Arbeitnehmerüberlassung – gesetzliche und tarifliche Neuregelungen – aktuelle Rechtsprechung Sankelmark – 8. November 2012
Aktuelle Recht-sprechung Gesetzes-änderungen Aktuelle Recht-sprechung Tarifverträge
Übersicht Arbeitnehmerüberlassung Gesetzliche Neuregelungen Aktuelle Rechtsprechung Tarifliche Neuregelungen
I. Übersicht Arbeitnehmerüberlassung
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz letzte Neuregelungen zum 01.12.2011 (01.05.2012), davor weitgehende Änderungen zum 01.01.2004 vorher: Verhinderung der Zurückdrängung von unbefristeter Vollzeitbeschäftigung dann: Arbeitnehmerüberlassung als Möglichkeit zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit jetzt: erneute Zurückdrängungstendenz und Verhinderung von Missbrauch
Wesentliche Neuerungen des AÜG 2004: grundsätzliche Behandlung der Leiharbeitnehmer wie Stammbelegschaft des Entleiherbetriebs keine Begrenzung der Leihe auf 24 Monate mehr keine speziellen Befristungsregelungen mehr es gilt das TzBfG teilweise Erlaubnis der Leiharbeit in der Baubranche
tatsächliche Überlassung Verleiher Verleihvertrag BR Entleiher Arbeitsvertrag tatsächliche Überlassung Leiharbeitnehmer
II. Gesetzliche Neuregelungen
Wesentliche Neuerungen: Ausweitung der Erlaubnispflicht Regelung der „vorübergehenden“ Überlassung Konzernprivileg und Gelegenheitsüberlassung Einführung der „Drehtürklausel“ Erweiterte Rechte im Entleiherbetrieb
1. Ausweitung der Erlaubnispflicht § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG keine Bedeutung der Gewerbsmäßigkeit mehr Verleih im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit reicht aus fehlende Gewinnerzielungsabsicht oder nicht auf Dauer angelegter Verleih bedeutungslos
1. Ausweitung der Erlaubnispflicht „wirtschaftliche Tätigkeit“ unabhängig von erwerbswirtschaftlichen Zwecken Teilnahme am Wirtschaftsverkehr reicht aus keine Gewinnerzielung mit AÜ erforderlich
1. Ausweitung der Erlaubnispflicht Praktische Konsequenzen Verleiher müssen häufiger eine Erlaubnis einholen konzerninterne PSG benötigen jetzt auch bei Überlassung zum Selbstkostenpreis eine Erlaubnis
2. Regelung der „vorübergehenden“ Überlassung § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG Wiedereinführung einer Zeitschranke? Zeiträume völlig unklar Rechtsfolgen völlig unklar
2. Regelung der „vorübergehenden“ Überlassung Praktische Konsequenzen Zustimmungsverweigerung durch BR, wenn Dauerleihe bei Einstellung erkennbar oder bei Verlängerung des Einsatzes Rechtsprechung uneinheitlich Dauerleihekonzepte könnten hinfällig sein
Kein Zustimmungsverweigerungsgrund des Betriebsrats bei Dauerleihe („keine Verbotsnorm“) ArbG Leipzig Beschl. v. 23.03.2012 – 3 BV 84/11 (Beschwerde eingelegt) Betriebsrat
(Doch) Zustimmungsverweigerungsgrund des Betriebsrats bei Dauerleihe („Gesetzesverstoß“) ArbG Cottbus Beschl. v. 25.04.2012 – 2 BV 8/12 Betriebsrat
Zustimmungsverweigerungsgrund des Betriebsrats bei unbefristetem Einsatz auf einem Dauerarbeitsplatz („Gesetzesverstoß“) Nur-noch-Einstellung von Leiharbeitnehmern zur Personalkostensenkung kann institutioneller Rechtsmissbrauch sein LAG Nieders. Beschl. v. 19.09.2012 – 17 TaBV 124/11 (Rechtsbeschwerde eingelegt) Betriebsrat
Kein Einstellungsanspruch bei Dauerleihe nach „altem“ AÜG LAG Berlin-Brand. Urt. v. 16.10.2012 – 7 Sa 1182/12 (Revision zugelassen)
3. Konzernprivileg und Gelegenheitsüberlassung § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG zwischen Konzernunternehmen nach § 18 AktG wenn AN nicht zur Überlassung eingestellt und beschäftigt
