Soziale, ethnische und demografische Segregation

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 Präsentation transkript:

Soziale, ethnische und demografische Segregation Herausforderung der lokalen Politik und der Stadtgesellschaft in den nordrhein-westfälischen Städten Prof. Dr. Klaus Peter Strohmeier, Ruhr-Universität Bochum Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 18.3.2006

Segregation in den Städten in NRW Bevölkerungsentwicklung und sozialräumliche Differenzierung im nordrhein-westfälischen Städtesystem Segregation in den Städten in NRW 2.1 Strukturmerkmale sozialer, demografischer und ethnischer Segregation 2.2 Fallstudien: Segregation und Lebenschancen 3. Wahrnehmung und Bewertung von Segregation in den Städten 4. Handlungsansätze

Ergebnisse Die großen Städte stehen am Beginn des 21. Jahrhunderts vor einer demographischen, einer ökonomischen, einer sozialen, einer kulturellen und einer internationalen Herausforderung. „Segregation“ ist städtisch, d.h. kleinräumige Disparitäten von Lebenslagen und Lebensformen der Bevölkerung hat es in allen großen Städten immer gegeben. Problematisch heute ist das Zusammentreffen ethnischer, demografischer und sozialer Segregation: wo die meisten Zuwanderer leben, leben die meisten Kinder, und dort ist die Armut am größten. Die absolute Mehrheit der nachwachsenden Generation in den Städten wächst in benachteiligten und benachteiligenden Sozialräumen auf. Politik vor Ort entscheidet über die Zukunftschancen der nachwachsenden Generation und über das Humanvermögen der Gesamtgesellschaft. Ergebnisse vorab Herausforderungen unter Bezugnahme auf Kaufmann, Herausforderungen des Sozialstaats, 1997, keine Bezugnahme auf die lokale Ebene. Lokale Politikansätze in der Armutspolitik sind nur als integrierte Handlungskonzepte gegenstandsadäquat! Mehrdimensionale Bedingungsstruktur, vielfältige Folgen Begriff Humanvermögen! Gesellschaftliche Problematik

Bevölkerungsentwicklung und sozialräumliche Differenzierung im nordrhein-westfälischen Städtesystem

Bevölkerung in NRW 2002 und 2020 (Prognose) Erläutern Geburtenrückgang, Bedingungenund Folgen! Kinderlosigkeit als deutscher Sonderweg, Unterschichtung der Familie in den Städten, nicht Kinder machen arm, sondern die Armen kriegen die Kinder!

Altersaufbau der deutschen und nicht-deutschen Bevölkerung in NRW Wachsende Bedeutung von Zuwanderung für die gesellschaftliche Nachwuchsicherung!

Die Bedeutung von Migration für den Nachwuchs der Stadtgesellschaft Ohne „Ausländer“ gesprochen mit Anführungszeichen wären die großen Städte weitaus stärker geschrumpft als sie es schon sind, Viele Stadtteile wären faktisch kinderlos Familienzone der deutschen Mitelschichten an den Rändern und im Umland

Regionale Disparitäten: Bevölkerungsentwicklung und soziale Lagen in den nordrhein-westfälischen Kreisen und Städten 1997 l

Regionale Disparitäten: Bevölkerungsentwicklung und soziale Lagen in den nordrhein-westfälischen Kreisen und Städten 2002

… und der Kindergesundheit (Säuglingssterblichkeit und Geburtsgewicht unter 2500g)

Segregation in den Städten in NRW

Indikatoren zur Klassifikation von Sozialraumtypen

Ethnische Segregation, Familienstatus und sozialer Rang, Essen und Gelsenkirchen

Veränderung des Ausländeranteils der Essener Bevölkerung in % 1987 2001

Sozialhilfedichten in den Stadtteilen in Essen Sozialhilfedichte (HLU a.v.E.) in % der Bevölkerung, Essen, 2000 Sozialhilfedichte (HLU a.v.E.) der unter 6-Jährigen in % der gleichaltr. Bevölk., Essen, 2000

Anteil der Bevölkerung 60 Jahre und älter in den Essener Stadtteilen in %

Segregationsindizes „deutsch-nichtdeutsch“ in Bielefeld, Essen, Gelsenkirchen, Essen, Köln, Wuppertal und Monheim, 1980 bis 2001

