Symbolismus und andere Stilrichtungen in der Lyrik um 1900

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Geh aus, mein Herz, und suche Freud
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Symbolismus und andere Stilrichtungen in der Lyrik um 1900

Symbolismus Baudelaire, Mallarmé, Poe Dld., Europa, USA antirealistisch: verzichtet auf die Wiedergabe äußerer Wirklichkeit + die kommunikative Funktion der Sprache versucht das Absolute zu evozieren durch: symbolische Aufladung der Sprache, außergewöhnliche Bilder, Zeichen, Klänge und Töne Jean Moréas: Symbolistisches Manifest (1886): »[...] die wesentliche Eigenschaft der symbolistischen Kunst besteht darin, die Idee niemals begrifflich zu fixieren oder direkt auszudrücken. Und deshalb müssen sich [...] alle konkreten Erscheinungen in dieser Kunst nicht selbst sichtbar machen, sondern sie werden durch sensitiv wahrnehmbare Spuren, durch geheime Affinitäten mit den ursprünglichen Ideen versinnbildlicht«. Mittel: Synästhesie, „dunkle“ bzw. absolute Metapher häufig eine hermetische Sphäre der Sprachbilder

Symbolismus => => Tendenz zur Autonomie => Elfenbeinturm Frankreich: Théophile Gautier – „l’art pour l’art“ (ars gratia artis) - Vorwort zum Roman Mademoiselle Maupin (1835) Charles Baudelaire: Les paradis artificiels (1860) Paul Verlaine – „poètes maudits“ = verfemte Dichter Stéphane Mallarmé – „poésie pure“ = reine / absolute Poesie „Schließe das Wirkliche ab, es ist gemein.“ => Paul Valéry

Symbolismus Deutschland: Friedrich Nietzsche – sog. „Artistenevangelium“ (Geburt der Tragödie 1869) „ich [bin] von der Kunst als der höchsten Aufgabe und der eigentlich metaphysischen Tätigkeit dieses Lebens […] überzeugt“ Hermann Bahr: Symbolismus (1892), Studien zur Kritik der Moderne (1894) Hugo von Hofmannsthal: Über Gedichte (1904)

Symbolismus Zeichencharakter der dichterischen Sprache? => vollkommene Selbstbezüglichkeit vs. Bezug aufs „Unaussprechliche“ traditionelle Verwendung der Symbole (Beispiel: Nußbäume im Werther) neu: unbestimmte, dunkle Symbole => nicht nur die denotative und konnotative Semantik des Wortes sondern: Suggestivkraft, Magie Ausdrucksmittel werden zum eigentlichen Inhalt S. George: „Den wert der dichtung entscheidet nicht der sinn […] sondern die form d.h. durchaus nichts äusserliches sondern jenes tief erregende in maass und klang wodurch zu allen zeiten die Ursprünglichen die Meister sich von den nachfahren den künstlern zweiter ordnung unterschieden haben.“ (Über Dichtung, 1894) => Kunstform (umělecká/umělá f.) X Naturform (přírodní/přirozená f.)

Stefan George (1868-1933)

Stefan George (1868-1933) Lyriker, Vermittler von ausländischen (Dante, Baudelaire, Shakespeare usw.) und vergessenen Dichtern (Jean Paul, Hölderlin) konsequent geführte „Künstlerexistenz“ X Modernitätserscheinungen starker Einfluss der frz. Symbolisten Zeitschrift Blätter für die Kunst (1892–1919) 1. Erste Schaffensphase: neben Symbolismus Neigung zum Jugendstil (Hymnen, 1890) deutliche Distanzierung vom Naturalismus und Impressionismus Schrift+Buchdesign = Bestandteile der Poetik Algabal (1892) Die Bücher der Hirten- und Preisgedichte (1895) Das Jahr der Seele (1897) Sehnsucht nach dem ästhetischen Paradies konsequente Stilisierung Sprach- und Bildmasken: altes Griechenlands, römische Verfallszeit, Mittelalter, Orient oder Naturmotivik Immoralismus

Stefan George (1868-1933)

Stefan George (1868-1933)

Stefan George (1868-1933) 2. Späteres Werk: Dichter-Prophet und seine Gemeinde = George-Kreis (seit Hälfte der 1890er) – elitär, sektenhaft; „Dichterorden“ George = „Meister“ Mitglieder u. a.: Philosoph Ludwig Klages, Autoren Karl Wolfskehl, Ernst Bertram, Philologe Friedrich Gundolf, Historiker Ernst Kantorowicz; Brüder Alexander, Berthold und Claus v. Stauffenberg Der siebente Ring (1907) Stern des Bundes (1914) Das neue Reich (1928) (erotisch-)pädagogische Komponente; Figur des Maximin Mythologisierung 1933 Exil: Schweiz Rezeption: Einfluss auf: Expressionismus, „konservative Revolution Nationalisozialismus?

