Nietzsche und die Philosophie des 19. Jahrhunderts Vorlesung, Mo

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Sozialdarwinismus Gruppe 1.
Advertisements

Mutation und Selektion
16. Woche KKD: Heine-Industrialisierung-Marx
Nietzsche heute „Ich sage Euch, man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“ (Zarathoustra)
Leben findet jetzt statt – Zeit, dass sich was dreht
nachdenken . Was jetzt kommt , darüber sollten wir alle, einmal gut, aber sehr gut nachdenken .
Karl Marx und der Marxismus
GURKL**BONLANDL in the alps Frauen und Männer 3 Geschichten aus dem Leben.
Das Böse. Zusammenhang? ZUSAMMENHANG?ZUSAMMENHANG?
Was sind die Naturanlagen und Bestimmungen von Menschen ?
Ein bisschen praktische Philosophie s/diogenes/diogenes1.jpg.
Einleiting, erster und zweiter Satz Amman Céline und Grisard Franck.
Was ist Arbeit? Soziologische Perspektive Franz Bär, Christos Karagiannis, Jakob Liedl.
Wer ist der Heilige Geist. EINFÜHRUNG Die Person und das Wirken des Heiligen Geistes wurde lange: Ignoriert Missverstanden Wer ist der Heilige Geist?
Gottfried Wilhelm Leibniz – Geb. in Leipzig, gest. in Hannover.
Ein Dozent hat mittels eines Fragebogens die Körpergröße seiner Studenten festgestellt. Anhand der erfassten Daten weiß er, dass der kleinste Student 158.
Christliche Gehörlosen Gemeinschaft 1. Johannes 5,1-13 Wir brauchen keine unnotige Last tragen! 1. Johannes 5,1-13.
VOM AFFEN ZUM MENSCHEN. CHARLES DARWIN ( ) – VATER DER EVOLUTIONSTHEORIE Darwins Hauptwerk bildet als streng naturwissenschaftliche Erklärung.
1.Mose 37, 1-11: „ Jakob ließ sich in dem Land nieder, in dem sich sein Vater als Fremder aufgehalten hatte, in Kanaan. 2 Das ist die Geschlechterfolge.
Zuletzt: Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Epheser 6,10.
Landesserver Baden-Württemberg, Redaktion Deutsch,
Die Herrlichkeit des Sohnes
2. Timotheus 1, 8-12 Was habe ich davon??.
Wie komme ich in den Himmel. Johannes 3v1-16
Evolutionstheorien.
Hey Du, - Akne inversa Du hast Dich still und
2.Tim 1,   12 Denn ich weiß, an wen ich glaube, und bin gewiss, dass er bewahren kann, was mir anvertraut ist, bis an jenen Tag. 13 Halte dich.
Lüge oder Wahrheit?.
Evolution.
Wirtschaftwissenschaften
שיעור בענין חצות בשעות זמניות
Glaube in Spannungen Macht und Ohnmacht Predigt zu Philipper 2, 5-11.
Herzlich willkommen!.
Ältere Männer.
Charakter-01 PPS starten und einfach laufen lassen … nur lesen und hören (Dauer nur 4 Minuten + 10 Sekunden)E.
Wie handeln die Jugendliche?
Geistliche Geburt = Wiedergeburt
Einführung in die Stadtsoziologie
Wissenschaftstheorie, Ethik und Gender Studies SE 1 Prof. Dr. Dr
Lektion des Lebens Autoplay Melanie C First Day of my Life.
Gott und «Götter».
Genieße das Leben, es ist später, als du denkst.
All‘ das wünsche ich Dir von Herzen
1.
Wir reden uns selber ein, dass das Leben besser wird, wenn wir verheiratet sind, ein Baby haben und danach noch ein zweites. Dann sind wir frustriert,
Wir reden uns selber ein, dass das Leben besser wird, wenn wir verheiratet sind, ein Baby haben und danach noch ein zweites. Dann sind wir frustriert,
3 Geschichten aus dem Leben
Bauen und Wohnen Heute: Baustoffe des Menschen.
Wir reden uns selber ein, dass das Leben besser wird, wenn wir verheiratet sind, ein Baby haben und danach noch ein zweites. Dann sind wir frustriert,
Zeitgeist Heiliger Geist
Es gibt Momente im Leben
Tischoffscher Mondhelligkeitskalender für Jäger
Nietzsche und die Philosophie des 19. Jahrhunderts Vorlesung, Mo
Projektkurse.
Nietzsche und die Philosophie des 19. Jahrhunderts Vorlesung, Mo
Als die beste des Jahres gewählt
Nietzsche und die Philosophie des 19. Jahrhunderts Vorlesung, Mo
Nietzsche und die Philosophie des 19. Jahrhunderts Vorlesung, Mo
1.
Thema: Terme und Variablen Heute: Termbeschreibungen
Die heutigen Jugendlichen. Welche Probleme haben sie?
Advent ... Christsein ... neues Jahr in Sicht ... Wohin gehe ich?
Das Mayonaisenglas + der Kaffee
Hugo von Hofmannstahl 1874 in Wien geboren
Neue Geburt..
[SMU 69] Du meine Seele, singe
Bedingungslos glücklich
Das Fach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ stellt sich vor
Kaufleute und Techniker
Vortrag: „Worauf kommt es an im Leben? Biographie und Wertewandel“
 Präsentation transkript:

