Prof. Dr. Bernhard Schlag

Slides:



Advertisements
Ähnliche Präsentationen
Motivations- und Selbstmanagement-Training
Advertisements

Identifizierung und Ausbildung von Führungskräften
Singles:Stufen zur Reife
Pro-Skills-Hintergrundphilosophie
Vom Anfänger zum Könner -
Tagung des DNBGF-Forums
Projektumfeld Gesellschaftliche Strömungen Strukturen/ Gliederung
Verhandeln statt Feilschen Die Methode soll das Verharren auf pers. Verharren verhindern Feilschen ? Sachbezogenes Verhandeln! Ziel: effizientes.
"Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss" – Über (schulische) Erziehung Referenten: Björn Anton: Andy Caspar Michael.
Naturwissenschaftlich orientierte Unterrichtsverfahren
Die Entwicklung der Frühförderung in Thüringen -
Sozialisation 2. Vorlesungseinheit:
Beurteilung der Wirksamkeit von Schulungen Dr. Barbara Moos
„Älter werden in der Pflege“
Seite 1 IAB-Workshop Fünf Jahre Grundsicherung - Berlin, IAB-Workshop Fünf Jahre Grundsicherung Resümee aus Sicht der Praxis: Welche Lehren.
Konzept der Fort- und Weiterbildung für die SeelsorgerInnen im Bistum Münster Hauptabteilung 500, Seelsorge - Personal Gruppe 512, Fortbildung Hermann.
Akzeptierende Jugendarbeit mit rechtsextremen Jugendlichen
Zeitmanagement für Frauen
International Disability Alliance
Lernen im Alter – anders als in der Jugend?
2. Steven Covey: Die drei Einflussbereiche
Probleme heutigen Unterrichts
Wie sieht die Arbeitswelt von morgen aus?
Aus dem Blickwinkel niederschwelliger Suchthilfe
am Hans-Böckler-Berufskolleg in Marl und Haltern am See
Mögliche Themen für die Sozialarbeit im Fall Herr und Frau Huber
Die Balance finden mit Triple P
EU-Projekt Adrisk: Jugendliche, Unfallgeschehen und Risikokompetenz
Mehr als nur ein Ferienquartier. Auftrag und Chancen evangelischer Tagungs- und Gästehäuser Evangelische Häuser – Gründungsversammlung Berlin, 18. April.
Service Design by EstherKnaus® Der Benchmark für Dienstleistungen
Cluster 2 – Psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt
Grundpositionen> Schulfachbezogene Entscheidungen (Skript)
Probleme lösen „hilf mir!“: ich helfe dir beim Suchen deiner Lösung!
Prof. Dr. Dieter Grasedieck
24 goldene Regeln für die Menschlichkeit
Quelle: „Wege aus dem Labyrinth der Demenz“
Problem basiertes Lernen und Lehren in der Praxis
1 Dr. Carlheinrich Heiland Universität Hamburg - Die Computersimulation verändert als Schlüsseltechnologie die Arbeitsweise in Planung.
Kompetenzentwicklung in schwierigen Zeiten: Wie man Jugendlichen dabei helfen kann, die eigene Biografie zu gestalten Perspektive Berufsabschluss, Offenbach.
Rauchen.
Psychotherapie bei MS P. Calabrese.
Die Bedeutung der Bewegung in einer guten und gesunden Kita
Lerngewohnheiten: Aus einer pädagogischen und affektiven Perspektive Andrea Moreno (UTP) Carolina Buchwald (Psychopädagogin)
Elternwerkstatt 2. Abend
Prof. Dr. Cornelia Gräsel Fachrichtung Erziehungswissenschaft
Sicher Lernen! Sicher Lehren!
Radfahrer: Gefangene des Paragrafendschungels? Dr. Othmar Thann, Direktor des KfV Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Regionalleiter Ost im KfV.
Situation älterer Menschen in unserer Gesellschaft
Verhaltenslernen Lernen durch Erfahrung Klassische Konditionierung
Von Unternehmen und Unternehmern
Möglichkeiten und Grenzen von Teamarbeit
Soziale Arbeit an Schulen im Landkreis Bad Kreuznach
Thema „Hilfe mein Kind ist in der Trotzphase“
Die Rolle der Eltern im Berufswahlprozess ihrer Kinder
Alkoholtherapie Nüchtern werden – Nüchtern bleiben.
Heilung Genesung Recovery
Bestrafung und Löschung
Ziele /Aufgaben der Psychologie
Seite 1 A 10 bei Schönefeld (2). Seite 2 A 10 bei Schönefeld (3)
Drei Teilnehmer der Konferenz „Entwicklungschancen für Entwicklungsländer“ treffen sich … Rombach, angenehm Guten Tag, ich heiße Sommer! Mein Name ist.
Pädagogische Psychologie
Arbeitsfähigkeit erhalten
Das Fach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde“ stellt sich vor
Kooperatives Lernen.
Definition/Merkmale psychischer Störungen
Biopsychosoziale Entwicklung Vorlesung „Psychische Störungen“ Prof. Dr. Ralph Viehhauser.
Sprachen lernen und erwerben: erste Begriffe und Unterscheidungen Dörthe Uphoff FLM 0640 – Februar.
Julia Hartanto & Katrin Luz Wintersemester 2012/ Allgemeine II Seminar – Selbstkontrolle Selbstkontrolle und Sport.
Auch Ihr Verein macht es schon!. Neue Mitglieder Hilfe Nutzen Wichtiger Sozial- faktor Neue Angebote Aus- sterben Alleine versuchen Schützen = Gefährlich.
 Präsentation transkript:

Prof. Dr. Bernhard Schlag Fähigkeiten fördern - Risiken verringern: Fahranfänger aus psychologischer Sicht Prof. Dr. Bernhard Schlag Weltgesundheitstag 2004: Sicher fahren - gesund ankommen Berlin, 6.4.2004

Konsequenz: Nicht nur Fahrzeuge - auch Sicherheit exportieren! Extreme Verkehrsunfallentwicklung in sich entwickelnden Länder. Teilweise Erfolge in Industrieländern. Konsequenz: Nicht nur Fahrzeuge - auch Sicherheit exportieren! Aber: Sind wir Spitze? Ein glaubwürdiges Vorbild? Best practise weitergeben und: bereit sein, von anderen zu lernen.

Kfz-Unfälle nach Altersgruppen Hochrisikogruppe: 18-25 Jährige Straßenverkehrsunfälle = Todesursache Nr. 1 4

Junge Fahrer Häufige Alleinunfälle, Abkommen von der Fahrbahn, oft durch überhöhte Geschwindigkeit 3faches Risiko, im Straßenverkehr zu sterben, bis zu 5faches Risiko, zu verunglücken 5

Interaktion Person x Situation Situationale Verhaltensangebote Personale Verhaltens-hintergründe (differentiell) Fähigkeiten und Verhaltensintentionen Fehlerprävention? Restriktionen und Verhaltensangebote Nein Fahrfehler Fehlertoleranz des Umfeldes Bewältigungskompetenz Konfliktprävention? Situativer Fehlerausgleich / Kompensation Nein Verkehrskonflikt Erleben und Lernfolgen: zukünftiges Verhalten in bezug auf Verkehrssicher-heit und Systemnutzung Unfallprävention? Nein Unfall Folgenminderung: sekundäre & tertiäre Prävention

Entwicklungspsychologie und Fahrsozialisation Neues zu erfahren ist immer mit Risiken verbunden. Erfolg ist nie sicher ... Bereits vor Erwerb der Fahrerlaubnis wird gelernt: Erwartungen, Wünsche, Modelle ... Nach der Fahrerlaubnis wird weitergelernt – oft in sicherheitsabträglicher Weise. Die Annäherung an Grenzen und ihre Überwindung ist eine Entwicklungsaufgabe des Jugendalters. Aktivationslust (“sensation seeking”) ist im jungen Alter und speziell bei jungen Männern höher. Risikobereitschaft erhöht die Unfallwahrscheinlichkeit - aber: “alles Andere ist langweilig”. Erwerb der Fahrerlaubnis als Übergangssymbol zwischen den Entwicklungsabschnitten (“Initiation”). FE und Kraftfahren sind entwicklungspsychologisch überladen: Als Symbol persönlicher Entwicklung und des gesellschaftlichen Status´. Die Beherrschung dieser Impulse und des sozialen Drucks überfordert junge Menschen: FAHREN??? FAHREN!!! FAHREN.... Die Lernphasen stellen unterschiedliche Anforderungen. Verteiltes Lernen, je nach Problemlage, ist effektiver als massiertes Lernen nur zu Beginn.

Mobilität junger Erwachsener: Aufbau von Verhaltensmustern pro Kfz; schwer änderbar: Elastizität des Entscheidungsverhaltens ist abhängig von: Notwendigkeit vs. Substituierbarkeit des Produktes Einkommen und Preis Entscheidung bei Erstanschaffung eines Kfz noch elastisch (substituierbar und teuer) In der Folge: Subjektive und objektive Lebensanpassung an Kfz-Verfügbarkeit (zeitlich + räumlich): erleichtert und verstärkend Konsequenz: Elastizität ist bei späteren Fahrzeug- anschaffungen verloren PKW wird vom subjektiven Luxusgut zum notwendigen / als unverzichtbar erlebten Alltagsobjekt: “car dependence”.

Fahrversuche: Unterschiede Jung/Erfahren Keine Unterschiede in psychophysischer Leistungsfähigkeit Unterschiede in der Fahrzeugbeherrschung besonders im ersten halben Jahr aktiven Fahrens. Dabei steigt subjektive schneller als objektive Sicherheit. Unterschiede zwischen jungen Fahrern, bes.: Risikoverhalten Unterschiedliches Fahrverhalten ist sowohl auf lückenhafte Fähigkeiten wie auf motivationale Ursachen (bes. nach Ansteigen subjektiver Sicherheit) zurückzuführen. Fragen: Wünsche, Erwartungen, Auslebenstendenzen? Welche sozialen und entwicklungspsychologischen Funktionen hat ein Kfz für junge Fahrer? Wie sind Fahrmotive zu beeinflussen?

