Wissenschaftstheorie

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 Präsentation transkript:

Wissenschaftstheorie Modelle und Theorien

Wissenschaftstheoretische Modelle lassen sich grob unterteilen in im weiteren Sinne positivistische und eher pragmatische. Positivistische Modelle gehen davon aus, dass es eine positiv gegebene Realität gibt, die durch wissenschaftliche Theorien abgebildet wird. Sie arbeiten also mit abbildungstheoretischen Wahrheitsbegriffen und halten daran fest, dass sich die Wahrheit von wissenschaftlichen Theorien in diesem Sinne empirisch überprüfen lässt.

Erkenntnistheoretisch weisen positivistische Theorien auf den Empirismus zurück. Im Falle des kritischen Rationalismus (Popper) zusätzlich auf den Rationalismus und die Behauptung, aus allgemeinen Theorien Sätze konsistent ableiten zu können, die sich in der einfachsten Form (Basissätzen) auf Realität anwenden lassen.

Pragmatische Ansätze der Wissenschaftstheorie bestreiten, dass wissenschaftliche Theorien durch empirische Verfahren als wahr oder falsch erwiesen werden können. Wissenschaftliche Theorien können zwar ggf. an ihren Rändern (Peripherie) empirisch überprüft werden, insgesamt aber weder verifiziert oder falsifiziert werden, sondern können nur insgesamt als sinnig demonstriert werden. Sie erlauben damit zwar möglicherweise einen Zugang zu einer gegebenen Realität, bilden diese aber nicht einfach ab.

Positivismus (im weiteren Sinne) Carnap, Reichenbach, Popper

Gemeinsamkeiten im Positivismus Alle Positivisten gehen von dem Schema aus, dass einzelne Beobachten zu allgemeinen Sätzen und schließlich zu Theorien verallgemeinert werden. Anschließend werden aus diesen allgemeinen Sätzen und Theorien wiederum Vorhersagen für weitere Ergebnisse geschlossen, an denen die Stimmigkeit der allgemeinen Behauptungen überprüft werden kann.

Als Ideal von Wissenschaftlichkeit und Orientierungspunkt gelten dabei die Naturwissenschaften (Physik). Wissenschaftlichkeit wird dadurch erreicht, dass alle Aussagen, die empirisch nicht überprüft werden können, als sinnlos und damit unwissenschaftlich bezeichnet werden (Reichenbach). Das Verfahren ähnelt dem der Kritik der reinen Vernunft von Kant, durch die alle Begriffe, denen keine Anschauung entspricht, ausgesondert werden und als einer Erkenntnis nicht zugänglich bezeichnet werden.

Positivismus im engeren Sinn (Carnap und Reichenbach) Alle Aussagen, bei denen nicht angegeben werden kann, wie sie empirisch überprüft werden können, sind sinnlos. Aussagen, die zwar empirisch überprüft werden können, aber nicht überprüft sind, sind zwar sinnvoll, aber nicht wahr. Wahre Aussagen und Theorien sind solche, die verifiziert sind, d.h. Aussagen, die vollständig anhand empirischer Überprüfungen als wahr erwiesen sind.

Das Verfahren ist induktiv, d. h Das Verfahren ist induktiv, d.h. aus einzelnen Beobachtungen (Basissätzen) werden allgemeine Aussagen gewonnen, die ggf. anschließend erklärt werden. Eine Theorie gilt als verifiziert, wenn sie mit allen Beobachtungen übereinstimmt.

Kritik am Positivismus (Das Induktionsproblem) Popper kritisiert am Positivismus, dass auf induktivem Wege eine Theorie niemals als wahr erwiesen werden kann, weil dafür alle möglichen Beobachtungen verfügbar sein müssten. Dies ist auf empirischen Wege (anders als in der Mathematik) nicht möglich, weil sich immer Beobachtungen ergeben können, die mit der Theorie nicht übereinstimmen. Es ist deshalb sinnlos, die Wahrheit wissenschaftlicher Theorien durch Verifikation sicherstellen zu wollen.

Kritischer Rationalismus (Popper) Popper schlägt deshalb vor, anstelle der Verifikation die Falsifikation als Kriterium von wissenschaftlicher Wahrheit anzuwenden. Wissenschaftliche Wahrheit wird dann nicht durch Induktion, sondern durch Deduktion erreicht. Aus allgemeinen Theorien wird abgeleitet, welche Beobachtungen im Sinne der Theorie möglich sein müssten.

