Die perioperative Therapie beginnt beim Hausarzt 03.04.2014 Andrea Schoke Oberärztin Viszeralchirurgie Leiterin ERAS Kantonsspital Winterthur
Was empfehlen Sie Ihrem Patienten vor einem grösseren abdominal-chirurgischen Eingriff?
Optimierung der perioperativen Therapie ERAS ERAS= Enhanced Recovery after Surgery Ziel: Verbesserung des postoperativen Outcomes Reduktion von chirurgischem Stress Minimierung von Komplikationen Verbesserung der postoperativen Erholung
S3-Leitlinie DGEM für klinische Ernährung in der Chirurgie 2013
Metabolische Veränderungen Zeitverlauf der postoperativen Insulinsensitivität Thorell A, Curr Opin Clin Nutr. Metab. Care 1999
Postoperative Veränderungen Veenhof et al, Ann Surg 2012
Veenhof et al, Ann Surg 2012
Postoperative Veränderungen Veenhof et al, Ann Surg 2012
ERAS- Evidenz? ERAS 2005 Evidence based
Multimodales Konzept Chirurgie
Multimodales Konzept Anästhesie
Multimodales Konzept Pflege
Multimodales Konzept Audit
ERAS- Evidenz ERAS 2012 Evidence based ERAS 2013
Durch ERAS können Komplikationen ERAS Nutzen Durch ERAS können Komplikationen um 32% reduziert werden Heng-Le Zhuang, Dis Colon Rectum 2013: ERAS Versus Traditional Care for Colorectal Surgery: a metaanalysis of Randomised Controlled Trials
ERAS Hospitalisationsdauer Die Hospitalisationsdauer kann im Durchschnitt durch ERAS um 2.4 Tage reduziert werden Heng-Le Zhuang, Dis Colon Rectum 2013: ERAS Versus Traditional Care for Colorectal Surgery: a metaanalysis of Randomised Controlled Trials
ERAS Konzept 20 Key Items Präoperativ Perioperativ Postoperativ Patienten Information Anästhesieprotokoll: EDA… Ileus Prophylaxe Ernährung Optimiertes Flüssigkeitsmanagement Keine Magensonde Kein Fasten/ Kohlenhydrate PONV Schnelle Entfernung der Katheter Keine Prämedikation Keine intraoperative Hypothermie Analgesie Kein Abführen Keine Drainagen/Sonden Früh- Mobilisation Antibotikaprophylaxe Thromboseprophylaxe Nikotin und Alkoholkarenz Laparoskopie (AUDIT!) ERAS Guidelines: Gustafsson UO, Clin Nutr 2012
ERAS Konzept 20 Key Items Präoperativ Perioperativ Postoperativ Patienten Information Anästhesieprotokoll: EDA… Ileus Prophylaxe Ernährung Optimiertes Flüssigkeitsmanagement Keine Magensonde Kein Fasten/ Kohlenhydrate PONV Schnelle Entfernung der Katheter Keine Prämedikation Keine intraoperative Hypothermie Analgesie Kein Abführen Keine Drainagen/Sonden Früh- Mobilisation Antibotikaprophylaxe Thromboseprophylaxe Nikotin und Alkoholkarenz Laparoskopie (AUDIT!) ERAS Guidelines: Gustafsson UO, Clin Nutr 2012
Patienten Information Aufklärung und Information des Patienten reduzieren Ängste, erhöhen das Sicherheitsgefühl Wichtigkeit der optimalen perioperativen Ernährung und der Mobilisation nach chirurgischem Eingriff Mitverantwortung des Patienten Sjöstedt, Gastroenterol Nurs 2011 ERAS Guidelines: Gustafsson U 2013
Patienten Optimierung Medikamentöse Optimierung Erfassung und Verbesserung des Ernährungszustandes Verbesserung des Allgemeinzustandes Ambulante Physiotherapie bei pulmonalem Risiko?
Nikotin- und Alkoholkarenz Empfehlung der Alkoholkarenz bei täglichem Überkonsum Beginn 4 Wochen präoperativ Empfehlung ERAS Guidelines Evidence Level: low, Grade of Recommendation: strong ERAS Guidelines: Gustafsson UO, World J Surg 2013
Nikotin- und Alkoholkarenz Empfehlung des Nikotinstopps 4 Wochen präoperativ Empfehlung ERAS Guidelines Evidence Level: high, Grade of Recommendation: strong ERAS Guidelines: Gustafsson UO, World J Surg 2013
Der Stellenwert der perioperativen Ernährung
Was heisst Mangelernährung?