3. Konzernprivileg und Gelegenheitsüberlassung § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG zwischen beliebigen Arbeitgebern wenn nur „gelegentlich“ und wenn AN nicht zur Überlassung eingestellt und beschäftigt
3. Konzernprivileg und Gelegenheitsüberlassung Probleme: Wie oft ist „gelegentlich“? im Raume stehende Europarechtswidrigkeit
3. Konzernprivileg und Gelegenheitsüberlassung Praktische Konsequenzen wenn europarechtswidrig besser Verzicht auf Anwendung ansonsten konzerninterne „Versendungen“ und Aushilfetatbestände möglich
4. Einführung der „Drehtürklausel“ § 9 Nr. 2, 4. Halbsatz AÜG keine Tarifabweichung vom Equal-Pay, falls Leih-AN bis 6 Monate zuvor bei Entleiher beschäftigt
Abweichen vom Equal-Pay-Grundsatz Stamm-mitarbeiter bei abweichender tariflicher Vereinbarung (§ 9 Nr. 2 AÜG) Leiharbeit-nehmer identische Tätigkeiten
4. Einführung der „Drehtürklausel“ Praktische Konsequenzen keine Kostenersparnis bei Auslagerung auf Leiharbeitsunternehmen (PSG) mehr realistisch
5. Rechte im Entleiherbetrieb § 13 a AÜG – Information über freie Arbeitsplätze durch Entleiher für seinen Betrieb möglich durch allgemeine Bekanntgabe an geeigneter Stelle keine Vorrangregelungen für Einstellung kein Einstellungsanspruch bußgeldbewehrt
5. Rechte im Entleiherbetrieb § 13 b AÜG – Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen und -diensten gleiche Bedingungen wie Stammbelegschaft unterschiedliche Behandlung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt Beispiele: Kinderbetreuung, Kantine, Beförderungsmittel
5. Rechte im Entleiherbetrieb Praktische Konsequenzen Einrichtung eines „Informationssystems“ über freie Stellen u.U. erhöhte Kosten für Gleichbehandlung bei Gemeinschaftseinrichtungen
III. Aktuelle Rechtsprechung
Austauschkündigung bei Umwandlung in Leiharbeitnehmerstellen BAG Urt. v. 26.09.1996 - 2 AZR 200/96
Besetzung eines Arbeitsplatzes mit einem Leiharbeitnehmer als Sachgrund BAG Urt. v. 17.1.2007 - 7 AZR 20/06
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bei Einsatz von Leiharbeitnehmern BAG Urt. v. 15.12.2011 - 2 AZR 42/10
Betriebsbedingte Kündigung eines Leiharbeitnehmers nach Auftragswegfall BAG Urt. v. 18.05.2006 - 2 AZR 412/05
Tarifunfähigkeit der CGZP BAG Beschl. v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10
Nichtgeltung von Ausschlussfristen des Entleiherbetriebs BAG Urt. v. 23.03.2011 – 5 AZR 7/10
Erkenntnisse aus „CGZP“-Verfahren: Aussetzung (immer noch?) nur bei schlüssiger Klage hohe Darlegungslast für den Kläger für Darlegung zur Eingruppierung der Tätigkeiten reicht i.d.R. Bestätigung des Entleiherbetriebs aus
Innerbetriebliche Stellungausschreibung (Dauerbesetzung) BAG Beschl. v. 01.02.2011 – 1 ABR 79/09 Betriebsrat
Innerbetriebliche Stellungausschreibung (kurzfristige Besetzen) LAG Schleswig-H. Beschl. v. 29.02.2012 – 6 TaBV 43/11 (Rechtsbeschwerde eingelegt) Betriebsrat
Konsultationsverfahren nach § 81 SGB IX BAG Beschl. v. 23.06.2010 – 1 ABR 3/09 Betriebsrat
Auskunft über Person des Leiharbeitnehmers BAG Beschl. v. 09.03.2011 – 7 ABR 137/09 Betriebsrat
Übernahme von JAV-Mitglieder bei Leiharbeit BAG Beschl. v. 17.02.2010 – 7 ABR 89/08 Betriebsrat
Aufnahme von Leiharbeitnehmern in Stellenpools BAG Beschl. v. 23.01.2008 - 1 ABR 74/06 Betriebsrat
IV. Tarifliche Neuregelungen
Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche Allgemeinverbindlichkeitserklärung des TV Mindestarbeitsbedingungen in der Zeitarbeit 01.01.2012 – 31.10.2012: West: 7,89 EUR Ost: 7,01 EUR ab 01.11.2012: West: 8,19 EUR Ost: 7,50 EUR
