Die Rolle des Darmmikrobioms in der frühkindlichen Entwicklung

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Die Rolle des Darmmikrobioms in der frühkindlichen Entwicklung David Endesfelder Helmholtz Zentrum München Scientific Computing Research Unit Wien, 13.09.2014

Das Darmmikrobiom Mikrobielle Gemeinschaften finden sich in vielen Körperregionen (z.B. Haut, Mund, Lunge und Darm) Die meisten Mikroorganismen befinden sich im Darm Der menschliche Darm beherbergt 10 mal mehr bakterielle Zellen (ca. 1014) als menschliche Zellen im Körper Das Darmmikrobiom hat ein ca. 150 mal größeres genetisches Repertoire (ca. 5 Mio Gene) als der menschliche Körper Die metobolische Kapazität der Darmbakterien entspricht in etwa der Leber Das Darmmikrobiom wird daher oft als vergessenes Organ bezeichnet From the August, 18 2012 cover of "The Economist"

Das Mikrobiom verschiedener Körperregionen Spor et al. Nature Reviews Microbiology 2011

Taxonomische Einordnung Chordatiere Säugetiere Primaten Hominidae Homo Homo sapiens

Aufgaben des Darmmikrobioms Abbau von nicht verdaulichen Nahrungsprodukten Entwicklung des Immunsystems Entwicklung der Mucusschicht Bereitstellung von Energie Synthese essentieller Vitamine (z.B. K und B) Schutz vor der Invasion mit Pathogenen

Messung des Darmmikrobioms Die meisten Bakterien sind nicht kultivierbar 16S rRNA Sequencing und Metagenom-Sequencing Schätzung der Zusammensetzung des Mikrobioms Identifikation neuer Bakterienarten

Der Einfluss von Umweltbedingungen Sommer et al. Nature Reviews 2013

Besiedlung des kindlichen Darmmikrobioms Spor et al. Nature Reviews Microbiology 2011

Entwicklung zum adulten Mikrobiom Yatsunenko et al. Nature 2012 Dominguez-Bello et al. Gastroenterology, 2011

Geburtsmodus beeinflusst die Besiedlung des frühen Darmmikrobioms Dominguez-Bello et al. PNAS 2010 Dominguez-Bello et al. PNAS 2010

Einfluss der Ernährung De Filippo et al. PNAS 2010 Koenig et al. PNAS 2011 Kinder werden noch gestillt

Veränderung des Darmmikrobioms über die Zeit Endesfelder et al., Diabetes 2014

Bakterielle Interaktionsnetzwerke 3 stabile bakterielle Gemeinschaften werden zum Alter 0.5 Jahre identifiziert

Frühe und späte bakterielle Gemeinschaften early late

pro/anti-inflammatorische Signale Taxonomische Verteilung Stillen Erwachsenes Mikrobiom Frühes Mikrobiom pro/anti-inflammatorische Signale Bacillus

Assoziation mit Stillen Charakterisierung nach Phenotypen Assoziation mit Stillen

Taxonomie vs Funktion

Einfluss der Behandlung mit Antibiotika (Cyprofloxacin) Dethlefsen et al., PNAS 2011

Einfluss der Behandlung mit Antibiotika Dethlefsen et al., PNAS 2011

Enterotypen des Darmmikrobioms Arumugam et al. Nature 2011

Assoziation mit Krankheiten Kinross et al. Genome Medicine 2011

Hygiene Hypothese Die Anzahl chronisch-inflammatorischer Krankheiten ist in den letzten Jahrzehnten dramatisch angestiegen Erhöhte Hygiene durch westlichen Lebensstil Verminderter Kontakt mit Krankheitserregern, symbiotischen Mikroorganismen und Parasiten Natürliche Entwicklung des kindlichen Immunsystems wird gestört Entstehung von Allergien und Autoimmunerkrankungen Gern & Busse Nature Reviews Immunology 2002

Einfluss auf die Entwicklung des Immunsystems Umweltfaktoren haben eine entscheidende Rolle in der frühkindlichen Entwicklung des Immunsystems Die Kolonisierung der Mucusschicht durch symbiotische und kommensale Mikroorganismen ist essentiell wichtig Symbiotische Bakterien können inflammatorische Reaktionen verhindern Die Kolonisierung des Darms mit Bakterien spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung des frühen Immunsystems

Einfluss auf die Entwicklung des Immunsystems Renz et al. Nature Reviews Immunology 2011

Dysbiose Round & Mazmanian Nature Reviews Immunology 2009

Darm-Hirn-Achse Bidirektionale Kommunikation zwischen Darm und Gehirn Das mukosale und das systemische Immunsystem können sich auf das Gehirn und den Darm auswirken Der Hirnstamm kann als Schaltzentrum für die Schmerzverarbeitung dienen und kann Signale mittels dem Rückenmark und dem autonomen Nervensystem in beide Richtungen senden Im Verdauungstrakt und dem enterischen Nervensystem können Neurotransmitter und Neuropeptide die Physiologie des Darms und somit auch das zentrale Nervensystem beeinflussen Mikrobiota beeinflussen die Entwicklung und die Funktion des Verdauungstrakts und des zentralen Nervensystems O`Mahony et al. Psychopharmacology 2011

