Langsam und trotzdem erfolgreich Deutsch lernen

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 Präsentation transkript:

Langsam und trotzdem erfolgreich Deutsch lernen 6. Internationale Konferenz DaF Kleine Lerner, große Lehrer, wirksamer Unterricht Athen - Pallini, 12.-13.9.2014 Prof. PhDr. Věra Janíková, Ph.D. Masaryk-Universität, Brno, Tschechische Republik

Der Mensch von heute hat nur ein einziges wirklich neues Laster erfunden: die Geschwindigkeit. Aldous Huxley

Struktur Individuelle Lernvoraussetzungen Wer ist ein „langsamer“ bzw. lernschwacher Schüler? Warum lernt er langsam/-er? - zur Begrifflichkeit - Ursachen und Symptome Didaktisch-methodische Maßnahmen

Fremdsprachenlernen als individueller Prozess FSL wird als Entwicklungsprozess gesehen, der zwar universellen Gesetzmäßigkeiten folgt (Pienemann1998), hinsichtlich Geschwindigkeit und Variation aber von jedem Lerner individuell vollzogen wird (Tarone 1988). FSL ist ein komplexer Prozess, der durch mehrere Faktoren bestimmt wird, die sich gegenseitig beeinflussen wie individuelle Voraussetzungen, Bedürfnisse und Präferenzen der Lernenden (Hunn 2008)

Faktoren nach Riemer (1997) Exogene Faktoren: z.B. Sprachenpolitik, FSL- Ausbildung, Unterrischtsstil, - materialien, Kontakt mit der Sprache, Umgebung etc. Endogene Faktoren = individuelle Aspekte: Alter, Lernvoraussetzungen, Motivation, Einstellungen, Emotionen, Lernstrategien, individuelle Erfahrungen mit dem FSL etc.

Forschungsprojekt „Besondere Bildungsbedürfnisse im Kontext des Bildungsstandards für die Grundbildung“ 2007-2013, MSM0021622443

Wer Sprachen „langsam“ lernt? z.B. Legasthene Schüler/-innen Schüler/-innen mit Aufmerksamkeits-Defizit- Störung (ADS) Schüler/-innen mit Aufmerksamkeits-Defizit- Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) Schüler/-innen mit Sprach- und Sprechstörungen

Legasthenie Legasthenie (Dyslexie, Lese- /Rechtschreibschwäche, Lese- /Rechtschreibstörung, LRS): eine massive und lang andauernde Störung beim Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechtschreiben Die betroffenen Personen haben Probleme mit der Umsetzung der gesprochenen Sprache in die geschriebene und umgekehrt (Sellin 2004: 28)

ADS und ADHS Aufmerksamkeits-Defizit-Störung (ADS) ein unaufmerksames und impulsives Verhalten ausgeprägt Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts- Störung (ADHS) es kommen noch Unruhe und übermäßiger Bewegungsdrang dazu. Betroffene Personen können durch die kleinsten Ablenkungsfaktoren (im Raum oder auf Arbeitsblättern) abgelenkt werden. Sie müssen sich oft bewegen und stören damit auch immer wieder den üblichen Arbeitsablauf in der Klasse.

Sprach- und Sprechstörungen erschweren das Fremdsprachenlernen Eine Sprachstörung beeinträchtigt die Erzeugung von Sprache, führt also zu Problemen mit der Grammatik und Lexik. Bei der Sprechstörung ist primär die motorische Erzeugung von Lauten betroffen, wodurch es z. B. zur Sprechverlangsamung oder einer undeutlichen Artikulation, oft ist eine vermehrte Sprechanstrengung zu bemerken (vgl. Franke 2008)

Ursachen Kognitive = mentale Prozesse beim Lernen; Störungen der kognitiven Funktionen: phonologische Bewusstheit, orthografisches Wissen, Wahrnehmung und Verarbeitung visueller und akustischer Information etc. Biologische (leichtere Funktionsstörungen des Zentralnervensystems; Gehirn) Umweltfaktoren (u.a. sozio-ökonomische B.) genetische Disposition (vgl. Z.B. Schulte-Körne / Remschmidt, 2003; Komoros 2013)

Symptome der Lernstörungen beim FSL, v.a. Langsamkeit Gedächtnis Konzentration und Aufmerksamkeit Auditiv-sprachliche Schwierigkeiten Schlechte metakognitive und kognitive Lernstrategien Merkfähigkeit

Langsamkeit Manche S. brauchen für das Erfüllen einer Aufgabe mehr Zeit - sie haben ein langsameres Arbeitstempo. Bei umfangreicheren Arbeiten bewältigen sie nicht alle Aufgaben.

