WuV-Kurs Sachen- und Zivilprozessrecht,

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 Präsentation transkript:

WuV-Kurs Sachen- und Zivilprozessrecht, 07.07.2014 PD Dr. Sebastian A.E. Martens, M.Jur. (Oxon.)

§ 5 Klageänderung Nach Eintritt der Rechtshängigkeit (§§ 261, 253 I) darf die Klage nur noch unter den Voraussetzungen des § 263 geändert werden. Änderung der Klage bedeutet Änderung des Streitgegenstandes.

Exkurs: Der Streitgegenstand Der ZPO-Gesetzgeber verstand den Streitgegen-stand iSd materiell-rechtlichen Anspruchs des § 194 I BGB. Beispiel: A hat den M mit Malerarbeiten in seiner Wohnung beauftragt. Als M fertig ist, entdeckt A einige Farb-kleckser auf seinem teuren Mahagonitisch, die sich nicht mehr ganz entfernen lassen. A verklagt des-halb den M auf Schadensersatz und stützt seinen Anspruch auf § 823 Abs. 1 BGB. Unerklärlicherweise verliert A jedoch vor Gericht. Kann A jetzt erneut mit seinem Anspruch aus §§ 280, 249 BGB gegen M klagen?

Heute vertretene Theorien: Materiell-rechtliche Theorie: Auch materiell-rechtlich ist „Anspruch“ iS des Verfügungsobjekts bei einer Abtretung zu verstehen (ein Anspruch mit verschiedenen Begründungen) Lehre vom eingliedrigen Streitgegenstand: Es ist auf den Klageantrag abzustellen. Auf die Begründung ist nur zur Auslegung des Antrags zurückzugreifen. Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand: Der Streitgegenstand wird durch den Antrag und den Lebenssachverhalt gebildet. Problem: Abgrenzung der Lebenssachverhalte!

§ 5 Klageänderung Nach Eintritt der Rechtshängigkeit (§§ 261, 253 I) darf die Klage nur noch unter den Voraussetzungen des § 263 geändert werden. Änderung der Klage bedeutet Änderung des Streitgegenstandes. Bei Ergänzungen oder Berichtigungen des (tatsächlichen und/oder rechtlichen) Vortrags liegt keine Klageänderung vor (§ 264 Nr. 1). Bei Änderungen des Klageantrags greift § 263 nur in den Fällen der § 264 Nr. 2 und 3 nicht ein.

Fall (Assmann, Fälle zum Zivilprozessrecht, S. 9 ff Fall (Assmann, Fälle zum Zivilprozessrecht, S. 9 ff.): V aus Potsdam hat Werkleistungen an einem Gebäude der K-GbR in Potsdam erbracht, in dem die K-GbR auch ihr Geschäftsbüro und ein Fitnessstudio betreibt. Für die Arbeiten sollte V einen Lohn von 5000,- € erhalten. Den Anspruch hat V zur Sicherheit an die H-Bank abge-treten. Im Sicherungsvertrag ermächtigt die H-Bank V zur gerichtlichen Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen. Da die K-GbR wegen angeblicher (nicht bestehender) Mängel nicht zahlt, reicht V beim Amtsgericht Potsdam Klage ein mit dem Antrag, die K-GbR zur Zahlung von 5000,- € an sich zu verurteilen. In der Klageschrift legt er dar, dass es sich um eine Forderung der H-Bank handelt und er nur zur Klage ermächtigt wurde. Nach einem richterlichen Hinweis ändert V dann seinen Antrag und verlangt nun Zahlung an die H-Bank? Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

Abwandlung: Während V den Prozess vor dem Amtsgericht Potsdam führt, wachsen bei der H-Bank die Zweifel an seiner Kompetenz. Die H-Bank teilt dem V deshalb mit, dass sie ihm die Ermächtigung zur Prozessführung entziehe und erhebt selbst Klage vor dem AG Potsdam gegen die K-GbR. Ist diese Klage der H-Bank zulässig?