Darm-Hirn-Achse Veränderungen in Gehirn-Darm Interaktionen wurden mit Darmentzündungen, chronischen Bauchschmerzen, Essstörungen und Veränderungen in der Reaktion auf Stress und im Verhalten assoziiert Es treten häufig Doppeldiagnosen von Stress assoziierten psychiatrischen Symptomen und Krankheiten des Verdauungstrakts auf Darmbakterien haben möglicherweise einen signifikanten Einfluss auf die Darm-Hirn-Achse Die Darm-Hirn-Achse ist ein interessantes Ziel für neue Behandlungsstrategien für zahlreiche Krankheiten (z.B. Adipositas, Angststörungen, entzündliche Darmerkrankungen)

Mausexperimente: Einfluss des Darmmikrobioms auf Gehirnfunktionen Cryan et al. Nature Reviews Neuroscience 2012

Effekt des Mikrobioms auf das Gehirn in keimfreien Mäusen Erhöhte Produktion von Stresshormonen in keimfreien Mäusen Weniger ängstliches Verhalten keimfreien Mäusen Diaz Heijtz et al. PNAS 2011 Sudo et al. Journal of Physiology 2004

Bakterielle Infektionen Trichuris muris Infektion verursacht ängstliches Verhalten Citrobacter rodentium Infektion beeinflusst Gedächtnis Bercik et al. Gastroenterology 2010 Gareau et al. Gut 2011 7 tage vor Infektion chronic mucosal inflammation Medikamente für entzündliche Darmerkrangen WAS=water avoidence stress

Autismus und das Darmmikrobiom Kang et al. PLOSone 2013

Probiotika und die Darm-Hirn-Achse Kombination aus Lactobacillus helveticus und Bifidobacterium longum vermindert ängstliches Verhalten in Experimenten mit Ratten (Messaoudi et al, Br. J. Nutr. 2011) Lactobacillus rhamnosus vermindert ängstliches Verhalten in Mausexperimenten (Bravo et al., PNAS 2011) Probiotische Bakterien vermindert Angstsymptome in Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom (Rao et al., Gut Pathogens 2009)

Zusammenfassung Der Darm ist ein komplexes Ökosystem Zahlreiche Faktoren beeinflussen die Zusammensetzung des Darmmikrobioms (z.B. Ernährung, Geburtsmodus, Hygiene, Medikamente, Lebensstil, etc.) Das Darmmikrobiom hat eine zentrale Rolle in der Entwicklung des Immunsystems Das Darmmikrobiom hat möglicherweise einen Einfluss auf Gehirnfunktionen (Darm-Hirn-Achse) Das Darmmikrobiom wurde mit zahlreichen Krankheiten assoziiert (Depression, Angststörungen, Autismus, Diabetes, entzündliche Darmerkrankungen, Adipositas, etc.) Ein besseres Verständnis des Zusammenhangs zwischen dem Darmmikrobiom und der Entstehung von Krankheiten kann neue Therapiestrategien ermöglichen (z.B. durch Probiotika, Antibiotika und fäkale Transplantation) Zusätzliche Experiment in humanen Samples werden benötigt

Danksagung Scientific Computing Research Unit Helmholtz Zentrum München Institute for Diabetes Research Helmholtz Zentrum München Center for Regenerative Therapies , Dresden PD Dr. W. zu Castell Prof. Dr. A.-G. Ziegler PD Dr. P. Achenbach Dr. M. Pflüger Prof. Dr. E. Bonifacio M. Hagen Department of Microbiology and Cell Science, University of Florida Department of Pediatrics University of Florida Broad Institute MIT and Harvard Prof. Dr. E. Triplett Dr. A. Davis-Richardson Dr. D. Gevers Dr. R. Xavier Prof. Dr. D. Schatz Prof. Dr. M. Atkinson

Referenzen Arumugam M et al. Enterotypes of the human gut microbiome. Nature. 2011 May 12;473(7346):174-80. Bercik P et al. Chronic gastrointestinal inflammation induces anxiety-like behavior and alters central nervous system biochemistry in mice. Gastroenterology. 2010 Dec;139(6):2102-2112.e1. Bravo JA et al. Ingestion of Lactobacillus strain regulates emotional behavior and central GABA receptor expression in a mouse via the vagus nerve. Proc Natl Acad Sci U S A. 2011 Sep 20;108(38):16050-5. Cryan JF, Dinan TG. Mind-altering microorganisms: the impact of the gut microbiota on brain and behaviour. Nat Rev Neurosci. 2012 Oct;13(10):701-12. Diaz Heijtz R et al. Normal gut microbiota modulates brain development and behavior. Proc Natl Acad Sci U S A. 2011 Feb 15;108(7):3047-52. Dominguez-Bello MG et al. Development of the human gastrointestinal microbiota and insights from high-throughput sequencing. Gastroenterology. 2011 May;140(6):1713-9. De Filippo C et al. Impact of diet in shaping gut microbiota revealed by a comparative study in children from Europe and rural Africa. Proc Natl Acad Sci U S A. 2010 Aug 17;107(33):14691-6. Dethlefsen L, Relman DA. Incomplete recovery and individualized responses of the human distal gut microbiota to repeated antibiotic perturbation. Proc Natl Acad Sci U S A. 2011 Mar 15;108 Suppl 1:4554-61. Gareau MG et al. Bacterial infection causes stress-induced memory dysfunction in mice. Gut. 2011 Mar;60(3):307-17. Gern JE, Busse WW. Relationship of viral infections to wheezing illnesses and asthma. Nat Rev Immunol. 2002 Feb;2(2):132-8. Kang DW et al. Reduced incidence of Prevotella and other fermenters in intestinal microflora of autistic children. PLoS One. 2013 Jul 3;8(7):e68322.

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