Sprachenpolitik und Sprachenregime in der EU Das Problem der Vielfalt als Einheit.

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Sprachenpolitik und Sprachenregime in der EU Das Problem der Vielfalt als Einheit

Gliederung 1. Einleitung 2. Termini der Sprachendiskussion in der EU 2.1. Definitionen 3. Mehrsprachigkeitsdiskussion 3.1. Gegenargumente 3.2. politischer „Sprachenkampf“ und Sprache als Wettbewerb 3.3. Sprache und Identität 3.4. Sprachenvielfalt als Idealzustand 4. mögliche Hierarchien 5. Die Sprechsituation in den fünf Hauptorganen der EU 5.1. Allgemeines 5.2. Kommission 5.3. Ministerrat 5.4. Europäisches Parlament 5.5. Europäischer Gerichtshof 5.6. Rechnungshof 6. Interessenskonflikt (Monolinguismus vs. Sprachendiversität) ‏ 7. Vergleich der Lösungsansätze (Wu/Ammon) ‏  Literatur 2

Einleitung  EU: 27 Länder, 23 offizielle Sprachen, 70 tatsächlich gesprochene Sprachen  Leitung durch die fünf zentralen EU- Organe: Europäisches Parlament, Ministerrat, Europäischer Gerichtshof, Kommission und Rechnungshof  zentrale Frage: Welche Sprache(n) soll sinnvollerweise politisch verbindlich sein? 3

Definition „Sprachenregime“ – dauerhaftes Regelwerk mit expliziten Verhaltensvorschriften, Normen und Prinzipien für die sektorale, politische Steuerung(Krasner) ‏ Normen, Prinzipien und Prozeduren & sprachpolitische Steuerung (Ergänzung Wu) ‏ 4

Amtssprache = offizielle Sprache dürfen allgemein verwendet werden, es müssen aber nicht alle Sprachen in sie gedolmetscht werden deklarierte vs. funktionale A. amtlicher Status oder amtliche Funktion notwendig Status aufgrund der Nutzung in den Domänen: a) Formulierung der Gesetze b) parlamentarische Debatten c) staatliche Administration d) Rechtsprechung Arbeitssprache heben sich durch umfangreichere Funktionen aus den Amtssprachen hervor in sie muss gedolmetscht werden leicht inoffizieller Charakter „kleiner Dienstweg“ im Weiteren oft Englisch, Französisch und teilweise Deutsch 5

Sprachmittelung in der EU Wegen der Mehrsprachigkeit besteht ein großer Bedarf an Übersetzungsdiensten Das ist mit großen Lasten verbunden: ◦ Immense Kosten ◦ Niedrige Effizienz der bürokratischen Apparate (zeitliche Last) ‏ ◦ Osterweiterung Wäre eine Reduzierung auf eine europäische Amtssprache sinnvoll? 6

„Sprachenkampf“ Welche Interessen werden von einzelnen Nationen sprachpolitisch verfolgt? ◦ Prestige-Gewinn durch größere Verbreitung ◦ Wirtschaftliche Vorteile ◦ Weniger Übersetzungskosten Daher gibt es immer wieder Bemühungen einzelner Länder, ihre eigene Sprache innerhalb der EU stärker zu etablieren. 7

Sprache und Wettbewerb Materielle Bedeutung des Sprachkonflikts: Wirtschaftliche Interessen ◦ Zeitliche Wettbewerbsvorteile ◦ Benachteiligung anderssprachiger Vertreter 8

Sprache und Identität Sprache als identitätsstiftende Instanz: ◦ Vermittlung kultureller Werte und Normen durch Sprache ◦ Selbstentfaltung des Individuums innerhalb einer Gesellschaft ◦ „Außendarstellung“ eines Volkes In der Muttersprache stecken „unübersetzbare Sprache Begriffe, die sich aus dem kollektiven historischen Erlebnis eines Volkes herleiten“ (Zitat nach von Donat 2000: 221) ‏ 9

Sprachenvielfalt als Idealzustand These Wu: Eine Gemeinschaft wie die EU kann auf Dauer nur bestehen, wenn ihr eine gemeinsame Identität zugrunde liegt. Frage: Verhindert das Phänomen Mehrsprachigkeit eine gemeinsame europäische Identität? Vereinheitlichung der Sprache wäre für Europa nicht erstrebenswert, weil ◦ die Koexistenz der Sprachen und Kulturen wichtig für die europäische Identität ist ◦ eine sprachliche Vereinheitlichung die Aufgeschlossenheit der EU-Bürger untereinander behindern würde ◦ Sprachenvielfalt damit eher Bedingung der europäischen Identität ist. 10

Mögliche Sprachenhierarchien 11 Ideal (egalitäres Prinzip) ‏ Soll (kollegiales Prinzip) ‏ Ist/wird (präsidiales Prinzip) ‏

Die Sprachsituation in den fünf Hauptorganen der EU Allgemeines EU  Kommission  Ministerrat  Europäisches Parlament  Europäischer Gerichtshof  Rechnungshof Zusammenfassung 12

Allgemeines I Hauptarbeitsstadien: Vorbereitung einer Politik in den Dienststellen der Kommission Bearbeitung durch nationale Sachverständige in Arbeitsgruppen und Ausschüssen in Kommission und Ministerrat Endgültige Entscheidung im Ministerrat Präsentation des Gesetzes zur Stellungnahme in Europäischen Parlament 13