Exemplarische Kennwerte des Fahrverhaltens auf einem Landstraßenabschnitt Erfahren Jung, risikobereit

Der FahrANFÄNGER: muß lernen .... Probleme junger Fahrer in der .... Fahrzeugbeherrschung: Beansprucht Ressourcen, Überreaktion bei Fehlern Fehlende Automatismen Gefahrenerkennnung: Weniger zuverlässig, langsamer Visuelle Suche: Fahrzeughandling statt Fahrsituation Aufmerksamkeitszuwendung: Ablenkbarer (Nebenaufgaben, Mitfahrer) Antizipation: Voraussehen der Situationsentwicklung Risikowahrnehmung: Unterschätzung Selbsteinschätzung: Überschätzung

Der junge Mensch will vorankommen (Motivation): Räumlich Der junge Mensch will vorankommen (Motivation): Räumlich ... mobil sein, Sozial ... besser als andere sein, Als Person ... sich weiterentwickeln, wachsen. Passform zwischen seinen Wünschen, seiner Motivation und den Möglichkeiten, die Fahrzeuge und Straßen versprechen. Fahrzeuge werden nicht nur als Transportgefässe erlebt, gerade für junge Menschen “bedeuten” sie mehr: Soziale Vorteile, Ich- Erweiterungen, Kraft und Entfaltung, Entwicklungs- chancen ... Angebot und Nachfrage passen zusammen: “gesucht und gefunden”. Persönliches Wollen , soziales Dürfen, situative Ermöglichung als 3 Determinanten des Verhaltens scheinen vorhanden - aber die Vierte? Das Können?

Die Situation der Fahranfänger in Deutschland Auf sich allein gestellt, oft mit problematischen Vorbildern. Entwicklung von Gefahrenkognition und -antizipation - ohne gezielte Unterstützung nach Erwerb der FE. Von formalen zu informellen Regeln - unter sozialem Druck. Volles Risiko - ohne Schonraum: Fehler sind nicht erlaubt! Intuitives Lernen nach „Versuch und Irrtum“. Zumutbar für Neulinge in einem gefährlichen Lebensbereich? Dazu: jugendtypisch Sicherheitsprobleme: Hoher Stellenwert des Erprobens: „König der Gefahren“ ist nicht der, der Gefahren meidet, sondern der, der sie besiegt. Subjektiv geringe Irrtumswahrscheinlichkeit: Selbstüberschätzung.

Konsequenzen: 1. Gesellschaftliche Verantwortung für schützende Rahmenbedingungen. 2. In der gesamten Fahrsozialisation müssen die Entwicklungs- und Lernstufen passend aufgegriffen werden! 3. Entwicklung und Lernen brauchen Zeit! Entwicklungsschritte, die beim selbständigen Fahren wichtig sind - wie die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, oder die Kontrolle der eigenen Emotionen, gerade wenn es Probleme gibt – brauchen Zeit!

Drei Bereiche unterschiedlicher Kompetenzen als Voraussetzung sicheren Fahrens Fahrzeugbeherrschung und Reaktionsfähigkeit Voraussetzung des Fahrenlernens Wahrnehmungskompetenz Gefahrenkognition und Gefahrenantizipation: Situationseinschätzung Psychosoziale Kompetenz Grundlage des Sozialverhaltens im Straßenverkehr Wodurch selbst “gelenkt”? ... Von der Kontrolle des Fahrzeugs zur Selbstkontrolle ... 15

GADGET: Guarding Automobile Drivers through Guidance Education and Technology

Erfahrung und Lernen sind Voraussetzungen für sicheres Fahren. Problem: Diese Erfahrung wird meist in der gefährlichsten Phase gewonnen - in den ersten Jahren selbständigen Fahrens: "experience paradox“. Was tun? Ist Erfahrung komprimierbar? Mögliche Lösung: Supervision in dieser Lernphase, Auflagen zur Verringerung des Risikos.

Ziele von begleitetem Fahren und Auflagen: Lernen bei verringertem Risiko, gleichzeitige Unterstützung und Kontrolle 1 : 1 Lernsituation, Unmittelbare Einwirkung (kontingent), eingeschränkte Fahrzeugnutzung; auch: Desattraktivierung des Autofahrens? verlängertes und verteiltes Lernen, psychische Entlastung durch klare Regeln, verstärkte Motivation, nicht aufzufallen. 20

Lern- und entwicklungsbezogen: Lern- und entwicklungsbezogen: Graduierungssysteme - die Zukunft auch in Deutschland? 21

Graduated driver licensing 22

23

Zwei Seiten einer Medaille: Fähigkeiten fördern (durch Lernen) und Risiken verringern (durch schützende Rahmenbedingungen) - integriert in eine gestufte Fahrsozialisation und in ein gesellschaftliches Sicherheitskonzept: Road Safety is No Accident (WHD 2004): „Vision Zero“ - auch für Deutschland! 24