Geschichte als Globalgeschichte

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
H I N D U I S M U S ENTSTEHUNG und GESCHICHTE.
Advertisements

Unsere Zielsetzungen * Mündigkeit * Eigenverantwortung
Besonderheiten des 2. Vorschlags
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Einführung in die Internationalen Beziehungen
Der Begriff des Mittelalters
Gesellschaftsgeschichte/ Sozialgeschichte
Die modernen Geschichtswissenschaften
Was ist Globalisierung?
Soziale Ungleichheit im internationalen Vergleich
2. Das Stichwort der 90er Jahre: Globalisierung
Familienbild und Frauenrolle
Geschichte für Oberstufen-Anfänger
Unterrichtsinhalte im Fach Geschichte/Oberstufe
des Emsland-Gymnasiums
Wissensfragen, z.B.: Glaubensfragen, z.B.: Wie…
Die Weltsystemtheorie Immanuel Wallersteins
Wer ist ein Einwanderer?
Zentralabitur 2008 HinweiseErläuterungenAnfragen.
Neues BMBF-Fachprogramm
(bitte als Bildschirmpräsentation starten)
Geschichte und Sozialkunde kombiniert
Helden?. Hmmmmmmmmmmm Oft SUCHEN wir DIE Hilfe unserer Helden!
EuropaRAThaus Erklärung Für ein Europa der Bürgerinnen und Bürger „Wir einigen keine Staaten, wir verbinden Menschen“ (Jean Monnet) Anlässlich.
Geschichte der Religionen in Deutschland
Die Geschichte von Deutschland
PARTENARIAT ÉDUCATIF GRUNDTVIG PARTENARIAT ÉDUCATIF GRUNDTVIG REPERES KULTURELLER ZUSAMMENHALT UND AUSDEHNUNG DER IDEEN AUF EUROPÄISCHEM.
Legitimität Wem gehört der Staat?.
Geschichte der Religionen in Deutschland
Annahmen historisch-materialistischer Theorie(n)
Globalgeschichte Einführung in die VO
Übersicht: Individualisierung & Globalisierung
2. Kapitel: Vom Stamm zum Staat in einer globalisierten Umwelt B: Die Entwicklungsstadien der staatlichen Gemeinschaft.
Kapitel I A: 1. Teil Von der lokalen Grösse zur globalisierten Margi-
ICUM - Projekt Gruppe 2.
Universalität – Partikularismus, Eurozentrismus, Androzentrismus
„Citizenship in Europa“
(bitte als Bildschirmpräsentation starten)
Geschichte und Sozialkunde kombiniert
Entwicklung der Stadt: Shanghai
Sprachgeschichte des Deutschen
Präsentation von Andreas Kremser
Aktualität und Geschichte von politischer Theorie und Ideengeschichte 01. April 2008.
Chance Nachwachsende Rohstoffe Wissenschaftliche Tagung Ried 2007 Gemeinsamer Workshop der Gruppen Wirtschaft - Verwaltung - Konsumenten.
„NRW-Schüler haben in Geschichte krasse Wissenslücken“ (derwesten.de)
1 Prof. Dr. Hans J. Lietzmann Jean-Monnet-Professor for European Politcs Europastudien 3. Theoretische Perspektiven Jawaharlal Nehru University / Neu-Delhi.
Unterrichtssequenz Regionale Disparitäten in der EU
„Kulturbegegnung kennt keine Grenzen“. Alltagskulturen: „Jugend vom Umtausch ausgeschlossen!“ Jugendliche haben zu allen Zeiten neue Ideen und Visionen.
Gastprofessor Dr. Árpád v. Klimó Katholische Kirche und Katholiken: Österreich im europäischen Kontext (19. und 20. Jahrhundert)
Europäische Identität: Grundlagen
1. Europa 1.1. Grenzen Europas.
Wir wollten das Problem studieren. Warum studieren die Menschen in 21. Jahrhundert die Fremdsprache?
Copyright: Martina Kaller-Dietrich
Der Master-Studiengang Ethnologie in Göttingen Dr. Michael Dickhardt Dr. Hans Reithofer Institut für Ethnologie Göttingen
Gastprofessor Dr. Árpád v. Klimó Grundkurs Österreichische Geschichte (mit Berücksichtigung der Methoden „Archivierung und Musealisierung sowie der Analyse.
SE: Sicherheitspolitik nach dem Ost-West-Konflikt
© Richard Stock, 2013 E UROPA UNTERRICHTEN Richard Stock Eine Fortbildungsreihe in Zusammenarbeit mit dem Centre européen Robert Schuman in Scy-Chazelles.
Konfliktforschung I: Kriegsursachen im historischen Kontext
Die Dekolonisation Asiens
Das Fach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ stellt sich vor
Neues zur Epoche des Mittelalters: Die Kreuzzugsbewegung – Impulse für die Schule? Fach-Tag Geschichte 2011 „Schulcurricula im Fach Geschichte als Chance“
Physik und Geschichte Ein fachübergreifendes Unterrichtsangebot im Rahmen des Wahlpflichtunterrichts.
Das kombinierte Colloquium in Geschichte und Sozialkunde Eine Präsentation für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler STAATSINSTITUT FÜR SCHULQUALITÄT UND.
Neigungsfach Geographie
Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué
Ziele : 1 Bekanntschaft mit dem Lebenslauf und
(bitte als Bildschirmpräsentation starten)
 Präsentation transkript:

