Wandel europäischer Lokalsysteme: Wirkungen institutioneller Dezentralisierungspolitik Ein Problemaufriss Falk Ebinger Stephan Grohs Renate Reiter.

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 Präsentation transkript:

Wandel europäischer Lokalsysteme: Wirkungen institutioneller Dezentralisierungspolitik Ein Problemaufriss Falk Ebinger Stephan Grohs Renate Reiter

Hintergrund Förderung durch: Projektleitung: Jörg Bogumil (Ruhr-Uni Bochum) Sabine Kuhlmann (Universität Potsdam) Laufzeit: 1/2007 bis 12/2009

Gliederung Fragestellung und konzeptioneller Hintergrund Länderprofile: Wandel der lokalen Institutionen und Funktionalprofile in D, E und F Performanzmessung als Problem Hypothesen zur Performanzentwicklung Fazit und Ausblick

Fragestellung 1. Welche Auswirkungen haben unterschiedliche Formen von Aufgabendezentralisierung auf Die institutionellen Grundstrukturen der Verwaltungsorganisation Die Handlungswirklichkeit und die Performanz lokaler Gebietskörperschaften in D, E und F? 2. Welche Bestimmungsfaktoren für Wirkungsunterschiede und –gemeinsamkeiten lassen sich im Länder- und Politikfeldvergleich identifizieren?

Formen von Aufgabendezentralisierung Politische Dezentralisierung Administrative Dezentralisierung Administrative Dekonzentration

Konzeptioneller Hintergrund Gebiets-organisationsmodell (multi purpose model) Aufgaben-organisationsmodell (single purpose model) Verwaltungs-organisation Horizontal und gebietsbezogen Aufgabenbündelung Einheit der Verwaltung Vertikal und funktionsbezogen Aufgabendifferenzierung Sektoralisierung der Verwaltung Vermutete Performanz-effekte Harmonisierung und Ausgleich konkurrierender Aufgaben Demokratische Kontrolle „vor Ort“ Geringe Spezialisierung Suboptimale fachliche Aufgabenerfüllung Suboptimale horizontale Koordination Mangelnde demokratische Kontrolle Hohe fachliche Spezialisierung Effektive, aber sich abschottende Erfüllung von Fachaufgaben

Untersuchungskonzept Zwei-Schritt-Modell institutioneller Wirkungsanalyse De-zentralisierungs-politik Institutionelle Veränderungen Performanz-veränderungen Unabhängige Variable Abhängige Variable Erster Analyseschritt Zweiter Analyseschritt Akteurs-, länder- und policy-spezifische Erklärungsfaktoren

Ausgangsbedingungen: Traditionelle Lokalprofile Deutschland England Frankreich Verfassungsstatus Garantie kommunaler Selbstverwaltung (Art. 28,2 GG) Allgemeine Zuständigkeitsvermutung Keine Verfassungsgarantie „ultra-vires“- Prinzip Garantie kommunaler Selbstverwaltung (Art. 72 Constitution) Funktionalprofi Stark: Multifunktional Schwach: Monofunktional Staatliche Kontrolle Gering: Selbst-verwaltungshoheit „Dual Polity“ Hoch: Tutelle Entscheidungs- spielraum Mittel: Geringe Steuerautonomie, Hohe Organisations- autonomie Hoch: Großer Spielraum bei lokalen Steuern („local rate“) Hoch: Großer Spielraum bei lokalen Steuern Territorialprofil Teils Nord-, teils Südeuropäischer Typus Nordeuropäischer Typus Südeuropäischer Typus

Länderprofil Frankreich Ausgangssituation vor Beginn der Dezentralisierung 1982/83: ‚Acte I‘ der Dezentralisierungs-politik (1982-2002) ‚Acte II‘ der Dezentralisierungspolitik (seit 2003) Jakobinisch-unitarische Staatstradition, schwache multi-funktionale Kommunen zentralistische Aufbau-organisation; sektoralisierte Aufgabenwahrnehmung durch staatliche Behörden auf unteren Ebenen Aufgabenkoordinierung im Departement (Präfekt) politisch einflussreiche Bürgermeister (Notablen, cumul de mandats) Fragmentierte ‚Kommunallandschaft‘ Ziele: Modernisierung und Demokratisierung des Staatswesens, Erhalt der staatlichen Einheit Aufhebung der tutelle weitgehend politische Dezentralisierung Departements als ‚Dezen-tralisierungsgewinner‘ (Sozialhilfe, RMI/, soziale Dienste) ‚Blockweiser‘ Aufgaben-transfer Dekonzentration als ‚Flankenschutz‘ Interkommunalität (EPCI) Ziele: Stärkung der regionalen und interkommunalen Gebietskörperschaften, staatliche Einheit verfassungsrechtliche Fundierung (Art. 1 u. 72 Const. V. Rép.) politische Dezentralisierung Finanzielle Autonomie Übertragung von Planungs- und Koordinierungsaufgaben; umfassend gestärkte Regionen und EPCI Departements bleiben ‚Gewinner‘ ‚Blockweiser‘ Aufgabentransfer Stärkung dekonzentrierter Staatsbehörden ‚Verstaatlichtes‘ Single purpose-Profil ‚Gemischtes‘ Single purpose-Profil ‚Kommunalisiertes‘ Single purpose-Profil; multi purpose Ausrichtung bei EPCI; Dekonz.

