Epidemiologische Studien Studien-Grundtypen Testen von Hypothesen Korrelation und Kausalität Christa Scheidt-Nave, Abt. Allgemeinmedizin, Universität Göttingen cscheid@gwdg.de www.allgemeinmedizin.med.uni-goettingen.de Script: http://www.degam.de/forschkurs/projekte/EPIScript2003.pdf IX. Forschungskurs Allgemeinmedizin, Freiburg, 3. Mai 2003
EPI DEMOS – ‚Was auf dem Volke liegt‘ Gesundheitsproblem beschreiben Kasuistik Fallserie quantifizieren Survey Register analysieren Kontrollierte Studie RCT Fazit für die Praxis Anwendungsbeobachtung Meta-Analyse, system. Review Leitlinien-, HTA-Bericht Evaluations-Studie
(empirisch-schlussfolgernd) Studien - Grundtypen Deskriptiv Inferenziell (empirisch-schlussfolgernd) Hypothesen generieren Schätzung von Krankheits-Häufigkeit Verteilung von Messwerten Hypothesen testen qualitativ quantitative statistische Methoden
Studien - deskriptiv Kasuistik, Fallserie (NEJM; BMJ; MMWR)
und verbleibende Lebenserwartung mit 70 Jahren in Europa Studien - deskriptiv ‚Ökologische Studie‘ Korrelation zwischen Inzidenz von Oberschenkelhalsfrakturen bei Hochbetagten und verbleibende Lebenserwartung mit 70 Jahren in Europa Johnell et al. 1992; Osteoporos Int 2:298-302
Studien - inferenziell-schätzend Querschnittliche Studien Bevölkerungs-Survey Screening-/Filterstudien Prävalenz von Rückenschmerzen Prävalenz von Alkoholabusus; Übergewicht bei Kindern Längsschnittliche Studien Register-, Trendstudien Risikofaktoren, Inzidenz u. Mortalität im Verlauf (Krebsregister; MONICA)
Studien - inferenziell-schätzend Prävalenz Inzidenz (absolutes Risiko) Neuerkrankungen Kranke
Studien - inferenziell-schätzend
Studien - inferenziell-schätzend Beispiel: Prävalenz (P) Screening auf Osteoporose in der Gemeinde Eppelheim bei Heidelberg 1.1.1992 - 31.3.1993, bei Frauen und Männern 50-80 Jahre: Unter Teilnehmern (58%) wurde eine manifeste Wirbel-Osteoporose (Einbrüche eines oder mehrerer Wirbelkörper + kritisch erniedrigte Knochendichte) mit folgender Periodenprävalenz diagnostiziert: Leidig-Bruckner et al. 2000; Osteoporos Int 11:102-119 Punktschätzer 95% Konfidenzintervall bei Frauen: P = 21 / 283 = 0,07 [0,040 - 0,100] bei Männern: P = 15 / 297 = 0,05 [0,025 - 0,075]
Studien - inferenziell-Hypothese-testend Beobachtende, kontrollierte Studien Korrelationsstudien Fall-Kontroll-Studien Kohortenstudien querschnittlich retrospektiv prospektiv; historisch Randomisierte, kontrollierte Studien Therapiestudie Interventionsstudie prospektiv
Es besteht ein Zusammenhang zwischen Studien - inferenziell-Hypothese-testend Hypothese: Es besteht ein Zusammenhang zwischen Faktor X und Faktor Y. Beispiele: Knochendichte und Blutdruck bei postmenopausalen Frauen Rauchen und Lungenkrebs Sozialstatus und Mortalität ...........
Studien - inferenziell-Hypothese-testend Studienhypothese Prüfplan Studiendesign (Studientyp, -dauer; Messgrößen, Zielkriterien) Studienpopulation (Zielpopulation; Ein-/Ausschlusskriterien; Rekrutierung) Erhebungsinstrumente, Untersuchungsmethoden Nullhypothese; statistische Vorbedingungen (Signifikanzniveau=; Fallzahl, Power=1-) Auswertung
Studien - inferenziell-Hypothese-testend Es besteht ein Zusammenhang zwischen Östrogen-mangel und erhöhtem kardiovaskulären Risiko. Studienhypothese: Postmenopausale Frauen, die Hormone einnehmen, haben ein besseres kardiovaskuläres Risikoprofil (niedrigeren Blutdruck, LDL, höheres HDL), als Frauen, die keine Hormone einnehmen.