Geschichte als Globalgeschichte Erfordert Globalisierung eine Neukonzeption von Räumen, Zeiten und Perioden im Geschichtsunterricht? Andrea Komlosy (WISO)

Wann beginnt Globalgeschichte? GG als Menschheitsgeschichte GG als Geschichte überregionalen Austauschs 16.Jh: GG als (westeurop.) Expansionsgeschichte 19.Jh: Weltmarkt unter britischer Hegemonie 20.Jh: Übergang von der britischen zur US-Hegemonie Jüngste Globalisierung ab 1980ff: neue Formen der Verdichtung, in Verbindung mit Kommunikationstechnologien

Wie kam es zur (west-)europäischen Hegemonie? Gefahr der Rückprojektion w-europäischer Hegemonie Zäsuren (aber nicht Beginn von GG): * Zäsur 16.Jh: West-europ. Expansion -Atlantisches Dreieck – „Europ.Weltsystem" (NW-EU, NO-EU, Am, W-Afrika) * Zäsur 18/19.Jh: Inkorporierung weiter Teile Asiens und der Welt in das „Europ. Weltsystem“ * Zäsur Wende 20/21.Jh.: Re-Orient?

Eurozentrische Periodisierung der Weltgeschichte Antike Reiche (3.Jt. vuZ - 4. Jh.) Völkerwanderung (1.-6. Jh.) Mittelalter (7.-14.Jh.) Frühneuzeit (15.-18. Jh.) Neuzeit (Moderne) (18.-20. Jh.) Weltkriegs- und Zwischenkriegszeit (1914-1945) Wiederaufbau (1945-1970) Zeitalter d. Globalisierung (1970 - )

Weltregionen und Periodisierung Problematisierung eurozentrischer Perioden und Abläufe Jeder Raum hat seine Momente, Zäsuren, seine Perioden und seine Geschwindigkeit. Lässt sich auf dieser multifokalen Basis überhaupt Weltgeschichte schreiben?

Befreiung aus den Perioden des eurozentrischen Universalismus „Die euro-atlantische Usurpierung der Weltgeschichte war möglich, weil ihre Protagonisten ihr Ablaufschema nicht mehr aus der Universalität des Christentums, sondern aus Vernunft und wissenschaftlicher Rationalität ableiteten …“ (Weltzeit-Ortszeit, 96) „Die euro-atlantische Hegemonie synchronisierte die regionalen Historiographien, indem es sie in das Stufenmodell einordnete, das die Geschichtsphilosophien der europäischen Aufklärung zur allgemeinen Norm erklärten.“

Multiperspektivität ernst nehmen Periodisierung aus der Perspektive jeder Region: Heißt das Fragmentierung der Geschichtsschreibung? Oder ist eine Zusammenführung regionaler bzw. partikularer Geschichten möglich?

