III. Themen der Sozialpsychologie (1): Einstellungen

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III. Themen der Sozialpsychologie (1): Einstellungen Einstellungsforschung: Themen und Trends 2. Einstellungsstruktur und -messung 3. Determinanten der Einstellungen: Persuasion und Verhalten 4. Konsequenzen von Einstellungen: Informationsverarbeitung und Verhalten

1. Einstellungsforschung: Themen und Trends Definition: "Eine Einstellung ist eine zusammenfassende Bewertung eines Gegenstandes." Was ist ein Einstellungsgegenstand? prinzipiell alles, was eine Person wahrnimmt oder im Sinn hat, z.B. Personen, Gruppen, Dinge, Sachverhalte, man selbst; konkret oder abstrakt

außerdem: Einstellungsstruktur und –messung Einstellungsforschung vielleicht größtes Teilgebiet der Sozialpsychologie. Forschungsschwerpunkte: Determinanten und Auswirkungen von Einstellungen (Schema nach Eagly, 1992, JPSP): außerdem: Einstellungsstruktur und –messung Fokus auf... Einstellung als... unabhängige Variable: abhängige Variable: Informations- verarbeitung: Einstellungsabhängige Selektivität Persuasion Verhalten: Einstellungs-Verhaltens-Modelle Verhalten als Einstellungsdeterminante

2. Einstellungsstruktur und -messung (a) Struktur 2 Aspekte: Innere Struktur einer Einstellung Kognitive Verknüpfung von Einstellungen zu verschiedenen Gegenständen (z.B. Heiders Triaden) Innere Struktur: Repräsentation des Einstellungs-gegenstandes und seiner Bewertung + unterstützende Wissensstruktur (Pratkanis, 1989) Dreikomponentenmodell (z.B. Breckler, 1984) Polarität: unipolar oder bipolar? Einstellungsstärke (Petty & Krosnick, 1995)

Dreikomponentenmodell Quelle: Bohner (2001); © Blackwell Publishers

Polarität: bipolare Einstellungsstruktur Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis

Polarität: unipolare Einstellungsstruktur Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis

Einstellungsstärke Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis

Struktur der Beziehung zwischen verschiedenen Einstellungen Hierarchischer Aspekt: Einstellung gegenüber einer neuen Frage resultiert aus zentraleren und allgemeineren Wertvorstellungen Heiders Balancetheorie: man strebt Konsistenz zwischen verschiedenen Einstellungen an

(b) Messung Direkte Verfahren oder Selbstberichtskalen Likert-Skalen: Erfassung von "beliefs" (z.T. auch affektive Reaktionen) Semantisches Differential: Bewertung anhand von Adjektivpaaren Ein-Item-Skalen Vorteile direkter Verfahren ökonomisch inhaltsvalide Nachteile direkter Verfahren motivationale Verzerrungen Vp nicht immer in der Lage, ihre Einstellung zu berichten

Items einer Likert-Skala zur Erfassung sexistischer Einstellungen (Neosexism Scale; Tougas, Brown, Beaton, & Joly, 1995) Discrimination against women in the labor force is no longer a problem in Canada. totally disagree 1 2 3 4 5 6 7 totally agree I consider the present employment system to be unfair to women.*   It is difficult to work for a female boss. In order not to appear sexist, many men are inclined to overcompensate women. In a fair employment system, men and women would be considered equal.*

Semantisches Differential zur Erfassung   Semantisches Differential zur Erfassung der Einstellung gegenüber Deutschen Deutsche unsauber :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: sauber (-3) (-2) (-1) ( 0) (+1) (+2) (+3) freundlich :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: unfreundlich schlecht :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: gut schön :_____:_____:_____:_____:_____:_____:_____: hässlich

Ein-Item-Skala Wie ist Ihre Einstellung zu Pizza? sehr negativ 1 2 3 4 5 6 7 sehr positiv

