Das Beweisverfahren in FG-Familiensachen

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Unterbringungsähnliche Maßnahmen in der rechtlichen Betreuung und Pflege 04. Februar 2009 Veranstalter ISGE (Institut für Soziale Arbeit und Gesundheit.
Advertisements

IV. 2. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges
IV. Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
40479 Düsseldorf · Rosenstraße 49
Urkundenbeweis im Strafverfahren
Einsicht und Abschriften
Seite 19. Januar 2014 KoLaWiss AP 4: Rechtsexpertise.
II. Verfassungsrechtliche Grundlagen
-> § 1 Satz 2 InsO: Verfahrensziel RSB für redliche Schuldner
Herzlich Willkommen zu der heutigen Informationsveranstaltung!
A n t r a g Verbraucherinsolvenz Schuldenbereinigungsplan §§ 304, 305 InsO Firmeninsolvenz (Regelinsolvenz) Abweisung mangels Masse § 26 InsO Eröffnung.
Probeklausur Staatsorganisationsrecht
Das Subsidiaritätsprinzip Grundlage der Kommunalen Selbstbestimmung & der gesetzlichen Vorrangstellung der freien Wohlfahrtspflege Erstellt von der.
Wie halte ich ein mündliches Plädoyer?
Das Verwaltungsverfahren
RB über die Stellung des Opfers im Strafverfahren Allgemeine Zielsetzung: Allgemeine Zielsetzung: Hohes Schutzniveau für Opfer von Straftaten unabhängig.
4. Vorlesung Grundsatz des fairen Verfahrens (Fair Trial)
Zivilprozessrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht
Daten- und Persönlichkeitsschutz u. a
Perspektiven zur Umsetzung der Richtlinie – eine Skizze Georg E. Kodek.
Beteiligung § 220. Beteiligte des Hauptverfahrens sind neben der Staatsanwaltschaft (§ 210 Abs. 2) der Angeklagte (§ 48 Abs. 1 Z 2), der Haftungsbeteiligte.
Autorité cantonale de la transparence et de la protection des données Kantonale Behörde für ö ffentlichkeit und Datenschutz Das Zugangsrecht Einführungskurs.
Art. 29 Abs. 2 BV: Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör
Grundsätze des Verwaltungsrechts im Zusammenhang mit der Verfügung
Ablauf eines Strafverfahrens
Nichtanhandnahme (Art. 310 StPO) Verfügung ohne Untersuchung
Das neue Schuldrecht in Anspruchsgrundlagen
Justizmonopol des Staates
Gutachten Begutachtung von Dissertationen Erstellung von Gutachten
Die Umsetzung des Landesgleichstellungsgesetzes
Diskrete Mathematik II
ZGB-Inhaltsübersicht
P e r m Willkommen in Perm ! Заварзина Галина Васильевна,
§ 7 Kaufrechtliches Gewährleistungsrecht im Überblick
Bekanntgabe.
Falsch stehender Grenzstein
Berichtigung in Personenstandsbüchern
Dienstordnung – Knackpunkt des Entwurfs Entwurf März 2011
Forum Liegenschaftskataster 2014 Bekanntgabe
Zeugnisverweigerungsrecht Minderjähriger
Das neue FamFG – rechtliche Grundlagen
Hilfe oder Hemmnis beim Kinderschutz
Abteilung 13 Umwelt und Raumordnung
Datenschutz und Schulhomepage
Prof. Dr. Justus Meyer, Juristenfakultät
Das Ermittlungsverfahren

Genehmigungsverfahren
2. Teil: Europäisches Kartellrecht D Grundzüge der Fusionskontrolle § 12 Grundlagen und Anwendungsbereich der Fusionskontrolle I. Funktion der Fusionskontrolle.
Was sind bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten?
Klaus Eichhorn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht
Übergang in die (Schulen der) Sekundarstufe I
Beteiligte und Organe in FG-Familiensachen
Verfahrensbeendigung in FG-Familiensachen
Rechtsanwalt Ulrich Amthauer Fachanwalt für Familienrecht Notar
Gang des Verfahrens in FG-Familiensachen
Der Scheidungsverbund
Der Informationsanspruch der Medien
Dr. Jürgen Kühnen Vors. Richter am OLG
Referenten: Nicole Jahn Jan Krannich Marén Weisner Katja Wetzel
Funktion der Arbeitspapiere
Dr. Rolf Marschner Fachgespräch Berlin
Ρ. ri x ecker.recht Tödliche Luftsicherheit Vorüberlegungen: Was ist die genaue Fragestellung? (K erhebt Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz, zu fragen.
Familiengerichtliches Verfahren
Die Schlichtungsstelle der Erzdiözese Bamberg für Arbeitsvertragsstreitigkeiten -Aufgaben, Verfahren und Praxis - Engelbert Heider Präsident des Landesarbeitsgerichts.
Teil 4 Der Scheidungsverbund. I. Zweck des Verbunds von Scheidungs- und Folgesachen Definition in § 137 Abs. 1 FamFG: Über Scheidungs- und Folgesachen.
Ρ. ri x ecker.recht Die auserwählte Oberstudienrätin Worum geht es? O erhebt Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen von VG und OVG im Eilrechtsschutz!
Die Rechtsstellung der Beteiligten in FG-Familiensachen
Ρ. ri x ecker.recht Erziehung zur Mündigkeit Vorüberlegung: Worum geht es?  T (15 Jahre) erhebt Verfassungsbeschwerde gegen die (behördlichen?) und gerichtlichen.
1 Symposium Der K(r)ampf um das Recht in der Schule
 Präsentation transkript:

