Chancen und Risiken der Kommunikation im Chat

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 Präsentation transkript:

Chancen und Risiken der Kommunikation im Chat Seminar: Neuere Theorieansätze Dozentin: Dr. Karin Knop Referat von Jan Bruder und Christina Geller

Gliederung Chancen und Risiken der Kommunikation im Chat 1. Anonymität 2. Identität und Selbstdarstellung 3. Chatbeziehungen 4. Geschlechterkonstruktion 5. Gender Switching 6. Fazit

Anonymität und Unverbindlichkeit Weg fallen des physisch-interpersonellen Rahmens Fehlen wichtiger Informationen Unverbindlichkeit: keine Verpflichtungen oder Zusagen, keine Konsequenzen für des Real-Life Entstehen eines Chatspezifischen Rahmens, der die Situation strukturiert und Verhaltensformen schafft

Konsequenzen des Chatrahmens Wahrnehmung Erwartungen Befreien von Real-Life Identität Pessimistische Interpretation: Isolation, (böswillige) Täuschung, Verletzung des Standards des sozialen Umgangs Widerspruch: zum Alltag analoge Formen sozialer Vergemeinschaftung, authentische Präsentation

Studie von Scherer/Wirth Methode: Verwendung der Daten aus der Durchführung einer qualitative Teilstudie (persönliche Leitfadenbefragung) und quantitative Untersuchung (Online-Befragung) im Rahmen eines zweisemestrigen Seminars 2001 im Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung in Hannover zum Thema „Soziale Aspekte der Internetnutzung“. Qualitative Leitfaden-Befragung von 16 Chat- erfahrenen Personen. 2-wöchige quantitative Online-Befragung von 1.703 Personen aus einem Chatforum. Übertragung der Daten auf die zwei Authentizitätsgruppen „objektiv“- bzw. „quasi“- authentische Selbstdarstellung um diese empirisch zu identifizieren und ihre unterschiedliche Orientierung aufzuzeigen.

Studie von Scherer/Wirth Ergebnisse: Allgemein: Die meisten Befragten waren der Meinung beim Chat ein wirklichkeitsgetreues Bild von sich zu zeichnen, das sich von dem Verhalten in Alltagssituationen nicht unterscheidet. Bei der Gegenüberstellung von Authentizität und Nicht- Authentizität verortet sich also entgegen gängiger Vorurteile die Mehrzahl der Befragten im Bereich der Authentizität.

Tabelle1: Authentische Darstellung im Chat „Beim Chatten gebe ich mich genauso wie im normalen Leben.“ % „Beim Chatten beschreibe ich mich anders als ich wirklich bin.“ Trifft überhaupt nicht zu:1 2 3 4 Trifft voll und ganz zu:5 5 8 22 29 37 57 18 12 7 Mittelwert (n=1.703) 3,85 1,85

Tabelle 2: Authentische Selbstdarstellung und Schummeln beim Chatten „Beim Chatten gebe ich mich genauso wie im normalen Leben.“ % Trifft überhaupt nicht zu Trifft voll und ganz zu 1 2 3 4 5 Schummele nie 17 18 23 46 Schummele doch 83 82 77 54 Gesamt 100 Befragte n= 78 128 380 488 622

Tabelle 3: Demographische Beschreibung der Chatter-Typen „Objektiv“- Authentische „Quasi“- Authentische Sonstige Männer 46% 42% 44% Frauen 54% 58% 57% Alter 24,2 Jahre 21,5 Jahre 20,5 Jahre Vollzeitbeschäftigte 36% 24% 21% Schüler 34% 50% Befragte n= 398 712 593

Tabelle 4: Chat-Verhalten der Chatter-Typen (allgemein) „Objektiv“- Authentische (Mittelwert) „Quasi“- Authentische Sonstige Häufigkeit des Chattens 34mal/Monat 27mal/Monat 28mal/Moant Dauer einer Chat-Sitzung 125 Min. 113 Min. 104 Min. Seit wann wird gechattet 1,8 Jahre 1,6 Jahre 1,7 Jahre