Stefan George (1868-1933) Ich euch gewissen · ich euch stimme dringe Durch euren unmut der verwirft und flucht: „Nur niedre herrschen noch · die edlen starben: Verschwemmt ist glaube und verdorrt ist liebe. Wie flüchten wir aus dem verwesten ball?“ Lasst euch die fackel halten wo verderben Der zeit uns zehrt · wo ihr es schafft durch eigne Erhitzte sinne und zersplissnes herz. Zyklus „Zeitgedichte“, Der siebente Ring (1907)

Hugo v. Hofmannsthal (1874-1929)

Hugo v. Hofmannsthal (1874-1929) Wiener Moderne habsburgische Tradition – romanische Kulturen wichtig (frz., ital., span., Barock) Frühwerk: Impressionismus + Symbolismus Gedichte – meistens vereinzelt publiziert: Vorfrühling (1892) Weltgeheimnis (1894) Ballade des äußeren Lebens (1895) Manche freilich … (1896) lyrische Dramen – Einakter Der Tod des Tizian (1892) Der Tor und der Tod (1893) ambivalentes Verhältnis George–Hofmannsthal

Hugo v. Hofmannsthal (1874-1929) Manche freilich… (1896) … Manche liegen mit immer schweren Gliedern bei den Wurzeln des verworrenen Lebens, anderen sind die Stühle gerichtet bei den Sibyllen, den Königinnen, und da sitzen sie wie zu Hause, leichten Hauptes und leichter Hände. Doch ein Schatten fällt von jenen Leben in die anderen Leben hinüber, und die leichten sind an die schweren wie an Luft und Erde gebunden.

Hugo v. Hofmannsthal (1874-1929) Ballade des äußeren Lebens (1895) Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen, Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben, Und alle Menschen gehen ihre Wege. Und süße Früchte werden aus den herben Und fallen nachts wie tote Vögel nieder Und liegen wenig Tage und verderben. … Was frommts, dergleichen viel gesehen haben? Und dennoch sagt der viel, der ”Abend” sagt, Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt Wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.

Hugo v. Hofmannsthal (1874-1929) Weltgeheimnis (1894) Der tiefe Brunnen weiß es wohl, Einst waren alle tief und stumm, Und alle wußten drum. Wie Zauberworte, nachgelallt Und nicht begriffen in den Grund, So geht es jetzt von Mund zu Mund. Der tiefe Brunnen weiß es wohl; In den gebückt, begriffs ein Mann, Begriff es und verlor es dann. …

Hugo v. Hofmannsthal (1874-1929) Nach 1900: Libretti für Richard Strauß: Elektra, 1904; Rosenkavalier, 1910; Ariadne auf Naxos, 1912. Dramatik: Elektra, 1903; Der Schwierige, 1921; Der Turm, 1924 (nach Calderon); Komödien ( Symbolismus) Essays: Chandos-Brief, 1903 Die Idee Europa, 1917

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Rainer Maria Rilke (1875-1926) Zum Lebenslauf: in Prag - bis September 1896 Militärschulen in St. Pölten + Mährisch-Weißkirchen (Hranice) Durchbruch: Verhältnis mit Lou Andreas-Salomé + Übersiedlung nach München, später Berlin, Worpswede, Paris … Schloss Duino Russland-Reisen (1899/1900) Werk: 1. Phase: neuromantische Anfänge Gedichtband Larenopfer (1895) Novellen Zwei Prager Geschichten (1899) Kurzprosa Cornet (1899) 2. Phase: Mystizismus; später „Cézanne-Erlebnis“ => „Sachlichkeit“ Gedichtbände: Stundenbuch (1905) Das Buch der Bilder (1902, 1906) Tagebuch-Roman: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910)

Rainer Maria Rilke (1875-1926) 3. Phase: Die Sonette an Orpheus (1923) Duineser Elegien (1912-22, er. 1923 hymnisch, dunkle Metaphorik Dichtung als eine Form „säkularer Religion“

Rainer Maria Rilke (1875-1926) Archaïscher Torso Apollos (1908) Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt, darin die Augenäpfel reiften. Aber sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber, in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt, sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug der Brust dich blenden, und im leisen Drehen der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen zu jener Mitte, die die Zeugung trug. Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz unter der Schultern durchsichtigem Sturz und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle; und bräche nicht aus allen seinen Rändern aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.

Rainer Maria Rilke (1875-1926) Die erste Elegie (Duineser Elegien, 1923) Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören. Ein jeder Engel ist schrecklich. …

Christian Morgenstern (1871-1914) Antisymbolistisch: Spiel mit Worten ohne symbolische Überhöhung Spiel mit der Realität und deren grotesk–phantastische Verzerrung „versprachlichte“ Welt – nimmt Dadaismus vorweg Galgenlieder (1905) Palmström (1910) Palma Kunkel (1916)

Christian Morgenstern (1871-1914) Bim, Bam, Bum Ein Glockenton fliegt durch die Nacht, als hätt er Vogelflügel, er fliegt in römischer Kirchentracht wohl über Tal und Hügel.   Er sucht die Glockentönin BIM, die ihm vorausgeflogen; d.h. die Sache ist sehr schlimm, sie hat ihn nämlich betrogen. "O komm", so ruft er, "komm, dein BAM erwartet dich voll Schmerzen. Komm wieder, BIM, geliebtes Lamm, dein BAM liebt dich von Herzen!" Doch BIM, daß ihr's nur alle Wißt, hat sich dem BUM ergeben; der ist zwar auch ein guter Christ, allein das ist es eben.   Der BAM fliegt weiter durch die Nacht wohl über Wald und Lichtung. Doch, ach, er fliegt umsonst! Das macht, er fliegt in falscher Richtung.