Das Beweisverfahren in FG-Familiensachen Teil 10 Das Beweisverfahren in FG-Familiensachen Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

I. Grundlagen der Entscheidung Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

1. Untersuchungsgrundsatz, § 26 Grundsatz der Amtsermittlung Entscheidung des Gerichts über formlose Ermittlungen (§ 29) oder förmliche Beweisaufnahme (§30) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

2. Wahlrecht 1. Grundsatz, § 30 Abs. 1: Wahlrecht des Gerichts zwischen Tatsachenfeststellung mit Mitteln des Freibeweises und förmlicher Beweisaufnahme (Strengbeweis) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

3. Vorrang spezialgesetzlicher Bestimmungen: Vorrang spezieller Vorschriften des FamFG § 30 Abs. 2 FamFG: „Eine förmliche Beweisaufnahme hat stattzufinden, wenn es in diesem Gesetz vorgesehen ist. z.B.: § 177 Abs. 2 S. 1: Abstammungsverfahren § 280 Abs. 1: Betreuungsverfahren § 321 Abs. 1 i.V.m. § 167 Abs. 1 S. 1: Unterbringungsverfahren Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

b. Vorrang von Spezialgesetzen: z.B. Beschränkung der Beweismittel in § 29 Abs. 1 GBO: „Eine Eintragung soll nur vorgenommen werden, wenn die Eintragungsbewilligung oder die sonstigen zu der Eintragung erforderlichen Erklärungen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden. Andere Voraussetzungen der Eintragung bedürfen, soweit sie nicht bei dem Grundbuchamt offenkundig sind, des Nachweises durch öffentliche Urkunden.“ Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

4. Notwendigkeit des Strengbeweises § 30 Abs. 2: Förmliche Beweisaufnahme ist gesetzlich vorgeschrieben § 30 Abs. 3 (Sollvorschrift): Strengbeweis über Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung bei Entscheidungserheblichkeit ausdrücklichem Bestreiten der Richtigkeit von einem Beteiligten. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

5. Vorteile des Strengbeweises Strengbeweis ist besseres Verfahren, wahrt die Mitwirkungsrechte der Beteiligten besser Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

6. Zulässigkeit des Freibeweises Zulässig ist der Freibeweis danach in allen FG-Familiensachen, sofern § 30 Abs. 2, 3 nicht den Strengbeweis anordnet oder pflichtgemäßes Ermessen des Gerichts diesen erfordert. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

7. Grundlage der Entscheidung § 37 Abs. 1: „Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Abs. 2: Das Gericht darf eine Entscheidung, die die Rechte eines Beteiligten beeinträchtigt, nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützten, zu denen dieser Beteiligte sich äußern konnte.“ Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

a. Richterliche Überzeugung § 37 entspricht § 286 ZPO und § 261 StPO Maßstab ist die subjektive Überzeugung BGH NJW 1993, 935, 937: Der Richter muss sich bei tatsächlichen Zweifeln „mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad der Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.“ Maßstab unabhängig, ob Beweiserhebung in Form des Frei- oder Strengbeweises erfolgte Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

b. Rechtliches Gehör Keine Weiterleitung von Schriftsätzen und Beweisergebnissen nötig Aber: Äußerungsmöglichkeit bei Rechtsbeeinträchtigung (§ 37 Abs. 2, ähnlich wie in § 108 VwGO) In der Regel durch Übermittlung aller entscheidungserheblichen Tatsachen in der dokumentierten Form Zum Schutz und zur Wahrung der Rechte anderer Beteiligter ausnahmsweise auch mündlich oder zusammengefasst (z.B. psychiatrische Gutachten, Vermerke über Kindesanhörungen) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

