Gesundheitsreform 2006 – Reformperspektive Niederlande

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 Präsentation transkript:

Gesundheitsreform 2006 – Reformperspektive Niederlande Zwischen Bürgerversicherung und Kopfpauschale – Wie sieht ein sinnvoller Kompromiss aus? Konferenz der Hans-Böckler-Stiftung in Berlin – 1.9.2006 Gesundheitsreform 2006 – Reformperspektive Niederlande Ergebnisse eines von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Forschungsprojekts Dr. Stefan Greß Maral Manouguian, MSc Prof. Dr. Jürgen Wasem Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Überblick Krankenversicherung Niederlande vor der Reform Zentrale Reformelemente Erste Auswirkungen der Reform Perspektiven für die Gesundheitsreform in Deutschland Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Krankenversicherung vor der Reform Private Zusatzversicherung Soziale Pflichtversicherung (ZFW) Private Vollversicherung (PKV) Pflege- und Langzeitversicherung (AWBZ) Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Soziale Krankenversicherung Versicherungspflicht Für Beschäftigte unterhalb der Einkommensgrenze (33.150 €) und Selbständige (21.000 €) Keine freiwillige Versicherung möglich Einheitliche einkommensabhängige Beiträge (1,7% AN; 6,75% AG) Pauschalbeiträge 15 Prozent der Ausgaben der Krankenkassen Im Durchschnitt 30 Euro pro Monat Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Private Krankenversicherung Keine Kapitaldeckung Öffentlich regulierter Basistarif mit Kontrahierungszwang Leistungskatalog wie in der sozialen Krankenversicherung Gesetzgeber legte Prämie fest (110 bis 140 Euro pro Monat) 15 Prozent aller privat Versicherten im Basistarif Ausgabenanteil deutlich höher Ausgleich des Defizits durch privat Versicherte unter 65 Jahre in Normaltarifen Finanzausgleich von PKV zu GKV Rund 500 Mio.€ pro Jahr Ausgleichskriterium Alter Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Belastungen der privat Versicherten Standardpolicen (WTZ) Ausgleichs-Zahlungen (MOOZ) Gesamt Versicherte unter 20 Jahren 202,20 € 64,80 € 265,00 € Versicherte von 20 Jahren bis 64 Jahren 404,40 € 129,60 € 534,00 € Versicherte ab 65 Jahren - 103,68 € Alle Angaben pro Versicherten mit regulären Policen pro Jahr Quelle: Ministerie van Volksgezondheid Welzijn en Sport 2005 Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Überblick Krankenversicherung Niederlande vor der Reform Zentrale Reformelemente Erste Auswirkungen der Reform Perspektiven für die Gesundheitsreform in Deutschland Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Krankenversicherung Niederlande 2006 Private Zusatzversicherung Pflichtversicherung für Akutversorgung (ZVW) Pflege- und Langzeitversicherung (AWBZ) Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Illustration Finanzströme nach der Reform 2 Mrd. € Staat Versicherte 2 Mrd. € 12 Mrd. € 10 Mrd. € Gesundheits-fonds Kranken-versicherer Arbeitgeber Anbieter 4 Mrd. € Leicht vereinfachte Darstellung (nicht enthalten: Empfänger soziale Sicherungssystems) 1454 Mio NLG Verwaltungskosten 500 Mio NLG Defizit Regierungsbeiträge insbes. Für Prävention und Krankenhäuser Versicherte: nominale Prämien und Selbstbeteiligung Arbeitgeber: AG- und AN-Beiträge Alle Angaben in Mio NLG PKV: Überrepräsentation älterer Menschen Vom Ministerium genehmigtes Markobudget ist exklusiv flat-rate-payments Finanzamt Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Finanzierungsreform Einkommensabhängige Prämien (ca. 50% der Ausgaben) Einheitlich für alle Versicherten Festlegung durch Gesundheitsministerium Berücksichtigung sämtlicher Einkommensarten Beitragsbemessungsgrenze ca. 30.000 Euro pro Jahr 6,5% für abhängig Beschäftigte (Zahlung durch Arbeitgeber) 4,5% für Selbständige (Zahlung durch Finanzamt) Einkommensunabhängige Prämien (ca. 50% der Ausgaben) Einheitlich für alle Versicherten eines Krankenversicherers Festlegung durch Krankenversicherer Höhe durchschnittlich ca. 85 Euro pro Monat Finanzierung der Kinderprämien durch den Staat Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Einkommensarten und Beitragssätze Prozentsatz Einkommen aus unselbständiger Arbeit 6,50% Gesetzliche Rente Unterstützungszahlungen (Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit, Sozialhilfe für unter 65-jährige) Einkommen aus selbständiger Arbeit 4,40% Einkommen aus Kapitalvermögen Sozialhilfe für über 65-jährige Private Rente Quelle: www.belastingdienst.nl/variabel/zorgverzekeringswet Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Gesundheitszuschuss Prämienzuschuss für Geringverdiener Anspruchsberechtigung