Tabelle 5: Die Virtual-Life-Beziehungsorientierung: Unterschiede von Alltag und Chat „Quasi“- Authentische „Objektiv“- Authentische Im normalen Alltagsleben Im Chat Mittelwert …habe ich oft das Gefühl, ich werde missverstanden. 2,62 2,20 2,42 2,11 …werde ich so akzeptiert, wie ich wirklich bin. 3,98 3,93 4,17 4,10 ...spielen Äußerlichkeiten eine sehr große Rolle. 3,47 2,18 3,18 1,99 Befragte n 398 712

Tabelle 6: Die Real-Life-Beziehungsorientierung: Beziehungen Fragen: „Mit wie vielen Chat-Bekannten chattest du regelmäßig? (Anzahl der Personen)“ Zum Thema Beziehungen: Gib bitte an, ob die jeweiligen Aussagen auf dich persönlich zutreffen oder nicht.“

Tabelle 6: Die Real-Life-Beziehungsorientierung: Beziehungen „Objektiv“- Authentische (Mittelwert) „Quasi“- Authentische (Mittelwert) Zahl der Bekannten im Chat 9,5 7,1 Tiefe Beziehungen entstehen erst, wenn man sich im wirklichen leben trifft. 4,01 3,90 Beim Chatten habe ich wirkliche Freunde gefunden, denen ich vertraue. 3,56 3,20 Mein Freundeskreis beim Chat ist zu meinem Freundeskreis im wirklichen Leben geworden. 2,28 2,06 Beim Chatten habe ich Bekanntschaften geschlossen und Leute gefunden, mit denen ich mich auch im wirklichen Leben treffe. 2,90 2,52 Befragte n= 389 712

Identität und Selbstdarstellung Identität im klassischen Sinne: Individualität, Kontinuität und Konsistenz der Identität Neueres Identitätskonzept: Multiplizität und Flexibilität Freies Spiel mit Identitäten im Chat möglich Loslösung von Real-Life Identität

Interpretationen Pessimistische Interpretation: Verunsicherung bis hin zum kompletten Verlust der Identität Optimistische Interpretation: therapeutische Wirkung, Identitätsmanagement und Kommunikation

Identität und Selbstdarstellung Authentische Selbstdarstellung im Chat Kein Identitätswechsel Selbstreflexiver Prozess, Identitätsarbeit Verarbeitung von Widersprüchen Stabilisierung der Teilidentitäten Außen- und Innenperspektive fließen im Prozess mit ein Selbstdarstellung und Impression-Management Identitätsmanagement und Kommunikation

Strategien der Selbstdarstellung/Nutzungsansätze Authentische Selbstdarstellung: Übereinstimmung mit dem wahrgenommenen Selbst/der eigenen Identität Strategien: Real-Life- Beziehungsorientierung und objektiv-authentische Selbstdarstellung Virtual-Life-Beziehungsorientierung und quasi-authentische Selbstdarstellung Identitätsarbeit und nicht-authentische Selbstdarstellung Theoretischer Ansatz: dynamisch-transaktionales Wirkungsmodell

Studie von Sherry Turkle Pionierstudie der Internetforschung Qualitative Studie (kein Anspruch auf Repräsentativität), Tiefeninterviews mit MUD Usern Untersuchungsfragen: Wie wird sich die CvK auf unsere Bindung mit anderen Menschen auswirken? Kann CvK Bedürfnisse nach Kontakt und sozialer Integration befriedigen oder fragile Beziehungen noch fragiler machen? Verantwortung und Rechenschaftspflicht für virtuelle Handlungen? Multiple Identitäten? Internet als Soziallabor?

Studie von Sherry Turkle Untersuchungsfragen 2. Teil: Welche Personae werden hergestellt? Beziehung zur „traditionellen“ Persönlichkeit? Erweitertes Selbst oder losgelöst vom Selbst? Können die realen Identitäten von virtuellen Personae profitieren? Sind die virtuellen Persönlichkeiten Fragmente der reellen Persönlichkeit? Ist das Spiel mit Identitäten im Internet Ausdruck der Identitätskrise, die mit der Adoleszenz verbunden werden kann?