Nietzsche und die Philosophie des 19. Jahrhunderts Vorlesung, Mo Nietzsche und die Philosophie des 19. Jahrhunderts Vorlesung, Mo. 09:50-11:30, S3 13/36, 01.02.10 von Marc Rölli 28. November 2018 |

Nietzsche und die Philosophie des 19. Jahrhunderts Wiederholung der letzten Stunde: „ Moral- und Religionskritik, Antichrist“ Religiöses Wesen Naturgeschichte der Moral „Gut und Böse“ oder „Gut und Schlecht“ Der Antichrist (1895) 28. November 2018 |

Nietzsche und die Philosophie des 19. Jahrhunderts Veranstaltungsüberblick (1) 19.10.2009: Einführung 26.10.2009: Schopenhauer als Vorbild 09.11.2009: Hegel und das Philistertum: Der „neue Glaube“ des David Friedrich Strauss 16.11.2009: Zum Problem des Historismus 23.11.2009: Wissenschaft und Kunst in den Aphorismen-Büchern 30.11.2009: Fällt streikbedingt aus

Nietzsche und die Philosophie des 19. Jahrhunderts Veranstaltungsüberblick (2) 07.12.2009: Die „Grundconception“, Zarathustra und die Figur des Übermenschen 14.12.2009: Metaphysikkritik (Kant und Schopenhauer) 11.01.2010: Wille zur Macht und Ewige Wiederkunft 18.01.2010: „Was bedeuten asketische Ideale?“ Romantik, Pessimismus, Nihilismus 25.01.2010: Moral- und Religionskritik, Der „Antichrist“ 01.02.2010: Nietzsches Stellung zu Darwin 08.02.2010: Klausur

XI. Nietzsches Stellung zu Darwin Gliederung Darwin und Darwinismus Von Darwin zu Nietzsche? „Anti-Darwin“ Schwierigkeiten mit der Lebensphilosophie

XI. Nietzsches Stellung zu Darwin Darwin und Darwinismus Die revolutionäre Bedeutung von Darwins Entstehung der Arten (1859) Formationen des Darwinismus Sozialdarwinismus und Anthropologie

XI. 1. Darwin und Darwinismus Die revolutionäre Bedeutung von Darwins Entstehung der Arten (1859) Zeit und Mode des Populärmaterialismus – Evolutionslehre auf materialistischen Grundlagen? Selektionstheorie vs. naturphilosophische Teleologie Bruch oder Kontinuität?