Ergeben sich Beobachtungen, die mit der Theorie im Widerspruch stehen, muss die Theorie aufgegeben werden, sie ist dann falsifiziert. Ergeben sich keine zu der Theorie im Widerspruch stehenden Beobachtungen, gilt die Theorie als vorläufig bestätigt (solange bis sich widerstreitende Beobachtungen ergeben). In der Konsequenz ist so absolute Wahrheit nicht erreichbar, es gibt immer nur eine vorübergehende Wahrheitsähnlichkeit

Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen (Kuhn) Der Wissenschaftshistoriker Kuhn stellt fest, dass wissenschaftliche Entwicklungen faktisch nicht nach dem Muster der Verifikation oder Falsifikation sich ereignet haben. Tatsächlich führt das Auftreten von Anomalien (Beobachtungen, die der Theorie widersprechen) nicht dazu, dass die Theorie aufgegeben wird, sondern dazu, dass lediglich Umstellungen in der Theorie vorgenommen werden. Im einfachsten Fall werden zusätzlich Randbedingungen angenommen, die erklären können, warum die Theorie in bestimmten Fällen nicht mit der Beobachtung übereinstimmt.

Nach Kuhn entwickeln sich im Verlauf wissenschaftlicher Entwicklungen Paradigmata. Paradigmata (oder Paradigmen) sind Erklärungsmuster, die von einer relevanten Anzahl von Wissenschaftlern weiterer Forschung (normaler Wissenschaft) zugrundegelegt werden (ggf. aus pragmatischen Interessen). Paradigmata müssen allgemeine Zustimmung haben und eine möglichst weitreichende Erklärung anbieten, gleichzeitig aber genügend offene Fragen (Rätsel) aufgeben, die sich mit den Mitteln der Theorie lösen lassen, also normale Wissenschaft ermöglichen.

Normale Wissenschaft beschäftigt sich mit diesen Fragen und Rätseln und löst auf diese Weise Einzelprobleme, bestreitet aber grundsätzlich nicht den Interpretationsrahmen, den das zugrundeliegende Paradigma vorgibt. Nur wenn sich Anomalien häufen und nur dann, wenn ein alternatives Paradigma existiert, kommt es zu einem Paradigmenwechel, d.h. anstelle des alten Paradigmas wird ein neues zum vorherrschenden Erklärungsmodell erhoben und findet jetzt allgemeine Zustimmung. Das alte Paradigma wird jedoch nicht falsifiziert, sondern verschwindet lediglich von der Bildfläche (und wird ggf. später wieder aufgenommen).

Problem bei Popper und Kuhn: Woher kommen die neuen Pardigmen/Theorien, wenn sie nicht durch Induktion gewonnen werden? Popper: Ausgangspunkt für wissenschaftliches Forschen sind immer Probleme Wer definiert, welche Probleme relevant sind (vgl. Habermas)? Kuhn: Wissenschaft liefert häufig gar keine Lösungen für drängende Probleme (z.B. Krankheiten), weil die vom Paradigma gestellten Rätsel dominieren => Neue Paradigmen entstehen durch kühne Ideen (emergent)

Wissen als zusammenhängendes Netz (Quine) Quine geht davon aus, dass Theorien aus einem nichtlinearen Netz sich wechselseitig stützender Aussagen bestehen. Nur in der Peripherie dieser Theorien gibt es Sätze, die unmittelbar mit Basissätzen zu tun haben und so unmittelbar empirisch überprüft werden können. Da kein eindeutiges Ableitungsverhältnis zwischen den Sätzen im Kern der Theorie und den Sätzen in der Peripherie besteht, bewirkt eine Nichtübereinstimmung der Peripheriesätze mit der empirischen Wirklichkeit nicht, dass die Theorie aufgegeben werden muss.

Anomalien bewirken deshalb (anders als bei Popper) nicht, dass Theorien falsifiziert werden, sondern lediglich, dass bestimmte Umstellungen in den Aussagen des Kernbereichs vorgenommen werden und so eine Anpassung stattfindet. Theorien können deshalb insgesamt nicht verifiziert oder falsifiziert werden, weil ein großer Teil der Aussagen gar keiner empirischen Überprüfung zugänglich ist. Statt dessen kann nur die Sinnhaftigkeit der gesamten Theorie (ihrer Schlüssigkeit, Anwendbarkeit…) vorgenommen werden.

Es entsteht dann das Problem der inkommensurablen Theorien. Das sind konkurrierende Theorien, die sich auf denselben Gegenstand beziehen, aber zu unterschiedlichen Aussagen kommen. Die Theorien können aber nicht miteinander verrechnet werden. Sie können auch nicht auf eine gemeinsame Grundlage zurückgeführt werden. Sie können auch nicht an einer gemeinsamen empirischen Basis überprüft werden. => Sie stehen einfach nebeneinander.

Feyerabend Historisch gesehen haben sich Wissenschaften häufig nicht an gemeinsame Regeln gehalten, sondern sich über Regeln hinweggesetzt und widerstreitende Tatsachen ignoriert (so ähnlich auch Kuhn) Es gibt überhaupt keine allgemein verbindlichen Regeln für Wissenschaft. Wissenschaftliche Entwicklungen sind keine Erweiterungen oder Widerlegungen von vorangegangenen Theorien, sie stehen vielmehr nebeneinander.