Segregation verschiedener Nationalitäten in Köln 1980 bis 2000

Armutssegregation hat zugenommen! Sozialhilfedichten in Gelsenkirchen 1987, 1995, 2001

Verlaufsmuster der Segregation 1987-2001 Ethnische Segregation ist heute dominanter Faktor (?) unterschiedliche Verläufe der ethnischen Segregation: insgesamt abnehmende Tendenz; deutliche Abnahme bei “frühen”Einwanderern, Tendenziell Zunahme bei türkischstämmigen Einwanderern. Zunahme der demografischen Segregation Zunahme der sozialen Segregation („Armutssegregation“) Zunehmende Korrelation der Segregationsdimensionen im Zeitverlauf “Dort, wo in den Städten die meisten Ausländer leben, leben die meisten Kinder und die meisten armen Leute.”

Stadttypische Sozialraumprofile - Große Städte in NRW unterscheiden sich signifikant in ihren Sozialraumstrukturen - “Zwei Kindheiten” - Stadtteile mit hohen Ausländeranteilen, hohen Jugendquotienten und niedrigem sozialen Rang im Ballungskern - Stadtteile mit niedrigen Ausländeranteilen, hohen Jugendquotienten und hohem sozialen Rang in Randlagen und im ländlichen Raum - “Problemzonen” im Ballungskern überschreiten die Stadtgrenzen Überall gibt es eine Tendenz der Kumulation und Verfestigung sozialer Probleme in segregierten Problemstadtteilen mit hoher Fluktuation

Segregation und Bildungschancen

innerstädtische Disparitäten: Sozialräume im Ruhrgebiet Zentrum für interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung innerstädtische Disparitäten: Sozialräume im Ruhrgebiet niedriger Sozialer Rang wenige Alte viele Kinder viele Migranten hohe Sozialhilfedichte hohe Arbeitslosigkeit 2 hoher Sozialer Rang viele Alte wenige Kinder wenige Migranten niedrige Sozialhilfedichte niedrige Arbeitslosigkeit Sozialraumtyp 1: Wohngebiete der deutschen eher älteren Bev. Eher „reiche“ Gebiete mit hoher Bildungsbeteiligung (hohe Übergangsquote zum Gymnasium – hohe Abiturientenquote). Besser gestellten Berufsgruppen Soziaraumtyp 2: ähnlich Cluster 1, jedoch etwas jünger Bev mit mehr 18-60er arbeitender Bevölkerung. Innenstadtnah gelegen Gebiete Soziaraumtyp 3: Wohngebiete der deutschen Mittelschicht (?). Familiengeprägt. Randlage – kreisangehörigen Gemeinden Sozialraumtyp 4: Gebiete des Ruhrgebiets durchschnitt mit keinen besonderen Auffälligkeiten. Eher niedriger Sozialer Rang. leicht Familiengeprägt. Auch in den Übergangsquoten Ruhrgebietsdurchschnitt. Sozialraum 5: Innestadgebiete mit wenigen Alten wenigen Kindern hoher Ausländeranteil hohe Sozialhilfe und Arbeitslosigkeit. Hohe ÜGQ zur Hauptschule. Hier befinden sich Stadträume mit stark bildungsbenachteiligter Bevölkerung. Sozialraum 6: zumeist ehemalige Zechenstandorte(!) mit famliliare ndt. Bevölkerung und hoher sozialer und bildungsbenachteiligung. (Katernberg/Vogelheim/Do-Nord)   Quelle: ZEFIR eigene Erstellung

Sozialräume im Ruhrgebiet Zentrum für interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung Sozialräume im Ruhrgebiet Konzentrieren auf Grün auf der einen und rot-braun auf der anderen Seite   Quelle: ZEFIR eigene Erstellung

Übergangsquoten in den Sozialräumen Zentrum für interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung Übergangsquoten in den Sozialräumen 2 Sozialraum 6 Sozialraum 5 Sozialraum 4 Sozialraum 3 Sozialraum 2 Sozialraum 1 Übergangsquoten ruhrgebietsweit entsprechen diesem Sozialraummuster. Die Adresse erklärt nicht nur den Gesundheitszustand, sondern entscheidet weitgehend über den Bildungsweg und die Lebenschancen. Oft übersehene Facette der Pisa Ergebnisse!   Quelle: ZEFIR eigene Erstellung

