Multiple Antibiotikaresistenzen – Was bringt die 4. Reinigungsstufe? Prof. Dr. Thomas Schwartz Karlsruher Institut für Technologie (KIT) Institut für Funktionelle Grenzflächen (IFG) Abteilung Mikrobiologie/Molekularbiologie
Klinische Einführung neuer Antibiotika und die Entwicklung von Resistenz über die Zeit Antibiotika-Resistenzen steigen, während die Zahl der verfüg-baren (neuen) Antibiotika sinkt. In der Tierhaltung wurden in Deutschland 2012 ca. 1619 Tonnen Antibiotika eingesetzt. 85% der Antibiotika, die in Deutschland eingesetzt werden in der Tierhaltung verbraucht. In der Humanmedizin nehmen Antibiotika seit vielen Jahren eine Spitzenposition unter den verordnungsstärksten Wirkstoffgruppen ein. Im Jahr werden 38 Mio. Verordnungen mit 358 Mio. Tagesdosen und einem Umsatz 684 Mio. € bei ambulant verabreichten Antibiotikaklassen gezählt. Entdeckung, Einführung bis Resistenzentwicklung bei Antibiotika über die Zeit Aus: Brooks et al. (2014) Advances Drug Delivery Reviews 78; Kupferschmidt, Science 2016;352:758-761
Problematik: Antibiotikaresistenz, ein heutiges und zukünftiges Risiko für Mensch und Tier Nahezu 70.000 Todesfälle pro Jahr gehen in Europa auf bakterielle Infektionen zurück. Weitere 23.000 Todesfälle in den USA. Mindestens 2 Mio. an Infektionen mit Bakterien weltweit, wobei davon Hundert-tausende von Todesfällen auf Infektionen mit Antibiotika-resistenzen zurückgehen. Im Jahr 2050 ist damit zu rechnen, dass mehr als 10 Millionen Todesfälle durch Antibiotika-resistenzen verursacht sind; weit mehr als alle anderen Ursachen, die zum Tod führen. Aus: Tackling drug-resistant infections globally, Jim O´Neill, 2016. Vermeidung einer Kolonisierung und Verbreitung von Antibiotika-Resistenzen ist oberstes Ziel!
Verbreitungswege der ARGs/ARBs Verbreitung von Antibiotika und Antibiotikaresistenzen über die Landwirtschaft, häusliche Bereiche, Kranken-häuser, Kläranlagen und assoziierten Umweltbereiche. Davies & Davies, 2010
Hinweis auf Zunahme der Antibiotika-Resistenzgene in der Umwelt Relative Zunahme von Antibiotika-Resistenzgenen in 5 unterschiedlichen Böden in den Niederlanden von 1940 bis 2008. (Knapp et al., 2010)
Tiermast/Schlacht-häuser Antibiotikaresistenzen und fakultativ-pathogene Bakterien: Auftreten und Verbreitung (HyReKA) Pharma industrie Hospitäler Flughäfen Haushalte Tiermast/Schlacht-häuser Kläranlagen Verbreitung in die Umwelt: keine Regulation Keine Grenzwerte Wenig Information über die Rolle der aquatischen Umwelt bei der Antibiotika-Resistenz Evolution bzw. Gesundheits- risiken (Water Reuse) ???? Umwelt
Bisher untersuchte Antibiotika-Resistenzen und fakultativ-pathogene Bakterien Antibiotika-Resistenzgene: alle klinisch relevant und auf verschiedene Bakterien übertragbar über mobile genetische Elemente Colistin Resistenz (mcr-1) Vancomycin Resistenz(vanA) Methicillin Resistenz (mecA) Imipenem Resistenz(blaVIM) Metallo-β-Lactamase (blaNDM-1, blaKPC-3) Erythromycin Resistenz(ermB) Serin-β-Lactamase (OXA48) Tetracyclin Resistenz (tetM) Sulfonamid Resistenz (sul1) Serin-β-Lactamase (blaTEM) Serin-β-Lactamase (blaCTX-M-32, blaCMY-2) Fakultativ-pathogene Bakterien: alle Abwasser-relevante Keime können Träger von Anitibiotikaresistenzgenen sein und sind von klinischer Relevanz für Patienten E. coli, Klebsiella pneumoniae, Acinetobacter baumannii, intestinale Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa Die Häufigkeit des Auftretens dieser kritischen Keime und Antibiotikaresistenzen wird mit spezifischen molekularbiologischen Methoden (qPCR) und im Kulturverfahren nachgewiesen
Antibiotikaresistenzen in Kläranlagen mit Krankenhausabwasser Krankenhausabwasser hat einen starken Einfluss auf die Häufigkeit von Antibiotikaresistenzgenen im Kläranlagenabwasser (n=6), kultureller Nachweis von 4 MRGN Bakterien, teilweise mit Colistin- bzw. Carbapenemresistenz Antibiotikaresistenzen in Kläranlagen ohne Krankenhausabwasser Kommunale Kläranlagen (n=8) emittieren ebenso eine hohe Bandbreite an Antibiotikaresistenzgenen, zeigen aber auch niedrigere Konzentrationen; 4 MRGN wurden ebenfalls detektiert, aber ebenfalls in niedrigerer Konzentration.
