Neue Kriege im globalisierten Kapitalismus

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Neue Kriege im globalisierten Kapitalismus Vortrag im Rahmen der Jungen Akademie „Monopoly global?“ 5. Juli 2011 Dr. Stefan Leibold

Gliederung 1. Die Welt heute: gerüstet wie noch nie 2. EU und Deutschland: neue militärische Ziele und Strategien 3. Hintergrund: Systematik der „neuen Kriege“ 4. Die Gewaltförmigkeit der kapitalistischen Globalisierung 5. Fazit

1. Die Welt heute: gerüstet wie noch nie 2011: globale Rüstungsausgaben nur leicht gestiegen: 1,738 Billionen $ oder 1,32 Billionen Euro (+0,3%); zehnmal so viel wie Entwicklungshilfe Spitzenreiter USA (711 Mrd. $, 41%) vor China (143 Mrd. $) und Russland (72 Mrd. $). D auf Rang 9 (46,7 Mrd. $) D drittgrößter Rüstungsexporteur, Waffen in über 80 Länder, in Nahen Osten Steigerung um 4,6%

Die Welt heute: gerüstet wie noch nie Pro Tag 5 Mrd. $ für Militär; täglich sterben 24.000 Kinder unter 5 Jahren n Mangel an Wasser, Nahrung, medizinischer Versorgung 2011: 20 Kriege und 38 „hoch gewaltsame Konflikte“, hauptsächlich innerstaatlich. Massive Aufrüstung im Nahen und Mittleren Osten

2. EU und Deutschland: neue militärische Ziele und Strategien Unfriedliche Welt: EU und Deutschland? EU: EU-Verfassungsvertrag: „auf militärische Mittel gestützte Operationen“, „militärische Kampfeinsätze als integraler Bestandteil der Außenpolitik“. Ziele u.a. „Terrorismusbekämpfung“, „Unterstützung von Drittländern gegen den Terrorismus“ Aufrüstung als Verfassungsgebot: Verpflichtung, „die militärischen Fähigkeiten regelmäßig zu verbessern“, von Europäischer Verteidigungsagentur überwacht. EU-Ministerrat trifft Entscheidung über Krieg und Frieden, EU- Parlament und EuGH sind ausgeschlossen.

EU und Deutschland: neue militärische Ziele und Strategien Europäische Sicherheitsstrategie: „Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oft im Ausland liegen“. Die Natur der Bedrohungen erfordert „präventives Handeln“-- übernimmt Präventivkriegsstrategie der USA „European Defence Paper“: Nukleare Optionen werden nicht ausgeschlossen. Soldaten für „Regionalkriege zur Verteidigung europäischer Interessen“. Bedrohungen: „Unterbrechung der Ölversorgung; Erhöhung der Energiekosten; Störung der Handels- und Warenströme“. Aufbau europäischer Eingreiftruppen (60.000 Soldaten) und „battle groups“ (1.500 Elitesoldaten), die den Eingrifftruppen den Weg freikämpfen.

EU und Deutschland: neue militärische Ziele und Strategien D: „Verteidigungspolitische Richtlinien“ 2011: Territoriale Bedrohung unwahrscheinlich. Sicherheit wird nicht geographisch definiert, viele Bedrohungslagen weltweit; erfordern schnelles handeln über große Distanzen. Freie Handelswege und sichere Rohstoffversorgung sind von zentraler Bedeutung. Unterscheidung von äußerer Sicherheit und öffentlicher Sicherheit im Inneren verliert an Bedeutung. Zusammenwirken von u.a. Polizei, Bundeswehr, Nachrichtendienste gefordert. Einsatz von Streitkräften im gesamten Intensitätsspektrum und gleichzeitig in verschiedenen Einsatzgebieten, D will einen seiner Größe entsprechenden Beitrag leisten und seinen Einfluss bei Planungen und Entscheidungen sicherstellen – Ressourcensicherung und machtpolitische Einflussnahme gegenüber anderen Ländern Viele Kriege; Aufrüstung und Rüstungsexporte; erster Eindruck von Zielen im Norden