Wissenschaftliche Theorien sind oft inkommensurabel, sie beschreiben Welten, die mit der Welt anderer Theorien nicht verglichen werden können. Die Wissenschaften produzieren die Tatsachen allererst, an denen sie geprüft werden sollen, also kann die Wahrheit von Theorien nicht durch Tatsachen festgestellt werden. Inkommensurable Theorien kann man nur an ihren eigenen inneren Widersprüchen messen.

Da wissenschaftliche Theorien keinen gemeinsamen Regeln folgen und nicht an gemeinsamen Tatsachen überprüft werden können, kann Wissenschaft nicht sinnvoll von Metaphysik, Mythen, Religionen o.ä. unterschieden werden. Es ist ein Märchen, dass Wissenschaft auf methodisch gesichertem Wissen beruht und sich hierin von Mythen unterscheidet. Eine Gesellschaft sollte möglichst viele, gerade auch nichtwissenschaftliche Ideen verwenden. Die Geschichte zeigt (z.B. bei der traditionellen chinesischen Medizin), dass gerade nichtwissenschaftliche Ideen die Gesellschaft weiterbringen.

Positivismus (Werturteilss-)streit in den Sozialwissenschaften Der Positivismusstreit war eine in den 1960er Jahren vor allem im deutschen Sprachraum (Westdeutschland, Österreich) ausgetragene Auseinandersetzung über Methoden und Werturteile in den Sozialwissenschaften. Auf der einen Seite standen die Vertreter des Kritischen Rationalismus wie Karl Popper und Hans Albert, auf der Gegenseite Vertreter der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule wie Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas. Konsens besteht zwischen beiden Seiten ddarüber, dass grundsätzlich eine wissenschaftliche Theorienbildung notwendigerweise immer Werturteile enthalten muss.

Die speziellere Debatte zwischen Hans Albert und Jürgen Habermas darüber, ob wenigstens auf der Ebene elementarer Beobachtungsdaten („Protokollsätze“) eine wertfreie Darstellung möglich sei. Habermas bestreitet dies mit dem Argument, dass die Fragestellung einer Untersuchung die Ergebnisse schon so weit vorstrukturiert, dass von objektiven Ergebnissen, die von der Untersuchungsmethode unabhängig wären, nicht mehr die Rede sein kann. Sozialwissenschaftliche Forschung ist deshalb fundamental abhängig davon, welche Fragen überhaupt gestellt werden, bzw. von welchen Problemen ausgegangen wird.

Erkenntnis und Interesse (Habermas) Wenn die Fragestellung und die Ergebnisse von Forschung immer von der zugrundegelegten Methode und Fragestellung abhängen, reicht es nicht, Theorien anhand von empirischer Forschung zu überprüfen. Statt dessen muss gefragt werden, ob es überhaupt sinnvoll ist, von diesen Fragestellungen auszugehen. Das kann aber nicht durch empirische Überprüfung geschehen. Es bedarf also eines Verfahrens, mit dem das erkenntnisleitende Interesse jeder Theorie festgestellt werden und auf seine Sinnhaftigkeit überprüft werden kann.

Hierzu bedarf es eine kritischen bzw Hierzu bedarf es eine kritischen bzw. ideologiekritischen Reflexion, die jeden objektivistischen Schein vermeidet. In den Naturwissenschaften besteht der objektivistische Schein darin, dass die Wissenschaftler behaupten, mit Hilfe von Basissätzen objektive Eigenschaften eines Gegenstandes erfassen zu können, ohne irgendeine Subjektivität einfließen zu lassen. Sie behaupten, dass Theorien aus linearen deduktiven Zusammenhängen bestehen, von denen Prognosen abgleitet werden, die man empirisch überprüfen kann.

In Wirklichkeit definieren die Experimente, mit denen die Prognosen überprüft werden, lediglich Verfahren, die erfolgreich sind oder keinen Erfolg haben. Durch die Art des Experiments wird also schon definiert, welche Ergebnisse möglich sind. Dabei bleibt das erkenntnisleitende Interesse, das letztlich die zu erwartenden Ergebnisse vorstrukturiert unthematisch und wird nicht weiter reflektiert. Bei den Naturwissenschaften besteht dieses Interesse im instrumentalen Handeln, d.h. in der technischen Verwertung als Beherrschung der Natur.