Studien - inferenziell-Hypothese-testend Querschnitts-Studie: 4958 gesunde, postmenopausale Frauen, 45-64 Jahre, U.S.A., 2/3 weiß Nabulsi et al. 1993; NEJM 328:1069-1075 Hormontherapie Schlussfolgerungen ? Ergebnisse valide ? verallgemeinerbar ? kausaler Zusammenhang ? Oestrogen Oest. + Prog. Früher Nie N (%) 853 (17) 173 (4) 813 (16) 3119 (63) Mittelwerte HDL-Cholesterin, mg/dL roh 68 69 58 58 adjustiert* 67 66 58 58 * Für Alter, Rasse, Bildungsstand, Body Mass Index, Rauchen, Alkohol-Konsum, Studienregion, sportl. Aktivität; p< 0.001für Gruppenunterschiede mit vs. ohne Hormontherapie
Studien - inferenziell-Hypothese-testend Es besteht ein Zusammenhang zwischen Östrogen-mangel und erhöhtem kardiovaskulären Risiko. Studienhypothese: Bei postmenopausalen Frauen, die Hormone nehmen, treten kardiovaskuläre Erkrankungen und Todesfälle weniger häufig auf als bei Frauen, die keine Hormone nehmen.
Fall-Kontroll-Studie Kohortenstudie Fall-Kontroll-Studie prospektiv retrospektiv Krank Gesund Risikofaktor + Risikofaktor - Risikofaktor + Risikofaktor - Fälle (Krank) Kontrollen (Gesund) Studien- population von Gesunden Kranke Gesunde Risikofaktor + Risikofaktor - A + B A B C D C + D Kranke Gesunde Risikofaktor + Risikofaktor - A + B A B C D C + D A / A+B C / C+D Relatives Risiko = = (A / A+B) / (B / A+B) (C / C+D) / (D / C+D) Odds Ratio A x D B x C
Studien - inferenziell-Hypothese-testend Es besteht ein Zusammenhang zwischen Östrogen-mangel und erhöhtem kardiovaskulären Risiko. Studienhypothese: Hormontherapie verhindert kardiovaskuläre Todesfälle und Erkrankungen bei postmenopausalen Frauen.
Randomisierte,kontrollierte Studie Protektiver Effekt von konjugiertem Östrogen (0.625 mg/Tag) plus Medroxyprogesteron-Azetat (2.5 mg/Tag) auf Infarkt-Risiko und KHK-Mortalität bei postmenopausalen Frauen (44-79 J.) mit KHK ? Randomized Trial of Estrogen Plus Progestin for Secondary Prevention of Coronary Heart Disease in Postmenopausal Women (HERS) Hulley et al. JAMA 280:605-613,1998
Randomisiert Randomized Trial of Estrogen plus Progestin for Secondary Prevention of Coronary Heart Disease in Postmenopausal Women (HERS) Screening von 68.561 möglichen Teilnehmerinnen in 20 U.S.-Studienzentren. Randomisiert (N=2.763) Plazebo (n=1.383) Östrogen + Gestagen (n=1.380) kompletter Follow-up (5 J.) Studien-Abbruch lost to Follow-up verstorben 1228 1222 32 27 - 123 131 Hulley et al. JAMA 280:605-613,1998
Grady et al. JAMA 2002; 288:49-57
(373.092 gescreent) (n=16.608)
Women‘s Health Initiative (WHI) Vorzeitiger Abbruch des Östrogen + Gestagen-Arms am 31. Mai 2002, nach durchschnittlich 5,2 J. Follow-up. Unter Hormontherapie für 1 Jahr je 10.000 Frauen: + 7 koronare Ereignisse + 8 invasive Mamma-Karzinome + 8 Schlaganfälle + 8 Lungenembolien – 6 kolorektale Karzinome – 5 Schenkelhalsfrakturen Globalrisiko: + 19 unerwünschte Ereignisse NNH=526 Writing Group for the Women‘s Health Initiative Investigators 2002; JAMA 288:321-333
Kausalitätskriterien Ein kausaler Zusammenhang zwischen einem Faktor X und einem Faktor Y wird gestützt durch: (Spezifität der Assoziation) Experimenteller Nachweis Klare Zeitabhängigkeit (X vor Y) Konsistenz der Studienergebnisse Biologischer Gradient (Dosis-Wirkungs-Beziehung) Biologische Plausibilität Stärke des Zusammenhanges (RR; OR)
Evidenzbewertung von Studien Evidenz-Level Vorhandene Studien Empfehlungsgrad I Meta-Analyse oder syst. Review A von RCTs oder mind. 1 RCT II Mind. 1 kontrollierte Beobachtungsstudie B Fall-Kontroll-, Kohorten-Studien III Nicht-kontrollierte Beobachtungsstudien, C Fallserien, Querschnittsstudien IV Expertenmeinung; Konsensuskonferenz D US Agency for Health Care Policy and Research, 1993
Bias in epidemiologischen Studien Systematische Fehler verzerren die Studienergebnisse, (z.B. beobachteten Zusammenhang zwischen Faktor X und Faktor Y) Ergebnisse nicht valide Studienpopulation Datenerhebung Datenauswertung, -interpretation Selektionsbias Attritionsbias Misklassifikationsbias Interviewer-Bias Methodische Fehler ‚Confounding‘ Extrapolation
Was man nicht tun sollte................ Datapool