Wie lässt sich Alzheimer heute behandeln? Stand der Therapie Alzheimer-Krankheit: Wunsch und wissenschaftliche Wirklichkeit in Forschung, Prävention, Therapie Hirnligatagung, Frankfurt, 11. Januar 2011 Wie lässt sich Alzheimer heute behandeln? Stand der Therapie Prof. Dr. Ralf Ihl Alexianer Krefeld GmbH Maria-Hilf-Krankenhaus Klinik für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie
WFSBP-Guidelines 2011 Einführung Transparente Darstellung der Datenlage Datengestützte Analyse zur Wirksamkeit Reduktion auf Aussagen, die durch die Methodik gestützt sind Praxisgestützte Ergebnisanalyse unter Abwägung von Wirkung und Nebenwirkung Zurückhaltende Empfehlung © Ihl 2011
WFSBP-Guidelines 2011 Evidenz und Empfehlungsgrade WFSBP, Bandelow et al. 2008 a und b) A = Mind. 2 positive RCTS + mind. Vergleichbarkeit mit kompetitiver Substanz in placebokontrollierter Studie (Empfehlungsgrad 1 bei guter risk/benefit Bewertung sonst Empfehlungsgrad 2) B = mind. 1 positive RCT (Empfehlungsgrad 3) C = unkontrollierte positive Studie oder Expertenmeinung (Empfehlungsgrad 4) D = Inkonsistente Ergebnis (+ und -, Empfehlungsgrad 5) E = Negative Studien F = Fehlende Daten © Ihl 2011
WFSBP-Guidelines 2011 Studiennotwendigkeit Antidementiva Verschiedene Krankheitskriterien/Krankheiten Verschiedene Schweregrade Verschiedene Altersstufen Verschiedene Dauer Verschiedene Dosen Beispiele: Donepezil bei „Probable AD“ 5 Studien bei Patienten mit 6 Monaten Dauer, einer Dosis, einem mittleren Alter von 70-79 Jahren unterschiedlichen Schweregrads, keine bei jüngeren und eine bei älteren Patienten Bei Rivastigmin: 4 Studien zu einer Dauer, einer Diagnosegruppe, einer Altersgruppe und einem Schweregrad mit unterschiedlicher Dosierung. © Ihl 2011
WFSBP-Guidelines 2011 Methodik Wenn nur die Variablen Dauer, Dosis, Schweregrad, Alter und Krankheit berücksichtigt werden, ergibt sich schon die Notwendigkeit einer Vielzahl von Studien. Eine negative Studie belegt nicht eine fehlende Wirksamkeit einer Substanz. Wird das Signal nicht entdeckt, gibt es eine Vielzahl von Ursachen © Ihl 2011
WFSBP-Guidelines 2011 Beispiele von Studienfehlern Power zu niedrig Heterogene Gruppen Gruppenunterschiede neben der Untersuchungsvariable Falsche oder fehlende Randomisierung Inadäquate oder fehlende Verblindung Unzureichende Diagnostik Unbekannter Schwergrad Geringe Patientenzahl/Center Unbekannte Zentrenanzahl Nicht valide Tests Aussagebegrenzung von Tests nicht berücksichtigt Fehlendes Ratertraining Falsche statistische Auswertung Überbewertung von Fehlern Fehlende Alpha-Justierung Gabe anderer psychoaktiver Substanzen LOCF-Auswertung Unterschiedliche Abbruchraten etc. © Ihl 2011
Metabolische Hypothese der Alzheimerkrankheit Verändert nach Hoyer, 2002 HPA-Achse G extrazellulär NMDA- Rezeptor Kortison Freie Radikale Cholesterin TNF M Zellmembran W3-Fettsäuren Insulinrezeptor G Mitochondrien CI APP Ab-1-42 Anstieg ATP Actylcholin- minderung Dimebon Grüner Tee MTC t-Protein Homozystein intrazellulär Folsäure CI=Cholinesteraseinhibitoren; G=Ginkgo biloba EGb761; M=Memantine © Ihl, 2010
IQWIG Donepezil (19-A) Galantamin Rivastigmin Ginkgo Biloba (19-B) Memantine 19-C Aktivitäten des täglichen Lebens d) Psychopathologische Symptome b) Keine Daten Kognitive Leistungsfähigkeit Krankheitsbezogene Lebensqualität b) ( ) Vollstationäre Pflege (Institutionalisierung) Fehlt Mortalität ( ) Unerwünschte Ereignisse b) c) Lebensqualität der (betreuenden) Angeh. b) Unsichere Daten ( ) Betreuungs- aufwand Klinisches Krankheitsstadium b) Dosis-Wirkungs-Beziehung 5 mg wirken weniger 8 mg erfolglos Bis 4 mg erfolglos 240 mg - © Ihl, 2009, Ausführlich in: Ihl R, Demenztherapie auf dem Prüfstand, Geriatrie Praxis 5/2009
Donepezil Galantamin Ginkgo Memantine Rivastigmin Antidementivastudien ADAS-COG Donepezil Galantamin Ginkgo Memantine Rivastigmin © Ihl, 2010
WFSBP-Guidelines 2011 Antidementivaindikation nach Krankheiten MCI Antidementiva können derzeit weder zu Prävention noch bei MCI empfohlen werden Evidenzstufe F AD und VD Donepezil, Galantamin, Ginkgo Biloba Extrakt, Memantine und Rivastigmin werden zur symptomatischen Behandlung der Alzheimer wie der vaskulären Demenz empfohlen Evidenzstufe B, Empfehlungsgrad 3 Die Substanzen haben einen moderaten Effekt LBD Bei der Lewy-Körperchen Demenz wird Rivastigmin empfohlen © Ihl 2011