einkommensabhängig bis etwa 25.000 Euro Jahreseinkommen für Singles bis etwa 40.000 Euro Jahreseinkommen für Partner Festlegung durch Finanzamt Auszahlung an die Versicherten Orientierung an Durchschnittsprämien Rund 60 Prozent der Bevölkerung anspruchsberechtigt (rund 2 Mrd. Euro) Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Gesundheitszuschuss und Pauschale Quelle: CPB Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Überblick Krankenversicherung Niederlande vor der Reform Zentrale Reformelemente Erste Auswirkungen der Reform Fazit: Chancen und Risiken der Reform Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Auswirkungen auf den Staatshaushalt Vor der Reform: Staatszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung: rund 3,8 Mrd. Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung war schon vor der Reform steuerpflichtig Nach der Reform Subvention für niedrige Einkommen: 2,2 Mrd. € Beiträge für Kinder: 1,6 Mrd. € Finanzierungseffekt insgesamt ist neutral Quelle: CPB Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Auswirkungen auf die Arbeitgeber Belastung: Einkommensabhängiger Beitrag für vormals privat Versicherte ist höher als die nicht gesetzlich vorgeschriebenen Kosten für PKV-Prämien Entlastung: Senkung des einkommensabhängigen Beitrags von 6,75% auf 6,5% und Senkung der Unternehmenssteuern Finanzierungseffekt insgesamt ist Neutral Quelle: CPB Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Konsumentenmobilität Quelle: NIVEL Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Gruppenverträge Quelle: NIVEL Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Art der Tarife 7 Prozent aller Versicherten haben wählbaren Selbstbehalt 95 Prozent aller Versicherten haben eine private Zusatzversicherung 42 Prozent aller Versicherten haben Sachleistung 24 Prozent aller Versicherten haben Kostenerstattung 15 Prozent aller Versicherten haben einen Mischtarif aus Sachleistung und Kostenerstattung Quelle: NIVEL Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Überblick Krankenversicherung Niederlande vor der Reform Zentrale Reformelemente Erste Auswirkungen der Reform Perspektiven für die Gesundheitsreform in Deutschland Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Wünschbarkeit des Transfers Einheitliches Versicherungssystem mit einheitlichen Spielregeln Berücksichtigung des größtmöglichen Personenkreises (Versicherungspflicht) und sämtlicher Einkommensarten (Finanzamtslösung) bei einkommensabhängigen Prämien Erhöhte Wahlmöglichkeiten für Versicherte Ständige Optimierung des (morbiditätsorientierten) RSA Mehr Gestaltungsmöglichkeiten für Krankenversicherer Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Machbarkeit des Transfers (1/2) Günstige Voraussetzungen in den Niederlanden Reform ist nicht vom Himmel gefallen Einheitliche Vergütung der Leistungserbringer Neutrale Position der Leistungserbringer Unterstützung durch starke Patientenverbände Umfassende Regulierung der PKV Standardverträge Ausgleichzahlungen an soziale Krankenversicherung Keine Alterungsrückstellungen Klares Zielsystem in der Regierung Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Machbarkeit des Transfers (2/2) Schlechte Voraussetzungen in Deutschland Unterschiedliche Vergütung GKV und PKV Ärzte als mächtige Reformgegner Krankenkassen als Gegner einer „Finanzamtslösung“ Patientenverbände weniger stark als in den Niederlanden Alterungsrückstellungen in der PKV Kein klares Zielsystem in der Regierung Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

5 Thesen für die Diskussion in Deutschland Das derzeitige Konzept des Gesundheitsfonds greift zu kurz, weil keine weiteren Finanzierungsquellen erschlossen werden. Weitere Finanzierungsquelle sind insbesondere Einkommen aus Kapitalvermögen und Ausgleichszahlungen der privat Krankenversicherten. Ausgleichzahlungen der privat Krankenversicherten lassen sich nur rechtfertigen, wenn gleichzeitig das Vergütungsniveau in der gesundheitlichen Versorgung angeglichen wird. Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

5 Thesen für die Diskussion in Deutschland Auch Steuermittel sind eine sinnvolle Finanzierungsquelle für den Gesundheitsfonds – es ist nach den bisherigen Erfahrungen nur sehr zweifelhaft, ob diese Quelle stetig sprudeln wird. Eine vollständige Finanzierung der Kassenausgaben durch einen einheitlichen Beitragssatz – wie offenbar für das Startjahr des Gesundheitsfonds vorgesehen – erstickt den Wettbewerb. Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Lehrstuhl für Medizinmanagement Universität Duisburg-Essen