Alternativen zur Universalisierung des europ. Stufenmodells Periodisierung aus der Perspektive anderer Weltregionen Multifokale Lexik, Chronik Buchbinder-Synthese Neutralisierung -zentristischer Perioden (durch Bildung von Container-Zeiträumen) Synchronisierung durch (interkult.) Vergleich Synchronisierung durch Interaktion Bildung globaler Perioden

Sinozentrische Periodisierung der Weltgeschichte Vorkaiserliches China 18.Jh. -221 v.u.Z. Han-Dynastie 206 v.-220 n.u.Z. Zeit der kriegerischen Reiche 220-589 n.u.Z. Sui-Dynastie 589-618 Tang-Dynastie 618-907; Zeit der 5 Dynastien 907-960 Song-Dynastie 960-1279 Yuan-Dynastie 1279-1368 (mongolisch) Ming-Dynastie 1368-1644 Qing-Dynastie 1644-1911 (mandschu) Republik China, Bürgerkrieg und Besetzung 1911-1949 Volksrepublik China; 1978: „Öffnung und Reform“

Neutrale Container-Zeiträume Z.B. Osterhammel: Das 19. Jahrhundert: Periodisierung/Deutung als Epoche europ. Hegemonie/Europäisierung der Welt Z.B. Mertl: „Globale Horizonte 1200-1350“ (Periodisierung nach Generationen-Clustern, Entkleidung von allen Zuordnungen, Deutung aufgrund von vergleichender Kulturraumanalyse)

Interaktionsfelder Kapital-, Waren- und Migrationsbewegungen Kulturkontakte und Kulturtransfer (Wissens- und Glaubenssysteme, Religion, Säkularisierung, Rationalisierung; Weltbilder, Ideen, Techniken) Beziehungen im zwischenstaatlichen System (Krieg&Frieden, Hegemonie, Herrschaft und Kolonisierung) Beziehungen in der internationalen Arbeitsteilung/Weltmarkt Interaktionsfelder zwischen Klasse – Rasse - Geschlecht

Interaktion periodisieren basierend auf der Perspektive: der jeweiligen Hegemonialmacht Ereignis- und Datenchronologie der (Summe der getrennten) regionalen Geschichten aller an der Interaktion Beteiligten der Zusammenführung der regionalen Geschichten – „ - Mit Hilfe von Einordnungsmodellen (Stufen-, Zyklen- und Weltsystem-Modelle)

Zeithorizonte (nach Fernand Braudel) Ereignisgeschichte – Momentaufnahme, kurze Dauer Konjunkturgeschichte – Abläufe mittlerer Dauer, Zyklen Strukturgeschichte – Abläufe langer Dauer Blick in die Zukunft: Das Werden der zukünftigen Welt

Raumhorizonte Alle Ebenen von lokal – regional – national bis global Zentren – Peripherien (Welt-)Städte – Transnationale Netze Kulturräume Weltregionen (durch Landschaft, Geschichte, Vielfalt der Kulturen geprägte Großräume) Imperien – Nationalstaaten Weltwirtschaften, Weltsysteme

Zeiten & Räume der Interaktion Die verschiedenen regionalen Chronologien der beteiligten Regionen müssen in die „Sprache“ der anderen übersetzt werden. Die globalgeschichtlich-interaktive Herangehensweise räumt der Interaktion selbst eine Chronologie ein. Die Interaktion schafft sich ihren je spezifischen Raum und bringt ihr eigenes zeitliches Muster hervor. Die Chronologie der Interaktion schreibt sich in die unterschiedlichen regionalen Chronologien ein. Kann daraus ein Geschichts-Bild weltweiter Interaktion entstehen, das jedem Teil des Gesamtsystems gerecht wird?

Sequence versus Synchronicity

Wie verbinden wir die unterschiedlichen Chronologien: Abfolge vs Wie verbinden wir die unterschiedlichen Chronologien: Abfolge vs. Gleichzeitigkeit Internat./interkult. Vergleich von Entwicklungsabfolgen Wer bestimmt den Referenzrahmen (Messlatte)? Zuordnung von Schnell-Langsam, Erste-Letzte, Erfolg-Misserfolg ohne Berücksichtigung der Interaktion als Ursache der Differenz Verbindung/Interaktion von Regionen zwischen und innerhalb von Staaten zu ein- und demselben Zeitpunkt erlaubt einen multifokalen Blick auf die Kombination von Arbeitsverhältnissen im globalen Kapitalismus