Die Fälle des § 264 § 264 Nr. 1 ist kein Fall der Klageänderung § 264 Nr. 2 und 3 regeln Fälle der Klageänderung, für die § 263 nicht gilt. Beschränkungen oder Erweiterungen iSd § 264 Nr. 2 können sowohl quantitativ als auch qualitativ sein. Beispiele: a) A hat ursprünglich nur 10.000 € eingeklagt. Angesichts des günstigen Prozessverlaufs erhöht er seine Forderung nun auf 20.000. b) A hat den B auf Herausgabe seines Pkw verklagt. Nun hat sich herausgestellt, dass B wohl ein Recht zum Besitz hat. A begehrt nun bloß noch Feststellung, dass er Eigentümer des Pkw ist.

Problem: Ist eine Zustimmung des Beklagten nach § 269 Abs. 1 erforderlich? Die Beschränkung des Klageantrags könnte man auch als (teilweise) Klagerücknahme verstehen. hM: §§ 263 berücksichtigen Beklagteninteresse bereits; § 264 Nr. 2 ist lex specialis zu § 269 Abs. 1. § 264 Nr. 3: Betrifft Fälle, in denen der Kläger nunmehr Schadensersatz oder ein Surrogat für den ursprünglich geforderten Gegenstand verlangt. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich aus dem materiellen Recht: z.B. §§ 285, 280 ff.

§ 6 Parteiwechsel Die ursprünglichen Parteien des Rechtsstreits werden durch die Klage bestimmt. Während des Prozesses können sich Veränderungen ergeben. Insbesondere können die Parteien wechseln. Unterscheide: Gesetzlicher und gewillkürter Parteiwechsel Beispiel: Kaufmann K klagt Geschäftsschulden gegen S ein. Weil er sich zu stark über den S erregt, erleidet K einen Schlaganfall und verstirbt. Seine Alleinerbin ist seine Ehefrau E.

Gesetzlicher Parteiwechsel: § 269: Beim Tod einer Partei tritt der Rechtsnachfolger an die Stelle des Verstorbenen. § 265 Regelt die Veräußerung der Streitsache Beispiel: E hatte lange Jahre ein schönes Fahrrad, das ihm jüngst gestohlen wurde. Nun hat er es bei K ent-deckt und verklagt ihn auf Herausgabe. E braucht allerdings Geld und verkauft und übereignet das Rad noch während des Prozesses an F. Auch K ist klamm und verkauft und übereignet das Rad seinerseits an X. Wie wirkt sich das alles auf den Prozess aus?

Die Veräußerung der Streitsache wirkt sich grds Die Veräußerung der Streitsache wirkt sich grds. nicht auf den Prozess aus (§ 265). Der Kläger muss aber seinen Antrag ggf. umstellen (§ 265 Abs. 2 S. 1). § 325 erstreckt die Rechtskraft des Urteils auch auf die Personen, die nach Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind. § 325 Abs. 2 lässt aber einen gutgläubigen Erwerb zu. Umstritten, ob Gutgläubigkeit sich auf die Rechtshängigkeit beschränkt oder ob § 325 Abs. 2 nur für den Erwerb vom Nichtberechtigten gilt. Der Rechtsnachfolger kann nur mit Zustimmung beider Parteien anstelle des Veräußerers den Prozess fortsetzen.

Gewillkürter Parteiwechsel (abzugrenzen von der Rubrumsberichtigung) Klageänderungstheorie: Die anhängige Klage wird geändert (§§ 263 ff. direkt oder analog; BGH für die erste Instanz) Klagerücknahmetheorie: Die alte Klage wird zurückgenommen (§ 269) und eine neue erhoben. Der gewillkürte Parteiwechsel ist ein Institut sui generis. Am besten: Probleme jeweils gesondert nach Interessenlage sinnvoll lösen. Zustimmung aller Beteiligten notwendig, wenn in ihre berechtigten Interessen eingegriffen wird.

Fall: A ist von dem Pitbull des P angefallen und schwer verletzt worden. Nach einigen Wochen im Krankenhaus ist er wieder soweit hergestellt, dass er den P verklagen kann. A reicht Klage ein, die dem P auch zugestellt wird. In seiner Replik erwidert P, dass er für seinen Hund nicht verantwortlich sei, sondern dieser für sich selbst sorge. Im Übrigen habe A sowieso keinen Schaden, weil die Krankenversicherung K ja alle Kosten übernommen habe. A bespricht sich mit K, und sie kommen überein, dass K den Prozess übernehmen und statt A zur mündlichen Verhandlung erscheinen solle. Geht das?

