Vorstellung der Studienergebnisse „Grenzüberschreitende Berufsbildung und Beschäftigung junger Menschen am Oberrhein“ « Formation professionnelle transfrontalière et emploi des jeunes dans le Rhin supérieur » Qualitativ-vergleichende Studie (QCA) unter Berufseinsteigern Online-Befragung Elsässer Arbeitssuchender Umfrage unter Unternehmen des Kammerbezirks Südbaden Grenzüberschreitende Arbeitsmarktkonferenz „Europäische Grenzen überwinden und gestalten“ 21. und 22. April 2015 in Eupen Georg Walter, Direktor des Euro-Instituts, Kehl/Strasbourg Mit Unterstützung der IHK Südlicher Oberrhein
Ziel der Untersuchung Untersuchung hemmender Faktoren Welche Faktoren (Kombinationen) Welche Wahrnehmung dieser Faktoren Durch welche (sozio-professionelle) Gruppen?
„Wahrnehmung“ Was heißt “Wahrnehmung” von Faktoren? “objektive” versus “subjektive” Hindernisse “Expertenmeinung” “Berufseinsteiger” Zwei Anekdoten
1. Qualitativ-vergleichende Studie Induktive und deduktive Erfassung “hemmender Faktoren” Identifikation von 69 jungen Berufseinsteigern mit heterogenem Hintergrund Acht Gruppengespräche über “hemmende Faktoren” QCA-Auswertung Gruppierung in vier Idealtypen und je unterschiedlichen Kombinationen der Faktoren
Expertenmeinung: “hemmende Faktoren” Hindernis Kulturelle 1. Unkenntnis - Fehlende Deutschkenntnisse bei Berufstätigen und ihren Familien - Keine oder wenig Kenntnisse über BW (Arbeitsmarkt, Wirtschaft, kulturelles Leben, Feste & Feiern) -Falsche Vorstellung über zwischenstaatliche Abkommen zu Steuern, Sozialversicherung - Negative Deutschlandbilder (Geschichte, Schule, Medien, Familie) Strukturelle 2. Attraktivität - Wenig attraktive Grenzzone(30km) bes. für Bewerber mit internationaler. Berufserfahrung -Wenig multinationale Gruppen mit int. Karriereperspektiven, Aufstiegsmöglichkeiten schwer einzuschätzen -Branchenspezifische Unterschiede im Gehalt 3. Sprache - Hindernis für Jobsuche -Regionalsprache Elsässisch verschwindet bei Jugendlichen - Junge High Potentials aufs Englische fixiert (und glauben das genügt) 5. Mobilität /Transport - Kostenfaktor für Bewerber – längere Anfahrtswege; weniger Öffentlicher Nahverkehr Administrativ/Legislativ 5. Grenzgänger-status - 30-km-Band entlang der Grenze entspricht nicht der wirtschaftlichen und sozialen Realität Institutionelle 4. Verwaltungs-kooperation - Zeitliche Studien in alle Richtungen - Aber fehlende Bewertung und Verallgemeinerung von Pilotprojekten, Studien - Fehlende deutsch-französische Steuerung, fehlender gemeinsamer politischer Wille 7. Unterstützung und Begleitung - Von Azubis, Studierenden, Berufseinsteigern
Gruppierung in Idealtypen (angestrebte) berufliche Qualifikation / sozioprofessionelles Niveau Sprachliche Fähigkeiten NIEDRIG HOCH Klassisches Grenzgängermilieu Zahl abnehmend ID-TYP 1 „High potentials“, häufig international orientiert, hohes interkulturelles Kapital Konkurrenzsituation ID-TYP 4 Geringe Schulbildung, höchstens passive Deutschkenntnisse bei hohem Einsatz aktivierbar ID-TYP 2 Gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte mit Deutschkenntnissen, häufig noch zu aktivieren Interessante Gruppe, neuen Programmen zugänglich Paßförmigkeit ID-TYP 3
Idealtypen und Wahrnehmung hemmender Faktoren (angestrebte) berufliche Qualifikation / sozioprofessionelles Niveau Sprachliche Fähigkeiten (Deutsch) NIEDRIG HOCH „Klassische Grenzgänger“ Abnehmend: schwindendes Sprachniveau, höhere Ansprüche Kontakt D über Familie, Freunde, Kollegen Verwaltungsfragen: problemlos, wenn Unternehmen sich kümmert. Anerkennung Diplom und Kompetenzen: Wahrnehmung, dass Anerkennung in D schwierig ist „High Potentials“ Sprechen mehrere Fremdsprachen, höchstes Bildungsniveau; Anspruchsvoll; Konkurrenz (CH) Mehrwert für die Region, v.a. bei deutsch-französischen Biographien. Attraktivität des Arbeitsmarktes für diese Absolventen; Angebote der Unternehmen? Je geringer der Bildungsgrad, umso wichtiger Deutschkenntnisse. Deutschlandbezug vorhanden (Freizeit und Konsum); reicht aber nicht für grenzüberschreitendes Engagement. Dazu weiterhin nötig: Kenntnis des Arbeitsmarkts, des Ausbildungssystems. Gruppe sieht Chancen in der Region, benötigt aber konkreten Ansprechpartner in Frankreich oder im dt. Unternehmen. Grundsätzlich aktivierbar für dt. Ausbildung im dt. Unternehmen „Neue Grenzgänger“? Höheres Bildungsniveau (Bac +3, Licence Pro, duales Studium), niedriges bis mittleres Sprachniveau. Potentielles Interesse an D: Generation Erasmus, Zwei moderne Fremdsprachen, aktivierbar, aber nicht operationell. Offen und zugänglich für Beratungsangebote, fähig zu eigener Recherche Anspruchsvoll und mobil, relativ einfache Anerkennung der Qualifikation, wenn Unternehmen dazu bereit sind.