Nachweis von besonders kritischen Antibiotikaresistenzgenen (Reserveantibiotika) Colistinresistenz (mcr-1 Gen) mcr-1 Gen wurde in den meisten Rohabwässern aus Krankenhäusern sowie kommunalen Kläranlagen nachgewiesen. Geklärtes Abwasser enthielt teilweise immer noch mcr-1. Das Vorkommen von mcr-1 ist unabhängig von der Kläranlagengröße. Andere humanmedizinisch relevante Resistenzgene gegen Reserveantibiotika wurden ebenfalls in geklärtem Abwasser nachgewiesen. Vancomycin resistance(vanA) Imipenem resistance(blaVIM) Metallo-β-Lactamase (blaNDM-1) Hembach, Schmid, Alexander, Hiller, Rogall, Schwartz (2017) Occurrence of the mcr-1 Colistin Resistance Gene and other Clinically Relevant Antibiotic Resistance Genes in Microbial Populations at Different Municipal Wastewater Treatment Plants in Germany. Frontiers in Microbiology, Volume 8:1282.
Nachweis von fakultativ-pathogene Bakterien in Kläranlagen (n=8) A. baumannii K. pneumoniae E. coli Zellzahl pro 100 ng DNA Zulauf Ablauf Zulauf Ablauf Zulauf Ablauf E. coli, K. pneumoniae, A. baumannii, Enterokokken sowie P. aeruginosa wurden am häufigsten im Rohabwasser nachgewiesen. Die Abwasserbehandlung reduziert zwar, jedoch eliminiert sie keine der untersuchten Bakterien. D. h. fakultativ pathogene Bakterien erreichen den Vorfluter. Diese Bakterien sind potentielle Träger von Antibiotikaresistenzen.
Kultivierungsdaten vom Auslauf nach konventioneller Behandlung 1 Beprobungstag 1 Beprobungstag E.coli und Coliforms Vancomycin resistente Enterokokken (VRE) ESBL resistente E.coli, Klebsiella, Citrobacter, Enterobacter Acinetobacter spp. Pseudomonas aeruginosa mit UV Verifikation Beides, Antibiotika-resistente und fakultativ-pathogene Bakterien wurden aus dem Auslauf der Kläranalge an verschiedenen Zeitpunkzen kultiviert.. Dies war nicht vom Einzugsgebiet abhängig.
Antibiotikaresistenzemission von Kläranlagen kommunale Kläranlagen sind HotSpots für die Verbreitung von Antibiotikaresistenzgenen und fakultativ-pathogenen Bakterien Erhöhte Konzentration im Abwasser bei Krankenhauseinfluss Es ist wichtig diese Verbreitung von Antibiotikaresistenzen zu unterbrechen! (WHO) Frachtberechnung Kläranlagenauslauf (80.000-100.000 m3/Tag): ∑ fak. Pathogene: 2,3x108/m3 ∑ Resistenzgene: 1,0x107/m3 Was können wir tun? den Kontakt mit antibiotikaresistenten Bakterien zu vermeiden bzw. zu reduzieren (Problem: Water reuse). den Abbau von mikrobiologisch-aktiven Substanzen zu verstärken, um den Selektionsdruck auf antibiotikaresistente Bakterien zu vermindern. eine Elimination von Antibiotika-resistenten Pathogenen in der Abwasseraufbereitung durch weiterführende Maßnahmen zu bewirken.