II. Beweisgrundsätze Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

1. Der Grundsatz des Freibeweises Erhebung der Beweise in geeignet erscheinender Form, ohne an förmliche Regeln und ohne an das Vorbringen der Beteiligten, insbesondere das Geständnis oder Nichtbestreiten, gebunden zu sein (§ 29 Abs. 1). → Pflicht zur Wahrheitsermittlung, aber: → Nichtbestreiten als Indiz für Wahrheitsgehalt Flexibles Erkenntnisinstrument Beispiele: informelle Auskünfte, Beiziehung von Akten Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

2. Keine Beschränkung der Beweismittel Freie Wahl der Beweismittel nach pflichtgemäßem Ermessen Keine Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

3. Einschränkungen des Freibeweises § 29 Abs. 2: „Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Vernehmung bei Amtsverschwiegenheit und das Recht zur Zeugnisverweigerung gelten für die Befragung von Auskunftspersonen entsprechend. Abs. 3: Das Gericht hat die Ergebnisse der Beweiserhebung aktenkundig zu machen.“ Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

a. Amtsverschwiegenheit §§ 376, 408 II ZPO: Vernehmung bei Amtsverschwiegenheit Schutz des öffentlichen Interesses an der Geheimhaltung der dem Gemeinwohl dienenden Geheimnisse Entscheidung über Geheimhaltungsinteresse bei der Dienstaufsichtsbehörde Pflicht zur Einholung einer Aussagegenehmigung durch das Gericht Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

b. Zeugnisverweigerung §§ 383 bis 390 ZPO: Recht zur Zeugnisverweigerung § 383 Abs. 1 Nr. 1 – 3: Zeugnisverweigerungsrecht auf Grund persönlicher Beziehung zur Vermeidung eines Interessenkonflikts für den Zeugen § 383 Abs. 1 Nr. 4 – 6: Zeugnisverweigerung wegen beruflicher Funktion des Zeugen zur Vermeidung eines Konflikts mit dem Vertrauenstatbestand auf Grund des Berufs (z.B. Verfahrensbeistand, OLG Braunschweig, FamRZ 2012, 1408) § 384 Auskunftsverweigerungsrecht § 385 Ausnahmen vom Zeugnisverweigerungsrecht §§ 386 ff. Verfahren bei Zeugnis- und Auskunftsverweigerung Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

c. Dokumentationspflicht des Gerichts Information der Beteiligten über Ermittlungen in deren Abwesenheit (Auskünfte, persönliche Anhörungen, Augenscheineinnahmen) Gelegenheit zur Äußerung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs (§ 37 Abs. 2) Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

4. Der Strengbeweis, § 30 Abs. 2, 3 Es gelten die Vorschriften der §§ 355 – 484 ZPO: Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme Förmliche Beweiserhebung Beschränkung der Beweismittel Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

a. Obligatorischer Strengbeweis § 30 Abs. 2: soweit das FamFG dies vorschreibt. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

b. Verpflichtung zum Strengbeweis § 30 Abs. 3: Entscheidungserhebliche Tatsache ist ausdrücklich bestritten geblieben Diese ist von ausschlaggebender Bedeutung (Haupt- oder Indiztatsache) Gericht muss die Tatsache als im Freibeweisverfahren erwiesen ansehen (vgl. BT-Drs. 16/6308 S. 190). Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

c. Strengbeweis nach freiem Ermessen Im Übrigen: § 30 Abs. 1: nach pflichtgemäßem Ermessen Kriterien: Ausreichende Sachaufklärung mit Mitteln des Freibeweises nicht möglich Streit über einzelne Tatsachen Bedeutung der Angelegenheit Anregungen der Beteiligten Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

III. Beweismittel Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

1. Strengbeweis Beschränkung der Beweismittel auf Zeugen Sachverständige Augenschein Urkunden Parteivernehmung Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

2. Freibeweis Alle zugänglichen Erkenntnisquellen, wie Auskünfte Anhörungen Berichte Beiziehung von Akten schriftliche Zeugenaussagen, eidesstattliche Versicherungen Internetrecherchen Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

IV. Beweiswürdigung und Beweislast Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

1. Beweiswürdigung § 37: freie, aus dem gesamten Verfahren und allen Erkenntnisquellen gewonnene richterliche Überzeugung, soweit diese verwertbar sind. Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey

2. Beweislast Grundsätzlich keine Beweislastentscheidung Aber: Einschränkung der Beweiserhebung bei Verletzung von Mitwirkungspflichten nach §27: Mitwirkungslast Erhöhte Darlegungslast der Beteiligten, wenn Gericht auf deren Mitwirkung angewiesen ist (vgl. BT-Drs. 16/6308, OLG Köln NJW-RR 1991, 1285, 1286). Familiengerichtliches Verfahren, Universität Bonn, WS 2014/2015, Gabriele Ey