Inkontinenzversorgung ist im Heim kein Tabuthema Vortrag für Heimbewohner und Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen
Definition „Inkontinenz“ Lateinisch „in-continentia“ bedeutet „das Unvermögen, etwas zurückzuhalten“ Medizinisch wird unterschieden zwischen: Harninkontinenz: unfreiwilliger Abgang von Urin (Blasenschwäche) Stuhlinkontinenz: unfreiwilliger Abgang von Stuhlgang (seltener)
Häufigkeit von Inkontinenz In Deutschland leiden ca. 6 - 8 Millionen Menschen unter einer Inkontinenz: Risiko steigt ab einem Alter von ca. 65 Jahren stark an Frauen sind häufiger betroffen als Männer Problem: Große Dunkelziffer, da viele Menschen sich schämen und daher nicht über dieses Problem sprechen, nicht einmal mit ihrem Arzt. Inkontinenz ist in der Gesellschaft auch heute noch ein Tabuthema.
Funktion der Harnblase Die Harnblase ist ein Hohlorgan, das auf dem Beckenboden liegt und von Muskeln umgeben ist. Harnleiter verbinden die Blase mit den Nieren. Aufgabe der Blase: Aufnahme von Urin aus den Nieren und Abgabe von Urin über die Harnröhre Fassungsvermögen: ca. 400 - 900 ml Harndrang bei ca. 200 - 350 ml Blase ist sehr stark dehnbar
Funktion der Harnblase Der Harnabfluss aus der Blase wird durch zwei Schließmuskeln, den inneren und den äußeren Schließmuskel, reguliert. Innerer Schließmuskel: kann nicht willentlich beeinflusst werden Äußerer Schließmuskel: dient der bewussten Kontrolle der Blasenentleerung Wenn der äußere Schließmuskel entspannt wird, kann sich die Blase entleeren.
Häufige Formen von Inkontinenz Belastungs- oder Stressinkontinenz (häufigste Form bei Frauen) Dranginkontinenz Überlaufinkontinenz (häufigste Form bei Männern) Reflexinkontinenz Stuhlinkontinenz
Belastungs- oder Stressinkontinenz Symptome: Bei Druck auf die Blase (z.B. durch Husten, Lachen, Niesen, Treppensteigen oder Heben) geht unwillkürlich Harn ab. Belastungs-/Stressinkontinenz betrifft in erster Linie Frauen. Ursachen: schwache Beckenbodenmuskulatur infolge von Schwangerschaft, Geburt und hormoneller Umstellung schwere körperliche Arbeit und Übergewicht verstärken die Probleme zusätzlich
Belastungs- oder Stressinkontinenz Therapie: Beckenbodengymnastik Pessare einsetzen (Silikonringe, die die Lage der Blase und der Harnröhre so verändern, dass unfreiwilliger Harnabgang verhindert wird) Arzneimittel (z.B. Duloxetin): Nebenwirkungen wie Schwindel oder Übelkeit möglich u.U. Gewichtsreduktion Operation
Dranginkontinenz Symptome: Plötzlich einsetzender, starker und unbeherrschbarer Harndrang, der öfter als zweistündlich eintritt Harndrang schon bei geringen Harnmengen von unter 200 ml Der Harn kann nicht so lange zurückgehalten werden, bis der Betroffene eine Toilette erreicht „überaktive Blase“ Dranginkontinenz kann auch zusammen mit einer Stressinkontinenz vorkommen.