Allgemeines II THEORETISCH: Praktizierung des Vollsprachenregimes (= egalitär) in vielerlei Hinsicht ◦ Bürger und nationale Behörden können in einer der 11 Amtssprachen an die europäischen Organe schreiben + Antwort erhalten FAKTISCH: Ungleichheit d. Sprachen durch weitgehende Reduzierung des Sprachenregimes ◦ Schulz, 1979: „ […] Vereinbarungen bei denen sich zumindest das Englische und Französische durchsetzen“ ◦ Burkert, 1993: „ […] Trend zum Bilingualismus, oder gar zum Monolingualismus“  Stellenausschreibungen + Auswahlverfahren  bei informellen Treffen = Englisch gemeinsamer Nenner 14

Kommission PRINZIPIELL: Verdolmetschung + Übersetzung in alle Amtssprachen JEDOCH: Für Übersetzungsdienste nicht zumutbar KONSEQUENZ: Verzicht auf Verdolmetschung ◦ Kommunikationspraxis der Kommission keineswegs vom Grundsatz der Sprachengleichheit geprägt ◦ Dominanz des Englischen + Französischen (gefolgt von Deutsch) ‏ ◦ Nur legislative Texte werden in alle Amtssprachen übersetzt Die sprachliche Entwicklungstendenz: fr  en, fr  en, fr, (de)  en, (fr, de) ‏ 15

Ministerrat Sprachengleichheit: Nicht unbedingt OFFIZIELLE TAGUNGEN: Verdolmetschung in alle Amtssprachen INSTITUTIONELLER ALLTAG: Zwei bis drei Sprachen 16

Europäisches Parlament GRUNDSÄTZLICH: Gleichberechtigung der Sprachen= Herzstück seiner Legitimität ◦ Jeder Abgeordnete kann den Aussprachen und Debatten in seiner Muttersprache folgen ÜBLICHE PRAXIS: ◦ In Arbeitsgruppen + Gremiensitzungen Verdolmetschung in eine begrenzte Anzahl von Sprachen ◦ Studien erscheinen oft in nur 2-3 Sprachen ◦ Oftmals völliger Verzicht auf Simultandolmetschen in vorbereitenden Arbeiten + Ausschusssitzungen  Vollsprachenregime bleibt eine Illusion  Mischform des egalitären & kollegialen Prinzips setzt sich auch im EP durch 17

Europäischer Gerichtshof legt den Sprachengebrauch selbst fest Praxis der Verfahrenssprache ◦ Beteiligte dürfen in ihrer Muttersprache sprechen; Eine Verdolmetschung jedoch nur in die VS Sämtliche Veröffentlichungen in allen 11 Amtssprachen Interne Arbeitssprache: Französisch ◦ jedoch nicht vertraglich festgelegt  Praxis einer einzigen Sprache als interne Arbeitssprache neben Aufrechterhaltung des Mehrsprachigkeitsprinzips 18

Rechnungshof Vor allem Englisch, Französisch und Deutsch als interne Arbeitssprachen 19

Zusammenfassung Allgemein kann man sagen, dass die inoffizielle und organinterne Kommunikation besonders stark von einer weitgehenden Reduzierung des Sprachenregimes betroffen und geprägt ist. 1. Kommission: Reduzierte Arbeitssprachenregelung 2. Ministerrat: Reduzierte Arbeitssprachenregelung 3. EP: Dem Gleichheitsgrundsatz sind Grenzen gesetzt 4. EuGH: Französische als einzige Arbeitssprache 5. Rechnungshof: Englisch, Französisch, Deutsch 20

Interessenskonflikt Monolinguismus Gruppe 1(engl.-sprachig): Sprachenvielfalt als Hindernis für vollständige Integration(Vereinigung der Nationen, vgl. USA), wirtschaftliches Wachstum und regionale Mobilität der Arbeitskräfte Gruppe 3: (Minoritäten, kleine Sprechergemein- schaften) ‏ Effizienz: nur eine Sprache muss erlernt werden Sprachdiversität Gruppe 2 (Großsprachen): Vertretung der eigenen Sprache zu wirtschaftlichen und politischen Zwecken Demokratieanspruch: Mitbestimmung der Muttersprachler aller Nationen 21

Vergleich der Lösungsvorschläge von Wu und Ammon WuAmmon Kompromiss Vertreter von Gruppe 2 (Dtl, It, Span, Fr,...) ‏ Suche nach einem fairen Multilinguismus Bewahrung des Wertes eines Staates an sich Länder der Arbeitssprachen teilen sich die Kosten der Übersetzung Strikte Regulation, best. Gremien in vers. Arbeitssprachen arbeiten zu lassen Kontrolle der Stellenausschreibung Vorbild: Schweiz (Dt., Frz., It) ‏ Kriterien für die Auswahl von Arbeitssprachen: 1. Sprecherzahl Muttersprachler und Fremdsprachler i.d. EU 2. internat. Stellung einer Sprache Resultat: En, Fr, Dt, It/Sp, -> jetztige Lösung Drei Vorteile: theoret. Fundierung, Stabilität, Kompensation der and. Sprachen, die Finanzierung betreffend, 22

Literatur Ammon, Ulrich (2006): Language conflicts in the European Union. In: International Journal of Applied Linguistics 16. S Phillipson, Robert (2000): European language policy: an unmet sociolinguistic challenge. In: Ammon/Mattheier/Nelde(Hrsg.): Sociolinguistica 14. S Wu, Huiping (2005): Das Sprachenregime der Institutionen der Europäischen Union. Zwischen Grundsatz und Effizienz. Frankfurt/Main 23