Gedächtnis Schwierigkeiten bei der Aneignung von Informationen generell in Bezug auf das frühe Fremdsprachenlernen aus der Sicht der Piagets Entwicklungspsychologie abstrakte Lerninhalte d.h. sprachliche Formen (Aneignung ´noch´ problematisch) mehrkanaliges Lernen (sensomotorische Entwicklungsphase) – empfohlen

Gedächtnis und abstrakte Lerninhalte … erst ab zwölf Jahren ist die Verarbeitung und Speicherung abstrakter, merkmalsbezogener Gedächtnisinhalte möglich, wozu auch sprachliche Formen in den Fremdsprachen gehören: Pronomen, Hilfsverben, idiomatische Strukturen etc. (vgl. Sellin 2004, 26).

Gedächtnis und Sensomotorik die Menschen merken sich Informationen durch mehrere Sinneskanäle ( verschiedene Lerntypen). Die Gedächtniskapazität kann effektiv gefördert werden, indem möglichst viele Sinneskanäle bei der sprachlichen Stoffverarbeitung aktiviert werden (auch Bewegungsaktivitäten)

Konzentration und Aufmerksamkeit Beide Aspekte sind nicht durchgehend gegeben. Besonders stark kommen sie vor, wenn die Kinder müde sind oder im Unterricht überfordert werden. Das Kind (z.B. ): vergisst Interpunktionszeichen zu setzen, kann Arbeitsanweisungen nicht beachten, kann das Unterrichtsgespräch nicht kontinuierlich verfolgen etc.

Auditiv-sprachliche Schwierigkeiten/ Störung Die Sprache kann nicht präzise und angemessen schnell verarbeitet werden. Die Kinder mit dieser stark ausgeprägten Störung können nicht schnell genug auf sprachliche Informationen, Unterrichtsbeiträge von Mitschülern, Lehrerfragen oder mündlich gegebene Arbeitsanweisungen reagieren (z.B. Sellin 2004)

Schlechte metakognitive Lernstrategien oft Probleme: mit der Pünktlichkeit, mit der Ordnung auf dem Schreibtisch, in der Schultasche oder im Heft, mit der Unfähigkeit, den Lernprozess zu planen oder sich mit den Hausaufgaben zurecht zu finden

Schlechte kognitive Lernstrategien Sprachlern- und Sprachgebrauchsstrategien, incl. Kompensationsstrategien (kognitive/ direkte S. - besonders Gedächtnisstrategien) Wenn diese im Unterricht thematisiert werden, können u.a. Automatisierungs- und Strukturierungsvorgänge, Funktionstüchtigkeit des Arbeitsgedächtnisses und die Speicherung der Informationen im sprachlichen Langzeitgedächtnis gefördert werden.

Merkfähigkeit oft geringe auditive Merkfähigkeit (beim Vokabellernen) und geringe visuelle Merkfähigkeit (beim Einprägen von neuen Wortbildern) Dies ist wiederum eng mit Gedächtnisstörungen verbunden.

Können diese Lernenden beim Fremdsprachenlernen erfolgreich werden? JA ☺ WENN

1.) Schwierigkeiten erkannt werden, II.) entsprechende didaktisch-methodische Maßnahmen realisiert werden, III.) Kooperation zwischen den einzelnen „Subjekten“ funktioniert.

I. Schwierigkeiten/Probleme hören und Erkennen können

der Lehrer: beobachtet die Schüler, spricht mit ihnen, motiviert und realisiert den individuellen Zugang arbeitet zusammen mit den Eltern und anderen „Subjekten“

II. Didaktisch - methodische Maßnahmen sog. „Rettungsringe“

Warum mehrere Rettungsringe? Diese „langsamen“ Schüler bilden keine homogene Gruppe, ihre Defizite treten in unterschiedlichen Kombinationen und mit unterschiedlicher Relevanz auf, sie beeinflussen sich gegenseitig und dadurch vervielfacht sich ihre Ernsthaftigkeit

Inhalte vermitteln, üben, wiederholen explizite Erklärung von Sprachaspekten (Aussprache, Grammatik, Wortschatz) mit konkreten Beispielen Kognitive und metakognitive Strategien zu Unterrichtsinhalten machen (z.B. wie lernt man „richtig“) den eingeführten neue Stoff auf verschiedenste Art und Weise wiederholen und anwenden

time management: erklären genau: was zu tun ist (klare Arbeitsaufträge) Fortschreiten in kleineren Schritten regelmäßige Kontrolle

Soziale und affektive Ebene möglichst weitgehende Auflösung des Frontalunterrichts (Gruppenarbeit, Projektphasen, Stationenlernen …) (Fehler)Toleranz eine gute Klassenatmosphäre ist für sensible Schüler von ausschlaggebender Bedeutung.

