Prof. Dr. Stefan Greß Prof. Dr

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Prof. Dr. Stefan Greß Prof. Dr Prof. Dr. Stefan Greß Prof. Dr. Klaus Stegmüller Gesetzliche Personalbemessung in der Altenpflege – Möglichkeiten und Grenzen Vortrag bei der Fachtagung für betriebliche Interessenvertretungen aus der Altenpflege am 29. Juni 2015 in Kassel

Überblick Rahmenbedingungen und Pflegebedarfssituation Rechtliche Rahmenbedingungen im Status Quo Von den Schwierigkeiten der Objektivierbarkeit Anforderungen an ein System der Personalbemessung Herausforderungen der Umsetzung Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Rahmenbedingungen und Pflegebedarf 1/2 Dramatische Veränderungen im Pflegebedarf Absinken der Verweildauern als genereller Trend Zeitpunkt des Einzugs in stationäre Einrichtungen in höhere Lebensjahre verschoben Zunahme der Kurzzeitpflege mit erhöhtem Betreuungsbedarf (häufig direkt aus Akutversorgung) Zunehmende Pflegebedürftigkeit in den letzten Lebensmonaten Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Rahmenbedingungen und Pflegebedarf 2/2 Veränderung der Bewohnerstruktur Massive gesundheitliche Einschränkungen Erhöhter Anteil von Multimorbidität und Demenz Massive Zunahme der medizinischen Behandlungspflege durch kürzere Verweildauern im Akutbereich Folge: Massiv erhöhter Pflegebedarf durch professionelle Pflegepersonen Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Rechtliche Rahmenbedingungen: SGB XI 1/2 Grundsätzlich: Nur wenige unbestimmte Festlegungen zum Personal in der stationären Altenpflege Ständige Vorhaltung einer verantwortlichen Pflegefachkraft (§71 SGB XI) Abschluss von gemeinsamen und einheitlichen Rahmenverträgen (§75 Abs. 3 SGB XI) zwischen Kostenträgern und Einrichtungen („sind zu vereinbaren“) Landesweite Verfahren zur Ermittlung des Pflegebedarfs oder zur Bemessung der Pflegezeiten oder Landesweite Personalrichtwerte Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Rechtliche Rahmenbedingungen: SGB XI 2/2 Berücksichtigung des besonderen Pflegebedarfs Pflegebedürftige mit geistigen Behinderungen Pflegebedürftige mit psychischen Erkrankungen Pflegbedürftige mit demenzbedingen Fähigkeitsstörungen Berücksichtigung von in Deutschland erprobten und bewährten internationalen Erfahrungen Mindestanforderungen für Personalrichtwerte Verhältnis zwischen Zahl der Heimbewohner und der Zahl der Pflege- und Betreuungskräfte unterteilt nach Pflegestufen (Personalanhaltszahlen) Anteil der ausgebildeten Fachkräfte Vereinbarung von Bandbreiten möglich Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Bewertung der rechtlichen Vorgaben SGB XI Positiv: Gesetzliche Vorgabe zum Abschluss von Rahmenverträgen Positiv: Anhaltspunkte für erhöhten Pflegebedarf Aber: Wahl zwischen landesweiten Verfahren zur Personalbemessung und Personalrichtwerten Aber: Bandbreiten bei Personalrichtwerten Aber: Keine bundeseinheitlichen Rahmenverträge Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Rahmenverträge in der Praxis Sämtliche Rahmenverträge sehen Personalrichtwerte ohne ein Verfahren zur Personalbemessung vor Kriterium für Richtwerte: Pflegestufen Höchst unterschiedliche Personalschlüssel Bayern Pflegestufe I – 1:3 Mecklenburg-Vorpommern Pflegestufe I – 1:4,71 bis 1:4,07 Berlin: Höhere Personalausstattung für Bewohner im Wachkoma, demenziell Erkrankte oder langzeitbeatmete Pflegebedürftige Fachkraftquote wird höchst unterschiedlich definiert Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Bewertung Rahmenverträge in der Praxis Landesvertragliche Regelungen führen zu Flickenteppich von Regelungen zu Personalrichtwerten Unterschiedliche Richtwerte haben keine sachliche Rechtfertigung – andere Ursachen Vertragspartner sind dem gesetzlichen Auftrag zur Personalbemessung unzureichend nachgekommen Personalbemessung sollte nicht dem Versorgungsvertrag zwischen Betreiber und Pflegekassen überlassen