Ab Beginn der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte einen Anspruch auf abweisendes Urteil gegen den Kläger (§ 269 Abs. 1). Weder Kläger noch Beklagter dürfen daher ab diesem Zeitpunkt ohne Zustimmung des Beklagten gewechselt werden. Nach BGH ist § 263 einschlägig. Sehr umstritten ist, wie eine neue Partei in den Prozess eintritt und ob sie an den bisherigen Stand gebunden ist.

§ 7 Erledigung Wenn die Klage durch ein nachträgliches Ereignis gegenstandslos wird, würde sie grundsätzlich kostenpflichtig (§ 91 I) abgewiesen; könnte der Kläger sie zurücknehmen, bliebe aber auch auf den Kosten sitzen (§ 269 III 2). Wenn die Klage vor dem Ereignis zulässig und be-gründet war, kann ein schützenswertes Interesse des Klägers bestehen, die Kosten nicht tragen zu müssen. Übereinstimmende Erledigungserklärung (§ 91a): Das Gericht entscheidet nur noch über die Kosten nach billigem Ermessen nach dem voraussichtlichen Prozessausgang (ohne Erledigung).

Einseitige Erledigungserklärung Nach hM handelt es sich um eine privilegierte Klageänderung nach § 264 Nr. 2: Der Kläger stellt den Klageantrag um (qualitative Beschränkung) und begehrt nunmehr Feststellung, dass sich seine Klage infolge des Ereignisses erledigt hat. Obsiegt der Kläger mit diesem Antrag, trägt der Beklagte die Kosten nach § 91 I. Da der Beklagte die Klage nicht ändern kann, kann er die Klage auch nicht für einseitig erledigt erklären. Eine „Einseitige Erledigung“ durch den Beklagten ist daher unbeachtlich. Der Kläger wird allerdings mit seiner Klage unterliegen. Folge: Kosten nach § 91 I.

Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozess bei einer einseitigen Erledigungserklärung: Zulässigkeit der Feststellungsklage Insbesondere Klageänderung und § 264 Nr. 2 ansprechen Begründetheit Erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit Zulässigkeit der ursprünglichen Leistungsklage bei Erledigung Begründetheit der ursprünglichen Leistungsklage bei Erledigung

Einseitige Erledigungserklärung Nach hM handelt es sich um eine privilegierte Klageänderung nach § 264 Nr. 2: Der Kläger stellt den Klageantrag um (qualitative Beschränkung) und begehrt nunmehr Feststellung, dass sich seine Klage infolge des Ereignisses erledigt hat. Obsiegt der Kläger mit diesem Antrag, trägt der Beklagte die Kosten nach § 91 I.

§ 8 Vergleich Aufgrund der Dispositionsmaxime steht es den Parteien frei, ihren Streit jederzeit selbst beizulegen: Durch außergerichtlichen Vergleich: Hat keine unmittelbare Wirkung auf den Prozess Kann aber als Prozessvertrag eine Pflicht zur Klage-rücknahme (§ 269) enthalten und gibt dann eine Prozesseinrede. Durch Prozessvergleich: Pflicht des Gerichts hierauf hinzuwirken (§ 278 I); Güteverhandlung (§ 278 V); Ermäßigung der Gerichtskosten um zwei Gebühren (Nr. 1211 Nr. 3 KV GKG); Gesonderte Einigungsgebühr für die Rechtsanwälte (Nr. 1000 VV RVG).

Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur: Er ist ein materiell-rechtlicher Vertrag (§ 779 BGB) Er ist Prozesshandlung, weil er den Rechtsstreit beendet. Es besteht damit eine gegenseitige Abhängigkeit der prozessualen Wirkungen und der materiell-rechtlichen Regelungen

Beispiel 1 (nach BGHZ 164, 190): Die Parteien streiten um die prozess-beendigende Wirkung eines vor dem LG im September 2003 geschlossenen Vergleichs, in dem es unter Nr. 4 heißt: „Den Parteien bleibt vorbehalten, den Vergleich bis zum 23.09.2003 zu widerrufen“. Mit bei dem LG an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz hat das beklagte Land den Widerruf des Vergleichs erklärt. Eine beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes ist dem Kläger erst nach Ablauf der Widerrufsfrist zugestellt worden. Hat das beklagte Land den Vergleich wirksam widerrufen?