XI. 1. Darwin und Darwinismus Formationen des Darwinismus Ernst Haeckel – und der Populärdarwinismus in Deutschland Fortschritt und Evolution (Thomas Huxley) Selektion und Degeneration Biologische Charakteristik des Menschen – Abstammung und Vererbung Entstehung der Eugenik (Francis Galton)

XI. 1. Darwin und Darwinismus 3. Selektion und Degeneration „In einer meiner letzten Unterhaltungen mit Darwin sprach er sich wenig hoffnungsvoll über die Zukunft der Menschheit aus, und zwar auf Grund der Beobachtung, daß in unserer modernen Civilisation eine natürliche Auslese nicht zu Stande komme und die Tüchtigsten nicht überlebten.“ (Alfred Wallace 1894: 10)

XI. 1. Darwin und Darwinismus Sozialdarwinismus und Anthropologie Anthropologie vor und nach Darwin Die Entstehung der Anthropologischen Gesellschaften (zunächst in London und Paris) Biologie als Leitwissenschaft? Zur Relevanz biologischer Erkenntnisse im sozial- und kulturwissenschaftlichen Bereich – Bsp.: Entwicklungsethik; organizistische Soziologie; Bevölkerungspolitik; Rassenlehren

XI. Nietzsches Stellung zu Darwin 2. Von Darwin zu Nietzsche? Alexander Tille – ein Buch Entwicklungsethik (1895) Alfred Bäumlers Deutung des Willens zur Macht als Hauptwerk der Philosophie Nietzsches Nihilismus und Degeneration Moral und Religion als Ursachen der Entartung Umwertung der Werte: der Wille zur Macht als biologisch-organisches Prinzip Zucht und Züchtung – Rangordnung der Starken und der Schwachen – Eugenische Entwicklungsvorstellungen

XI. Nietzsches Stellung zu Darwin 3. „Anti-Darwin“ Wille zur Macht und „Kampf ums Dasein“ Selektion und Höherentwicklung L‘homme moyen und die Ausnahme – Probleme der substantialistischen Interpretation des Überlebens Kritik der Gattungslogik: Geschichte als Fortschritt; Stufen des Organischen; Lebenskontinuum der Vererbungssubstanz

XI. 3. „Anti-Darwin“ Wille zur Macht und „Kampf ums Dasein“ „Anti-Darwin. – Was den berühmten 'Kampf um‘s Leben' betrifft, so scheint er mir einstweilen mehr behauptet als bewiesen. Er kommt vor, aber als Ausnahme; der Gesammt-Aspekt des Lebens ist nicht die Nothlage, die Hungerlage, vielmehr der Reichthum, die Üppigkeit, selbst die absurde Verschwendung, – wo gekämpft wird, kämpft man um Macht… Man soll nicht Malthus mit der Natur verwechseln. – Gesetzt aber, es giebt diesen Kampf – und in der That, er kommt vor –, so läuft er leider umgekehrt aus als die Schule Darwin‘s wünscht, als man vielleicht mit ihr wünschen dürfte: nämlich zu Ungunsten der Starken, der Bevorrechtigten, der glücklichen Ausnahmen. Die Gattungen wachsen nicht in der Vollkommenheit: die Schwachen werden immer wieder über die Starken Herr, – das macht, sie sind die grosse Zahl, sie sind auch klüger … Darwin hat den Geist vergessen […].“ (Nietzsche 1888: 120)

XI. 3. „Anti-Darwin“ Selektion und Höherentwicklung „Anti-Darwin. […] Gegen die Formulirung der Realität zur Moral empöre ich mich: deshalb perhorrescire ich das Christenthum mit einem tödtlichen Haß, weil es die sublimen Worte und Gebärden schuf, um einer schauderhaften Wirklichkeit den Mantel des Rechts der Tugend, der Göttlichkeit zu geben … Ich sehe alle Philosophen, ich sehe die Wissenschaft auf den Knien vor der Realität vom umgekehrten Kampf ums Dasein, als ihn die Schule Darwins lehrt – nämlich überall die obenauf, die übrigbleibend, die das Leben, den Werth des Lebens compromittiren. – Der Irrthum der Schule Darwins wurde mir zum Problem: wie kann man blind sein, um gerade hier falsch zu sehn? … Daß die Gattungen einen Fortschritt darstellen, ist die unvernünftigste Behauptung von der Welt: einstweilen stellen sie ein Niveau dar, – daß die höheren Organismen aus den niederen sich entwickelt haben, ist durch keinen Fall bisher bezeugt. […] In summa: das Wachsthum der Macht einer Gattung ist durch die Präponderanz ihrer Glückskinder, ihrer Starken vielleicht weniger garantirt als durch die Präponderanz der mittleren und niederen Typen … In letzteren ist die große Fruchtbarkeit, die Dauer; mit ersteren wächst die Gefahr, die rasche Verwüstung, die schnelle Zahl-Verminderung.“ (Nietzsche 1888: 303-305; 14 [123])