WFSBP-Guidelines 2011 Rahmendaten Schweregrad Zur schweregradbezogenen Indikation ist eine studienbasierte fundierte Aussage nicht möglich. Antidementivaauswahl Individuelle Symptomkonstellation, zu erwartende Nebenwirkungen und der Schweregrad bestimmen die Auswahl des Antidementivums Eine Kombination von Medikamenten mit unterschiedlichem Wirkmechanismus kann erwogen werden Empfehlungsgrad 4 Mögliches Ergebnis „modest symptom improvement over a limited time in a part of the patients“ Evidenzstufe B © Ihl 2011
WFSBP-Guidelines 2011 Therapie Beginn der Therapie Nach der Diagnose Therapiekontrolle Verstärkte Nebenwirkungskontrolle in den ersten 6 Wochen Alle 6 Monate Prüfen vor Therapiefortführung Ende der Therapie Individuelle Entscheidung erforderlich Bei Auftreten von relevanten Nebenwirkungen In Abstimmung mit Patient oder gesetzlichem Vertreter © Ihl 2011
Neuropsychiatrische Symptome (NPS) Beispiele: Aggression, Agitation, Enthemmung, Irritierbarkeit, Euphorie, Depression, Angst, Phobien, Wahnvorstellungen, Halluzinationen, Nächtliche Verwirrtheit, Weinen, Unangemessenes Verhalten, sich ständig wiederholendes Verhalten, Apathie, Persönlichkeitsveränderungen, Unruhe, Herumlaufen, Appetitveränderungen, Auffälligkeiten beim Essen, Unkooperativität, Selbstgefährdung, Angst vor dem Alleinsein, Verändertes Sexualverhalten © Ihl, 2010
Mögliche Ursachen Biologische Hypothese Psychologische Hypothesen Umweltbezogene Hypothesen © Ihl, 2010
Yerkes-Dodson-Gesetz (1908) Leistung Yerkes-Dodson-Gesetz (1908) Entspannung Stress Anspannung © Ihl, 2010 15
Psychologische Hypothese NPS als Folge verminderter Stresstoleranz Gesundes Altern Demenz NPS Erregung Leistung Performance Niedrig hoch schwach stark © Ihl, 2010
Weitere psychologische Hypothesen Ausstehende Bedürfnisbefriedigung (Hunger, Durst, etc.) bestimmen die NPS. Auffällige Verhaltensweisen werden durch Response der Pflegenden verstärkt. © Ihl 2011
Umweltbezogene Hypothese Wahrnehmen ermöglichen stark gering Müdigkeit, Angst, Unruhe, Aggressivität Ungünstig Vorteilhaft Licht Dunkelheit 500 Lux in Augenhöhe, warme Lichtqualität Wärme Überhitzung, Unterkühlung Ca. 23 Grad Celsius Geruch Unangenehme Düfte Keine oder moderate angenehme Gerüche Geräusch Lärm Ruhe © Ihl 2010
WFSBP-Guidelines 2011 Behandlung der NPS 1. „Ursachenbeseitigung“ 2. ggf. Antidementiva 3. als ultima ratio andere Medikamente © Ihl 2011
GRUNDLEGENDE VERHALTENSWEISEN Versuchen Sie, die Ursachen des auffälligen Verhaltens herauszufinden. Vermeiden Sie Schuldzuweisungen: die Alzheimerkrankheit ist für die Auffälligkeiten verantwortlich. Versuchen Sie, einfühlsam zu reagieren. Aggression und Unverständnis verstärken die Auffälligkeiten. Fördern Sie alle noch vorhandenen Fähigkeiten. Helfen Sie mit beim Beginn von Tätigkeiten und lassen Sie sie alleine zu Ende führen. Nutzen Sie die Schwächen des Patienten zu beider Vorteil. Zeigen Sie Humor in lustigen Situationen, die Krankheit ist hart genug. © Ihl, 2010
Nach Bedürfnissen einrichten + Nach Bedürfnissen einrichten Verhaltensqualität - Ungünstig Vorteilhaft Platzangebot Enge Großzügiges Platzangebot Einrichtung Abgewohnte, zusammen gewürfelte Möblierung Abgestimmte aktuelle Hindernisse Vorhanden Zugang zu allen Räumen und Außenbereich Ruhebereich Fehlen © Ihl 2010
IQWIG – Training der Pflegenden Aktivitäten des Alltags Verhaltensauffälligkeiten Kognitive Fähigkeiten Krankheitsbezogene Lebensqualität Institutionalisierung Sterblichkeit Unerwünschte Wirkungen Lebensqualität der Angehörigen Zeitaufwand der Pflegenden Krankheitsstadium Dosis-Wirkungszusammenhang Keine Daten © Ihl 2011
Antidementivastudien NPI © Ihl, 2010
NPI-Ergebnisse in 6-Monats-Studien zu Antidementiva Größte und kleinste Placebo-Verum-Differenz Yancheva et al. 2007 D NPI Napryeyenko et al. 2007 p<.001 Gauthier et al. 2000 p<.002 Cummings et al. 2006 Tariot et al. 2000 p<.028 p<.05 p<.001 ns ns ns Brodaty et al. 2005 Van Dyck et al. 2007 Tune et al. 2003 © Ihl, 2010 Ihl et al., 2010
Wohin geht der Weg? © Ihl 2011
Altersplanung Sei nett zu Deinen Kindern, sie suchen Dir Dein Altenheim aus! Neue Wohnformen, wie Hausgemeinschaften bieten erhebliche Vorteile. Rechtzeitige Planung spätestens in den Vierzigern hilft! © Ihl, 2010
17% 7% Anteil von Menschen mit 5 oder mehr Erkrankungen bei 58 bis 63-jährigen Alterssurvey 2010, DZA © Ihl, 2010
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!