Beispiel 2: K hat von V einen Gebrauchtwagen gekauft Beispiel 2: K hat von V einen Gebrauchtwagen gekauft. Schon nach wenigen Tagen merkt K indes, dass der Wagen von V wohl ordentlich poliert worden ist und jedenfalls zahlreiche kleine Mängel aufweist. Als V Zahlung des Kaufpreises verlangt, will K deshalb nur die Hälfte zahlen. Vor Gericht schließen K und V dann einen Vergleich, nach dem K 80% des vereinbarten Preises zahlen muss. Bei der nächsten TÜV-Abnahme erfährt K allerdings, dass der Wagen einen Unfall gehabt haben muss, was auch jedem normalen Händler hätte auffallen müssen. K fühlt sich nun endgültig von V betrogen und ficht den Vergleich und den Kaufvertrag an. Den bereits gezahlten Kaufpreis verlangt er zurück. Zurecht?

Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur: Er ist ein materiell-rechtlicher Vertrag (§ 779 BGB) Er ist Prozesshandlung, weil er den Rechtsstreit beendet. Es besteht damit eine gegenseitige Abhängigkeit der prozessualen Wirkungen und der materiell-rechtlichen Regelungen. Bei der materiellrechtlichen Wirksamkeit sind v.a. §§ 119 ff., 138, 313 und 779 BGB zu prüfen. Bei einem Streit über die Wirksamkeit des Ver-gleichs ist der ursprüngliche Prozess fortzusetzen. Erklärt das Gericht den Vergleich in einem Urteil für wirksam, erwächst diese Feststellung in Rechtskraft.

§ 9 Das Säumnisverfahren Es gibt zwar keine Pflicht zur Mitwirkung, aber wenn eine Partei schuldhaft nicht an dem Prozess mitwirkt, kann regelmäßig ein Versäumnisurteil gegen sie ergehen: Wenn eine Partei in der mündlichen Verhandlung trotz Ladung nicht erscheint (§§ 330, 331 Abs. 1, 2); Dies gilt auch bei Nichterscheinen in einem Folgetermin (§ 332); Wenn der Beklagte seine Verteidigungsbereit-schaft nicht rechtzeitig anzeigt (§ 331 Abs. 3 S. 1); Wenn eine Partei zwar erscheint, aber nicht zur Sache verhandelt (§ 333).

Versäumnisurteil gegen den Beklagten Voraussetzungen: Zulässigkeit der Klage; Antrag des Klägers auf Erlass eines VU (§ 330, eigenständiger Antrag notwendig); Bestimmung eines Termins zur mdl. Vhdlg.; Säumnis des Beklagten (Nichterscheinen bzw. nicht ordnungsgemäß vertreten); Kein Unzulässigkeitsgrund nach § 335; Kein Vertagungsgrund nach § 337;

Fall (nach BGH NJW 1999, 724): Der Rechtsanwalt R des Beklagten machte sich am 3.7.2013 kurz vor halb zehn mit seinem Pkw zum LG Kiel auf den Weg. Für den Weg brauchte er üblicherweise etwa zehn Minuten einschließlich des Gangs zum Gerichtssaal. Unterwegs geriet er jedoch in einen Verkehrsstau, weil ein parkender Lkw die Fahrbahn versperrte. Nach Beseitigung des Hindernisses bat R um 9:40 Uhr telephonisch einen Wachtmeister des LG, der zuständigen Kammer mitzuteilen, dass er erst in etwa zehn Minuten erscheinen werde, weil er durch einen Verkehrsstau aufgehalten worden sei. Der Kammervorsitzende wollte freilich nicht länger warten, weil die Sache schon um 9:30 Uhr terminiert gewesen war und erließ auf Antrag des Anwalts des Klägers ein VU gegen den Beklagten. Zurecht?

Versäumnisurteil gegen den Beklagten Voraussetzungen: Zulässigkeit der Klage; Antrag des Klägers auf Erlass eines VU (§ 330, eigenständiger Antrag notwendig); Bestimmung eines Termins zur mdl. Vhdlg.; Säumnis des Beklagten (Nichterscheinen bzw. nicht ordnungsgemäß vertreten); Kein Unzulässigkeitsgrund nach § 335; Kein Vertagungsgrund nach § 337; Schlüssigkeit des Klägervortrags; der tatsächliche Vortrag des Klägers ist als zugestanden anzunehmen (§ 331 Abs. 1 S. 1)

Versäumnisurteil gegen den Kläger Voraussetzungen: Zulässigkeit der Klage Antrag des Beklagten auf VU Bestimmung eines Termins zur mdl. Vhdlg. Säumnis des Klägers Kein Unzulässigkeitsgrund nach § 335 Kein Vertagungsgrund nach § 337 Es gibt keine Prüfung in der Sache!