XI. 3. „Anti-Darwin“ L‘homme moyen und die Ausnahme „Anti-Darwin. […] Man rechnet auf den Kampf um die Existenz den Tod der schwächlichen Wesen und das Überleben der Robustesten und Bestbegabten; folglich imaginirt man ein beständiges Wachsthum der Vollkommenheit für die Wesen. Wir haben uns umgekehrt versichert, daß, in dem Kampfe um das Leben, der Zufall den Schwachen so gut dient, wie den Starken […]. Man theilt der natürlichen Selection zugleich langsame und unendliche Metamorphosen zu: man will glauben, daß jeder Vortheil sich vererbt und sich in abfolgenden Geschlechtern immer stärker ausdrückt (während die Erblichkeit so capriciös ist…). […] Die reichsten und complexesten Formen – denn mehr besagt das Wort 'höherer Typus' nicht – gehen leichter zu Grunde: nur die niedrigsten halten eine scheinbare Unvergänglichkeit fest. […] Das 'Genie' ist die sublimste Maschine, die es giebt, – folglich die zerbrechlichste.“ (Nietzsche 1888: 315, 317; 14 [133])

XI. 3. „Anti-Darwin“ Kritik der Gattungslogik „Anti-Darwin. […] Meine Consequenzen. Meine Gesammtansicht. – Erster Satz: der Mensch als Gattung ist nicht im Fortschritt. Höhere Typen werden wohl erreicht, aber sie halten sich nicht. Das Niveau der Gattung wird nicht gehoben. Zweiter Satz: der Mensch als Gattung stellt keinen Fortschritt im Vergleich zu irgend einem anderen Thier dar. Die gesammte Thier- und Pflanzenwelt entwickelt sich nicht vom Niederen zum Höheren … Sondern Alles zugleich, und übereinander und durcheinander und gegeneinander.“ (Nietzsche 1888: 315-316; 14 [133])

XI. Nietzsches Stellung zu Darwin 4. Schwierigkeiten mit der Lebensphilosophie Die Erfindung der „Lebensphilosophie“ Nietzsche als Lebensphilosoph Warum Nietzsche kein Lebensphilosoph ist

XI. 4. Schwierigkeiten mit der Lebensphilosophie Die Erfindung der „Lebensphilosophie“ „Friedrich Nietzsche besaß die 'Philosophie des Lebens' noch nicht. Und doch schwebt er über den modernen Versuchen wie ein verborgener Schutzgeist. Er vor allem brachte durch seine dichterische und sprachschöpferische Gewalt in das Wort 'Leben' den tiefen Goldklang, den es seitdem besitzt.“ (Scheler 1913: 314)

XI. 4. Schwierigkeiten mit der Lebensphilosophie Nietzsche als Lebensphilosoph Die Einheit des Lebens und der cartesianische Dualismus Vitalismuskonzepte der „philosophischen Biologie“ – Probleme des Mechanismus (und Darwinismus) oder des Irrationalismus Kritik an der instrumentellen Rationalität – und der angebliche Gegensatz der Nietzscheschen Philosophie

XI. 4. Schwierigkeiten mit der Lebensphilosophie Warum Nietzsche kein Lebensphilosoph ist Probleme mit dem Dreiphasenmodell der Geschichte Kritik der (romantischen, wissenschaftlichen, anthropologischen) Naturalisierung des Lebens Wille zur Macht – und das pulsierende Leben