3. Systematik der „neuen Kriege“ A. „Warlordisierung“ und Kriegsökonomien Bsp. DR Kongo: Coltanabbau, enthält Tantal für Handys, Spielkonsolen, Computer, chemische Anlagen u.a. Außerdem Diamanten, Kobalt, Kupfer usw. - und einen lang andauernden Krieg. Truppen aus anderen Ländern, Milizenarmeen. Verschiedene Kriegsherren gegeneinander, nicht zwischen Nationalstaaten, sondern von privaten Akteuren. „Private Kriege“. Bereicherung für Kriegsherren. „Kriegsökonomien“: eine auf Krieg ausgerichtete Wirtschaftsordnung. Kriegsbeteiligung für die Bevölkerung oft einziges Mittel zum Lebensunterhalt. Ursachen: IWF- Strukturanpassungsmaßnahmen, machtpolitischer Bedeutungsverlust nach Ende des kalten Krieges. Klientelistische Netzwerke zerfallen in rivalisierende Gruppen privater Warlords, die sich blutige Konflikte mit der Regierung und anderen Warlords um die Rohstoffe liefern.

Systematik der „neuen Kriege“ „Warlordisierung“ und Kriegsökonomien Zum Verhältnis von globaler Wirtschaft und Kriegsökonomien: für die Existenz der Kriegsökonomien ist das Friedensökonomien,an die Ökonomien der reichen Staaten existenziell. Wer die Gebiete mit den Bodenschätze kontrolliert, kann über die Vergabe von Bohr- und Schürfrechten hohe Einnahmen erzielen. Die Märkte der Friedensökonomien, besonders der reichen Staaten sind Absatzmärkte für Rohstoffe, Güter und Menschen aus den Kriegsökonomien. Aus den Erlösen aus dem Handel kann der Krieg finanziert werden. Mechanismus der Kriegsökonomien: Die Kriegsgewinner haben kein Interesse an der Beendigung des Krieges und am Aufbau einer friedlichen Gesellschaft. Der Norden profitiert doppelt: zum einen über billige Rohstoffe, zum anderen über Waffenverkäufe.

Systematik der „neuen Kriege“ B. Kriege der reichen Staaten „Heiße“ Kriege zwischen reichen Staaten unwahrscheinlich. Absolute militärische Überlegenheit der USA. „Stellvertreterkriege“ im Sinne der Unterstützung eigener Konzerne. „Strafaktionen“ gegen unliebsame Akteure/Regime (Iran, Irak, Piraterie) bzw. „Ordnungskriege“: um Einfluss auf Ölförderung oder geostrategische Interessen. Formen organisierter Gewalt/Krieg gegen die Armen (Flüchtlinge, working poor; Sonderwirtschaftszonen; Repressionen gegen Arbeitslose, Landvertreibungen/Landgrabbing;Spekulation mit Nahrungsmitteln); Abwehr der Migrations- und Fluchtbewegungen

Systematik der „neuen Kriege“ C. „Terrorismus“ Kehrseite: Zunahme des „Terrorismus“. Dieser resultiert aus der Ohnmacht vieler Menschen im Süden, auch aus der Unterstützung brutaler, diktatorischer Regimes durch den Westen. Terrorismus ist aber keine zwangsläufige Konsequenz der Verarmungsprozesse, sondern profitiert stark von Prozessen ökonomischer und kultureller Demütigung. Terror wird von Intellektuellen systematisch organisiert. Die Verbindung mit der Globalisierung: Der Terrorismus rekrutiert auf der einen Seite Globalisierungsverlierer (z. B. als Selbstmordattentäter), auf der anderen Seite finanzieren sich terroristische Aktivitäten über Gewinne aus dem Handel, also gerade aus der Integration in die globale Wirtschaft. Das Ziel des Terrorismus: offenbar soll der westlichen Welt möglichst großer Schaden zugefügt werden. Es gibt kaum eine territoriale Anbindung oder Kontrolle, wie es etwa das Ziel der Warlords ist. Ziel ist nicht der Krieg als Dauerzustand, sondern das Ausführen punktueller Schläge mit hohem symbolischem Wert. Das Dilemma: Die Kriege der reichen Staaten und Terrorismus legitimieren sich gegenseitig: Die Interessendurchsetzung des Westens bei Bruch des Völkerrechts legitimiert grenzenlose Gewalt auf Seiten der Verlierer. Diese fungiert wiederum als Begründung für den Abbau demokratischer Rechte.