Erweiterte Abwasserreinigung für Antibiotika- resistente Bakterien Ozon Behandlung UV Behandlung Membran Technologie
Rückhalt von Pathogenen und Resistenzgenen Anders als Spurenstoffe und andere chemische Kontaminanten besitzen Mikroorganismen ein Vermehrungspotential. Abwasserbehandlungsverfahren mit dem Ziel einer effektiven und nachhaltigen Keimreduktion sollten daher Reduktionen von mehr als 90% (besser noch mehr als 99%) für relevante mikrobiologische Parameter ermöglichen. Bisherige Guidelines sehen für den unbedenklichen Gebrauch von Wasser Desinfektionsverfahren mit mindestens 3 bis 5 log reduction credits vor (99,9 bis 99,99% Reduktion/Elimination, The Drinking Water Safety Act, WHO, AUS)
Eliminationsmaßnahmen an einer kommunalen Kläranlagen Zulauf von ~ 440.000 Einwohnern Approx. 80.000 – 150.000 m³ Abwasser pro Tag Von Haushalten, Kliniken, Industrie 20 – 40 T an Schlamm pro Tag Hohe Abundanzen an Antibiotikaresistenzen (Gene und Bakterien) nach konventioneller Behandlung gemessen
Reduktionspotential von Antibiotikaresistenzen Ozonparameter: 1g/g DOC; Kontaktzeit 5 Minuten UV-Parameter: 400 J/m2 (Niederdruck) Ultrafiltration: 20nm, 1 bar Druck, inside-out Referenzwerte Reduktion ist abhängig vom Resistenzgen und Träger-bakterien UV-Behandlung: hier geringe Reduktion (Matrix-Effekt?). Ozon, Ozon+UV: deutliche Reduktion Ultrafiltration: stärkste Reduktion Optimierung für Ozon-Behandlung erforderlich
Reduktionspotential von fakultativ-pathogenen Bakterien Ozonparameter: 1g/g DOC; Kontaktzeit 5 Minuten UV-Parameter: 400 J/m2 (Niederdruck) Ultrafiltration: 20nm, 1 bar Druck, inside-out Referenzwerte Ozon, UV: keine Elimination, nur Reduktion Ozon zeigt stärkere Reduktion als UV Behandlung; UV wohl Matrix-abhängig. Ultrafiltration: starke Reduktion, teilweise Elimination (Problem: Retentat?) Restrisiko: verändertes Wachstumspotential von Risikokeimen?
Ozon und besonders Ultrafiltration mit höchster Effizienz Erweiterte Technologien mit optimierten Parametern sind geeignet, erfolgreich ARBs/ARGs an Kläranlagen zu beseitigen. Jetzt: Regularien sind notwendig, um Techniken zu implementieren mit dem Ziel die aquatische Umwelt und damit auch die Menschen zu schützen Problem: Ultrafiltration Akkumulation im Membran-Retentat Membran Dauerhaftigkeit Membran Regeneration Kosten Problem: Ozon-Behandlung Ausreichende Kontaktzeiten? Ozon-Zehrung durch Matrix Transformation von Verunreinigungen Selektion und Wiederverkeimung Akkumulation von ARB/ARG im Retentat „Regrowth“ Ozon-robuster Bakterien CFU per 100 mL 0h nach Ozonierung 72h nach Ozonierung
Rückhalt von Pathogenen / Resistenzgenen: Membranfiltration Anreicherung Reduktion 90 Mikrobiell relevante Reduktion (>90%) Fakultativ pathogene Bakterien Klinisch relevante Antibiotikaresistenzen eingesetzte UF kann alle untersuchten fakultativ-pathogenen und Antibiotika-resistenten Bakterien effektiv reduzieren (mehr als 99,9%).
Vorschlag des Vorgehens: Prozess-Kombination Konventionelle Abwasser-Behandlung Erweiterte Technologien Vorbehandlung Belebtschlamm Sedimentation GAC PAC Gitter Zulauf Ultrafiltration T T Ozonierung 0.01 µm N, P-Reduktion, Bio-degradation von Substranzen im Belebtschlamm 2 – 3 log Stufen Reduktion von Bakterien Risiko der Akkumulation und horizontaler Gentransfer Ozonierung und GAC/PAC: Oxidation von Verunreinigungen und Spurenstoffen Bio-Transformation der ox. Substanzen „Regrowth“ von Bakterien durch GAC/PAC Filtration max. 2 log Stufen zusätzlicher Reduktion von Bakterien (ungenügend) Ultrafiltration: Ausreichende Reduktion bis zur Elimination
Danke für Ihre Aufmerksamkeit Danksagung: Norman Hembach, Johannes Alexander, Thomas Jäger (KIT) Christian Hiller, Georg Hiller (ZVK Steinhäule) Arne Wieland (Xylem Services GmbH) Gabriele Bierbaum, Martin Exner (UK Bonn) Ostfriesischer-Oldenburgischer Wasserverband (OOWV) Martin Exner, Ricarda Schmidthausen, Thomas Schwartz, (Koordination HyReKA) Danke für Ihre Aufmerksamkeit HyReKA HyReKA