werden Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Heimpersonalverordnung Mindestanforderung an Personal (Fachkraftquote) Keine Anforderung über die erforderliche Zahl von Pflegekräften – nur über die Zusammensetzung Kein Bezug auf Pflegebedarf in der jeweiligen Einrichtung Für Personalbemessung nur eingeschränkt nutzbar Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Konsequenz aus steigenden Anforderungen und Flickenteppich bei Rahmenverträgen Steigende Belastungen von Pflegekräften Arbeitsspitzen werden zur Dauerbelastung Reduzierung von Freiräumen Gesundheitliche Belastungen Berufsflucht Gefährdung der Versorgungsqualität Unterversorgung und Fehlversorgung Mangelnde Kommunikation und psychosoziale Interaktion Steigende Gefahr von Pflegefehlern Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Zwischenfazit Dringende Notwendigkeit von wirksamen Instrumenten zur Personalbemessung Möglichst objektive Erfassung des Personalbedarfs auf der Grundlage des Pflegebedarfs Bundesweite Vorgaben von Verfahren und Kriterien zur Erfassung des Pflegbedarfs Einrichtungsspezifische Festlegung des Personalbedarfs Voraussetzung: Sanktionierung und Finanzierung Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Von den Schwierigkeiten der Objektivierbarkeit Kennzahlen und Kennziffern sind immer nur eine Annäherung an den objektiv vorhandenen Bedarf Können Ist-Zeiten als notwendiger Zeitumfang gelten? Bedarfsableitung unter Laborbedingungen Bedarf hat immer eine subjektive Komponente Subjektivität von Experteneinschätzung Finanzierungsüberlegungen vs. Bedarfsüberlegungen Subjektive Einflussgrößen und fehlende Objektivierbarkeit keine Rechtfertigung für Nichtstun Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Anforderung an Personalbemessung Fachliches Verständnis auf dem aktuellen Stand Wissenschaftliche Absicherung von Berechnungsverfahren und Bezugsgrößen Praktikabilität als größte Herausforderung Einheitlichkeit vs. Flickenteppich Transparenz und Überprüfbarkeit auf betrieblicher Ebene Flexibilität und Anpassungsfähigkeit Rechtssicherheit und Sanktionierbarkeit Finanzierbarkeit Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Umsetzungshindernis: Recht und Politik Umfassende gesetzliche Änderungen im SGB XI Eng gefasste Vorgaben zur Implementierung Bundeseinheitliche Vorgaben Sanktionierung durch Landesbehörden Widerstand der Politik Zentralisierung von Kompetenzen Widerstand gegen einheitliche Regelungen Widerstand der Träger von Einrichtungen Langwieriger Prozess auf allen politischen Ebenen Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Umsetzungshindernis: Geld Ableitung eines erhöhten Personalbedarfs führt zu erhöhtem Finanzierungsbedarf In der Logik der Pflegeversicherung: Erhöhung der Pflegesätze oder Weiter steigende Eigenleistungen für Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen und Erhöhte Belastungen von Kommunen über die Sozialhilfe Langwierige Prozess auf allen politischen Ebenen Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Umsetzungshindernis: Personal Standardargument gegen Personalbemessungssysteme in der Kranken- und Altenpflege Personalbemessung ist nur ein notwendiger, aber keine hinreichender Baustein, um den Pflegeberuf wieder attraktiver zu machen Bezahlung Qualifikation Ohne substanzielle Verbesserungen bei der Personalausstattung wird sich den Situation massiv verschärfen Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege

Fazit Steigende Anforderungen bei Pflegebedarf und Flickenteppich bei Rahmenverträgen Steigende Belastung der Pflegekräfte und Gefährdung der Versorgungqualität Fehlende Objektivierbarkeit des Pflegebedarfs keine Begründung für Nichthandeln Jedes System der Personalbemessung muss sanktionierbar und finanzierbar sein Personalbemessung ist ein notwendiger, aber kein hinreichender Baustein zur Attraktivitätssteigerung des Pflegeberufs Greß/Stegmüller Personalbemessung in der Altenpflege