(b) Messung Direkte Verfahren oder Selbstberichtskalen Likert-Skalen: Erfassung von "beliefs" (z.T. auch affektive Reaktionen) Semantisches Differential: Bewertung anhand von Adjektivpaaren Ein-Item-Skalen Vorteile direkter Verfahren ökonomisch inhaltsvalide Nachteile direkter Verfahren motivationale Verzerrungen Vp nicht immer in der Lage, ihre Einstellung zu berichten

Vorteile indirekter Verfahren Indirekte Verfahren Priming und Reaktionslatenz (z.B. Fazio et al., 1986) Implicit Association Test (IAT; Greenwald et al., 1998) Vorteile indirekter Verfahren relativ sicher gegen willentliche Verfälschung geeignet zur Erfassung impliziter Einstellungen Nachteile indirekter Verfahren hoher apparativer Aufwand Probleme der Validität: Was genau wird gemessen? (Kritik v.a. am IAT und verwandten Verfahren)

Priming-Verfahren zur Einstellungsmessung time axis wonderful racial prime (315 ms) interval (135 ms) target adjective (until response key is pressed) interval to next trial (2500 ms) 1 “good” “bad” response keys Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis

Implicit Association Test (http://www.yale.edu/implicit/) Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis

Thomas Alfred Monika Barbara Peter Birgit Roland Heike Julia Robert weiblich männlich  Thomas Alfred Monika Barbara Peter Birgit Roland Heike Julia Robert

Buchhaltung Küche Labor Familie Firma Garten Hausarbeit Büro Manager Zuhause Arbeitswelt  Buchhaltung Küche Labor Familie Firma Garten Hausarbeit Büro Manager Kinder

Zuhause oder weiblich Arbeitswelt oder männlich Thomas Familie Buchhaltung Monika Firma Alfred Peter Büro Labor Birgit Küche Barbara Garten Roland Heike

Peter Birgit Barbara Roland Heike Julia Robert Alfred Monika Thomas männlich weiblich  Peter Birgit Barbara Roland Heike Julia Robert Alfred Monika Thomas

Zuhause oder männlich Arbeitswelt oder weiblich Thomas Familie Buchhaltung Monika Firma Alfred Peter Büro Labor Birgit Küche Barbara Garten Roland Heike

3. Determinanten von E.: Persuasion Persuasion = Einstellungsänderung als Folge von Informations-verarbeitung, meist in Reaktion auf eine Botschaft Theorien thematisieren jeweils bestimmte Einflussprozesse: Prozesse, die geringen Aufwand erfordern: Konditionierung (abgeleitet aus allg. Lerntheorien) Stimmungen als Informationsquelle heuristische Verarbeitung (Menschenbild des "kognitiven Geizhalses") Prozesse, die hohen Aufwand erfordern: Lernen der Inhalte einer Botschaft ("message-learning approach") aktives Denken (z.B. "bloßes Nachdenken") kognitive Reaktionen ("cognitive response approach")

Grundannahmen in ELM-Terminologie: Aktuell: Theorien, die Prozesse mit niedrigem Aufwand und solche mit hohem Aufwand integrieren (Zweiprozessmodelle): Elaboration Likelihood Model (Richard Petty) Heuristic-Systematic Model (Shelly Chaiken) Grundannahmen in ELM-Terminologie: Kontinuum der der "Elaborationswahrscheinlichkeit" (EL) mit zwei idealtypischen Prozessen: periphere und zentrale Route Determinanten der EL: Motivation und Kapazität Bei peripherer Verarbeitung bestimmen einfache Hinweisreize die Einstellung; bei zentraler Verarbeitung die Qualität der präsentierten Argumente Zentrale Verarbeitung ist über kognitive Reaktionen vermittelt (vgl. "cognitive response approach") Schlüsselstudie zum ELM: Petty, Cacioppo & Goldman (1981)

Petty et al. (1981): Hypothesen Hoher Sachverstand des Kommunikators führt zu größerer Einstellungsänderung als geringer Sachverstand (periphere Route). Überzeugende Argumente führen zu mehr Einstellungsänderung als schwache Argumente (zentrale Route). Der Effekt des Sachverstands ist ausgeprägter bei geringer Involviertheit; der Effekt der Argument-qualität ist ausgeprägter bei hoher Involviertheit (Motivation als Determinante der Elaborations-wahrscheinlichkeit).