Zusammenfassung: Sprache: Je geringer der Bildungsgrad, umso wichtiger Deutschkenntnisse: Sprachkenntnisse alleine also keine ausreichende Erklärung für grenzüberschreitendes Engagement oder nicht Spezifische Kenntnisse: Deutschlandbezug vorhanden (Freizeit und Konsum), reicht aber nicht für grenzüberschreitendes Engagement. Fehlende spezifische Kenntnisse des Arbeitsmarkts sowie des Ausbildungssystems Ansprüche: Schon bei mittlerer Qualifikation hohe Ansprüche, da der Eindruck vorherrscht, dass der “Mehraufwand” des Grenzübertritts sich lohnen muss Unterstützung / Informationen: Gerade für das mittlere bis gut ausgebildete Segment sind qualitativ gute, schnelle und verlässliche Informationen sehr wichtig. Je geringer der Bildungsgrad, desto spezifischer und persönlicher muss die Betreuung sein.
2. Online-Befragung Elsässer Arbeitssuchender Der Link zur Umfrage wurde per SMS durch die Direction Régionale de Pôle Emploi Alsace verschickt. Er ging zwischen dem 5. und 7. November 2013 an mehr als 13 800 Arbeitssuchende im Elsass, die (nach eigenen Angaben) befriedigend, gut, oder sehr gut deutsch sprechen. 1.753 Antworten, damit liegt die Quote bei über 12% Das Konsortium dankt herzlich der Direction Régionale de Pôle Emploi Alsace für ihre Unterstützung, ohne die die Umfrage nicht möglich gewesen wäre Eupen, 21. 04. 2015 Euro-Institut; dfi; Strasbourg Conseil
Haltung der Teilnehmer zur grenzüberschreitenden Mobilität Für Sie persönlich ist arbeiten in Baden-Württemberg… Eher mit abgeschlossener Ausbildung bis 4jähriges Studium Eher gering oder gar nicht qualifiziert
Wie gut kennen Sie Baden-Württemberg in den folgenden Dimensionen ? Fehlende Kenntnis des Ausbildungssystems und des Arbeitsmarkts in Baden-Württemberg Wie gut kennen Sie Baden-Württemberg in den folgenden Dimensionen ?
« …das ist mein Ziel » (22% d. Antworten) Welche Branche wünschen Sie? 21% - Aktuell schlechte Arbeitsmarktsituation(älter als 50 Jahre, sehr spezifische Kompetenzen, organisatorische Einschränkungen) 7% - Zu Beginn der Suche oder noch nicht damit begonnen 3% - Warten auf Rückmeldungen nach Einreichung von Bewerbungen 3% - Erhalt einer Arbeit in Frankreich oder einem anderen Land (Schweiz etc.) / noch keine Arbeit gefunden Warum konnten Sie Ihr Ziel noch nicht erreichen?
