Die Motette von Guillaume de Machaut bis Johann Sebastian Bach

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 Präsentation transkript:

Die Motette von Guillaume de Machaut bis Johann Sebastian Bach

Terminologie Der Terminus „motet“ oder lat. „motetus“ leitet sich vom altfranzös. Wort „mot“ ab, das mit „Wort“, „Vers“ oder „Strophe“ übersetzt werden kann.

Terminologie Greifbar wird der Terminus im 13. Jh., zunächst als Bezeichnung für eine neukomponierte, textierte Stimme zu einem Tenor. Als eigenständiger Gattungsbegriff Erscheint der Terminus erstmals bei Johannes de Grocheio (um 1300).

Epochenüberblick I Mittelalter Guillaume de Machaut c.1300-1377 „Renaissance“ John Dunstaple c. 1390-1453 (London) Guillaume Dufay c. 1397-1474 (Cambrai) Johannes Ockeghem 1410/30-1497 (Tours) Johannes Regis 1425-1496 Antoine Busnois 1432/35-1492 (Brügge)

Epochenüberblick II Josquin des Prez c. 1450-1521 (Aix-en-Provence, Italien, Condé-sur-Éscaut) Jacob Obrecht c. 1457/58-1505 (Gent, Brügge) Antoine Brumel c. 1460-1515 (Paris) Jean Mouton 1459-1522 (St. Quentin) Adrian Willaert c. 1490-1562 (Venedig) Nicolas Gombert c. 1495-1560 (Spanien,Tournai)

Epochenüberblick III Cristóbal de Morales c. 1500-1553 (Sevilla, Rom, Toledo) Clemens non Papa 1510-1556/58 (NL) Giovanni Pierluigi da Palestrina 1514/15-1594 (Rom) Orlandi di Lasso 1532-1594 (Mons NL, München) Francisco Guerrero 1528-1599 (Sevilla) Tomás Luis de Victoria 1548-1611 (Madrid)

Epochenüberblick IV „Renaissance“ / „Frühbarock“ Beginn des Generalbasszeitalters Andrea Gabrieli 1510-1586 (Venedig) Giovanni Gabrieli 1557-1612 (Venedig) Lodovico Grossi da Viadana 1560-1627 (Rom, Mantua, Venedig u.a.) Claudio Monteverdi 1567-1643 (Venedig) Michael Praetorius 1571-1621 (Wolfenbüttel) Heinrich Schütz 1585-1672 (Dresden)

Epochenüberblick V „Barock“ - Deutschland Matthias Weckmann 1616-1674 (Hamburg) Dieterich Buxtehude 1637-1707 (Lübeck) Johann Sebastian Bach 1685-1750 (Leipzig) Georg Friedrich Händel 1685-1759 (London) Georg Philipp Telemann 1681-1767 (Hamburg)

Epochenüberblick VI „Barock“ – Italien Alessandro Grandi 1577-1630 (Venedig) Francesco Cavalli 1602-1676 (Venedig) Alessandro Scarlatti 1660-1725 (Neapel) Antonio Vivaldi 1678-1741 (Venedig) Georg Friedrich Händel 1685-1759 (Rom) Johann Adolf Hasse 1699-1783 (Venedig)

Epochenüberblick VI „Barock“ – Frankreich „Grand Motet“ Jean-Baptiste Lully 1632-1687 (Paris) Marc-Antoine Charpentier 1643-1704 (Paris) Michel-Richard Delalande 1657-1726 (Paris) François Couperin 1668-1733 (Paris) Jean-Phillippe Rameau 1683-1764 (Paris)

Die Motette des ausgehenden Mittelalters Repetitio: Die Motette des ausgehenden Mittelalters

Repetitio: Die Motette des ausgehenden Mittelalters Theorie Die Definition des Johannes de Grocheio Magister in Paris um 1275

„Der Motetus ist ein aus mehreren Stimmen zusammengesetzter Gesang (cantus ex pluribus compositus), der mehrere Texte (plura dictamina) oder eine vielfache Unterscheidung von Silben hat und der überall harmonisch zusammenklingt (harmonialiter consonans).“