Problem: Rechtskraft des VU gegen den Kläger Die B-Bank hat den D 2012 auf Rückzahlung eines Darlehens über 10.000,- € verklagt. In seiner Replik wendete D ein, dass ihm sein Bankberater bei der Darlehensvergabe zugesagt hatte, dass das Darlehen frühestens im Mai 2014 zurückgefordert werden würde. Der Prozessvertreter der B-Bank erschien deshalb im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht und ließ ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen. Nun hat D allerdings bis heute nicht gezahlt und zeigt sich auch auf Nachfrage uneinsichtig. Kann die B-Bank erneut gegen D klagen? (BGH 2003, 1044)

Der richtige Rechtsbehelf gegen ein VU ist der Einspruch nach § 338. Ein zulässiger Einspruch bewirkt, dass der Prozess, soweit der Einspruch reicht (§ 340 Abs. 2 S. 2), in die Lage (zurück-)versetzt wird, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand (§ 342). Zulässigkeit eines Einspruchs: Statthaft (kein „technisch zweites VU“, § 345; dagegen nur Berufung nach § 514 Abs. 2 möglich) Form und Inhalt des Einspruchs korrekt (§ 340, 496) Einspruchsfrist eingehalten (§ 339) Parteibezogene Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt?

Fall (nach JuS 2014, 51 ff.): S benötigt dringend einen Kredit über 150.000,- € von der B-Bank, kann aber keine Sicherheiten stellen. Er bittet deshalb seinen Freund F „rein als Formsache“ eine Bürgschaft für ihn zu übernehmen. Auch seinen Onkel H kann S überzeugen, für seine Schuld eine Buchhypothek an dessen Grundstück in Kiel zu bestellen. Im Grundbuch ist noch der Vater V des H eingetragen. H kann jedoch einen Erbschein vorlegen, so dass die Hypothek eingetragen wird. Trotz oder wegen des Kredits ist S bald pleite und die B hält sich an den Bürgen F, der protestiert und die Bürgschaft nicht mehr gelten lassen will, weil S ihn belogen habe, schließlich aber doch zahlt. Nun will sich F an H halten. Indes stellt sich heraus, dass der wahre Erbe des V der E war. E wiederum meint, dass er mit all dem Bürgen und Hypotheken nichts zu tun hätte.

F verklagt daraufhin E vor dem LG Kiel auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das belastete Grundstück wegen eines Betrags von 150 000 Euro. Die Klage wird E am Mittwoch, 23. 5. 2012, zusammen mit der richterlichen Verfügung zugestellt, welche neben allen erforderlichen Belehrungen die Aufforderung zur Verteidigungsanzeige innerhalb von zwei Wochen enthält. E ist genervt und reagiert nicht. Am Donnerstag, 7. 6. 2012, ergeht daher, wie von F beantragt, Versäumnisurteil gegen E, zugestellt durch Einlegung in den Briefkasten seiner Wohnung am Samstag, 9. 6. 2012. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich E jedoch auf Grund einer schweren Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus. Als er am Dienstag, 26. 6. 2012, wieder zu Hause eintrifft, findet er das Versäumnisurteil. Nun ist der 30.06.2012 und Sie sollen als Anwalt des E prüfen, was zu tun ist.

Literaturhinweise: Fischer, Aus der Praxis: Parteiwechsel auf Klägerseite, JuS 2009, 38-39 Knöringer, Die Erledigung der Hauptsache im Zivilprozess, JuS 2010, 569-578 Oestmann, Die prozessuale Zusatzfrage in der BGB-Klausur, JuS 2003, 870-872 Pils, Das System der Rechtsbehelfe im Zivilprozess, Jura 2011, 451-457 Stadler/Jarsumbek, Das Versäumnisverfahren gem. §§ 330 ff. ZPO, insbesondere das zweite Versäumnisurteil, JuS 2006, 34-39