(nach Grundschulen im Stadtteil) Übergangsquoten zu den weiterführenden Schulen in Essen und Gelsenkirchen 03/04 (nach Grundschulen im Stadtteil) Gelsenkirchen und Essen! Das Muster gibt es überall. Quelle: LDS 2004/Stadt Essen/Stadt Gelsenkirchen/ eigene Berechnung und Darstellung

Schulabgänger mit Hochschulreife und ohne Abschluss (unterschieden nach deutsch / nichtdeutsch) Quelle: LDS 2004 / eigene Berechnung

Schulabgänger ohne Abschluss nach Schulformen und Staatsangehörigkeit in Dortmund 2004/2005 Schulabschluss ist Integrationsvoraussetzung, Eintrittskarte für gesellschaftliche Positionen An HS besonders viele Schüler o.A., hier sind besonders viele „Ausländer“ unter den Entlass-Schülern, fast jeder zweite bleibt ohne Abschluss. Die Realschulen und die Gesamtschulen haben weniger Ausländer unter ihren Schulabgängern, die Mißerfolgsquote liegt (besonders bei RS) aber unter dem Erwartungswert. Das sieht auf den ersten Blick nach einem (Integrationserfolg) für diese Schulformen aus

Segregation und politische Partizipation

Migrantenanteile und Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 1999

Gesamtmobilitätsrate und Kommunalwahlbeteiligung

Segregation und Gesundheit

Sozialraumspezifische Befunde in der Schuleingangsuntersuchung 2002, z Sozialraumspezifische Befunde in der Schuleingangsuntersuchung 2002, z.B. Körperkoordination und visuomotorische Störungen

Schulanfänger „ohne Befund“ bei der Schuleingangsuntersuchung 2002, nach Stadtteilen

Gesundheit und soziales Milieu im Stadtteil Das Milieu der neuen städtischen Unterschichten: „Gestaltungspessimisten in demokratiefreien Zonen“ instabile soziale Verhältnisse, Fluktuation und Isolation Wahlbeteiligung und Fluktuation sind die besten Prädiktoren: In den Gebieten, in denen der Gesundheitszustand der Kinder besonders schlecht ist, leben die meisten Ausländer, ist die Armutsquote hoch, ist die Fluktuation hoch, Umsätze über 40, z.T. über 50 Prozent p.a. Der beste Prädiktor des Gesundheitszustands von Kindern ist die Wahlbeteiligung der Generation ihrer Eltern und Großeltern bei der Kommunalwahl. In den Stadtteilen links unten gehen zwei Drittel der Wahlberichtigten nicht zur Wahl, rechts ober, in den bürgerlichen Vierteln im Süden gehen zwei Drittel hin. Nichtwählen macht natürlich nicht krank. Aber: Geringe Wahlbeteiligung ist hier ein Indikator…für soziale Isolation, für soziale Desintegration, für die Instabilität sozialer Mileus in der Stadt und für „Gestaltungspessimismus“ und resignative Apathie der Menschen, Ergebnisse definieren räumliche Schwerpunkte für Prävention, links unten, und Randbedingungen erfolgreicher Prävention, wie Reduzierung der Fluktuation, Schaffung sozialer Stabilität und Unterstützung sozialer Netzwerke, allesamt Merkmale stabiler sozialer Milieus.. Dass diese Stadtteile im politischen Prozeß (eben wegen der geringen Partizipation) oft nur schwach vertreten sind, bedeutet eine zusätzliche Gefährdung. Man wird leichter übersehen, wenn Protest unwahrscheinlich ist. (Bericht einer Schulleiterin im Norden einer Ruhrgebietsstadt, bei der das angekündigte „mobile Präventionsteam“ des städtischen Gesundheitsdienstes sich nicht zeigte)

Wahrnehmung und Bewertung von Segregation in den Städten

Bewertung der Segregationsdynamik durch die kommunalen Experten Demografische Segregation: wird z.T. räumlich verortet, als zunehmend beurteilt, Bewertung als unproblematisch Soziale Segregation: wird räumlich verortet, als zunehmend beurteilt, Bewertung als sehr problematisch Ethnische Segregation: eindeutige Benennung von Quartieren mit hohen Anteilen Nichtdeutscher, zunehmende Tendenz, Bewertung als sehr problematisch Vor allem ethnische Segregation wird wahrgenommen, soziale und demografische Segregation werden oftmals ausgeblendet