Länderprofil Deutschland Ausgangssituation 1990er Jahre - Heterogene Strukturen, Aufgabenprofile und Leistungsfähigkeit Unsystematische Kommunalisierung (2000-heute) Multifunktionale Selbstverwaltung Die Territorial- und Funktionalreformen der 1970er Jahre führten zu länderspezifischen Gemeinde- wie Kreisgrößen, unterschiedlicher Aufgabenfülle, Handlungsautonomie und Aufgabenaufteilung der kommunalen Ebene Gesamtbild starker und mulitfunktionaler Kommunen blieb entsprechend der kommunalen Selbstverwaltungstradition jedoch gewahrt bzw. wurde sogar durch die Übernahme neuer Aufgaben noch gestärkt. Ziele: Kosteneinsparung und Stärkung der Entscheider in den Gebietskörperschaften Unsystematische Kommunalisierung, nachholend wie auch innovativ „Typische“ Reformfelder - Gesundheitsverwaltung - Umweltschutzverw. (GA, Natur-, Gewässerschutz) - Straßenbauverwaltung - Veterinärwesen - Verbraucherschutz - Kommunal- und Verbandsaufsicht - Soziale Hilfen - Widerspruchsverfahren  Nur begrenzt „echte“ Kommunalisierung ‚heterogenes‘ multi purpose- Profil ‚heterogenes‘ multi purpose-Profil

Länderprofil England Ausgangssituation vor der Ära Thatcher 1979: Konservative Regierungen (1979-1997) New Labour (seit 1997) Starke multifunktionale Kommunen dual polity Verantwortlichkeiten beim council großflächiges Territorialprofil wenige Eingriffe des Zentralstaats Große finanzielle Autonomie Ziele: Schwächung der Kommunen und effizienzgetriebene NPM-Reformen Kappung der Finanzautonomie Aushöhlung der kommunalen Aufgaben durch Quangoisierung Neuer zentralstaatlicher „Interventionismus“ Erzwungener Wettbewerb (CCT) Dekonzentration durch Agencyfication Ziele: Aktivierung der Kommunen und „Joined up“-Governance „Demokratische Erneuerung“: Abkehr vom ultra-vires-Prinzip „Joined Up Governance“ Performance Measurement und „earned autonomy“ Regionalisierung als neue „dritte Ebene“ Kommune als „Partner“ im dominanten single purpose model Starkes „multi purpose model“ Vordringen des „single purpose model“

Zusammenfassung der Länderprofile Deutschland: Weitere Stärkung des Gebietsorganisations-modells und funktionaler Bedeutungsgewinn der lokalen Ebene. Allerdings nur bedingter politischer und diskretionärer Bedeutungszuwachs Frankreich: Gleichzeitigkeit politischer Dezentralisierung, administrativer Dekonzentration und interkommunaler Reformen bewirkt Bewegung in Richtung Gebietsorgani-sationsmodell. Gleichzeitig bleibt sektorale Aufgaben-organisation durch ‚blockweisen‘ Aufgabentransfer und Stärkung monofunktionaler Behörden bestimmend. England: Stärkung der administrativen Dekonzentration (Quangoisierung) und Aushöhlen kommunaler Zuständigkeiten. Stärkung des Aufgabenorganisationsmodells und verstärkter zentralstaatlicher Interventionismus.

Ansätze einer Wirkungsanalyse: Performanzdimensionen Mögl. Einzelindikatoren Demokratische Kontrolle/ Verantwortlichkeit repräsentativ-demokratische Kontrolle Einbindung von Interessensvertretungen (organisierte Nutzerinteressen) Bürgerbeteiligung Vertikale und horizontale Koordinationsfähigkeit Themen- und problemorientierte Koordination regelmäßigen Treffen/“Runden“ Schaffung neuer Organisationseinheiten Effizienz Veränderungen im Ressourcenaufwand Veränderungen im Verwaltungsoutput Veränderungen in der Relation Input/Output Effektivität legale Qualität/ formale Korrektheit Bürger- und Kundennähe Fachliche Qualität der Aufgabenbearbeitung Interkommunale Heterogenität Heterogenität der Problemlösungsansätze und Problemlösungen

Ansätze einer Wirkungsanalyse: Ausgangshypothese

Beispiel Umweltverwaltung Kupierte Kommunalisierung von Aufgaben im Bereich der deutschen Umweltverwaltung (vgl. Bauer et al. 2007) Performanzdimension Demokratische Kontrolle/ Verantwortlichkeit i.d.R. keine Entscheidungsrechte beim Rat Z.T. Politisierung von Entscheidungen Verhandlungslogik statt Fachlogik Vertikale und horizontale Koordinationsfähigkeit Verbesserte Koordination mit anderen kommunalen Ressorts (Vorteile von Bündelung und Ortsnähe) Verschlechterte Koordination bei „Grenzüberschreitenden“ Problemen und Vernachlässigung überörtlicher Belange Steuerungsverlust des Landes Effizienz „Von oben“ induzierte Sparvorgaben „kalter“ Aufgabenabbau Hohe Transformationskosten Effektivität Abnehmende Problemlösungsfähigkeit Fehlende fachliche Kompetenzen, Verlust von Know How Zersplitterung der Einheiten unter kritische Größen Interkommunale Heterogenität Ungleiche Personalausstattung Wachsende Ungleichheit des Vollzugs

Weitere Arbeitsschritte Intensive Fallstudien in den drei Untersuchungsländern Performanzeffekte in unterschiedlichen Politikfeldern …

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!