Definition: Mangelernährung Überbegriff für Zustände mit Ungleichgewicht zwischen Nährstoffzufuhr und Nährstoffbedarf Gestörter Nährstoffverwertung Unkontrolliertem Abbau von Körpersubstanz Bauer JM et al, Definitionen: Unter- und Mangelernährung, Thieme Verlag KG, 2011
Erfassung des Risikos für Mangelernährung in der Chirurgie Screening z.B. NRS 2002 >3 Serumalbumin <30g/l (präoperativer Ausschluss einer Leber- oder Nierenfunktionsstörung) Gewichtsverlust >10-15% innert 6 Monaten BMI <18.5 kg/m2 Prädiktiver Wert für Auftreten von Komplikationen S3-Leitlinie DGEM Klinische Ernährung in der Chirurgie 2013
Nutrition Risk Score 2002 Kondrup J, Clin Nutr 2003
Risiko für Mangelernährung Clinical Nutrition (2008) 27, 565-570
Mangelernährung in „Major Surgery“ 246 pat, major abdominal surgery 62 (25%) at risk (NRS ≥ 3) 184 not at risk (NRS < 3)
Mangelernährung in „Major Surgery“ 246 pat, major abdominal surgery 62 (25%) at risk (NRS ≥ 3) 184 not at risk (NRS < 3) 36 (58%) complications 44 (23%) complications p<0.01
Risiko für postoperative Komplikationen Breitenstein, SZE 2012
Der Stellenwert der perioperativen Ernährung im ERAS Konzept Einbeziehung der Ernährung in das therapeutische Gesamtkonzept Screening und Erfassung des metabolischen Risikos Vermeidung längerer Nüchtern-Perioden Frühestmögliche Wiederaufnahme der Nahrungszufuhr postoperativ Frühe Mobilisation zur Stimulation der Proteinsynthese und Muskelfunktion
Perioperative Ernährung bei Patienten ohne Tumorerkrankungen (ERAS) Perioperative Ernährung (ERAS) Präoperativ Postoperativ Mangelernährung Ernährungssupport 10-14 Tage Früher Ernährungsbeginn Orale Ernährungs-Supplemente (ONS) Ernährungssupport Normaler Ernährungszustand (NRS <3) Normale Kost, ggf. ONS ONS bis zum erfolgten Nahrungsaufbau Ernährungssupport bei Komplikationen ERAS Guidelines, Gustafsson Clin Nutr 2012
Die perioperative Ernährung Indikation für supplementierende künstliche Ernährung (orale Nahrungs-Supplemente, ONS) Prävention und Behandlung von Katabolie und Mangelernährung Perioperativer Erhalt des Ernährungszustandes ONS auch bei Patienten ohne offensichtliche krankheitsspezifische Mangelernährung bei postoperativem Risiko der unzureichenden Nährstoffaufnahme S3-Leitlinie DGEM für klinische Ernährung in der Chirurgie 2013
Perioperative Ernährung bei Patienten mit Tumorerkrankungen ESPEN-Guidelines: Weimann A, Clin Nutr 2006 S3-Leitlinie DGEM für klinische Ernährung in der Chirurgie 2013
Immunonutrition Verbesserung der Nutrition (v.a. Kalorien-, Protein- Substitution) Verbesserung der Immunantwort (Immunmodulation)
Immunonutrition Postoperative Infektionsrate Anastomosen-Insuffizienz Hospitalisationsdauer Schneider H, Ernährungsmedizin, 2005 ESPEN Guidelines: Weimann A, Clin Nutr 2006
Gianotti L. et al Gastroenterology 2002 Immunonutrition Gut ernährte Patienten (NRS < 3) Gastrointestinale Chirurgie Complications(%) Gianotti L. et al Gastroenterology 2002
SVK, Schweizerischer Verband der Krankenkassen Immunonutrition Kostenträger? SVK, Schweizerischer Verband der Krankenkassen
„Immunmodulierende Substanzen“ Immunmonutrition „Immunmodulierende Substanzen“ Arginin Omega 3 Fettsäuren Nukleotide Immunomodulation und Entzündungshemmung
Immunmonutrition Arginin Verbesserte Wundheilung (Kollagen) Verbesserte T-Lymphozyten-Antwort Sekretion von Wachstumshormonen (Sekretion Insulin, Prolactin) Proteinsynthese verbessert