„... Ich sage aber überall harmonisch zusammenklingt, weil jeder Gesang mit dem anderen nach einer der vollkommenen Konsonanzen zusammenklingen muss, zum Beispiel nach der Quarte oder Quinte oder Oktave.“

„Es gibt mehrere Teile der Motette, nämlich Tenor Motetus Triplum Quadruplum.“

„Der Tenor ist derjenige Teil, auf welchen sich alle anderen gründen, wie die Teile eines Hauses oder Gebäudes auf ihr Fundament. Er regelt sie und gibt ihnen das Ausmaß, wie die Knochen [Skelett] den anderen Teilen.“

„Der Motetus ist diejenige Stimme, die sich unmittelbar über dem Tenor anreiht. Sie beginnt meist in der Quinte und fährt in demselben Verhältnis, in dem sie anfängt, fort oder steigt in die Oktave hinauf.“

„Das Triplum ist diejenige Stimme, die über dem Tenor im Verhältnis der Oktave anfangen und meist in demselben Verhältnis fortfahren muss.“

„Das Quadruplum ist eine Stimme, die manchen Stücken wegen der Vervollkommnung der Konsonanz beigegeben wird.“

Schichten des motettischen Satzes Quadruplum Triplum Oktave Motetus Quinte Tenor (Choralausschnitt)

Soziologische Einordnung Die Motette ist die ‚Unterhaltungsmusik‘ der gebildeten Oberschicht, des Klerus. Es handelt sich bei den Motetten Machauts in erster Linie also nicht um liturgische Werke.

Johannes de Grocheio: „Dieser Gesang darf nicht vor dem Volk dargeboten werden, weil es seine Feinheit nicht bemerkt, noch durch sein Anhören ergötzt wird, sondern man muss ihn vor den Gebildeten darbieten und denjenigen, welche die Feinheiten der Künste suchen.“

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 O livoris feritas Guillaume de Machaut * c. 1300 (Champagne), † April 1377 (Reims) - 17 Jahre u.a. „secretaire“ des böhmischen Königs ab 1337 Kanoniker an der Kathedrale zu Reims bed. Dichter: Le Dit de la Fonteinne Amoureuse, Le Dit de la Harpe, Le Dit de Marguerite usw. Komponist von 1 Messe (Messe de Nostre Dame), 23 Motetten, 42 Balladen, 22 Rondeaux, 33 Virelais, 19 Lais, Hoquetus David

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 O livoris feritas Merkmale Isorhythmische Anlage Dreistimmigkeit Tenor – Motetus – Triplum Drei Texte: 1 Choraltext 2 Text des Motetus 3 Text des Triplums

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 Isorhythmische Anlage Der Tenor baut sich aus immer wiederkehrenden Bausteinen auf: Color = Choralausschnitt Talea = rhythmisches Muster

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 Die Vorlage: Responsorium „Videns Jacob“

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 Die isorhythmische Anordnung des Tenors: Color: + Talea: = Tenordurchlauf bei Machaut

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 Der Color besteht aus 12 Tönen Die Talea besteht aus 8 rhythmischen Positionen. Nach dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen 24 kongruieren nach 3 Taleae und 2 Colores beide Strukturen wieder.

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 Die Motette muss demnach aus einer geraden Zahl an Durchläufen des Colors bestehen. Im Falle der Motette 9 lässt Machaut den Color sechs Mal durchlaufen, was 9 Taleae entspricht.

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 Der Regel entsprechend endet Machauts Tenor allerdings mit einer Pause.

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 Durch den um einen Ton verzögerten Beginn endet der Tenor nach sechs Colores mit einem singulären g als Schlusston.

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 Klänge Perfekt: Oktave, Quinte, Quarte Imperfekt: Terz, Sexte

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 Klangstruktur d. 1. Durchführung

Beispiel: Machaut Motette Nr. 9 Der dreistimmigen Anlage korres- pondieren in den Stimmen Notenwerte von unterschiedlicher Länge Tenor Longen Motetus Breven Triplum Semibreven und Kürzer