Studie von Sherry Turkle Ergebnisse: MUDs als Laboratorien für Identitätskonstruktion, unerforschte Bereiche des Selbst ausleben Abwehrmechanismen werden fallengelassen MUDs dienten zur Realitätsflucht, zum Abreagieren, zum Rollen ausleben und kompensieren von Defiziten des Real-Life und zum arbeiten an dem Selbst Es fließen Aspekte der Real-Life Persönlichkeit mit in die Figuren ein MUDs bieten zum Teil ein konstruktives Umfeld, um neues Selbstbewusstsein zu schöpfen oder positive Schlüsse für des Real-Life zu ziehen, zum anderen dient das MUD nur zur Flucht und wirkt sich nicht positiv für das Real-Life aus Zum Teil können MUDs therapeutische Wirkung haben zum Teil haben sie ein großes Suchtpotential ohne positive Auswirkungen für das Real-Life

Chatbeziehungen Motive: Flirt & Freundschaft Beziehungsaufbau Authentifizierungsstrategie: Medienwechsel Entwicklung romantischer Chatbeziehungen Funktionen romantischer Chatbeziehungen: Eskapismus: Realitätsflucht in Scheinwelt Kompensation: Erweiterung des Aktions- und Kontaktradius Exploration: Ausleben von Sehnsüchten

Beispiel: Risiken in Chatbeziehungen Online- Tagebuchausschnitt der Psychologiestudentin Priscilla 1998: „MrNorth war so weit weg von mir, ich kannte ihn nicht – und dennoch dachte ich so oft an ihn. Die Abende, wo wir uns zum Chatten verabredeten, waren die Höhepunkte meiner Tage. (…) Ich kaufte mir einen Pullover und fragte mich, ob der ihm wohl gefallen würde.“

Geschlechtsidentität Gender- Verständnis: Sex  Gender „doing gender“ Geschlechtskonstrukt in Chats: Geschlecht durch Nickname festlegbar und durch Nickname feststellbar Ausbrechen aus der binären Struktur von männlich und weiblich durch geschlechtsneutralen Online- Charakter möglich Ablehnung und Verunsicherung bei Interaktion mit geschlechtslosen Chattern

Geschlechtsidentität Geschlechtsunterschiede systematisch erkennbar im Kommunikations- und Sprachgebrauch Männer: monopolisieren Diskussionen; aggressiv, konfrontativ, sexistischer Ton; kompetitiver, machtorientierter Stil Frauen: passive und auf Kooperation und Verständigung zielende Sprache, emotional kooperativer und machtloser Stil, Emoticons

Beispiel Geschlechtsidentität kleine_schnecke: wunderschönen guten morgen! sitz noch im schlafanzug vorm computer :)) kleine_schnecke: Wie lang seid ihr hier schon alle drin? Skelettkrieger: das frühstück hat mich geweckt *g Aggro-Nr.1: kleine_schnecke das will ich sehen webers: hab nochnicht mal ein an gehabt kleine_schnecke: also mein schlafanzug ist rosa - mit schleifchen *fg* rabozak: sieht sicher schick aus kleine_schnecke rabozak: wozu sind die schleifchen? kleine_schnecke: deko :) rabozak: aso rabozak: <- is noch zuhaben *fg

Gender Switching Vorraussetzung: Anonymität, Einheit Funktionen: Vermittelt neue Einblicke in Lebenssituation Verifizierung des eigenen Geschlechts Virtuelle Reorganisation von Geschlecht Neue Rollenkonstellationen werden spielerisch getestet

Gender Switching Geschlechtsrolleninszenierung: Klassische Geschlechtsrollen nicht aufgehoben Geschlechterinszenierungen werden kritisch auf Stereotype überprüft Stereotype  Auflösung der Geschlechterdualität in Real Life Fazit der Gender Swapper: Männer: genießen erhöhte Aufmerksamkeit und Hilfsbereitschaft aber lästig und anstrengend Frauen: erfreuen sich der unscheinbaren Identität aber Probleme mit wenig emotionalen Ebene

Interaktives Beispiel http://www.spin.de/

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!