Dranginkontinenz Ursachen: Entzündungen, Tumore, Blasensteine,Östrogenmangel neurologische Erkrankungen (z.B. Schlaganfall, Alzheimer oder Parkinson) Therapie: Beckenbodentraining Miktionstraining Arzneimittel (Muskarin-Rezeptor-Antagonisten wie z.B. Propiverin) lösen verspannte Blasenmuskulatur
Überlaufinkontinenz Symptome: Häufigste Inkontinenzform bei Männern über 65 Jahren Ständiges Harntröpfeln Patienten müssen 2 - 3 x häufiger zur Toilette als Gesunde Ursachen: gutartig vergrößerte Prostata (Benignes Prostata-Syndrom) Harnsteine, Blasentumor schwache Blasenmuskulatur Medikamente (z.B. Tranquilizer) © Alila Medical Images - Fotolia.com
Überlaufinkontinenz Therapie: Alpha-Rezeptorenblocker wie z.B. Terazosin oder Tamsulosin 5 Alpha-Reduktasehemmer wie z.B. Finasterid Phytopharmaka mit Extrakten aus Sägepalmenfrüchten, Brennnesselwurzeln oder Kürbiskernen Operation (z.B. bei Steinen oder Tumoren)
Reflexinkontinenz Eine Störung im Gehirn oder bei der Nervenleitung zwischen Gehirn und Rückenmark z.B. durch eine Verletzung des Rückenmarks führt zur Inkontinenz (relativ seltene Form) Blasenmuskulatur kann sich nicht mehr zusammenziehen Therapie: Legen von Kathetern
Schweregrad bei Harninkontinenz Einteilung nach der Menge an Urinverlust Tröpfelinkontinenz unter 50 ml Harnverlust pro Ausscheidung Grad 1: leichte Harninkontinenz 50 - 100 ml Harnverlust pro Ausscheidung Grad 2: mittlere Harninkontinenz 100 - 250 ml Harnverlust pro Ausscheidung Grad 3: schwere Harninkontinenz über 250 ml Harnverlust pro Ausscheidung
Stuhlinkontinenz Symptome: willentlich nicht zu kontrollierender Abgang von Stuhlgang Ursachen: häufig bei Patienten mit multipler Sklerose, bei Diabetikern oder Demenzerkrankten Erschlaffung oder Überdehnung des Schließmuskels im Alter (z.B. infolge chronischer Verstopfung) Verletzungen (z.B. nach Geburt oder Operationen) Chronische Darmerkrankungen (z.B. Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn)
Stuhlinkontinenz Therapie: Änderung der Ernährungsgewohnheiten (z.B. ballaststoffreiche Kost) erhöht das Stuhlvolumen und verbessert die Stuhlkonsistenz Beckenbodentraining stärkt die Muskulatur Arzneimittel, die die Durchlaufgeschwindigkeit durch die Darmpassage verlangsamen (Stuhlgangshäufigkeit wird reduziert) evtl. Operation
Schweregrad bei Stuhlinkontinenz Grad 1: leichte Stuhlinkontinenz Blähungen können nicht mehr zurückgehalten werden Grad 2: mittlere Stuhlinkontinenz flüssiger Stuhl kann nicht mehr zurückgehalten werden Grad 3: schwere Stuhlinkontinenz normaler Stuhl kann nicht mehr zurückgehalten werden
Hilfsmittel bei Inkontinenz Im Handel sind je nach Art der Inkontinenz (Harn- oder Stuhlinkontinenz) oder nach dem Ausprägungsgrad der Inkontinenz viele unterschiedliche Produkte erhältlich. Gängige Hilfsmittel: Einlagen, Windelhosen und Bettschutzeinlagen Entsorgung: in normalem Hausmüll gut geeignet sind spezielle Windeleimer zur Vermeidung unangenehmer Gerüche
Hilfsmittel bei Inkontinenz Einlagen: bei leichter bis mittelschwerer Inkontinenz Inkontinenzeinlagen gibt es in unterschiedlicher Saugstärke. Sie werden in eine eng anliegende Unterhose eingelegt. Inkontinenzeinlagen enthalten spezielle geruchsbindende Bestandteile, die unangenehmen Uringeruch verhindern. Wichtig: Es sollten keine Monatsbinden verwendet werden, da diese nicht für das Aufsagen von Urin geeignet sind. Für Männer gibt es spezielle Vorlagen.
Hilfsmittel bei Inkontinenz Windelhosen: es gibt viele verschiedene Modelle mit unterschiedlichen Saugstärken z.B. für Tag oder Nacht mit Klebe- oder Klettverschluss Hosen mit Gummibund (ähnlich wie eine Unterhose) Bettschutzeinlagen: Zusätzlich zu den verwendeten Einlagen oder Windelhosen schützen sie die Matratze vor Feuchtigkeit und anderer Verschmutzung.
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