Ursache: Wohnungsmarkt Deutliche Unterscheidungen nach Lage auf dem Wohnungsmarkt: These: Entspannte Wohnungsmärkte erleichtern Segregation Zusammenhang von sozialem Wohnungsbau und Segregation: Bauweise, bisherige kommunale Belegungspraxis Aber: keine grundsätzliche Infragestellung des sozialen Wohnungsbaus Einfluss der Ausgleichsabgabe auf Segregationsprozesse - Generelle gesamtstädtische Verstärkung von Segregationstendenzen (9 von 22) - Verstärkung von Segregation nur in benachteiligten Quartieren (8 von 22) - Keine Auswirkung auf Segregationsprozesse (5 von 22)

Schule / Bildung Veränderung der ethnischen und sozialen Zusammensetzung der Schüler - steigender Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund - steigender Anteil von deutschen Kindern aus Problemfamilien Wachsende Probleme für den Lehrbetrieb - Zunahme von Sprachdefiziten nichtdeutscher und deutscher Kinder - Zunahme von lernschwachen Kindern - geringe Unterstützung durch die Eltern - hohe Belastung der Lehrer Folgen - Umgehung der Schulbezirke durch bildungsinteressierte deutsche und nichtdeutsche Eltern - verstärkte Anmeldung der Kinder an Bekenntnisgrundschulen - Zunehmende soziale Entmischung der Schülerschaft - geringere Bildungsqualität an Schulen in benachteiligten Quartieren

Bewertung von Segregation durch die kommunalen Experten ist ambivalent

Strategien und Handlungsansätze

Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten von Land und Kommunen durch: - öffentliche Finanzkrise - demografischen Wandel - Rückgang der Belegungsbindungen Folge: Abnahme öffentlicher Steuerungsmöglichkeiten

Stadtentwicklungspolitik Klassisches planungsrechtliches Instrumentarium des besonderen Städtebaurechts findet nur noch selten Anwendung Im Vordergrund stehen ressortübergreifende integrierte Handlungsansätze: Bund-Länder-Programm „Die soziale Stadt“ Landesprogramm „Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf“ kaum Einbindung in gesamtstädtische Entwicklungsstrategien. bauliche Aufwertung und soziale Stabilisierung führen zu positivem Imagewandel Landesprogramm wird durchweg positiv bewertet. Hervorgehoben werden neben zusätzlichen Fördermitteln auch beispielgebende integrierte Steuerungsstrukturen

Wohnungspolitik Von Kommunen werden wenige Steuerungsmöglichkeiten im Wohnungsbestand gesehen (Ausnahme Bielefeld) Vermeidung/ Abbau von sozialräumlicher Konzentration sozialer Problemlagen durch: - differenzierte Förderpolitik - Möglichkeiten einer segregationsvermeidenden Belegungspolitik

Schul- und Bildungspolitik Kein Gesamtkonzept zum Umgang mit den Folgen der Segregation in benachteiligten Schulen bei Land und Kommunen erkennbar - bislang existieren nur Einzelmaßnahmen: - nur begrenzt höheres Lehrerkontingent für besondere schulische Maßnahmen an Problemschulen - Ausweitung der Ganztagsangebote (zuletzt auf Hauptschulen insg.) - Ausweitung von Sprachförderangeboten - Aufhebung der Schulbezirksgrenzen wirkt potentiell problemverschärfend Wenig Gestaltungsmöglichkeiten aus Sicht der kommunalen Experten um den Folgen der Segregation an problematischen Schulen zu begegnen

Gesamtstädtische Strategien und Konzepte Segregationsbezogene gesamtstädtische Konzepte nur in wenigen Kommunen feststellbar Formal beschlossene Konzepte existieren nur in schrumpfenden Städten (Essen, Gelsenkirchen, Wuppertal) Allerdings: Finanzierung notwendiger Projekte und Maßnahmen ist in den Kommunen nicht gesichert Selektive Akteurskonstellationen

„Better-Practice“ in den Niederlanden? Stadtentwicklungspolitik und Wohnungspolitik - Große Städte Politik: gesamtstädtische und langfristige Strategien, Fördermittelbündelung, Zielvereinbarungen zwischen Reich und Kommunen - Herstructurering: präventives Stadtumbauprogramm mit dem Ziel ein differenziertes Wohnungsangebot zu schaffen - Konzept der Wohnmilieudifferenzierung: gebietsbezogene, zielgruppenorientierte Wohnungspolitik (Neubau)