Auch die Stärken dieser Schüler im Fremdsprachenunterricht sind wahrzunehmen und ihre besonderen Begabungen hervorzuheben, um ihr Selbstwertgefühl zu festigen. Diese Schüler sollten auch für geringe Fortschritte gelobt werden. Sehr „ungesund“ sind Vergleiche mit den Mitschülern

Lerntheoretische Perspektive ganzheitliches - mehrkanaliges Lernen - Sprachspiele, Visualisierung, Alternative Methoden (TPR, Dramapädagogik), Bewegung, Entspannung …

Differenzieren und Individualisieren bieten die Möglichkeit an, den „langsamen“ Schülern ihre Stärken hervorzuheben bzw. mit den intake Schülern „das Tempo“ zu halten

III. Kooperation

Kooperation Lehrkräfte Lehrende mit Lernenden(in der Klasse) Lernende mit Lernenden Eltern Schulpsychologe Pädagogisch-psychologische Beratung

Fazit Es gibt aber keine generelle Regel zur "Legastheniker-Tauglichkeit" einzelner Sprachen, ja es gibt sogar Legastheniker, die Fremdsprachen auffallend leicht lernen, während sie bei der Muttersprache Probleme hatten. Gute Rezepte oder fertige Programme für den Unterricht oder die Förderung gibt es nicht.

Insgesamt hängt der Lernerfolg sicher vor allem davon ab: ob für das einzelne Kind eine geeignete Vermittlungsmethode gefunden wird, ob diese seinen Lerntyp berücksichtigt, ausreichend Strukturierungshilfen anbietet und an seinen individuellen Fähigkeiten und Stärken anknüpft.  

… und Für die Kinder: Meine Fehler und Schwächen sind ebenso ein Segen Gottes wie meine Erfolge und Talente, und alle lege ich ihm zu Füßen. (Mahatma Ghandi) Der Langsamste, der sein Ziel nicht aus den Augen verliert, geht noch immer geschwinder, als jener, der ohne Ziel umherirrt. (Gotthold Ephraim Lessing)

In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst. (Augustinus) Für die Lehrer In dir muss brennen, was du in anderen entzünden willst. (Augustinus) Die Menschen bauen zu viele Mauern doch zu wenig Brücken. (I. Newton)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Literatur (Auswahl) Zeitschrift Frühes Deutsch 21/2010 Janíková, V., & Sorger, B. (2010). Schön langsam gefällt mir Deutsch gaz gut! Frühes Deutsch, (21), 8–14. Rautenhaus, H. (2005). Zum Umgang mit lernschwachen Schülern. In Timm, J.-P. (Ed.), Englisch lernen und Lehren (pp. 86–91). Berlin: Cornelsen. Sellin, K. (2004). Wenn Kinder mit Legasthenie Fremdsprachen lernen. München: Ernst Reinhardt Verlag Zander, Gisela (2002). Was ist LRS-Förderung im Englischunterricht? Mühlheim an der Ruhr: Verlag an der Ruhr Janíková, V. (2007). Probleme der legasthenen Kinder tschechischer Muttersprache beim Deutschlernen. Lingua viva, (5), 44–53. Janíková, V. (2009). Fremdsprachliche Lehrwerke und lernschwache Schüler. Lingua viva, (9), 56–64 Janíková, V. (2008d). Lernschwache Schüler im Fremdsprachenunterricht und die Lehrvoraussetzungen. In M. Kášová (Ed.), Germanistische Studien zur Sprache, Literatur und Didaktik I (pp. 54–67). Prešov: Filozofická fakulta Prešovskej univerzity. Janíková, V. (2010). Fremdsprachenlernen bei Kindern mit Lernschwierigkeiten: ein Kriterienraster für die Lehrwerkanalyse. In B. Bock (Ed.), Aspekte der Sprachwissenschaft: Linguistik-Tage Jena: 18. Jahrestagung der Gesellschaft für Sprache und Sprachen e.V. (pp. 303–312). Hamburg: Verlag Dr. Kovač.