In den Geisteswissenschaften ergibt sich (insbesondere im Historismus) derselbe objektivistische Schein. Man tut so, als könne man ein objektives Verständnis von der Geschichte erreichen, indem man versucht, sie aus sich selbst heraus zu verstehen. Tatsächlich stellt man aber immer nur das fest, was der eigenen Herangehensweise und dem eigenen Erkenntnisinteresse entspricht (hermeneutischer Zirkel)

Die Herangehensweise entspricht dabei wiederum dem erkenntnisleitenden Interesse. Das erkenntnisleitende Interesse besteht darin, eine Verbindung von Geschichte und Gegenwart herzustellen mit dem Ziel, einen Konsens im tradierten Selbstverständnis herzustellen, letztlich also darin einen gemeinsamen Horizont für gegenwärtiges Handeln herzustellen. Dieses Interesse bleibt aber normalerweise unthematisch und wird nicht weiter reflektiert. Statt dessen wird behauptet, man könne übergeschichtliche Gesetzmäßigkeiten (Nomologien) entwickeln, die objektiv gültig sind.

In Wirklichkeit will man auf diese Weise häufig nur eigenes Handeln rationalisieren (nachträglich logisch erklären). Wenn man wissenschaftlich weiterkommen will, muss man aber unterscheiden, wo es tatsächlich überzeitliche Gesetzmäßigkeiten gibt und wo diese nur in ideologischem Interesse behauptet werden. Wie man auf der individuellen Ebene Rationalisierungsversuche entlarven muss, um zu den eigentlichen Motiven zu kommen, so muss man auf der gesellschaftlichen Ebene Ideologiekritik betreiben.

Dann lassen sich zwar immer noch Gesetzmäßigkeiten aufweisen, die aber nicht in allen Fällen Anwendungsbezug haben (Geltung und Gültigkeit) Nach Habermas leistet dies die Wissenssoziologie. Die Wissenssoziologie geht davon aus, dass jede Art von Erkenntnis und Wissen durch soziale Kontexte geprägt ist. Bei jeder Forschung lässt sich deshalb fragen, welchen gesellschaftlichen Bedingungen sie entsprechen, welchen gesellschaftlichen Interessen sie dienen und inwiefern sie einen kulturellen Fortschritt bewirkt oder behindert.

Erforderlich ist hierfür jedoch eine neue Philosophie, die nicht mehr auf Ontologie setzt, sondern auf eine Kritik am Objektivismus (bzw. der Annahme, dass es objektiv gegebene Tatsachen ontologisch gibt.) Sie muss die Position aufgeben, dass es eine reine Theorie (die den Gegenstand nicht verändert) gibt.

Mögliche Anwendung des Pragmatismus Wenn ohnehin keine abbildungstheoretische Wahrheit erreichbar ist, könnte man den Pragmatismus einfach akzeptieren und anerkennen, dass jede Forschung zu den Ergebnissen kommt, die ihrem perspektivischen Zugang entspricht. Man akzeptiert dann, dass die Wahrheit von wissenschaftlichen Aussagen nicht darin besteht, dass sie mit Phänomenen übereinstimmt, sondern darin, dass sie diese Phänomene, bzw. die Sicht darauf erst erzeugt. Wahrheit ist dann im Heideggerschen Sinne aletheia, d.h. Unverborgenheit.

Man akzeptiert dann, dass jeder Forschungsansatz nur die Seiten eines Gegenstandes erhellen kann, die in der gewählten Beobachtungsperspektive liegt. Man verzichtet darauf, dass diese Beobachtungsperspektive den gesamten Gegenstand erhellt oder in seinem wirklichen Sein darstellt (Epoché) Wissenschaftlicher Fortschritt besteht nicht darin, die eine abbildungstheoretische richtige Perspektive zu entwickeln, sondern möglichst viele, die möglichst viele Facetten und Aspekte des Gegenstandes erscheinen lassen.

Methodischer Fortschritt besteht dann darin, dass man die eigene Beobachtungsperspektive und die erkenntnisleitenden Interessen möglichst klar benennt. Auf diese Weise lässt sich genau bestimmten, auf welchen Gebieten eine Theorie gute Ergebnisse zeitigt und in welchen nicht. Daraufhin kann zwischen gleichrangigen Theorien je nach Anwendungsbezug gewechselt werden (Unterbrechungsregeln, Polykontexturalität). Anwendungsorientierte Wissenschaft muss dann immer mehrere theoretische Systeme gleichzeitig präsent halten und in ihrem Anwendungsbezug differenzieren (Geltung und Gültigkeit)

Man muss dann konsequent black boxes, Gödelisierungen und Bootstraplogiken vermeiden. Dabei bleibt fraglich, inwiefern eine solche Methode aus den Sozialwissenschaften auf die Naturwissenschaften übertragen werden kann. Denn in den Naturwissenschaften gehen wir davon aus, dass der Gegenstand der Beobachtung bereits gegeben ist und nicht erst durch die Beobachtung erzeugt wird. => Problem der Erkenntnistheorie (Konstruktivismus und Kybernetik) und Metaphysik