Handlungsempfehlungen

Stadtentwicklungspolitik - Intensivierung und Ausweitung integrierter stadtteilbezogener Handlungsansätze - Bessere Kompatibilität und Verstetigung von Förderprogrammen - Quartiersmanagement als Regelfall in sozial schwierigen Stadtteilen, Kooperation mit Wohnungswirtschaft - Monitoring- bzw. kleinräumige Beobachtungs- und Analyseinstrumente stärken - Gesamtstädtische Strategien als Fördervoraussetzung - Leitbild der “gesunden sozialen Mischung” ist zu hinterfragen - Ethnische Segregation ist auch als Chance zu begreifen - Maßnahmen gegen “Stadtflucht” intensivieren

Wohnungspolitik - Flexibilisierung des Förderinstrumentariums/ Bestandsförderung - Förderung von nicht-investiven Maßnahmen zur Stabilisierung von Wohnquartieren/ Stärkeres Engagement der Wohnungsunternehmen für sozial stabilisierende Maßnahmen - Stärkung der Subjektförderung (Wohngeld) - Räumlich-differenzierte Aussetzung der Ausgleichsabgabe und Kommunalisierung der Einnahmen/ Flexibler Umgang mit Belegungsrechten - Verbesserung der Kooperation zwischen Wohnungswirtschaft und Kommunen - Wohnungspolitik ist kommunale Aufgabe

Schul- und Bildungspolitik Ausweitung der Ganztagsangebote Bekenntnisschulen fördern Segregation Stärkere Berücksichtigung von sozialen Indikatoren bei der Lehrerausstattung und Sachmittelzuweisung (positive Diskriminierung) Flexibilisierung der Schulbezirksgrenzen (nicht Abschaffung!) Die Verpflichtung zur Kooperation bei der Schüleraufnahme/ Kommunale Konzepte zur ausgewogenen sozialen Schülerverteilung Öffnung von Schule als Stadtteilzentren stärkere Kooperation u.a. mit Jugendhilfe Sponsoring: „Bildungspartnerschaften”

Politik- und Verwaltungsumbau - stärkere gesellschaftliche und politische Integration und Partizipation von Migranten - Stärkung der kommunalen Finanzkraft - Dezentralisierung von Entscheidungs- und Umsetzungskompetenzen auf die Kommunen - Förderung integrierter Verwaltungsstrukturen - Regionaler Lastenausgleich und stärkere regionale Kooperation

Schader-Stiftung: „Zuwanderer in der Stadt“ Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik (1) Integrationsfördernde Maßnahmen setzen im Wohnquartier an. Stadtteilschulen für alle Altersgruppen mit spezifischen Bildungsangeboten, incl. Sprachförderung, einrichten! Berufliche Orientierung fördern, z.B. durch Beteiligungsangebote mit Qualifizierungskomponente (u.a. Mieterbeteiligung bei der Modernisierung)! Aufwertung des Quartiers durch Förderung der lokalen Migrantenökonomie! Gelegenheiten für informelle Arbeit schaffen! Selbständige fördern!

Schader-Stiftung: „Zuwanderer in der Stadt“ Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik (2) Lokale Teilhabe- und Mitwirkungsmöglichkeiten verbessern (politische Gemeinde, Ortsgemeinde, Wohnungsunternehmen) und Konflikte lösbar machen! Migrantenorganisationen unterstützen (z.B. durch Räume und Mittel)! „Sicherheitslage“ (z.B. baulich) und Sicherheitsempfinden verbessern! Funktionsmischung und soziale Mischung fördern! Gentrifizierung vermeiden! Öffentliche Räume beleben! Zuständigkeiten schaffen! Zugewanderte einstellen (Stadt, Behörden, Wohnungswirtschaft)!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Klaus Peter Strohmeier peter.strohmeier@ruhr-uni-bochum.de www.sozialberichterstattung.de Ruhr-Universität Bochum, Zentrum für interdisziplinäre Ruhrgebietsforschung (ZEFIR) Clemensstr. 17-19 44789 Bochum Tel.: 0234/ 32 – 2 46 75