Petty et al. (1981): Design Vpn hören eine Botschaft, die für zusätzliche Prüfungen an ihrer Uni plädiert. Später wird ihre Einstellung zur Einführung der Prüfungen erfasst (zentrale aV). Variation von drei Faktoren (uVn): Sachverstand der Quelle: hoch vs. niedrig ("Carnegie Mellon Commission on Higher Education" vs. "a local high school class") Qualität der Argumente: stark vs. schwach (z.B. statistische Evidenz vs. "Hörensagen") Involviertheit: hoch vs. niedrig (Einführung "nächstes Jahr" vs. "in 10 Jahren")

Petty et al. (1981): Ergebnisse Quelle: Bohner & Wänke (2002); © Psychology Press / Taylor & Francis

Chaikens Heuristisch-Systematisches Modell (HSM) Viele Übereinstimmungen mit ELM: Zwei idealtypische Prozesse Kontinuum des Verarbeitungsaufwandes Verarbeitungsaufwand bestimmt von Motivation und Kapazität Wichtige Unterschiede: Heuristische Verarbeitung spezieller als periphere Route Explizite Unterscheidung qualitativ unterschiedlicher Motive (Streben nach Korrektheit; Verteidigung individueller Werte; Eindrucksmanagement) Annahmen zum Zusammenspiel der beiden Prozesse (z.B. Chaiken & Maheswaran, 1994).

Verhalten als Bestimmungsfaktor von Einstellungen Reaktanz: erzwungene Verhaltensänderung bewirkt Einstellungsänderung in die entgegengesetzte Richtung Effekt der übermäßigen Rechtfertigung: hohe Belohnung für Verhalten kann intrinsische Motivation untergraben (Selbstwahrnehmungstheorie von Bem) Nicht hinreichende Rechtfertigung (Dissonanz): einstellungsdiskrepantes Verhalten ändert Einstellung in die Richtung des Verhaltens

4. Konsequenzen von Einstellungen: Informationsverarbeitung Selektive Aufmerksamkeit: man wählt bevorzugt Informationen, die mit den eigenen Einstellungen kongruent sind Urteilsbildung: bei erzwungener Informationsaufnahme werden dissonante Informationen verzerrt (z.B. Quelle gilt als unglaubwürdig) Gedächtnis: kongruente Informationen werden besser erinnert, v.a. bei wichtigen Themen (Ausnahme: Gegenargumente können generiert werden, wenn man inkongruente Info erinnert)

Einfluss von E. auf Verhalten Wann stimmen Einstellungen und Verhalten überein? Korrespondenzprinzip: E. und V. werden im gleichen Spezifikationsgrad gemessen Aggregationsprinzip: globale E. sagen aggregierte Verhaltensmaße vorher Theoretische Korrespondenz: wenn das, was bei der Einstellungsmessung salient ist, auch bei der Verhaltensmessung salient ist (Beispiel: E. zu Getränk abhängig vom Image oder Geschmack) Bei starken Einstellungen

Erwartung * Wert - Modelle Theorie des überlegten Handelns (Fishbein & Ajzen): Einstellungen und Normen sagen die Verhaltenstendenz vorher, diese bestimmt das Verhalten Theorie des geplanten Verhaltens: Zusätzlich sagt die Verhaltenskontrolle die Verhaltenstendenz sowie das Verhalten selbst vorher (diese Erweiterung ist wichtig bei schwierig auszuführendem Verhalten) Erweiterungen der Theorie: Früheres Verhalten bestimmt späteres Verhalten Gewohnheiten bestimmen Verhalten