Immunmonutrition Omega 3 Fettsäuren Produktion von Prostaglandin E3 Verhältnis Omega 3: Omega 6 vergrössert Immunmodulation Entzündungshemmung Duchblutungsfördernd
Immunmonutrition Nukleotide Lymphatisches Gewebe (?) Mitose und Reifung der Enterozyten verbessert Barrierefunktion des Darmes verbessert
Vermeidung längerer Nüchternheits- Perioden präoperativ Feste Nahrung bis 6 Stunden vor Anästhesie Einleitung Klare Flüssigkeit sowie kohlenhydrathaltige Flüssigkeit bis 2 Stunden vor Anästhesie Beginn Ausnahme: Pat. mit bekannter Magenentleerungsstörung, Notfallpatienten ERAS Guidelines: Gustafsson UO, World J Surg 2013 S3-Leitlinie DGEM für klinische Ernährung in der Chirurgie 2013
Vermeidung längerer Nüchternheits- Perioden präoperativ Niedrigere Komplikationsrate Kürzere Hospitalisationsdauer ERAS Guidelines 2013: EBM Level moderate, Rec. level: strong S3 Leitlinie DGEM 2013: EBM Grad A: starker Konsens ERAS Guidelines: Gustafsson UO, World J Surg 2013 S3 Leitlinie DGEM: Weimann A, Aktuel Ernährungsmed 2013 Varadhan KK, Clin Nutr 2010
Präoperative Glukosezufuhr (Carbohydrate Loading) 12.5%ige Glukoselösung (alternativ Frucht-Limonade) am Abend/in der Nacht vor der Operation und 2 h vor Narkose Einleitung Cave bei Diabetes mellitus oder Magenentleerungsstörung ERAS Guidelines: EBM Level low, Rec. level: strong S3 Leitlinie DGEM: EBM Grad B, starker Konsens ERAS Guidelines: Gustafsson UO, World J Surg 2013 S3-Leitlinie DGEM für klinische Ernährung in der Chirurgie 2013
Präoperative Glukosezufuhr (Carbohydrate Loading) Reduktion von Durst, Hunger, Angst Reduktion der postoperativen Insulin Resistenz Geringerer postoperativer Verlust von Proteinen und Stickstoff ERAS Guidelines: Gustafsson UO, World J Surg 2013
Präoperative Glukosezufuhr 21 prospektive RCT
Signifikant kürzere Hospitalisationsdauer (p=0 Signifikant kürzere Hospitalisationsdauer (p=0.007) bei grossen abdominal-chirurgischen Eingriffen Awad S, Clin Nutr 2013
Frühmobilisation (ERAS) Am Operationstag bereits Frühmobilisation von 2 Stunden, ab dem ersten postoperativen Tag 6 Stunden Mobilisation/Tag Anregung des Kreislaufes Schnellerer Beginn der Magen-Darm Funktion Anregung der Proteinsynthese, weniger Muskelabbau ERAS Guidelines: Gustafsson UO, World J Surg 2013
ERAS nach Entlassung Auch nach Entlassung weitere Evaluation der Situation (Ernährung, Befinden, Hinweise für Infektionen) zu Hause durch den Hausarzt und/ oder die ERAS Nurse Telefon 5-7 Tagen nach Entlassung: standardisierter Fragenkatalog zur Erhebung von Ernährungsproblemen, möglicher Infektion, Befinden Klinische Kontrolle beim Chirurgen nach 4-6 Wochen
ERAS Audit System Standardisierte anonymisierte Erfassung aller Patienten im ERAS Audit System eigene Compliance zum ERAS Protokoll Erfassung von Problemen oder erhöhten Komplikationen
ERAS Protokoll Je höher die Compliance/Adherence zum ERAS Protokoll desto besser das postoperative Outcome Gustafsson UO, Arch Surg 2011
Schlussfolgerung Information des Patienten und Motivation zur Eigenverantwortung Präoperative Optimierung (Medikamente, Alkohol, Nikotin…) Präoperative Erkennung des Risikos für Mangelernährung Perioperativer Ernährungssupport Immunonutrition bei abdominalen Tumorpatienten mit oder ohne Risiko für Mangelernährung Möglichst kurze Nüchternphasen, Carbohydrate Loading
Was empfehlen Sie Ihrem Patienten vor einem grösseren abdominal-chirurgischen Eingriff?