4. Die Gewaltförmigkeit der kapitalistischen Globalisierung Kennzeichen einer kapitalistischen Gesellschaft Haben nicht immer so gelebt wie heute. Herausbildung: ab dem 14./15. Jahrhundert, es kommt zu einer enormen Entwicklung der Produktivkräfte. Bauern und Kleinhandwerker werden von ihren Produktionsmitteln getrennt, Arbeitskraft wird zur Ware. Die Ökonomie des ganzen Hauses löst sich auf. Menschen arbeiten nicht mehr wann und wie lange sie wollen, sondern lernen Disziplin und Stechuhr. Kapitalismus ist Produktion von Waren („ungeheure Warensammlung“), einzelne Produzenten produzieren für einen anonymen Markt. Produktion, Verteilung und Konsum fallen auseinander. Die Zusammenarbeit stellt sich erst durch den Tausch von Waren her. Die gesellschaftlichen Verhältnisse erscheinen als sachliche der Waren. Gab es immer schon Warentausch als kleine Inseln der Weltwirtschaft für Luxusprodukte für die Reichen, setzt sich der Warentausch als dominantes Prinzip allmählich durch. Die Anhäufung von Geld als universeller und unbegrenzter Ware wird Hauptzweck der Produktion. Bedürfnisbefriedigung ist Zufallsprodukt und benötigt kaufkräftige Nachfrage. Nicht mehr „verkaufen, um zu kaufen“, sondern „kaufen, um zu verkaufen“ (G-W-G') ist die Devise. Die Konkurrenz treibt die Verwertung voran, alle machen mit.

Die Gewaltförmigkeit der kapitalistischen Globalisierung Kapitalistische Globalisierung Die Expansion des Kapitals gewinnt mit der Globalisierung neue Dynamik: Die letzten Winkel der Erde wurden und werden der Kapitalverwertung erschlossen (horizontale Expansion) und neue Lebensbereiche, werden der Verwertungslogik zugeführt. Bsp. Privatisierungen (vertikale Expansion) Staaten, Regionen und Arbeitskräfte sind unterschiedlich attraktiv für die Verwertung durch die Konzerne. Daraus ergeben sich ganz unterschiedliche Lebensperspektiven für die Menschen. Ausgrenzung großer Bevölkerungsgruppen aus der Wohlstandswelt, die Verweigerung grundlegender sozialer und politischer Rechte auf Bildung, Arbeit, Gesundheit und Partizipation. Auch ohne dass jemand eine Waffe in die Hand nimmt, ist die kapitalistische Globalisierung ein Gewaltverhältnis: „strukturelle Gewalt“ (Galtung). Produziert an den Rand Gedrängte, damit auch Gewalt und Hass, erschwert solidarische Potenziale.

Die Gewaltförmigkeit der kapitalistischen Globalisierung Kriege im heutigen Kapitalismus Wie möglichst hohe Gewinne machen bzw. das Ganze am Laufen halten? Verschärfend: Krise seit den 70er Jahren: Kapitalismus weltweit, mikroelektronische Revolution macht viele Arbeitskräfte überflüssig Strategien der Länder im Norden: Privatisierungen öffentlichen Eigentums; überschüssiges Kapital wandert auf Finanzmärkte; erweiterte Blockbildung (EU, Euroraum); Druck auf die Arbeitenden (prekäre Beschäftigung, Leiharbeit, Erhöhung der Arbeitszeit und der Intensität) Rüstungswirtschaft; Kriege: um Ressourcensicherung und die Anteile am Kuchen: Ordnungskriege, Strafaktionen, „Landgrabbing“ „Strategien“ der Länder im Süden: Private Kriege/Kriegsökonomien, Terror und Auflösung von Staaten, Piraterie etc.

5. Fazit Wirtschafts- und Lebensweise bringt aus sich heraus Krieg und Gewalt hervor. Historisch jeweils anders: heute droht kein Dritter Weltkrieg, sondern Geflecht von Machtblöcken u. Ländern mit unterschiedlichen Möglichkeiten und Schwerpunkten bei der Krisenbewältigung setzen (s.o.): Zerstörerische Dynamik wird sich durch Weltwirtschaftskrise und ökologische Zerstörung als Folge der Wirtschafts- und Lebensweise, auch durch Aufstand der Perspektivlosen weiter verschärfen.