Sublingualtablette Teil-Antagonist am µ-Rezeptor Interaktionen mit CYP3A4 Hemmern und Induktoren Störend: unklare weitere Rezeptoreinflüsse Alle Metaboliten lösen Wirkungen an den Opioid- Rezeptoren aus, auch die 3-Glucuronide! Wirkung auf Nociceptin-Rezeptor. Bedeutung? Bioverfügbarkeit nicht berauschend Per oral: 25% Sublingual: 50%-65% Teurer als Methadon

SGB mit Sevre-long® (SROM) Vorteile Voller Agonist am µ-Rezeptor Lange Wirkzeit durch langsame Freisetzung Weitgehend Leber-unabhängiger Metabolismus (renale Ausscheidung) Weniger Nebenwirkungen als Methadon (keine QTc Verlängerung, weniger Schwitzen) SROM = slow release oral morphine

Morphin Metabolismus Renale Ausscheidung (Hauptweg der Elimination, ca. 80%) UGT Weitgehend unabhängig vom CYP450-Enzymsystem der Leber! Intestinale Reabsorption Fäkale Elimination Biliäre Ausscheidung Entero-hepatischer Kreislauf

SGB mit Sevre-long® Nachteile Dosierung schwierig bei Niereninsuffizienz Nur langsames Aufdosieren möglich Bioverfügbarkeit per oral: ca. 50% (Versuchung zu spritzen, um mehr Wirkung zu erzielen) Beeinflussung der Hypophysen-Gonadenachse Histaminreaktion bei Induktion möglich Teurer als Methadon

Urintests: Differenzierung Selbstdeklaration meist zuverlässig! Nachweis im Urin Bedeutung EDDP & Methadon Eingenommenes Methadon Methadon alleine Mit Methadon angereicherter Urin Morphium Einnahme von Opiaten: Codein, Morphium, Heroin 6-Mono-Acetyl-Morphin Einnahme von Heroin (pharmazeutisches Heroin und Strassenheroin) 6-Acetyl-Codein Konsum von Strassenheroin Disaccharide (Sucrose, Lactose) Injektion von Tabletten oder Methadonlösung mit Sirup

Sevre-long® (Substitol®) Studie Phase 1 Phase 2

Resultate Phase 2: Extension (Änderungen von Methadon zu SROM) Reduktion des exzessiven Schwitzens unter SROM bezüglich Frequenz und Heftigkeit (p=.0001) QTc approx. 10msec kleiner unter SROM «Craving» für Heroin verringerte sich während der 25 Wochen der Extensions-Phase unter SROM Dysthymie-Symptome in der SCL-27 verringerten sich unter SROM Satisfaktion mit der Behandlung durch SROM war hoch Hämmig R et al. J Subst Abuse Treat 2014 October;47(4):275-81. Verthein U. et al. Eur Addict Res 2015;21:97–104

am Anfang der Beobachtung: Gruppe A unter SROM, Gruppe B unter Methadon

http://www.sucht-wb.ch/