3. Umfrage unter badischen Unternehmern Rücklauf 84 Unternehmen, Schwerpunkt Mittelstand (100-250 Mitarbeiter), Metallindustrie, Maschinenbau, produzierendes Gewerbe Internetbasierter Fragebogen Das Konsortium dankt herzlich der IHK Südlicher Oberrhein für ihre Unterstützung, ohne die die Umfrage nicht möglich gewesen wäre
Bedarf & Bereitschaft 68% suchen derzeit Mitarbeiter, 74% finden es heute schwerer, qualifiziertes Personal zu rekrutieren, als früher. 93% glauben, dass sie in Zukunft aktiver in Personalgewinnung investieren müssen 65,5% haben langjährige Erfahrung mit Mitarbeitern aus dem Elsass; 32% fehlt diese Erfahrung; nur 3,6% haben “seit kurzem” Erfahrungen mit elsässischen Mitarbeitern aus Sicht von 71% wäre es wünschenswert, mehr elsässische Bewerbungen zu erhalten 81% wären bereit, elsässische Jugendliche in die Ausbildung aufzunehmen
Schwierigkeiten & Hindernisse Offensichtlich kaum Erfahrung und formalisiertes Wissen über Ausbildungsgänge und -standards: Ich habe in der Regel Schwierigkeiten, die berufliche Qualifikation eines französischen Bewerbers richtig einzuschätzen Mein konkreter Bedarf ist in der Regel spezifischer, als das Profil der Bewerber Die Bewerber sind in der Regel zu jung und zu unerfahren Die Beschäftigung eines Mitarbeiters aus dem Elsass verursacht einen hohen administrativen Zusatzaufwand
Strategien / Hilfen Beurteilung der deutsch-französischen Rahmenvereinbarung von St. Louis Sprachkenntnisse der Mitarbeiter durch Fortbildung stärken Auf der elsässischen und der badischen Seite in der schulischen und beruflichen Bildung eine durchgängige Mehrsprachigkeit (D/EN/FR) sicherstellen Vermehrte grenzüberschreitende Ausbildungsgänge / -verhältnisse mit Doppelabschluss realisieren Aufnahmekultur der badischen Unternehmen verbessern
Konkurrenz Am Beispiel von Ärzten ist bekannt, dass diese von Straßburg nach London oder Kanada oder in Drittländer wie die Schweiz auswandern wollen. Deutschland ist für diese spezifische Berufsgruppe nicht mehr interessant, auch nicht vom Gehaltsniveau. Mit Englisch als Kommunikationsmittel wandern Franzosen de facto eher nach Kanada aus, auch wenn oftmals gegenteilig dargestellt.
Flexibilität der Unternehmen? Ich bin bereit, meine spezifischen fachlichen Anforderungen ggf. anzupassen, um einen Mitarbeiter aus dem Elsass rekrutieren zu können.
Flexibilität…? 82% sind bereit, im Unternehmen einen elsässischen Jugendlichen in die Ausbildung aufzunehmen, wenn… Deutschkenntnisse und in Deutschland beglaubigte Zeugnisse bzw. Zeugnisse in Englisch, da keine Französischkenntnisse Gute deutsche Sprachkenntnisse Deutsch in Wort und Schrift Sprachliche Fähigkeiten auf relativ hohem Stand Nur bei guten Sprachkenntnissen in Deutsch Deutschkenntnisse müssen sehr gut sein Sprache muss funktionieren Er / sie sollte so gut Deutsch können, dass er / sie hier in die Berufsschule gehen kann Angleichung der schulischen Ausbildung in Frankreich an deutsche Unterrichtsinhalte und sehr gute Deutsch-Kenntnisse und finanzielle Unterstützung der Eltern, da keine Personalunterkunft und pendeln nicht möglich Wenn sie fließend Deutsch in Wort und Schrift können
Zusammenfassung Wachsender Bedarf an Arbeitskräften Bei Bewerbern und Unternehmern grundsätzlich positive Grundhaltung gegenüber grenzüberschreitender Mobilität Auf beiden Seiten: Fehlendes spezifisches Wissen über Arbeitsmarkt, Ausbildungsgänge und deren “Wert” im anderen Land Fehlende Grenzgänger-Kompetenz: Schwierigkeiten beim Umgang mit kognitiven Dissonanzen / funktionalen Äquivalenzen
Zusammenfassung Prinzipiell positive Haltung der Unternehmen gegenüber grenzüberschreitender Realität / Initiativen. Wenig konkrete Erfahrungen mit französischer Realität und noch geringere Bereitschaft, diese zu akzeptieren. Kaum Flexibilität, was eigene Anforderungen betrifft.
Gruppierung in Idealtypen (angestrebte) berufliche Qualifikation / sozioprofessionelles Niveau Sprachliche Fähigkeiten NIEDRIG HOCH Klassisches Grenzgängermilieu Zahl abnehmend ID-TYP 1 „High potentials“, häufig international orientiert, hohes interkulturelles Kapital Konkurrenzsituation ID-TYP 4 Geringe Schulbildung, höchstens passive Deutschkenntnisse bei hohem Einsatz aktivierbar ID-TYP 2 Gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte mit Deutschkenntnissen, häufig noch zu aktivieren Interessante Gruppe, neuen Programmen zugänglich Paßförmigkeit ID-TYP 3
Merci beaucoup pour votre attention – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Contact : Georg Walter Tel: +49 (0) 7851 7407 27 Fax: +49 (0) 7851 7407 33 walter@euroinstitut.org Euro-Institut Rehfusplatz 11 Postfach 1945 D-77679 Kehl www.euroinstitut.org Dr. Stefan Seidendorf Tel: +49 (0)7141-9303-11 Fax: +49 (0)7141-9303-50 seidendorf@dfi.de Deutsch-Französisches Institut Asperger Str. 34 D-71634 Ludwigsburg www.dfi.de