TV Branchen-zuschläge TVe Metall und Elektro/ Chemie Tarifabschlüsse 2012 betreffend Zeitarbeit TV Branchen-zuschläge TVe Metall und Elektro/ Chemie
Wer ist vom TV Branchenzuschläge betroffen? direkt: alle Zeitarbeitsunternehmen, die die Geltung des DGB/iGZ-Tarifwerks mit ihren Arbeitnehmern vereinbart haben indirekt: alle branchenzugehörigen Kundenbetriebe über durchgereichte einsatzbranchenbezogene Tariflohnerhöhungen
Vereinbarung über Tarifgeltung € Verleiher Überlassungsentgelt Vereinbarung über Tarifgeltung € Entleiher Leiharbeitnehmer
Wie funktionieren Branchenzuschläge? Wird der Leiharbeitnehmer in einem branchenzugehörigen Entleiherbetrieb eingesetzt, muss das Zeitarbeitsunternehmen nach einer gewissen Einsatzdauer dort einen Zuschlag auf den Grundlohn zahlen die Kosten für das Zeitarbeitsunternehmen erhöhen sich
Zuschlagstaffelung nach 6 Wochen 15 % nach 3 Monaten 20 % nach 5 Monaten 30 % nach 7 Monaten 45 % nach 9 Monaten 50 %
Behandlung der Zuschläge Deckelung auf Equal-Pay gerechnet auf den jeweiligen Tariflohn nach DGB/iGZ bei ununterbrochenem Einsatz (Unterbrechung erst bei mind. 3 Monaten!) Fristbeginn: erstmalig 1. November 2012 (Ausnahme: wer dort bereits 6 Wochen da Zuschlagsstufe 1 erfüllt
Welche Branchen betrifft der Tarifvertrag? Branche der Metall- und Elektroindustrie ohne Handwerk mit zahlreichen angeschlossenen Wirtschaftszweigen (vgl. § 1 Ziff. 2 TV BZ) auf eigene Tarifbindung des Entleiherbetriebs kommt es nicht an!
Weitere Regelungen des TV Branchenzuschläge im Entleiherbetrieb zugunsten der Zeitarbeitnehmer bestehende Regelungen sind in den Vertrag zwischen Entleiher und Verleiher aufzunehmen die Regelungen sind dem Zeitarbeitnehmer vom Verleiher mitzuteilen
Wer ist vom TV Zeitarbeit betroffen? nur tarifgebundene Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie bzw. Chemieindustrie, die unter die jeweiligen Tarifverträge fallen jedoch nicht, wenn auf betrieblicher Ebene eine abweichende Regelung besteht (Öffnungsklausel)
Regelung des zulässigen Einsatzes von Zeitarbeitnehmern keine feststellbaren Nachteile für Stammbelegschaft bei befristetem Einsatz bei Vorliegen eines Sachgrundes bei Auftragsspitzen oder befristetem Mehrbedarf
Konsequenzen bei Einsatz über diese Maß hinaus: Betriebsrat hat bei Einstellung/Verlängerung von Zeitarbeitnehmern Widerspruchsgrund wegen Tarifverstoßes ggf. Einwirkungsklage der Gewerkschaft auf Arbeitgeberverband wegen Mitgliedsfehlverhalten
Übernahmeprüfung und verbindliches Angebot (nur Metall-/Elektro-TV) Prüfung, ob Übernahmemöglichkeit nach 18 Monaten Angebot eines unbefristeten Arbeitsvertrags nach 24 Monaten jedoch nicht, wenn eine Beschäftigung mit Sachgrund erfolgt Fristlauf frühestens ab TV-Abschluss (Mai 2012)
Tariföffnung und Vorrang betrieblicher Regelungen für Einsatzzweck, Einsatzbereiche und Volumina Vergütung der Zeitarbeitnehmer (nur Aufstockung!) Höchstdauer des Einsatzes Übernahmeregelungen bestehende Betriebsvereinbarungen verdrängen insoweit TV Zeitarbeit
Innerbetriebliche Regelungen regelmäßige Informationspflicht ggü. Betriebsrat über Umfang und Einsatzbereiche von Zeitarbeitnehmern bei Einsätzen von mehr als 3 Monaten kann innerbetriebliche Ausschreibung verlangt werden Auftragsvergabe nur an Zeitarbeitsunternehmen, die unter „guten“ Tarifvertrag mit Branchenzuschlagregelung fallen Einsichtsrechts des Betriebsrats in Verleihverträge